Elizabeth - Heide-Renate Döringer - E-Book

Elizabeth E-Book

Heide-Renate Döringer

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Beschreibung

Eliza, wie sie gerufen wurde, erblickt als siebtes von 15 Kindern des englischen Königs George III. und seiner Gemahlin Charlotte 1770 in London das Licht der Welt. Ihre Kindheit und Jugend verbringt die Prinzessin im Kreise der königlichen Familie, wo sie unter strenger Aufsicht von Eltern und Lehrern eine umfassende Ausbildung erhält. Eliza kann sich ihren Lieblingsbeschäftigungen der Botanik und der Kunst widmen, aber es ist ein Leben im goldenen Käfig. Die junge Frau möchte heiraten und einen eigenen Hausstand gründen, doch die Eltern verhindern stets die ersehnte Ehe. Erst im Alter von 48 Jahren kommt es zur Hochzeit mit Friedrich VI. Joseph von Hessen-Homburg, der für seine verschuldete Landgrafschaft eine reiche Frau sucht. Erstaunlicherweise werden Eliza und ihr Fritz ein sehr glückliches Ehepaar, und mit Hilfe der englischen Mitgift können in Homburg Stadt, Schloss und Gartenlandschaft renoviert und modernisiert werden. Eliza ist eine lebenserfahrene, kluge Landesherrin, die mit ihren wohltätigen Werken die Herzen der Menschen gewinnt. Auch nach dem frühen Tod ihres Gemahls kümmert sie sich unermüdlich weiter um Land und Leute. Noch heute gedenkt man auf vielfältige Weise dieser englischen Prinzessin, die kaum Deutsch sprach und dennoch eine allseits verehrte Homburgerin wurde.

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Für Sanne

Landgräfin Elizabeth von Hessen Homburg, 1831

Samuel William Reynolds (1773-1835) nach Henry Edridge

Time is very slow, for those who wait

Very fast for those who are scared.

Very long for those who lament.

Very short for those who celebrate.

But for those who love, time is eternal.

William Shakespeare

1564-1616

Vorbemerkungen

Das Jahr 2020 sollte für Bad Homburg vor der Höhe ein ganz besonderes Jahr werden, denn die Stadt wollte an die beliebte englische Landgräfin Elizabeth (1770-1840) erinnern und ihren 250. Geburtstag gebührend feiern. Zwar sollten am 22. Mai 2020 nicht wie in jenen Tagen zweihundert Kanonenschüsse über Schloss und Stadt knallen, aber die Schlösserverwaltung hatte ein Bürgerfest mit Geburtstagstorte geplant und umfangreiche Vorbereitungen getroffen. Frau Dr. Katharina Bechler, Leiterin des Fachgebiets Museen bei der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen kuratierte eine Ausstellung, die erstmals einen Bogen über alle bedeutenden Wirkungsbereiche dieser beliebtesten aller Landgräfinnen spannt. Im Englischen Flügel des Schlosses, den sich Elizabeth nach dem Tod ihres Gatten Landgraf Friedrich VI. Joseph als Witwensitz ausbauen ließ, spiegelt sich die Lebenswelt der Landgräfin wider. Eine filmische Bildpräsentation informiert in englischer und deutscher Sprache über das Leben der Prinzessin am Königshof in London, und im Ahnensaal begegnen die Besucher Beispielen ihrer künstlerischen Arbeiten und ihrer Sammelleidenschaften. Da Elizabeth sich besonders für die Pflege der englischen Gartenkunst interessierte, hat man sich um neue Erkenntnisse anhand der Lieferlisten der Royal Botanic Gardens Kew in London bemüht. Für die Besucher ist ein umfangreiches Besichtigungsangebot bereitgestellt worden. Wer im Anschluss an den Ausstellungsbesuch durch den Schlosspark wandert, kann an vielen Plätzen die mit einem »E« auf blauem Grund angebrachten Hinweisschilder entdecken, welche auf Elizas Anpflanzungen und Gartengestaltung aufmerksam machen. Weiterhin sind etliche themenbezogene Vorträge an unterschiedlichen Orten der Stadt geplant.

