Was verschweigen Sie, Dr. Flynn? - Joanna Neil - E-Book

Was verschweigen Sie, Dr. Flynn? E-Book

Joanna Neil

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Beschreibung

Als Saffi nach einem Unfall unter Amnesie leidet, kehrt sie an den Ort ihrer Kindheit zurück. Dort trifft sie den charmanten Notarzt Matt Flynn, der sie liebevoll umsorgt. Aber so sehr sie seine zärtlichen Küsse genießt, ahnt sie auch: Er verbirgt etwas vor ihr!

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Seitenzahl: 206

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IMPRESSUM

Was verschweigen Sie, Dr. Flynn? erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2014 by Joanna Neil Originaltitel: „A Doctor to Remember“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA PRÄSENTIERT ÄRZTE ZUM VERLIEBENBand 115 - 2018 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Martina Karaczko

Umschlagsmotive: dragana991/GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2021 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751505932

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

So, hier war sie nun. Saffi streckte ihre Glieder und ging hinüber zur Brüstung am Klippenrand, wo sie stehenblieb und über die Bucht blickte. Nach den vielen Stunden im Bus tat es gut, an der frischen Luft zu sein. Von hier aus konnte sie den Kai sehen, wo die Fischer ihre Hummerkisten stapelten und ihre Netze pflegten, und eine Weile sah sie zu, wie die Wellen sanft gegen die bunt gestrichenen Boote und Fischkutter schwappten. Möwen flogen über sie hinweg und schienen sich etwas zuzurufen, bevor sie hochschnellten, um dann auf der Suche nach einem Leckerbissen steil ins Wasser abzutauchen. In der Ferne schmiegten sich weiß getünchte kleine Häuser in die von Bäumen gesäumten Hügel, von wo aus sich gewundene Wege hinunter zu dem kleinen Hafen schlängelten. Dieses kleine Fleckchen Devon sah unglaublich idyllisch aus. Es war so friedlich, so perfekt. Wenn sie nur ein wenig von dieser Ruhe in sich aufnehmen und bewahren könnte! War es am Ende nicht genau das, weshalb sie hierhergekommen war, weshalb sie alles hinter sich gelassen hatte, alles, was für Sicherheit und Geborgenheit in ihrem Leben gestanden hatte? Obwohl das, was vorher Sicherheit bedeutet hatte, sich am Ende als Täuschung entpuppt hatte. Ein leichter Anflug von Panik stieg in Saffi auf. Tat sie wirklich das Richtige? Woher sollte sie wissen, was jetzt kommen würde? War es möglicherweise ein Riesenfehler, hierherzukommen? Sie nahm einen tiefen Atemzug voller Seeluft und atmete langsam wieder aus, um sich zu beruhigen. In den letzten Jahren hatte sie in Hampshire gelebt, aber dieser Ort hier sollte ihr bekannt vorkommen, hatten sie gesagt. Und tatsächlich schienen kleine Erinnerungsfragmente in ihr aufzutauchen, um sich aber genauso schnell wieder in Luft aufzulösen, wie sie gekommen waren. „Vielleicht ist es das, was Sie brauchen“, hatte ihr Notar gesagt, ihre unterzeichneten Unterlagen zu einem akkuraten Stapel zusammengerafft und in einer Ablage auf dem Schreibtisch verstaut. „Es wird Ihnen bestimmt guttun, eine Weile an dem Ort zu sein, wo Sie Ihre Kindheit verbracht haben. Sie können es zumindest versuchen.“

„Ja, vielleicht haben Sie recht.“

Die milde Meeresbrise fuhr durch ihr honigblondes Haar. Sie wandte ihr Gesicht der Sonne zu und fühlte, wie die warmen Strahlen ihre nackten Arme streichelten. Vielleicht konnte die Wärme der Sonne den Eispanzer auftauen, der sich in den vergangenen Monaten um ihr Herz gelegt hatte. Eine einsame Möwe tapste neben ihr, pickte planlos im Gras und suchte zwischen Rotschwingel und Weißem Leimkraut etwas Essbares. Der Vogel spähte zu ihr hinauf, halb schüchtern, halb hoffnungsvoll. Sie lächelte. „Ich fürchte, ich habe kein Futter für dich“, sagte sie sanft. „Aber du solltest wissen, dass ich seit dem Frühstück selber nichts mehr gegessen habe.“ Das schien lange her zu sein, doch sie war so sehr mit dem Gedanken beschäftigt gewesen, was jetzt wohl auf sie zukommen würde, dass sie an nichts anderes mehr hatte denken können, noch nicht einmal ans Essen. Aber diese Vergesslichkeit war inzwischen nichts Besonderes mehr.

