Ende mit Hopsasa und Trallala - Hermann Severin - E-Book

Ende mit Hopsasa und Trallala E-Book

Hermann Severin

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Beschreibung

Der gesellschaftspolitische Essay ist ein teils zorniger, teils verwunderter Zwischenruf aus der Mitte der Gesellschaft. Nicht politisch korrekt, sondern erfrischend unkonventionell. Er beschränkt sich nicht auf Beschreibungen und Kritik, sondern strotzt vor konkreten Vorschlägen, die in keine ideologisch vorgefertigten Schubladen passen. Anschaulich und plausibel, nie verletzend, und überraschend konstruktiv. Ein interessanter, intelligenter und unterhaltsamer Diskussionsbeitrag im Wahljahr.

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Meinen Kindern Severine, Isabelle, Fabian und ihrer wunderbaren Generation

Inhalt

Ausgangslage

Zusammenhalt und Abgrenzung

Die gespaltene Gesellschaft

Ende der Reparaturen

Von der Widerspruchs- zur Gestaltungsgesellschaft

Alternativlose Entscheidungen

Der Bürgerstaat

Das Sozialsystem

Das Steuersystem

Die Agrarpolitik

Die Justiz

Der Strafvollzug

Das Versicherungssystem

Der Föderalismus

Die Medienlandschaft

Das Flüchtlingsproblem

Geschichtsvergessenheit

The German Angst

Alles zu simpel

Quod erat demonstrandum

»Liebe Nachwelt,

wenn Ihr nicht gerechter, friedlicher und überhaupt vernünftiger sein werdet, als wir sind bzw. gewesen sind, so soll Euch der Teufel holen.«

Albert Einstein

»Ein allgemeiner Fehler der Menschheit ist, nicht in Zeiten der Meeresstille mit dem Sturm zu rechnen.«

Niccolo Machiavelli

Liebe Leserin,

lieber Leser,

warum habe ich diesen Essay geschrieben?

Ich habe als Rechtsanwalt gearbeitet und war einige wenige Jahre politisch aktiv.

Ich habe den sicheren Eindruck, dass sich unsere Politiker und diejenigen, die in den Medien berichten und Meinung verbreiten, in einer Echokammer befinden, ohne sich dessen bewusst zu sein oder es gewollt zu haben.

Ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit ist dadurch stark verzerrt. Sie beschäftigen sich miteinander und bestätigen sich gegenseitig. »Das Volk da draußen« (Diktion der Gefangenen in dieser Echokammer) wird als Objekt der Belehrung und der Manipulation wahrgenommen, nicht als zahlender Auftraggeber.

Diejenigen, die sich beworben haben und beauftragt wurden, Probleme zu lösen, sind zum Problem geworden.

Ich werfe einen Stein, um einen Beitrag zu leisten, die Wände der Echokammer von außen zu zerbrechen, nicht um jemanden zu verletzen.

Ihr

Hermann Severin

Ausgangslage:

Was bewegt mich, diesen Zwischenruf zu machen?

Es ist der Zorn darüber, dass unsere politische Diskussion der Einfachheit und Klarheit aus dem Weg geht und sich in immer weitere Komplikationen verstrickt.

Es ist der Zorn darüber, dass an die Stelle der Information die Desinformation tritt.

Es ist das fassungslose Staunen, wie eine Hopsasa- und Trallala- Gesellschaft die Gegenwart verwaltet und die Zukunft nicht gestaltet.

Es ist das völlige Unverständnis dafür, wie wir ohne Berücksichtigung geschichtlicher Zusammenhänge die gegenwärtigen Probleme zu bewältigen versuchen.

Wenn es nicht Unvermögen ist, sondern Strategie, dann hat sie das Ziel, nichts entscheiden zu müssen und den jetzigen Zustand zu erhalten und maximal an verschiedenen Stellschrauben nachzujustieren.

Dies ist doch nicht ganz schlecht, sagen Sie?

Sehr wohl, meine ich! Dieser Weg ist fatal. Während er vorgibt, Gefahren und Risiken zu minimieren, führt er direkt in ein die Gesellschaft existenziell bedrohendes Minenfeld.

Ich übertreibe?

Schauen wir uns die Ausgangslage kurz genauer an:

Innenpolitisch lavieren wir uns ohne Konzept und Richtung durch und beschäftigen uns damit, ein zufällig nach oben gespültes Problem irgendwie zu entschärfen. Meistens geschieht dies dadurch, dass wir es zerreden und ungelöst lassen, weil ein anderes sich nach vorne schiebt und unsere Aufmerksamkeit ablenkt.