Dann kommt die Pandemie, und alles ändert sich. Das Museum muss geschlossen werden, Führungen sind nicht mehr möglich, Vorträge werden abgesagt oder als Webinar angeboten. Nur ein fünfminütiger Film mit dem Titel »Happy Birthday Eliza« kann im Internet kostenlos abgerufen werden. Und trotz der vielen nicht stattfindenden Veranstaltungen erinnert noch so vieles an Elizabeth: Da sind zum Beispiel die Artikel in LOUISe, dem Bad Homburg Magazin, die Beiträge in der lokalen Presse, die Werbeplakate innerhalb der Stadt und immer wieder der Blick auf das Schloss beim Spaziergang durch den Park. So liegt es nahe, Eigeninitiative zu zeigen, selbst zu forschen, Notizen zu machen, Literatur zu besorgen und wenn möglich, im Archiv zu stöbern, um in Buchform dieser außergewöhnlichen Frau zu gedenken – Eliza, wie sie in Homburg ganz familiär genannt wird, der eingeheirateten englischen Prinzessin, die als Landgräfin vor mehr als 200 Jahren das Leben vieler Bürger so grundlegend verbessert hat.

Inhalt

Teil 1

Elizabeth – die englische Prinzessin

Die Familie

Die Residenzen der Königlichen Familie

Kew Gardens

Frogmore House

Die Erziehung der Prinzessin

Sir Joseph Banks – Mentor und Freund

Im Frogmore House

Alleyne Fitz Herbert, 1. Baron St. Helens

The History of England

Ein Hoffnungsschimmer

Ein erster Brief

Teil 2

Eliza und Fritz – ein Landgrafenpaar

Auf dem Weg in eine neue Heimat

Ankunft in Hessen-Homburg

Der Schlossteich

Der Weiße Turm von Homburg, 1834

Libanon-Zedern

Ein erstes großes Familienfest im Schloss

Das neue Landgrafenpaar

Die Landgräfliche Gartenlandschaft

Landgraf Friedrich V. Ludwig u. Caroline

Wanderung in den Tannenwald

Eine neue Generation

Die Elisabethenschneise

Die Landgräfliche Gartenwelt Homburg

Der Schlossgarten

Die Prinzengärten

Der Kleine Tannenwald

Ein erstes Fest im Kleinen Tannenwald

Hirschgarten und Forstgarten

Bauvorhaben in der Stadt

Die Renovierung des Schlosses

Hausstand

Zu Besuch bei Eliza und Fritz

Der Hofmaler Johann Friedrich Voigt (1792-1871)

Das Gotische Haus

Meisenheim – die Sommerresidenz

Der Weg nach Meisenheim am Glan:

Friedrichsdorf

Dillingen

Tod des Landgrafen

Teil 3

Witwenjahre

Der Englische Flügel

Waisen-, Arbeits- und Versorgungshaus

Hoffnung und Heilige Elisabeth

Elizas Freizeitgestaltung

Literatur und Kunst

Die Bibliothek – Ein Lieblingsort

Eliza – die Sammlerin

Volkssagen an Rhein und Neckar

Der Mäuseturm zu Bingen am Rhein

Die Loreley / The Lady of the Lurley

Weitere Sammelalben

Ein Rätsel

Die Herbarien-Pflanzenzeichnungen

Die Künstlerin

Auf Reisen

Hannover – Der Hof ihres Bruders Adolphus Frederick

Zufluchtsort der späten Jahre

Reisen nach England

Letzte Jahre

Die Verwandtschaft im Schloss

Das letzte Familienfest

Eine Zweitwohnung in Frankfurt

Louise van Panhuys

Isabella Perceval (1801-1885)

Johann Isaak von Gerning (1767-1837)

Das Ende einer bemerkenswerten Frau

Ein gnädiger Tod

Der Nachlass

Anmerkungen

Daten

Würdigung

Nachwort

Literaturliste

Teil 1

Elizabeth die englische Prinzessin

»My home is a castle«

König George der Dritte, der Vater

1738-1820

König George

Mezzotinto nach einem Gemälde von Thomas Frye, 1710-1752

König George III. ist der dritte britische Monarch aus dem Hause Hannover, jedoch der erste, der in Großbritannien geboren wird und dessen Muttersprache Englisch ist. Nach dem Tod seines Großvaters am 25. Oktober 1760 tritt George die Nachfolge an und wird König von Großbritannien, König von Irland sowie Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg (»Kurhannover«).