„Danke, dass du mich daran erinnerst“, sagte Saffi zu dem Vogel, „Ich sollte sehen, wo ich etwas zum Mittagessen herbekomme. Vielleicht habe ich ja auch etwas für dich, wenn wir uns in den nächsten Tagen hier wiedertreffen.“ Sie fühlte sich plötzlich viel besser. Hierherzukommen war für sie keine einfache Entscheidung gewesen, aber jetzt war sie ja da. Und sie könnte versuchen, es als Neuanfang zu sehen. Sie wandte sich von der Brüstung ab und schaute sich um. Ihr Notar hat für sie eine Verabredung im ‚Seafarer Inn‘ arrangiert, die Gaststätte war gleich auf der anderen Straßenseite. Es war ein schönes Gebäude mit vielen kleinen polierten Mahagoni-Elementen auf dem Boden, die sich in der weißgestrichenen Fassade wiederholten. Es gab Blumenkästen mit blühenden Geranien und rankende Surfinias in Creme und Pink, auf dem Bürgersteig lockten Tafeln, auf denen die Tagesgerichte angepriesen wurden. Saffi hatte noch etwas mehr als eine halbe Stunde, genügend Zeit, um etwas zu essen und ihre Gedanken zu ordnen. Sie wählte einen Tisch am Fenster und ging zur Theke, um ihre Bestellung aufzugeben. „Ich bin hier später mit einem Mr. Flynn verabredet“, erklärte sie dem Inhaber, einem fröhlichen, freundlichen Mann, der mit einem sauberen Tuch Gläser polierte. „Würden Sie ihn bitte zu mir schicken, falls er nach mir fragt?“

„Sehr gern. Genießen Sie Ihr Essen!“

„Danke.“

Ihr Notar hatte ihr erzählt, dass Mr. Flynn in den vergangenen Monaten so eine Art Hausmeister für das Anwesen war. „Er wird Ihnen die Schlüssel geben und Ihnen alles zeigen. Er ist fast schon in Rente und wird sich freuen, Ihnen behilflich sein zu können. Er scheint ganz nett zu sein. Als ich ihm mitgeteilt habe, dass Sie im Moment nicht selbst fahren, hat er sofort angeboten, sie abzuholen.“ Jetzt musste sie also nichts anderes tun, als zu warten. Ihr Magen zog sich leicht zusammen, sie kehrte zurück an ihren Tisch und setzte sich. Im ersten Moment hatte sie sich ein wenig wie auf dem Präsentierteller zwischen all den Fremden um sie herum gefühlt, aber jetzt, in ihrer kleinen Nische, ging es ihr gleich wieder besser. Sie hatte sich eine gebackene Kartoffel mit Salat ausgesucht und gerade begonnen zu essen, als ein Schatten auf ihren Tisch fiel. Sie legte ihre Gabel ab und sah an dem Mann hoch, der vor ihr stand. Ihre Augen weiteten sich. War das Mr. Flynn? Er war ganz und gar nicht so, wie sie es erwartet hatte. Sie schätzte ihn auf den ersten Blick auf Anfang dreißig, ungefähr ein Meter achtzig groß und schlank, gutaussehend, mit markanten Gesichtszügen und pechschwarzen Haaren. Definitiv kein Hausmeister kurz vor der Rente. Diesen lebendigen jungen Mann vor sich zu haben, war fast ein kleiner Schock für sie. Er studierte sie seinerseits nachdenklich, ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. Aber als seine dunklen grauen Augen ihre trafen, glaubte sie, etwas Beschützendes in seinem Blick zu sehen.