Die Außenpolitik haben wir von den geschichtlichen Entwicklungen abgekoppelt und erwarten, dass sich die ganze Welt irgendwie in Richtung unserer Vorstellungen von Demokratie und Freiheit entwickelt. Voller Unverständnis blicken wir auf Weltregionen, die mit unseren Begriffen nichts anfangen können oder sie keineswegs attraktiv finden.

Dabei haben wir uns in der »westlichen Wertegemeinschaft« eine Arroganz angewöhnt, die uns unfähig macht, andere Vorstellungen überhaupt wahrzunehmen, geschweige denn zu ertragen.

Da überrascht es nicht, dass wir mit der Behauptung, Demokratie, Freiheit und Wohlstand zu exportieren, ganz andere Interessen verfolgen und in der übrigen Welt als gottverdammte Heuchler angesehen werden.

Wir ermutigen andere Gesellschaften für »unsere Werte« zu kämpfen (z.B. Maidan und arabischer Frühling), begleiten deren verzweifelten Kampf mit unseren guten Wünschen und richten unseren Blick wieder woanders hin, wenn wir nicht sehen können, was wir angerichtet haben.

Wir meinen, uns dies leisten zu können. Schließlich gehören wir ja dem nach eigener Einschätzung mächtigsten Militärbündnis der Welt an.

Dabei sind unsere Angebote nicht einmal ehrlich. Echte Geschwisterschaft bieten wir nicht an, sondern herablassende Aufnahme in die Familie auf Bewährung, maximal Adoption, unter der Voraussetzung, dass die bestehenden Regeln übernommen und eingehalten werden.

Wir sind dabei, alle Chancen, die das Ende des Kalten Krieges und die Auflösung des Ostblocks und der Sowjetunion eröffnet haben, in beispielloser Geschichtslosigkeit zu verspielen.

Wir sind weder gerechter, friedlicher, noch vernünftiger als die Generationen vor uns. Im Gegenteil! Wenn sich der Fluch Albert Einsteins bewahrheitet, wird uns auf diesem Weg der Teufel holen.

Dabei haben wir es in unserer Hand, dies zu verhindern.

Wenn wir es durch den Gebrauch unserer Vernunft allein nicht schaffen, dann können wir in der Natur ein Beispiel finden. Die Matrix des Überlebens finden wir dort.

Alle Organismen würden zu lebensunfähigen Zellhaufen zerfallen, wenn sie sich so unintelligent verhielten, wie wir unser Zusammenleben auf dem Planeten Erde organisieren. Wir suchen unsere Identität in der Abgrenzung:

Hie Welf, hie Waiblingen! Hie Katholik, hie Protestant! Hie Christ, hie Moslem! Hie Europäer, hie Afrikaner. Hie Kultur, hie Barbarei. Hie Freund, hie Feind! Oder neuerdings: America first!

Der unvernünftige Organismus regelt diese Probleme durch Osmose und permeable Membranen.

Wohin uns unsere Heuchelei führt, sehen wir am Ausgang der amerikanischen Wahlen 2016. Donald Trump konnte nur auf derjenigen Leiter hochklettern, die die Profis aus Politik und Medien in Jahrzehnten gezimmert haben.

Zusammenhalt und Abgrenzung

Unsere Gesellschaft besitzt ein sehr starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit. Dies hat sie im Zeitraum von zwei Generationen zweimal bewiesen: bei der Gründung der Bundesrepublik im Jahre 1949 und bei der Wiedervereinigung im Jahre 1990.

Nach einer beispiellosen zivilisatorischen Katastrophe, für die der Name Auschwitz steht, und nach der Aufteilung des Landes in vier Besatzungszonen, fiel die Gesellschaft nicht auseinander, sondern konstituierte sich neu.

Das Grundgesetz wurde allerdings mit einem Schönheitsfehler geboren. Es wurde damals nur von einer handverlesenen Elite beraten und beschlossen und der Gesellschaft nie zur Abstimmung vorgelegt.

Ähnliches wiederholte sich im Jahre 1990. Vierzig Jahre Trennung als Frontstaaten in zwei sich feindlich gegenüberstehenden Systemen haben nicht vermocht, das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu vernichten. Die Gesellschaften haben sich vereinigt. Auch diesmal wurde die Verfassung nicht von der Gesellschaft beraten, sondern die bisherige weiterverwendet, und die Vereinigung zweier Gesellschaften als Eintritt der kleineren in die größere behandelt.