In Georges Herrschaftszeit, die länger dauert als die jedes britischen Monarchen vor ihm, fallen der Gewinn der französischen Kolonien in Kanada und der französischen Besitzungen in Indien (1763), aber auch der Verlust eines großen Teils der nordamerikanischen Kolonien im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775-1783). Die über zwei Jahrzehnte dauernden Koalitionskriege gegen Frankreich enden 1815 mit der Niederlage Napoleons in der Schlacht bei Waterloo; auch kann die britische Dominanz auf den Weltmeeren ausgebaut werden.

Neben seinen Regierungsaufgaben ist der König sehr an Kunst interessiert und gründet die London School of Arts, außerdem sammelt er mathematische und wissenschaftliche Instrumente, unterstützt Wilhelm Herschel bei seinen Teleskop-Versuchen und ernennt ihn nach der Entdeckung des Uranus am 13.3.1781 zum Hofastronom. Der König hat eine Privatbibliothek mit 65.000 Büchern, die von allen Familienmitgliedern benutzt werden können. Seine Vorliebe für die Landwirtschaft und das einfache Leben tragen ihm schließlich den Spitznamen Farmer George ein. Der König unternimmt kaum größere Reisen und verbringt sein gesamtes Leben im Süden Englands. Da George all seine Interessen mit der Familie teilt, ist es nicht verwunderlich, dass Eliza sich zu einer interessanten, gebildeten Frau entwickelt.

Die zweite Hälfte der Regentschaft des Königs George III. ist von einer zunächst sporadisch auftretenden und schließlich permanenten Geisteskrankheit geprägt. Heute wird angenommen, dass die Krankheit Folge einer Stoffwechselstörung (Porphyrie) war. Im Jahre 1810 ist der König fast blind, und 1811 hat sich sein Geisteszustand derart verschlechtert, dass sein ältester Sohn, der Prince of Wales, als Prinzregent eingesetzt werden muss, um die Amtsgeschäfte zu übernehmen. Im Jahre 1820 tritt er als George IV. die Thronfolge an.

Königin Sophie Charlotte, die Mutter

1744-1818

Königin Charlotte 1775

nach Johann Zoffany, 1733-1810

Sophie Charlotte Strelitz wird am 19. Mai 1744 in Mirow in der Nähe von Neustrelitz geboren. Sie erhält eine vorzügliche Ausbildung in naturwissenschaftlichen, musischen und landwirtschaftlichen Fächern und spricht bald mehrere Sprachen; zudem ist sie eine geistvolle Briefschreiberin. Ein fiktiver Brief an den preußischen König, in dem sie sich über das Betragen der preußischen Armee in Mecklenburg beschwert, erlangt Berühmtheit, wird gedruckt und gelangt so nach England, wodurch Prinz George auf die Prinzessin aufmerksam wird. Nach gründlichen Recherchen beschließt er, sie zu seiner Gemahlin zu machen. Der britische Gesandte Earl Harcourt bittet stellvertretend für George III. um die Hand der Prinzessin und handelt mit Charlottes Mutter den Ehevertrag aus, der am 15. August 1761 unterschrieben wird. Schon zwei Tage später verlässt Charlotte ihre Heimat, reist über Hannover nach Stade, wo sie an Bord der königlichen Yacht geht. Am 8. September 1861 erreicht sie den St. James Palast und steht dort ihrem zukünftigen Gatten zum ersten Mal gegenüber. Schon am selben Abend findet in der königlichen Kapelle die offizielle Vermählung statt. Es wird eine glückliche Ehe ,basierend auf Toleranz und gegenseitiger Achtung. Die königliche Familie lebt ein nahezu einfaches, unkompliziertes Alltagsleben. Am 12. August wird der Thronfolger geboren, dem noch weitere 14 Kinder folgen, von denen zwei im Kindesalter sterben.

