Endlich Liebe für Dr. Driscoll - Joanna Neil - E-Book

Endlich Liebe für Dr. Driscoll E-Book

Joanna Neil

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Beschreibung

Wie keine Frau zuvor weckt Caitlin plötzlich zärtliche Gefühle in Dr. Brodie Driscoll. Aber ist sie so kurz nach ihrer Trennung überhaupt schon offen für eine neue Liebe? Brodie fürchtet, dass sie sich nur in seine Arme schmiegt, um ihren Ex eifersüchtig zu machen …

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Seitenzahl: 198

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IMPRESSUM

Endlich Liebe für Dr. Driscoll erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2015 by Joanna Neil Originaltitel: „Resisting Her Rebel Doc“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBEN, Band 101 Übersetzung: Susanne Albrecht

Umschlagsmotive: Asya_mix/GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 7/2021

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751507967

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Was wirst du tun?“ Molly stand am Schwesterntresen und sah die Unterlagen in dem Ablagekorb durch. „Willst du an dieser Hochzeit teilnehmen?“ Sie warf Caitlin einen mitfühlenden Blick zu. „Das muss für dich eine ziemlich schwierige Situation sein.“

Caitlin nickte. „Ja, das stimmt. Die letzten Wochen waren der reinste Albtraum. Für mich war das alles ein absoluter Schock, und im Moment weiß ich wirklich nicht, wie ich damit umgehen soll.“ Sie verzog das Gesicht und strich sich ein paar Haarsträhnen aus der Stirn. Ihre schulterlange kastanienbraune Lockenmähne band sie bei der Arbeit im Krankenhaus normalerweise zusammen. „Eigentlich möchte ich lieber nicht hingehen, aber ich wüsste nicht, wie ich mich davor drücken kann. Letztendlich ist Jenny nun mal meine Cousine. Meine Familie – und vor allem meine Tante – will mich sicher bei der Feier dabeihaben. Und ich will keinen Krach heraufbeschwören, indem ich einfach wegbleibe.“

Andererseits, wie sollte sie es ertragen, mit anzusehen, wie ihre Cousine den Mann heiratete, der noch vor Kurzem Caitlins große Liebe gewesen war? Sie und Matt hatten sogar über eine Verlobung gesprochen. Doch dann war Jenny aufgetaucht, und schlagartig hatte sich alles verändert.

Caitlin presste die Lippen aufeinander. Als sie heute Morgen zu Hause den Briefumschlag geöffnet und die wunderschöne Einladungskarte im Prägedruck herausgenommen hatte, war ihre Stimmung auf den absoluten Tiefpunkt gesunken. Sie hatte das dumpfe Gefühl, dass sich der Tag von diesem Augenblick an in einer Abwärtsspirale befand.

Kurz darauf hatte sie im Kühlschrank nur noch einen leeren Milchkarton vorgefunden. Einer ihrer Mitbewohner musste wohl die letzte Milch verbraucht und den Karton wieder in den Kühlschrank gestellt haben. Caitlin war fassungslos gewesen. Kein Kaffee vor der Arbeit? Undenkbar!

„Ja, Familie ist alles.“ Molly seufzte. „Manchmal muss man Dinge tun, die einem widerstreben, um den Frieden zu erhalten. Ich wünschte bloß, du würdest uns nicht verlassen. Ich weiß, wie schwer es dir fallen würde, mit Matt und Jenny zusammenzuarbeiten, aber wir werden dich schrecklich vermissen.“

„Ich euch auch“, antwortete Caitlin. Molly war eine hervorragende Kinderkrankenschwester und eine gute Freundin. Als Caitlin sich jetzt auf der Station umschaute, spürte sie eine bleierne Traurigkeit. Seit mehreren Jahren arbeitete sie in diesem Krankenhaus. Hier hatte sie ihre Fachausbildung zur Kinderärztin gemacht, sich mit den Kollegen angefreundet und so viele liebenswerte kleine Patienten kennengelernt.

Auch wenn es schwer sein würde, sie musste woanders noch einmal ganz neu anfangen. Matt hatte sie betrogen und zutiefst verletzt.