„Saffi?“

„Ja.“ Sie lächelte ihn flüchtig an. „Sie müssen … Ähm, Sie müssen Mr. Flynn sein?“

Er runzelte die Stirn und schaute sie ein wenig verwirrt an. „Das ist richtig, Matt Flynn.“ In seinem Blick war ein seltsamer Ausdruck. Er wartete einige Sekunden und dann, als sie nichts sagte, straffte er seine Schultern und sagte in einem geschäftsmäßigen Ton: „Ihr Notar hat mir geschrieben. Er hat mir mitgeteilt, dass Sie sich auf dem Moorcraft Anwesen umschauen wollen.“

„Ich … ja, das ist richtig.“ Saffi zögerte, war plötzlich unsicher. „Ich hatte gehofft, ähm …“ Sie schaute auf das Essen auf ihrem Teller. „Ich …“ Sie sah ihn wieder an. „Ich möchte Ihnen nicht Ihre Zeit stehlen. Wollen Sie gleich wieder los?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht, überhaupt nicht. Ich bin früh dran, essen Sie bitte in Ruhe weiter.“ Er schien ratlos zu sein und irgendetwas in Gedanken abzuwägen. Sie konnte sich aber keinen Reim darauf machen, was wohl in seinem Kopf vor sich ging. Irgendetwas schien ihn offensichtlich zu beschäftigen.

„Tatsächlich“, sagte er nach einem kurzen Moment, „habe ich auch Hunger. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mit Ihnen essen würde?“ Er lächelte ein Lächeln, das seine Augen erreichte. „Das Essen hier ist sehr gut. Es duftet schon draußen auf der Straße verlockend.“

„Ja, das stimmt.“ Sie entspannte sich allmählich und zeigte auf den leeren Stuhl. „Bitte, setzen Sie sich.“

„Okay, ich werde nur schnell bestellen und bin in einer oder zwei Minuten wieder bei Ihnen.“ Saffi nickte und sah ihm nach, wie er zur Theke ging. Seine langen Beine steckten in einer Jeans, sein T-Shirt umspannte seine Brust und betonte die muskulösen Oberarme und die breiten Schultern. Der Anblick ließ sie leicht erschauern, ihr Herz machte einen Satz. Es war seltsam zu erkennen, dass sie zu solchen Gefühlen fähig war. Lange Zeit war sie wie ein Autopilot durchs Leben gegangen, geradezu gestolpert, hatte sich Dinge nur abgeschaut und sich gefühlt, als wäre sie von einer fremden Situation in die andere geraten. Und sie wusste nicht, wie er da hineinpasste.

Er kam zurück, setzte sich ihr gegenüber und stellte ein Glas Bier auf den Tisch. Dann betrachtete er sie nachdenklich. „Ihr Notar hat mir gesagt, dass Sie Ihre Optionen abklären wollen, was das Anwesen angeht. Haben Sie vor, länger zu bleiben?“ Er schaute sich um. „Bis auf eine Reisetasche haben Sie anscheinend kein Gepäck.“

„Nein, das ist richtig. Ich habe mein Gepäck aufgegeben. Ich dachte, es wäre einfacher so, ich habe nämlich viel Zeug. Ich werde eine Weile bleiben und versuche meine Gedanken in Ordnung zu bringen und herauszufinden, was ich machen soll – verkaufen oder bleiben.“

„Oh.“ Neugier schwang in seiner Stimme mit, als er sagte: „Ich schätze, es wäre leichter für Sie, wenn Sie ein Auto hätten. Aber Ihr Notar sagte, Sie hätten es vor einigen Wochen verkauft?“

„Ich … ja, ich war … “, Saffi zögerte einen Moment. „Es wurde bei einem Zusammenstoß am Heck beschädigt. Ich habe es reparieren lassen und dann beschlossen, dass ich gar kein Auto brauche. Ich habe nicht weit von der Klinik gewohnt, in der ich gearbeitet habe.“ Das musste als Erklärung reichen. Sie wollte nicht näher darauf eingehen, warum sie sich hinter dem Lenkrad nicht mehr sicher fühlte. Alle normalen Tätigkeiten waren in den vergangenen Monaten eine einzige Herausforderung für sie gewesen.

„Ah, ich verstehe. Das heißt, ich glaube, ich verstehe.“ Er warf ihr einen langen Blick zu. „Fürchten Sie sich aus irgendeinem Grund vor dem Fahren?“ Er hatte ihr die lahme Ausrede wohl nicht abgenommen.

Sie blinzelte. „Vielleicht. Ein bisschen. Ja, vielleicht.“ Sie hoffte, dass Mr. Flynn nicht weiter fragen würde. Er lehnte sich zurück, als die Kellnerin das Essen brachte: ein saftiges Steak und frittierte Kartoffeln. Er war still, in seine eigenen Gedanken vertieft, aber irgendetwas schien ihn zu beschäftigen. Was immer es war, er schob es beiseite, und als die Kellnerin wieder ging, fragte er: „Planen Sie, hier an der Klinik in Devon zu arbeiten?“ Dann schnitt er mit seinem Messer ins Fleisch.