Die Familie

George III., Königin Charlotte und ihre ältesten sechs Kinder 1771

Richard Earlom (1742/43-1822)

Schabkunst nach einem Gemälde von Johann Zoffany

Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Bildes ist der König 32 Jahre alt. Seine sechs Jahre jüngere Frau, Königin Charlotte, hat ihm bereits sechs Kinder geboren und ist mit dem siebten schwanger. Auf dem Arm der Mutter sitzt Augusta Sophia, neben ihr steht die Kronprinzessin Charlotte Augusta Mathilde. In der linken Bildhälfte sieht man die vier ältesten Söhne: stehend George, der Prince of Wales, und Frederick, zu ihren Füßen William mit einem Kakadu und Edward, der mit einem kleinen King-Charles-Spaniel spielt.

Die Residenzen der Königlichen Familie

Buckingham Palace

Der Herzog von Buckingham hat das vor den Toren der Stadt gelegene Haus um 1710 erbaut, König George III. kauft es 1762 aus seiner Privatschatulle für 28.000 Pfund als Residenz für seine Familie. 14 seiner Kinder werden hier geboren, darunter auch Elizabeth. Im Jahre 1775 geht dieses Haus mit dem Flair eines Landsitzes auf Lebenszeit in den Besitz von Königin Charlotte über und heißt seit diesem Zeitpunkt nur noch Queen’s House. In dem großen Garten weiden Schafe und Kühe, auch finden hier ein Zebra und ein Elefant ihren Lebensraum; die beiden exotischen Tiere gehören in jenen Tagen zu den Sehenswürdigkeiten Londons und sind nicht nur eine Freude für die königlichen Kinder.

Schloss Windsor

Ein zweiter Wohnsitz der Familie ist Schloss Windsor. Diese schon im 11. Jahrhundert entstandene Königsburg wurde von den britschen Monarchen nur teilweise genutzt. Königin Elizabeth I. (1533-1603) ließ das Schloss verschönern und mit einer 380 Schritt langen Terrasse versehen, von der aus man einen Blick über Wiesen und Felder hat. Unter König George III., Elizas Vater, gewinnt Windsor nach einer Zeit der Vernachlässigung wieder an Bedeutung. Von 1778 bis 1782 errichtet man nach den Plänen des berühmten Architekten William Chambers ein neues großes Gebäude außerhalb der eigentlichen Schlossanlage, das vornehmlich für die Königin gedacht ist und deshalb Queen’s Lodge genannt wird. Als kranker König lebt George III. später in dieser friedvollen Umgebung bis zu seinem Tode.

Kew Gardens

Die Royal Botanic Gardens Kew (Kew Gardens) sind eine ausgedehnte Parkanlage mit bedeutenden Anpflanzungen, die im Südwesten Londons am Ufer der Themse gelegen ist. Ursprünglich als Lustgarten konzipiert, dienten die Gärten seit 1759 zum ersten Mal als botanische Gärten. König George III., der Farmer, ist sehr an Landwirtschaft, Pflanzenanbau und Gartenkunst interessiert und gibt im Jahre 1784 den Auftrag hier Kew Palace, die dritte Königliche Residenz zu bauen.

Die Königin liebt es, sich hier mit ihren Töchtern aufzuhalten, naturkundliche Studien zu betreiben, zu pflanzen, zu säen und zu malen. Der bekannte Botaniker und Illustrator Robert Thornton berichtet in seinem Werk über die von Karl von Linné neu eingeführte Planzensystematik, dass es in den Gärten von Kew keine Pflanze gebe, die nicht von den königlichen Hoheiten gemalt worden sei.

»There is no plant in the Gardens at Kew that neither has been drawn by her gracious majesty with a grace and skill which reflect on these personages with the highest honour. «

Der englische Name des Palastes heißt auch Castellated Palace (mit Türmchen und Zinnen versehen), James Wyatt ist der Architekt. Prinzessin Eliza hat ein Bild dieses Gebäudes in ihr Erinnerungsbuch geklebt, und nimmt es mit nach Homburg. Bei genauem Betrachten finden sich darauf frappierende Übereinstimmungen mit dem Äußeren des Gotischen Hauses, für dessen Planung Eliza später zuständig sein wird.