„Aber wir bleiben doch in Kontakt, oder?“ Entschlossen setzte sie eine fröhliche Miene auf. „Ich werde ja nicht allzu weit weg sein. Buckinghamshire ist nur etwa eine Autostunde entfernt.“

Molly nickte. Sie war eine hübsche junge Frau mit grünbraunen Augen und fast schwarzem Haar, das zu einem schicken, seidigen Bob geschnitten war. „Wirst du bei deiner Mutter wohnen? Du hast gesagt, dass sie jemanden in ihrer Nähe braucht.“

„Ja, ich dachte, es wäre eine gute Gelegenheit, mich ein bisschen mehr um sie zu kümmern, jetzt, da sie älter wird und hin und wieder ein paar Wehwehchen hat. Es hat mich schon eine ganze Weile beunruhigt, dass ich so weit weg bin.“ Caitlin lächelte. „Ich glaube, sie freut sich, wenn ich eine Zeit lang bei ihr wohne, bis ich was Eigenes gefunden habe.“

Sie blätterte die Patientenakten durch, die in einem ordentlichen Stapel auf dem Tresen lagen. Ihre ganze Welt würde sich verändern. Sie liebte ihre Arbeit und hatte sehr gründlich nachgedacht, bevor sie ihre Kündigung eingereicht hatte. Aber wie sollte sie hier weiterarbeiten, wenn Matt mit ihrer Cousine verheiratet war? Und Jenny wollte in diesem Krankenhaus ebenfalls eine Stelle annehmen.

Es war Caitlin noch immer fremd, an ihn als ihren Ex zu denken. Sie waren anderthalb Jahre zusammen gewesen. Daher hatte es sie tief getroffen, dass Matt sie nicht mehr liebte, sondern sich für eine andere Frau entschieden hatte.

„Natürlich muss ich mir dort einen neuen Job suchen, aber es gibt zwei Krankenhäuser in der Gegend. Das dürfte also nicht allzu schwierig werden. Hoffe ich zumindest.“ Sie straffte die Schultern und riss sich zusammen. Egal, wie groß der Schmerz war, ab jetzt musste sie ihre eigenen Pläne machen und versuchen, positiv in die Zukunft zu blicken. Sie sah Molly an. „Vielleicht können wir uns ja ab und zu mal treffen. Einen Kaffee trinken oder zusammen essen gehen.“

„Das wäre schön.“ Mollys Miene hellte sich auf. „Übrigens, der Laborbefund für den kleinen Jungen mit dem schmerzenden Knie ist da. Es scheint eine Infektion zu sein.“

„Hm.“ Rasch überflog Caitlin die Laborwerte. „Genau das, was wir vermutet haben. Ich werde veranlassen, dass der Orthopäde die Gelenksflüssigkeit punktiert, und danach bekommt der Junge sofort ein spezifisches Antibiotikum.“ Sie stellte das entsprechende Rezept aus und gab es Molly.

„Danke. Ich erledige das.“

„Gut.“ Caitlin runzelte die Stirn. „Ich würde gerne wissen, welche Fortschritte er macht. Aber ich vermute, dass Matt meine Patienten übernimmt, wenn ich weggehe. Ich werde meine kleinen Schützlinge vermissen.“

Nachdem sie den Orthopäden angerufen hatte, schaute sie bei einem Vierjährigen herein, der am Tag zuvor mit Atemwegsproblemen eingeliefert worden war. Der Kleine schlief, wobei er schnell und keuchend atmete. Auf dem weißen Kissen wirkte sein Gesichtchen kreideblass. Gestern war sein Zustand so schlecht gewesen, dass sie sich große Sorgen um ihn gemacht hatte. Aber als sie ihn jetzt abhorchte und die Monitore überprüfte, war Caitlin beruhigt.

„Es scheint ihm heute viel besser zu gehen“, sagte sie zu seinen Eltern, die besorgt an seinem Bett saßen. „Auf dem Röntgenbild war nichts Auffälliges zu erkennen. Deshalb können wir davon ausgehen, dass es einfach ein Asthmaanfall war. Die Schwester wird mit Ihnen sprechen, um herauszufinden, wie wir so etwas in Zukunft möglichst vermeiden können.“

Die Eltern waren erleichtert. „Danke, Doktor.“

Sofort kehrte Caitlin zum Tresen zurück, weil sie noch weitere Laborbefunde erwartete.