Saffi schüttelte den Kopf. „Nein. Das habe ich nicht vor. Ich nehme für eine Weile eine Auszeit.“ Es ärgerte sie, dass sie das sagen musste, und außerdem missfiel ihr, dass ihre Hand leicht zitterte, als sie ihr Glas mit dem gekühlten Getränk an ihre Lippen führte. Sie setzte das Glas ab, nahm einen tiefen Atemzug und hoffte, dass er es nicht gemerkt hatte.

„Was ist mit Ihnen? Was machen Sie? Ich wette, Sie sind kein Hausmeister in Frührente, wie mein Notar dachte.“ Eine Reihe von widersprüchlichen Gefühlen spiegelten sich auf seinem Gesicht wider, und sie sah ihn unsicher an. Es war, als sei ihm ihre Frage unangenehm. Er hob seine dunklen Augenbrauen, und um seinen Mund erschien ein ironischer Ausdruck. Dann sagte er: „Nein. Die Hausmeistertätigkeit macht nur einen kleinen Teil meiner Woche aus. Tatsächlich bin ich Notarzt.“

„Ach, so. Dann haben wir etwas gemeinsam.“

„Ja, das ist richtig.“ Er nickte und blickte sie an. Auf seinem Gesicht war wieder so ein eigentümlicher Ausdruck. Fast wirkte es, als wäre er resigniert. „Du erinnerst dich gar nicht am mich, oder?“ Plötzlich duzte er sie. Saffi sah ihn bestürzt an. „Mich erinnern? Sollte ich das?“ Deswegen hatte er sich so seltsam benommen. Ihr Magen zog sich zusammen. Das war also ihr Neuanfang. Selbst hier war sie vor nichts sicher, selbst hier war sie verwundbar. „Sind wir uns schon einmal begegnet?“

„Oh ja, das sind wir.“ Er sagte es bestimmt und selbstsicher. Für einen kurzen Moment schwankte sie, doch dann fing sie sich wieder. Es war ja vollkommen klar, dass es hier Menschen gab, die sie kannte.

„Tut mit leid.“ Saffi sah ihn unsicher an. „Vielleicht ist es schon sehr lange her?“ Sie hoffte verzweifelt, dass seine Antwort sie vor einem Fettnäpfchen bewahren würde.

„Wir haben in London zusammen in einer Klinik gearbeitet.“

„Oh.“ Beklemmung machte sich in ihr breit. „Hast du vielleicht in einem anderen Fachgebiet gearbeitet?“

Er nickte. „Das ist richtig. Ich habe auf der Unfallstation gearbeitet. Aber ich kann mich definitiv an dich erinnern. Wie könnte ich dich vergessen?“ Sein Blick wanderte über ihr Gesicht, über das zarte Rosa ihrer Wangen und ihr schimmerndes Haar, das in vielen Locken ihr Gesicht umrahmte. Sie atmete aus und merkte erst in diesem Moment, dass sie ihren Atem angehalten hatte. „Wie groß standen denn die Chancen, dass wir hier in Devon aufeinandertreffen?“, fragte sie leichthin, aber ihre blauen Augen verrieten Besorgnis.

„Ich schätze, das war unausweichlich. Außerdem kannten wir beide doch deine Tante, oder? Noch etwas, das wir gemeinsam haben.“

Sie zögerte. „Wirklich? Das kann ich nicht sagen.“ Er hatte sich die Mühe gemacht, ihretwegen hierherzukommen, und er hatte gesagt, sie würden sich kennen. Vielleicht war sie ihm doch eine Erklärung schuldig. „Matt, es ist so: Mir ist vor ein paar Monaten etwas zugestoßen. Ich hatte einen Unfall, bei dem ich eine Kopfverletzung erlitten habe. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, was passiert ist, nur dass ich im Krankenhaus aufgewacht bin und seitdem nichts mehr weiß.“ Er atmete hörbar ein. „Das tut mir leid.“ Er schüttelte seinen Kopf, als würde er versuchen zu verstehen, was sie ihm gerade gesagt hatte. „Dein Notar hat mir erzählt, dass du ein Problem mit deinem Gedächtnis hast, aber ich habe nicht geahnt, dass es so ernst ist.“ Er griff nach ihrer Hand. „Was war das für ein Unfall? Kannst du dich an gar nichts mehr erinnern?“

„Nein, nicht an sehr viel.“ Seine Hand, die ihre umschloss, war warm und angenehm. Er war ein Fremder für sie, aber sein instinktives Mitgefühl berührte ihr Herz.