Sie sagen, was soll es? Funktioniert doch.

Richtig. Die Legitimation ist durch widerspruchslose Annahme und Praxis eingetreten, argumentieren die Staatsrechtler. Unabhängig davon, ob dies richtig ist, zeigt es eine wichtige Eigenschaft unserer Gesellschaft.

Wir sind eine Widerspruchsgesellschaft, keine Gestaltungsgesellschaft.

Begehren wir nicht auf und nehmen eine Regelung hin, dann tritt Legitimität ein. Nach der geläufigen Maxime:

Wer schweigt, stimmt zu.

Die Gesellschaft hat sich daran gewöhnt, ihre Gestaltungsmacht nicht auszuüben und erst dann tätig zu werden, wenn sie mit der Art der Ausübung dieser Macht durch die Delegierten (Parteien) nicht einverstanden ist. Dies ist außerordentlich bequem, hat nach der Euphorie des Jahres 1990 bei vielen zu enttäuschter Ernüchterung geführt und ist brandgefährlich, denn diese Übung widerspricht nicht nur den Grundprinzipien unserer Verfassung, sondern spaltet die Gesellschaft in Akteure und Publikum.

Nach unserer Verfassung wirken die Parteiorganisationen an der politischen Willensbildung mit, sie bestimmen sie nicht.

Ist das die Realität? Haben nicht vielmehr die Parteien die Theaterbühne erobert und gestalten die Aufführung, während sich die Gesellschaft als Publikum im Zuschauerraum eingerichtet hat?

Bundespräsident Richard von Weizsäcker meinte dazu, die Parteien haben den Staat als Beute genommen (1982) und der jüngst verstorbene Bundespräsident Roman Herzog forderte die Gesellschaft auf, einen Ruck durch Deutschland gehen zu lassen (1997).

Diese Politiker schauten verwundert auf die Gesellschaft und konnten nicht verstehen, dass sich angesichts dieser Rollenverteilung kein Widerspruch regt.

Man könnte meinen, die Leute sind eben zufrieden damit, wie es ist. Wer schweigt, stimmt zu.

Trifft diese Bewertung zu oder ist es nicht viel gefährlicher, als es die beiden Bundespräsidenten wohl sahen?

Sie wunderten sich öffentlich, dass die Gesellschaft bei ihrer geradezu provokativen Entmachtung nicht in Bewegung kommt und schweigt. Resignierend zuckten sie mit den Schultern: Ja, wenn die das so wollen. Wir haben jedenfalls darauf hingewiesen.

Der entscheidende Punkt wurde aber nicht gesehen:

Der Satz, wer schweigt, stimmt zu, der die Legitimität unserer Widerspruchsgesellschaft begründet, ist nämlich falsch.

Es gibt viele Gründe, zu schweigen. Das stillschweigende Einverständnis mit den bestehenden Zuständen ist nur einer davon. Es kann ein Schweigen aus tiefster Verzweiflung, aus dumpfer Dummheit, aus feiger Faulheit und auch aus verantwortungsbewusster Klugheit sein. Dem Schweigen sieht man sein Motiv nicht an.

Das gefährliche Schweigen ist das derjenigen, die schweigend das Theater verlassen haben, denn unser Blick richtet sich nur auf die Bühne und den Zuschauerraum. Wer sich nicht dort befindet, ist aus dem Blickfeld verschwunden.

Im Theater sieht man, ob Zuschauer gehen oder gegangen sind.

Es bleiben leere Stühle. Und Schauspieler, die vor einem halb leeren Haus spielen, bekommen ein ungutes Gefühl. Diejenigen, die unserer Gesellschaft den Rücken kehren, also das Theater verlassen, hinterlassen aber keine leeren Stühle. Sie bezahlen sogar weiter. Man könnte meinen, das Haus sei voll.

Nur bei Wahlen halten wir erschrocken inne und fragen überrascht, warum so viele Wahlberechtigte nicht zur Wahl gegangen sind.

Dann beruhigen wir uns wieder: Wer schweigt, stimmt zu und ahnen doch, dass dies nicht stimmt.

Manche fordern hilflos und bevormundend die Einführung der Wahlpflicht, denn sie spüren, dass Schweigen bedrohlich sein kann.