„Da ist ein Anruf für dich, Caitlin.“ Die Stationssekretärin hielt ihr den Hörer entgegen. „Klingt dringend.“

„Gut, danke.“ Caitlin nahm den Hörer. „Hallo, hier ist Dr. Braemar. Wie kann ich Ihnen helfen?“

„Hi, Caitlin“, hörte sie eine tiefe männliche Stimme, die ihr seltsam vertraut vorkam. „Ich weiß nicht, ob du dich noch an mich erinnerst. Es ist schon lange her. Ich bin Brodie Driscoll. Wir haben früher zusammen in Ashley Vale gewohnt.“

Brodie Driscoll! Wie hätte sie ihn je vergessen können? Er war ihr Teenagerschwarm gewesen, der sie ein ums andere Mal hatte erschauern lassen. Damals hatte sie ständig an ihn denken müssen. Und auch jetzt löste schon allein der Klang seiner Stimme ein elektrisierendes Prickeln vom Kopf bis zu den Zehenspitzen in ihr aus.

Natürlich hätte Caitlin sich das niemals anmerken lassen. Auf gar keinen Fall wollte sie sich jemals in den Dorf-Rabauken verlieben oder sich gar mit ihm einlassen. Brodie war ein Rebell und steckte immer in irgendwelchen Schwierigkeiten. Aber wer hätte ihm widerstehen können? Sein verwegenes Lächeln und der jungenhafte Charme waren einfach umwerfend attraktiv gewesen.

„Oh, ich erinnere mich sehr gut“, antwortete sie sanft.

„Freut mich, dass du mich nicht vergessen hast.“ Er klang amüsiert, doch dann wurde er plötzlich ernst. „Entschuldige, dass ich dich bei der Arbeit anrufe, aber es ist etwas passiert, was du wissen solltest.“

„Schon gut. Was ist los?“

„Es geht um deine Mutter. Ich weiß nicht, ob du mitbekommen hast, dass ich vor zwei Wochen in ihrem Nachbarhaus eingezogen bin. Deshalb sehe ich sie ziemlich oft, wenn sie auf ihrem kleinen Hof arbeitet“, erklärte Brodie.

Davon hatte Caitlin nichts gewusst. Ihre Mutter hatte sehr viel mit ihrem Obstgarten und den zahlreichen Tieren zu tun. Und nun war Caitlin froh, jemanden in ihrer Nähe zu wissen.

„Was ist passiert? Sind die Tiere auf dein Grundstück ausgebüxt?“ Ihre Mutter nahm immerzu irgendwelche streunenden und verletzten Tiere auf, um sie wieder aufzupäppeln. „Als ich zuletzt da war, sah der Zaun recht wackelig aus. Ich habe zwar ein paar Stellen repariert, aber falls es ein Problem gibt, kümmere ich mich darum.“

„Nein, ich fürchte, es ist etwas wesentlich Ernsteres“, erwiderte Brodie. „Deine Mutter hatte einen Unfall. Sie ist gestürzt, und ich bin ziemlich sicher, dass sie sich das Becken gebrochen hat. Ich habe den Krankenwagen gerufen, und die Sanitäter laden sie gerade ein. Ich begleite sie ins Krankenhaus, aber ich dachte, du solltest es erfahren.“

Caitlin wurde blass. „Ja, natürlich. Danke, Brodie. Ich fahre hin, ich muss bei ihr sein. Aber wie kommst du darauf, dass es ein Beckenbruch ist? Vielleicht ist es doch nicht ganz so schlimm.“

„Das hatte ich auch gehofft, aber sie kann das Bein nicht bewegen, und es steht in einem merkwürdigen Winkel ab. Außerdem sieht es aus, als wäre es kürzer geworden als das andere“, sagte er. „Sie scheint große Schmerzen zu haben.“

„Oh nein.“ Das waren die typischen Zeichen für einen Beckenbruch. Dieser Tag wurde von Stunde zu Stunde schlimmer. „Wird sie ins Thame Valley Hospital gebracht?“

„Ja, in die dortige Notaufnahme.“ Brodie hielt inne, um mit einem der Sanitäter zu sprechen. „Tut mir leid, ich muss Schluss machen.“

„Ist gut. Und danke für deinen Anruf.“ Schnell setzte Caitlin hinzu: „Bitte sag ihr, dass ich sie lieb habe und so bald wie möglich kommen werde.“

„Mach ich.“ Er legte auf.