„Sie haben mir erzählt, ich wäre die Treppe heruntergefallen und hätte mir dabei den Kopf gestoßen. Ich habe mir mit einer Freundin ein Haus geteilt – mein Appartement war im Obergeschoss – und anscheinend hat sie mich gefunden, als sie von ihrer Schicht in der Klinik nach Hause kam. Sie rief einen Krankenwagen, und dann hat man mich in die Notaufnahme gebracht.“ Sie konzentrierte sich auf ihre Erinnerungen. „Es stellte sich heraus, dass ich einen Schädelbruch hatte. Das Notfallteam checkte mich durch, und es brauchte seine Zeit, bevor die Hirnschwellung zurückging und sie durch eine Reihe von neurologischen Untersuchungen sagen konnten, wie viel Schaden ich tatsächlich genommen hatte. Ich hatte Glück, weil kein organischer Schaden zurückgeblieben war, zumindest kein sichtbarer.“ Sie lächelte kurz. „Bis auf mein Haar natürlich. Es ist eigentlich immer schulterlang, aber sie mussten einen Teil meines Kopfes rasieren.“

„Dein Haar sieht wundervoll aus. Es steht dir so.“

„Danke.“ Sie war unruhig, und er ließ ihre Hand los, sodass sie einen Schluck trinken konnte. Ihre Kehle war ganz trocken und schmerzte. „Ich erinnere mich manchmal an Bruchstücke. Manches kommt hin und wieder zurück, und ich versuche, es zu behalten. Aber andere Erinnerungen gehen durch meinen Kopf und verschwinden, bevor sie zu einem klaren Bild werden können.“

„Das tut mir so leid, Saffi. Ich kann mir kaum vorstellen, wie das sein muss.“ Matts Blick war traurig und mitfühlend. „Es muss ein Sprung ins Ungewisse sein, hierherzukommen und alles, was du in den vergangenen Jahren gekannt hast, hinter dir zu lassen. Erinnerst du dich denn noch an Devon oder an das Haus deiner Tante?“

Sie runzelte die Stirn. „Nein, ich glaube nicht. Vielleicht ein bisschen.“ Für einen Moment presste sie ihre Lippen aufeinander. „Ich hoffe, es kommt alles wieder, wenn ich das Haus sehe.“

Er nickte. „Ich war sehr traurig, als deine Tante gestorben ist. Sie war eine wunderbare Frau.“

„Ja“, erwiderte sie vorsichtig, denn sie wollte nicht zugeben, dass sie sich nicht an die Frau erinnern konnte, die ihr das Haus und das Grundstück in diesem idyllischen Ort nahe der Küste vererbt hatte. Alle hatten ihr erzählt, dass sie sich sehr nahegestanden haben, aber die Wahrheit war, dass sie keine klare Vorstellung von ihrer Wohltäterin hatte. Es kam ihr falsch vor, die Erbschaft unter diesen schlimmen Bedingungen anzunehmen, aber alle anderen meinten, es sei richtig, und überzeugten sie davon, dass es gut war. Nur die Zeit würde es richten können.

„Sie ist gestorben, bevor ich den Unfall hatte, und diese Erbschaftsangelegenheiten wurden geregelt, während ich im Krankenhaus lag.“ Sie schaute ihn an. „Kanntest du meine Tante denn schon lange?“ Sie wollte plötzlich unbedingt wissen, in welcher Beziehung er zu ihr gestanden hatte und wie es kam, dass er sich um das Anwesen kümmerte. Er schien zu zögern, bevor er ihr antwortete, und sie fragte sich, ob sie vielleicht etwas wissen sollte, etwas darüber, woher sie sich kannten. „Wir haben uns vor ein paar Jahren kennengelernt. Aber dann bin ich nach Wales gegangen, um beim Luftrettungsdienst zu arbeiten, also habe ich sie nicht oft gesehen, bis ich letzten Sommer zum Arbeiten zurück nach Devon gekommen bin. Sie hat mich dann ein paar Mal angerufen, wenn es auf dem Anwesen etwas zu reparieren gab.“

„Ich bin froh, dass sie jemanden hatte. Danke dafür.“ Sie lächelte ihn an und für den Rest des Essens machten sie Small Talk. Saffis Gefühle waren in einem kritischen Zustand, und sie wollte Matt nicht fragen, woher sie ihn eigentlich kannte. Vielleicht verstand er es. Oder vielleicht hatte er gute Gründe, nicht darüber zu sprechen. Er schien besorgt zu sein, und vielleicht hatte ihn das Wissen um den Verlust ihres Gedächtnisses aus dem Gleichgewicht gebracht.