Die Gärten von Kew im 18. Jahrhundert

Frogmore House

Im Jahre 1792 kauft der König für seine Frau das Landhaus Frogmore House, das etwa zwei Kilometer südlich von Windsor Castle im Home Park gelegen ist. Es wird zu einem weiteren beliebten Aufenthaltsort für die Königin und ihre Töchter, die in den Parkanlagen ihren künstlerischen und botanischen Neigungen nachgehen können. Aufgrund der Froschpopulation in den umliegenden Gärten und der damit verbundenen Geräuschkulisse, erhält das Gebäude seinen Namen Frogmore.

Frogmore House Ende 18. Jahrhundert

Die Erziehung der Prinzessin

Prinzessin Elizabeth von Großbritannien und Irland, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg, wird am 22. Mai 1770 im Londoner Queen’s House als Tochter von George III. und seiner Gattin Charlotte aus dem Hause Mecklenburg-Strelitz geboren. Von den 15 Nachkommen des Königspaares (neun Jungen und sechs Mädchen), ist sie das siebte Kind, die dritte Tochter. In einer ersten Beschreibung heißt es, sie sei ein dickes Kind, nicht gerade passend für eine Prinzessin. Ihre Lehrerin Miss Planta erwähnt später, dass die Dreijährige immer noch dick ist, aber ein beeindruckendes Wesen zeigt – ein gesundes Selbstbewusstsein, das ihr hilft in dieser Welt zu bestehen, in der die anderen Prinzessinnen wegen ihrer Figur und ihres Aussehens bewundert werden. Miss Planta erklärt:

»Princess Elizabeth is a lovely little fat sensible thing and so tidy, that she never leaves her needles, or scrap of work without putting them all in a tiny bag, for the purpose.«1

»Prinzessin Elizabeth ist ein liebenswertes kleines dickes sensibles Ding und so ordentlich, dass sie niemals ihre Nadeln oder Reste herumliegen lässt, sondern alles in einen kleinen Beutel steckt, der extra dafür bestimmt ist.«

Alle Prinzessinnen werden von frühester Kindheit an zum Lernen angeregt. Eine ihrer Lehrerinnen, Lady Charlotte Finch, spricht ihnen, sobald sie reden können, schon Sprichwörter vor, die sie dann auswendig nachplappern. Die Maxime, die Elizabeth und ihre Lieblingsschwester Auguste immer wieder in Erinnerung an ihre Kindheit aufsagen, lautet:

»Content is wealth, the riches of the mind, and happy he who can that treasure find!«2

»Zufriedenheit ist Reichtum des Verstands, glücklich der, welcher diesen Schatz findet.«

Dabei ist anzumerken, dass Elizabeth, die in der Familie nur Eliza genannt wird, viele Jahre eher mit Frustration als mit Zufriedenheit gesegnet ist, denn letztere findet sie erst in ihrer späten Ehe und während der Zeit in Homburg.

Miss Planta, eine beliebte Lehrerin der jungen Prinzessinnen, entwickelt eine Anzahl von erzieherischen Mitteln, die das Gedächtnis der Schülerinnen stärken und ihr Wissen erweitern sollen. Da gibt es Spielkarten mit der Geschichte Englands, der Reihenfolge der Herrscher, der europäischen Länder, der Übersee-Kolonien usw. Ein wichtiger Unterrichtszweig ist die Aneignung einer guten Handschrift, wofür ein spezieller Lehrer, Mr. Bulley, eingestellt wird. König George III. selbst hat keine Sekretärin, sondern schreibt alle seine persönlichen Briefe eigenhändig. Das gleiche erwartet er von seinen Söhnen, die vielleicht in späteren Jahren im Ausland Dienst tun, und von seinen Töchtern, die fernab vom Hofe verheiratet sein könnten. Mit Blick auf dieses spätere Leben lernen die Königskinder neben Französisch auch Deutsch durch Reverend Heinrich Schrader, einen Pfarrer von der Savoy Chapel, denn alle sollen auch mit ihren Verwandten jenseits des Ärmelkanals kommunizieren können. In vieler Hinsicht ist die Erziehung der Prinzessinnen genau so streng wie die der Prinzen, da die kluge und selbstbewusste Königin der Ansicht ist, dass Frauen mit einer guten Erziehung ebenso fähig sind wie Männer.