Einen Moment lang stand sie nur da und starrte ins Leere.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“ Der Oberarzt kam an den Tresen und musterte sie prüfend. „Du bist kalkweiß. Was ist passiert? Hat es etwas mit einem Patienten zu tun?“

Sie schüttelte den Kopf. „Meine Mutter hatte einen Unfall. Sie ist gestürzt. Ein Nachbar fährt mit ihr ins Krankenhaus. Vermutlich ein Beckenbruch.“

„Oh, das tut mir leid.“ Er sah sie an. „Du machst dir bestimmt große Sorgen und willst sicher schnell zu ihr.“

„Ja. Aber meinst du, dass das geht?“

„Ich übernehme deine Patienten, mach dir keine Gedanken. Molly kann mir ja alles dazu sagen“, erklärte er.

Caitlin war erleichtert. „Danke.“

Als sie kurz darauf das Krankenhaus verließ, schien draußen die Sonne, und es war mild.

Rasch fuhr sie zu ihrem Apartment und packte eine Reisetasche, wobei sie von ihrem schlechten Gewissen gequält wurde. Caitlin tat, was sie konnte, um ihrer Mutter zu helfen. Aber wegen ihrer Dienste war es manchmal nicht möglich, jede Woche zu kommen.

Mit schwerem Herzen fuhr sie die vertraute Strecke zu ihrem Heimatstädtchen entlang. Durch das offene Fenster spürte sie den warmen Wind auf ihrem Gesicht. Doch weder das schöne Wetter noch die herrliche Landschaft von Buckinghamshire konnten sie von ihrer Angst ablenken.

Als Ärztin wusste sie nur allzu gut, wie gefährlich eine Beckenfraktur sein konnte. Alle möglichen Komplikationen schossen ihr durch den Kopf. Vielleicht innere Blutungen oder eine bleibende Behinderung.

Entschlossen packte Caitlin das Lenkrad fester. Denk positiv, ermahnte sie sich. Ihre Mutter war in guten Händen.

Wenig später parkte sie vor dem Thame Valley Hospital und eilte in die Notaufnahme.

„Bei Ihrer Mutter wurden mehrere präoperative Untersuchungen durchgeführt. Röntgen, Blutbild und so weiter“, berichtete ihr die zuständige Krankenschwester. „Wenn alle Ergebnisse vorliegen, wird der Chirurg mit ihr sprechen. Mr. Driscoll dachte, Sie würden vielleicht gerne einen Kaffee mit ihm trinken, solange Sie warten. Er lässt Ihnen ausrichten, dass er in der Cafeteria ist. Wenn Sie mir Ihre Telefonnummer geben, rufe ich Sie an, sobald Sie zu Ihrer Mutter gehen können.“

„Danke, das wäre sehr nett.“ Caitlin kritzelte ihre Handynummer auf ein Stück Papier, ehe sie sich auf die Suche nach Brodie machte.

Als sie die Cafeteria betrat, bemerkte er sie sofort.

„Hallo.“ Lächelnd begrüßte er sie, wobei er den Blick flüchtig über ihre schlanke Gestalt gleiten ließ. Sie trug eng anliegende schwarze Jeans und dazu eine weite Bluse. „Schön, dich zu sehen, Caitlin.“

„Gleichfalls.“ Ihre Stimme klang rau und etwas atemlos. Wahrscheinlich weil sie sich so beeilt hatte. Aber vielleicht auch deshalb, weil es ein Schock war, Brodie nach all den Jahren wiederzusehen.

Der hitzköpfige Jugendliche, an den sie sich erinnerte, war verschwunden. Stattdessen stand ein Mann vor ihr, bei dessen Anblick ihr ganz heiß wurde. Ein Mann mit einem kraftvollen, wie aus Stein gemeißelten Körperbau und prägnanten Gesichtszügen. Er besaß eine Ausstrahlung, die verdeutlichte, dass er gekämpft hatte, um seine jetzige Position zu erreichen, und keinen Zentimeter nachgeben würde.

Er trug eine dunkle Hose, unter der sich seine langen Beine abzeichneten, und dazu ein frisches Leinenhemd, dessen aufgerollte Ärmel den Blick auf sonnengebräunte Unterarme freigaben. Das schwarze Haar betonte sein attraktives Aussehen. Hochgewachsen und breitschultrig, wirkte er zugleich elegant und durchtrainiert. In seinen blauen Augen und in seinem Lächeln lag eine liebenswürdige Herzlichkeit.