Kurz darauf verließen sie die Gaststätte und gingen zu seinem Auto, einem ziemlich neuen, schnellen Notarztwagen, der mit Blaulicht, Warnstreifen und Emblem ausgestattet war. Er hielt ihr die Beifahrertür auf, und sie glitt auf den Sitz. Der Geruch der luxuriösen Lederausstattung stieg in ihre Nase. Saffi lehnte sich zurück und versuchte sich zu entspannen. Matt startete den Wagen und fuhr in gemächlichem Tempo die Küstenstraße entlang, sodass sie genügend Zeit hatte, um sich die Gegend anzuschauen. Sie schaute aus dem Fenster und sah den Hafen langsam vorüberziehen. Bald entfernten sie sich vom Blau der Küste und fuhren landeinwärts in Richtung der Hügel. Die Landschaft wechselte sich ab mit Dörfern voll von hübschen kleinen Häusern, vor deren Fenstern bunte Blumenkästen hingen. Er warf ihr einen schnellen Seitenblick zu. „Ist das jetzt eine Art Urlaub für dich und eine Möglichkeit, dich wieder an alles zu erinnern? Oder machst du dir Gedanken wegen des Anwesens deiner Tante?“

„Ich schätze, es ist von beidem ein bisschen. Ich hatte tatsächlich allmählich das Gefühl, dass ein Tapetenwechsel guttun könnte. Und obwohl es traurig ist, dass meine Tante gestorben ist, ist dies jetzt eine Möglichkeit dafür. Ich …“ Sie zögerte einen Moment, dann fuhr sie fort: „Es gibt sonst keine Familie, daher muss ich entscheiden, was mit dem Erbe geschehen soll.“ Vielleicht war es ihr vor ihrem Unfall gelungen, mit ihrer familiären Situation klarzukommen, doch jetzt spürte sie die Isolation deutlich. Sich nicht an die Menschen erinnern zu können, die vorher zu ihrem Leben gehörten, bedeutete, von allem abgeschnitten zu sein, was ihr einst vertraut gewesen war. Und das fühlte sich sehr, sehr einsam an.

„Glaubst du, dass du das hinbekommst?“, fragte er und unterbrach ihre Gedanken. „Ich meine, wenn du nicht arbeitest?“ Er bemerkte ihr Zögern und verzog das Gesicht. „Habe ich eine Grenze überschritten? Du musst mich wissen lassen, wenn ich das tue. Ich neige dazu, das zu sagen, was mir gerade in den Sinn kommt.“

Sie schüttelte den Kopf. „Ist schon in Ordnung. Ich weiß es zu schätzen, dass du offen zu mir bist.“ Sie runzelte die Stirn. „Ich wüsste nicht, wie ich es anstellen sollte, in meinen Beruf zurückzukehren. Aber ich habe genügend Reserven, um erst mal wieder auf die Beine zu kommen. Anscheinend habe ich, nachdem meine Eltern vor ein paar Jahren gestorben sind, mein ganzes Geld dafür verwendet, die Hypotheken abzuzahlen, sodass ich mir in dieser Hinsicht keine Sorgen machen muss.“

„Vielleicht ist das gut so. Scheint, als ob du genug auf der hohen Kante hast.“

Er konzentrierte sich eine Weile auf die Straße, während er eine Reihe von Kurven durchfuhr. Nachdem er etwa eine halbe Meile einer kurvenreichen Landstraße gefolgt war, wurde Saffi sofort auf ein allein stehendes Bauernhaus aufmerksam. Es war von der Straße inmitten von Feldern zurückgesetzt, ein kleines Juwel in der sattgrünen Umgebung.