Prinzessin Elizabeth

als 13-Jährige auf einem Stich von

George Sidwell Sanders, 1810-1878

Der Platz in der Mitte der Kinderschar ist praktisch für Elizabeth, denn hier fällt sie nicht auf und kann sich so ihren Neigungen widmen. Ihre Erzieherinnen berichten: Es stört sie nicht, dass Charlotte, die Kronprinzessin, eine besondere Stellung einnimmt, und Mary, das als nächstes geborene Mädchen, die Schönheit der Familie werden wird. Die Charaktereigenschaften der Eliza zeigen sich früh: Sie ist offen, gradlinig, heiter, humorvoll, so geschwätzig wie all ihre Geschwister, aber auch äußerst wissbegierig und lernfreudig.

Königin Charlotte schart ihre Töchter stets um sich, und gemeinsam verbringen die Damen einen Großteil ihrer Zeit mit Handarbeiten und dem Zusammenstellen von Büchern. Hierfür kopieren sie historische Texte und illustrieren sie mit Kalligraphie, kleinen Zeichnungen und ausgeschnittenen Graphiken und Silhouetten. Die reichen Bestände der Königlichen Sammlungen in Windsor und London sind Vorbild und Ausbildungsgrundlage; sie regen Eliza zu ihrer eigenen Sammlung von Buchkunst und Graphik an.

Am Hofe verkehren auf Einladung des Königs ständig Künstler und einige der Maler und Zeichner werden angestellt, um die begabteren der Prinzessinnen zu unterrichten. Zu diesen Lehrern gehören Benjamin West (1738-1820), Samuel Reynolds sowie Francesco Bartolozzi (1727-1815), William Beechey (1753-1839) und J. H. Ramberg (1763-1840). Schon früh zeigen sich Elizas Interesse an Kunst und eine zeichnerische Begabung; seit Kindestagen schleppt das Mädchen ständig einen Beutel mit Bleistift, Kohle, Feder, Pinsel und Schere mit sich herum, um ihr Handwerkszeug immer bereit zu haben. Voller Überzeugung erklärt sie:

»There is nothing so fascinating as one’s own pencil!«

»Nichts ist faszinierender als ein eigener Stift.«

Während ihrer intensiven Beschäftigung mit der bildenden und angewandten Kunst probiert Eliza fast alle üblichen Techniken des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts aus. So lernt sie durch die Künstler am Hof auch die Schabkunst kennen, eine Sonderform des Tiefdruckverfahrens, die zu diesem Zeitpunkt in Großbritannien sehr en vogue ist und häufig auch Mezzotino oder Englische Manier genannt wird. Schabkunst unterscheidet sich von allen anderen druckgraphischen Techniken des 18. Jahrhunderts dadurch, dass die Darstellung nicht aus Linien, sondern nur aus flächigen Hell- und Dunkeltönen besteht. Eliza versucht sich selbst daran und sammelt gleichzeitig viele Blätter bekannter zeitgenössischer Künstler, die ihr geschenkt werden, bis sie später einige selbst erwerben kann. An ihrem Lebensende umfasst die Sammlung über 1000 Exemplare.

Neben der Kunst ist Botanik die zweite große Leidenschaft der Prinzessin. Die Nähe zu Kew Gardens und die Unterstützung ihrer Eltern erlauben es ihr, die Natur zu studieren und mit den bedeutendsten Wissenschaftlern der Zeit zu kommunizieren. Königin Charlotte hat schon als junges Mädchen Unterricht in Naturphilosophie, Mineralogie und Botanik erhalten. Sie kümmert sich mit großem Einsatz um die Instandsetzung und Verschönerung der königlichen Gärten, und das britische Volk verleiht ihr deshalb den Ehrentitel Queen of Botany. Der Botaniker Joseph Banks bringt seine Bewunderung für die Königin zum Ausdruck, indem er die gerade in Südafrika entdeckte Paradiesvogelblume Strelitzie2 tauft, in Anlehnung an die Heimat der Königin.

Die königliche Familie macht bei Wind und Wetter Spaziergänge in den Gärten. Alle Söhne und Töchter müssen mit und werden auch stets zur Gartenarbeit angehalten. Elizas Interesse an der Natur und an Kew Gardens beruht nicht nur auf dem Einfluss ihrer Eltern, sondern hat auch mit einer schweren Krankheit zu tun. Im