„Komm, setz dich.“ Eine Hand auf ihrem Rücken, führte er Caitlin zu einem Platz am Fenster. „Ich hol dir einen Kaffee. Nach der Autofahrt kannst du sicher einen gebrauchen.“ Brodie warf ihr einen fragenden Blick zu. „Ich nehme an, man hat dir gesagt, dass deine Mutter gerade untersucht wird? Danach wird der Chirurg mit ihr besprechen, was getan werden muss.“

„Ja, eine Krankenschwester hat mich informiert.“ Sie setzte sich. „Wie geht es Mum?“

„Sie ist okay“, antwortete er. „Sie war die ganze Zeit bei Bewusstsein, und die Sanitäter sind sehr schnell bei ihr gewesen.“

„Das ist ja schon mal was.“

„Ja“, bestätigte Brodie. „Der Arzt in der Notaufnahme hat ihr ein Schmerzmittel gegeben, sodass es ihr momentan besser geht. Außerdem hatte sie ein MRT, und leider ist das Becken tatsächlich gebrochen.“

Caitlins Miene verdüsterte sich. „Weißt du, ob sie heute noch operiert werden soll?“

Er nickte. „Wahrscheinlich am Nachmittag. In solchen Fällen heißt es: je früher, desto besser. Zum Glück hatte sie noch nicht gefrühstückt. Du kannst zu ihr, bevor sie in den OP kommt.“

„Gut.“

Als Brodie merkte, dass sie sich etwas entspannt hatte, ging er an die Theke, um Kaffee zu besorgen.

Unterdessen schaute Caitlin sich um. Die Cafeteria war ein großer, heller Raum mit einer breiten Fensterwand. Die Einrichtung war in hellen Pastelltönen gehalten, und zwischen den Tischen standen hohe Farne.

Brodie, der ein voll beladenes Tablett mitbrachte, reichte ihr einen Becher mit frisch gebrühtem Kaffee, der köstlich duftete. „Ich dachte, du hättest vielleicht Lust auf einen Flapjack.“ Er stellte einen Teller vor sie hin. „Um deinen Blutzuckerspiegel etwas anzuheben. Du siehst nämlich sehr blass aus.“ Dann nahm er Milch und Zucker vom Tablett und schob beides zu ihr hinüber. „Hier, bedien dich.“

„Danke.“ Nachdenklich sah Caitlin ihn an. „Wie kommt es eigentlich, dass du jetzt bei meiner Mutter nebenan wohnst?“

Er nahm ihr gegenüber Platz. „Ich hatte ein Zimmer im Pub gemietet, während ich nach etwas Passendem suchte. Dann wurde das Haus zum Verkauf angeboten. Dem alten Mann, dem es gehörte, wurde die Instandhaltung irgendwann einfach zu viel. Er ist in ein Seniorenheim gezogen.“

„Da hast du ja Glück gehabt.“

Brodie nickte. „Es ist ein ziemlich großes Anwesen. Ich dachte, es wäre interessant, das Haus zu renovieren und das Gelände auf Vordermann zu bringen.“

„Heißt das, du willst nach der Renovierung nicht selbst in dem Haus wohnen?“, fragte Caitlin.

„Ich habe mich noch nicht entschieden“, meinte er achselzuckend. „Im Augenblick habe ich es jedenfalls satt, irgendwo zur Miete zu wohnen. Und ich wollte ein Projekt zum Renovieren.“

„Ach so.“ Hungrig biss sie in eine der goldbraunen Haferschnitten. „Ich hatte noch kein Frühstück“, erklärte sie dann. „Unser Küchenschrank war total leer.“ Sie tat etwas von dem braunen Zucker in ihren Kaffee und genoss den wunderbaren Geschmack.

Interessiert schaute er ihr zu.

„Du hattest recht. Das habe ich wirklich gebraucht“, sagte Caitlin schließlich. Sie erzählte von dem leeren Milchkarton am Morgen. „Das war garantiert Mike. Von den Mädels würde niemand so etwas tun. Wahrscheinlich hat er auch die Frühstücksflocken aufgegessen.“

Brodie lachte. „Dann kriegt er bestimmt bald was zu hören.“

„Absolut. Nicht, dass er sich was draus machen würde. Wozu auch, wo er doch ein so sorgloses Leben führt?“ Der Kaffee weckte ihre Lebensgeister. „Weißt du eigentlich, was genau heute Morgen mit Mum passiert ist? Ich nehme an, du warst auch draußen, als sie gestürzt ist.“