„Das ist es, oder?“, fragte sie, und sie spürte die Aufregung in sich hochsteigen, je näher sie kamen. Es war ein langgestrecktes Anwesen mit seitlichen Anbauten, die im Laufe der Jahre zum Haupthaus hinzugefügt worden waren. Die dunklen Schieferdächer und der weiße Putz waren eine Augenweide. Die Fensterrahmen waren wie die Haustür aus Mahagoni. Ein Jasminstrauch stand vor der Eingangsmauer, seine leuchtend gelben Blüten bildeten einen hübschen Kontrast zu den dunklen immergrünen Blättern.

„Erinnerst du dich?“

„Nein. Aber der Notar hat mir ein Foto gezeigt. Es ist wunderschön, oder?“

Er nickte und parkte den Wagen am Straßenrand. „Hier, die Schlüssel wirst du brauchen.“

„Danke.“ Sie stand für einen Moment, vielleicht auch für zwei, nur da und sah das Haus an. Dann ging sie langsam Richtung Haustür. Der Duft des Jasmins hing in der Luft, süß und irgendwie beruhigend. Saffi atmete tief ein und war plötzlich überwältigt von dem Bild, das ihr durch den Kopf schwirrte, dem Bild von einer großen schlanken Frau mit einer fürsorglichen, lieben Art.

„Oh, Annie. Annie.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die Kehle war wie zugeschnürt. Und sie hörte Matt fragen „Was ist, Saffi? Was ist los? Erinnerst du dich an irgendetwas?“

Sie zitterte. „Meine Tante. Es war so, als wäre sie noch hier. Ich konnte es spüren. Aber sie ist weg, und ich glaube, ich ertrage das nicht.“

Er hielt kurz inne, dann nahm er sie in den Arm. „Ich weiß, es ist hart, aber es ist gut, dass du dich erinnern kannst.“ Sie bewegte sich einige Minuten nicht, von Trauer überwältigt. Sie fühlte sich sicher in seiner Umarmung, froh darüber, dass er sie hielt, denn sonst wäre sie vielleicht zusammengesackt. Plötzlich gaben ihre Beine nach, und das Gefühl der Hilflosigkeit schlug wie eine Welle über ihr zusammen.

„Entschuldigung“, sagte sie nach einer Weile und schämte sich für ihre Schwäche. Sie wischte mit den Fingern die Tränen aus ihrem Gesicht. „Die Erinnerung an sie kam so plötzlich. Damit hatte ich nicht gerechnet.“

„Erinnerst du dich noch an etwas anderes?“, fragte Matt vorsichtig. „An das Haus, an deine Arbeit, an Freunde?“ Er sah sie eindringlich an. Vielleicht fragte er sich ja, ob sie sich an alles erinnerte, an ihn und daran, wie sie sich kennengelernt haben. Sie schüttelte ihren Kopf. „Alles was ich weiß, ist, dass ich hier glücklich war. Ich fühlte mich hier sicher. Das ist mein Zuhause.“ Er stieß einen langen Atem aus und richtete sich auf, als hätte er eine Entscheidung getroffen. „Nun, das ist gut. Das ist ein Anfang.“ Sonst sagte er nichts, versuchte nicht, aus der Vergangenheit zu erzählen oder ihr einen Hinweis zu geben, was sie für eine Beziehung hatten. Es schien, als würde er sich zusammenreißen, und ließ sie in dem Moment los, als sie bereit war, zur Haustür zu gehen. „Ich sollte hineingehen“, sagte sie.

„Möchtest du, dass ich mitkomme? Du bist vielleicht noch ein wenig zittrig. Und vielleicht sollte ich dich herumführen und dir erklären, was mit den Tieren zu tun ist. Ich meine, ich kann nach ihnen sehen, bis du dich besser fühlst, aber irgendwann möchtest du das vielleicht selbst übernehmen.“

Sie starrte ihn an. „Tiere?“

„Du weißt nichts von ihnen?“

Saffi schüttelte den Kopf. „Nein, das ist ganz neu für mich.“ Sie runzelte die Stirn. „Vielleicht hast du recht. Du solltest mitkommen und mir ein paar Dinge erklären.“

Sie betraten das Haus, und Saffi ging langsam den Flur entlang. Sie horchte in sich hinein, in der Hoffnung, dass sie sich erinnern würde. Matt führte sie in die Küche, und sie sah sich um, fühlte sich in der gemütlichen Atmosphäre des Raumes sofort wohl. Die Schränke waren cremefarben, es gab offene Regale und Hängeschränke mit Glastüren. In der frisch gestrichenen Kaminnische stand ein schicker schwarzer Herd, und der Raum wurde von einem großen Eichentisch dominiert.