„Ja“, bestätigte er. „Ich wollte gerade zu einem Meeting fahren. Normalerweise füttert deine Mutter immer als Erstes die Hühner und danach die Kaninchen. Dabei plaudern wir meistens ein paar Minuten. Heute wirkte sie ein bisschen abwesend. Sie hat sich Sorgen gemacht, dass ein Fuchs nachts herumgeschnüffelt haben könnte. Deshalb hat sie nicht viel gesagt. Sie fing an, Unkraut im Steingarten zu zupfen, und ich bin zu meinem Auto gegangen. Dann hörte ich einen Schrei, und als ich mich umdrehte, war sie auf das Bruchsteinpflaster gestürzt. Vermutlich ist sie auf den Steinen ausgerutscht und hat das Gleichgewicht verloren.“

Caitlin seufzte. „Ich habe ihr gesagt, sie soll den Steingarten mir überlassen. Ich pflege ihn, wenn ich bei ihr bin. Darum lasse ich sie nur ungern lange allein. Sie ist nicht mehr so fit wie früher, aber sie war schon immer sehr unabhängig. Und wenn etwas getan werden muss, dann macht sie es eben.“

„Du kannst nicht die ganze Zeit da sein. Mach dir keine Vorwürfe.“

„Das tue ich aber. Ich liebe sie über alles, und ich denke oft, dass ich den Job in Hertford nie hätte annehmen sollen. Damals erschien es mir als eine so gute Gelegenheit.“

„Jane hat mir erzählt, dass du Kinderärztin bist“, meinte Brodie. „Sie lobt dich in den höchsten Tönen und ist unglaublich stolz auf dich.“

Caitlin lächelte. „Das war schon immer so. Sie sieht das Beste in jedem Menschen.“

„Stimmt.“ Selbstironisch fuhr er fort: „Sie war die Einzige, die jemals etwas Gutes in mir gesehen hat. Da sie seit der Schulzeit mit meiner Mutter befreundet war, hat das wahrscheinlich auch dazu beigetragen.“

„Kann gut sein.“

Brodies Mutter war bei einem Unfall ums Leben gekommen, als er noch ein Teenager gewesen war. Vermutlich hatte Jane Braemar ihn deshalb unter ihre Fittiche genommen. Caitlin hatte ihren Vater verloren, und sie und Brodie hatten sofort einen Draht zueinander gefunden. Jeder wusste, was der andere durchmachte, und sie hatten versucht, sich gegenseitig zu trösten. Dadurch war eine besondere Nähe zwischen ihnen entstanden. Und auch ihre Mutter hatte sich in Brodies dunkelsten Zeiten stets um ihn gekümmert. Während seiner gesamten schwierigen Phase hatte sie immer zu ihm gehalten.

Dennoch war sie gegen die zunehmende Feindseligkeit der Dorfbewohner, in deren Augen er zu sehr über die Stränge schlug, machtlos gewesen.

Nach einer extrem rebellischen Zeit mit mehrfachem Hausfriedensbruch, kleineren Vandalismus-Delikten und einem rücksichstlosen Eroberungsverhalten vielen Mädchen gegenüber hatte er auch den letzten Funken Nachsicht verspielt, den die Leute dem mutterlosen Jungen gegenüber empfanden. Schließlich hatte er all seine Chancen vertan. Und an seinem achtzehnten Geburtstag hatte sein Vater ihn vor die Tür gesetzt. Danach hatte Brodie bei verschiedenen Freunden Unterschlupf gefunden, bis er das Dorf etwa ein Jahr später endgültig verließ. Das hatte Caitlin das Herz gebrochen.

Das Klingeln ihres Handys unterbrach sie in ihren Erinnerungen und holte sie in die Gegenwart zurück. „Meine Mutter ist jetzt auf Station“, sagte sie wenig später zu Brodie. „Die Schwester meinte, sie wäre zwar ein bisschen schläfrig wegen der Medikamente, aber ich kann zu ihr.“

„Gut. Vielleicht beruhigt es dich, wenn du ein bisschen bei ihr sein kannst.“

„Danke noch mal, dass du sie ins Krankenhaus gebracht hast“, antwortete sie leise. „Ich bin dir was schuldig.“

„Gern geschehen.“ Er stand auf und griff nach ihrer Reisetasche. „Die nehme ich.“

„Danke.“ Mühelos hob er die schwere Tasche hoch. Caitlin hatte darin alles eingepackt, was sie in den nächsten Tagen möglicherweise benötigen würde. Inklusive Laptop, Föhn und Kosmetiktasche.

„Hast du dir schon überlegt, was passiert, wenn deine Mutter aus dem Krankenhaus kommt?“, erkundigte sich Brodie auf dem Weg zur Orthopädie. „Sie wird einiges an Hilfe brauchen. Vielleicht könnte sie für ein paar Wochen in eine Reha-Klinik gehen?“

„Das wird nicht nötig sein“, gab sie zurück. „Ich wollte sowieso nächste oder übernächste Woche wieder nach Ashley Vale zurückziehen. Der Unfall hat die Sache nur etwas beschleunigt.“

Er war erstaunt. „Du hast gekündigt?“

„Ja. Natürlich muss ich mir was Neues suchen. Aber ich wollte es so.“

„Wegen deiner Mutter oder aus einem anderen Grund?“

„Beides. Ich habe auch persönliche Gründe dafür“, erwiderte Caitlin.

„Es gab also kein Problem mit dem Job?“, hakte Brodie nach.

„Nein, gar nicht“, entgegnete sie. „Ich liebe meine Arbeit. Hoffentlich finde ich hier etwas, das mich genauso erfüllt.“

Als sie vor dem Lift standen, meinte er: „Vielleicht kann ich dir dabei helfen. Ich habe gerade die Leitung der Pädiatrie hier übernommen, und ich bin ziemlich sicher, dass ich eine Stelle für dich finden würde.“

Ungläubig sah Caitlin ihn an. „Du bist Arzt?“

Er verzog die Mundwinkel. „Bei meinem Hintergrund kommt dir das sicher komisch vor. Aber zum Glück habe ich gerade noch rechtzeitig die Kurve gekriegt. Ich habe das Erbe meines Großvaters für mein Medizinstudium benutzt. Ich wusste nichts davon, bis die Anwälte mich kontaktiert haben, aber für mich kam es genau zum richtigen Zeitpunkt.“

Caitlin war verblüfft. „Ich kann es kaum glauben. Du warst ein wilder, außer Kontrolle geratener Teenager. Du hast ständig die Schule geschwänzt und bist mit irgendwelchen Freunden durch den Wald gestreift.“ Argwöhnisch fragte sie: „Nimmst du mich auf den Arm?“

Brodie lachte. „Nein, es ist wahr. Eines Tages wurde mir klar, dass ich in einer Sackgasse steckte. Obwohl ich viel Stoff verpasst hatte, habe ich meinen Schulabschluss doch noch geschafft. Und als ich mich entschieden hatte, was ich machen wollte, war es gar nicht so schwer, einen Studienplatz für Medizin zu bekommen.“

Als sie den Lift betraten, fragte Caitlin: „Wie kam es dazu, dass du Arzt werden wolltest?“ Sie konnte es noch immer kaum fassen.

Er zuckte die Schultern. „Ich denke, es hatte etwas mit dem Unfall meiner Mutter zu tun. Aber das ist mir erst später bewusst geworden. Ich habe eine Weile mit schwierigen Teenagern gearbeitet und auch bei den Freizeitaktivitäten in einem Kinderheim ausgeholfen. Ich schätze, das hat mich dazu gebracht, einen Beruf zu wählen, in dem ich mit Kindern zu tun habe. Sie haben keine Vorurteile, und das gefällt mir. Sie akzeptieren einen so, wie man ist. Ich komme gut mit ihnen zurecht.“

Vor der orthopädischen Station gab er ihr die Tasche zurück. „Ich lasse dich jetzt mal mit deiner Mutter allein. Vielleicht denkst du ja über mein Angebot nach. Wir brauchen immer gute Kinderärzte. Und obwohl ich hier noch relativ neu bin, würde der Vorstand meinen Vorschlag sicher akzeptieren.“

„Natürlich denke ich darüber nach. Aber meinst du nicht, dass du ein gewisses Risiko eingehst, wenn du mir einen Job anbietest, obwohl wir uns gerade erst wiedergetroffen haben?“, wandte Caitlin ein.

„Zufälligerweise kenne ich deinen Chef in Hertford“, erwiderte Brodie. „Jane hat mir gesagt, dass du in seinem Team bist. Da wusste ich, dass du gut sein musst. Er ist ein netter Kerl und sucht sich immer hervorragende Leute aus.“

Sie lachte. „Anscheinend hat Mum dir meine ganze Lebensgeschichte erzählt.“