ENGEL IN ROT - Thomas Ziegler - E-Book

ENGEL IN ROT E-Book

Thomas Ziegler

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Die Venusfalle lockt. Nicht alles ist Gold, was glänzt, und nicht alles ist Liebe und Leidenschaft, was sich den Anschein gibt. Die Waffen der Frau sind unsichtbar. Das macht ihre Gefährlichkeit aus. Wer zum Weibe geht, sollte auf der Hut und auf buchstäblich alles gefasst sein... ENGEL IN ROT enthält die gesammelten erotischen Crime-Storys des mehrfach mit dem Kurd-Laßwitz-Preis ausgezeichneten Schriftstellers Thomas Ziegler – Storys um Lust und Frust, Verlockung und Verbrechen, in denen der Autor nicht nur dem schwachen Geschlecht den Schwarzen Peter zuspielt...

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THOMAS ZIEGLER

Engel in Rot

Erzählungen

Apex Crime, Band 25

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

EVA 

DOKTOR, DOKTOR! 

COOKIE – WIE KEKS 

FILMRISS 

DAS VERSTECK 

FRÜHLING MIT RITA 

ABSCHIED 

ENGEL IN ROT 

 

 

Das Buch

Die Venusfalle lockt. Nicht alles ist Gold, was glänzt, und nicht alles ist Liebe und Leidenschaft, was sich den Anschein gibt. Die Waffen der Frau sind unsichtbar. Das macht ihre Gefährlichkeit aus. Wer zum Weibe geht, sollte auf der Hut und auf  buchstäblich alles gefasst sein...

Engel in Rot enthält die gesammelten erotischen Crime-Storys des mehrfach mit dem Kurd-Laßwitz-Preis ausgezeichneten Schriftstellers Thomas Ziegler – Storys um Lust und Frust, Verlockung und Verbrechen, in denen der Autor nicht nur dem schwachen Geschlecht den Schwarzen Peter zuspielt...

   EVA

 

 

Es war ein schmutziger Job, aber was machte das schon? Nur mit Schmutz konnte man sich heutzutage über Wasser halten, und Markesch hatte nie besonderen Wert darauf gelegt, sein Geld auf saubere Weise zu verdienen.

Doch manchmal widerte es ihn an.

Es war alles so billig, so gottverdammt gewöhnlich!

Markesch kniff die Lippen zusammen und konzentrierte sich auf den Verkehr. Die Autobahn ein graues Band im grauen Herbstlicht, der Himmel wolkenverhangen, schmierig wie ein alter Putzlappen, aus dem unaufhörlich Schmutzwasser tropfte, Regen, der vom Wind in dichten Schleiern über die Fahrbahn getrieben wurde.

Vor Markeschs altersschwachem Ford leuchteten die Rücklichter von Tannbergs metallicblauem Mercedes durch den Regen.

Der Mercedes blinkte und scherte auf die Überholspur aus. Markesch folgte ihm, ohne jedoch den Abstand zu verringern.

Der Regen hatte den Asphalt mit einem tückischen Film überzogen, aber der Mercedes behielt sein hohes Tempo bei.

Offenbar hatte Tannberg es eilig.

Markesch lächelte dünn.

Es sollte ihm recht sein. Je schneller er die Sache hinter sich brachte, desto besser für alle - von Tannberg natürlich abgesehen.

Aber was ging ihn Tannberg an?

Der Mann hatte es sich selbst zuzuschreiben, wenn er in Schwierigkeiten geriet.

 

Der Regen wurde stärker und prasselte in murmelgroßen Tropfen gegen die Windschutzscheibe. Hektisch surrten die Scheibenwischer, doch die Sicht blieb verschwommen.

Ein lausiges Wetter!

Genau das richtige Wetter für ein Schäferstündchen, dachte Markesch. Man konnte mit gutem Gewissen den ganzen Tag im Bett verbringen, nackte Haut an nackter Haut, heiße Küsse und kalter Champagner, Lust und Liebe - während die Ehefrau brav das Haus hütet und auf ihren treusorgenden Gatten wartet.

»Komplizierte Vertragsverhandlungen«, hatte Tannberg seiner Frau gesagt. »Mit einem wichtigen Geschäftspartner aus Frankfurt. Vor Sonntagabend bin ich nicht zurück.«

Markesch schnitt ein höhnisches Gesicht. Der Geschäftspartner saß bereits in Tannbergs Mercedes: brünett, sorgfältig geschminkt, vollbusig und zweifellos sehr anschmiegsam.

Tannbergs Sekretärin.

Es war wirklich billig.

Wahrscheinlich war Tannberg mit seiner reizenden Gespielin auf dem Weg in irgendein abgelegenes, idyllisches Waldhotel, wo keine Gefahr bestand, dass er zufällig erkannt wurde. Ein romantisches Wochenende im Oberbergischen Land, und dann den Mund voller Lügen und in der Hand ein kleines Geschenk, zurück zur Ehefrau im Kölner Villenviertel Marienburg: ein erlesenes Parfüm oder ein geschmackvolles Bukett, nichts Großes, nichts Ausgefallenes, natürlich nicht, schließlich durfte man die Kombinationsfähigkeit der Frauen nicht unterschätzen. Für die Geliebte allerdings würde eine Brillantbrosche abfallen, vielleicht sogar ein Nerz, je nachdem, wie gut sie im Bett gewesen war.

Das einzige, was noch fehlte, um aus diesem bezaubernden Rendezvous auf dem Land eine wirklich große Erfahrung zu machen, war ein Erinnerungsfoto.

Markesch grinste.

Kein Problem, dachte er. Wirklich nicht. Wird bestimmt spaßig werden, wenn Tannbergs Frau es ihm demnächst in einer besinnlichen Stunde präsentiert.

Eine Ausfahrt kam in Sicht; der Mercedes verließ die Autobahn.

Zufrieden nahm Markesch den Fuß vom Gaspedal und hielt sich dicht hinter der Limousine. Dicht genug, um erkennen zu können, wie die Sekretärin erregt auf Tannberg einsprach. Nach ihren Gebärden zu urteilen, schien sie nicht besonders glücklich zu sein, aber das hatte nichts zu bedeuten. Wer sich in der Rückenlage einen Nerz verdienen konnte, durfte das Unglücklichsein höchstens aus dem Konversationslexikon kennen.

Weiber!, dachte Markesch.

Er wusste Bescheid, er machte sich keine Illusionen. Wo bei einem normalen Menschen das Herz saß, hatten Frauen einen Eisblock. Glatter Wahnsinn, sich gleich mit zwei von dieser Sorte einzulassen.

Die einzige Freundin, mit der ein Mann zurechtkommen konnte, war eine Flasche Scotch Whisky.

Der Regen ließ nach, die Wolkendecke riss auf, und das kühle Licht der Nachmittagssonne zerstreute den Dunst. In engen Windungen schraubte sich die Straße durch das hügelige Land, vorbei an malerischen Fachwerkhäusern, umzäunten Weiden und bewaldeten Hängen, die wie Schwämme das Sonnenlicht auf saugten.

Aus den Niederungen kroch Nebel herauf.

Markesch fröstelte.

Zum Glück hatte er die Heizung immer dabei.

Er griff in das Handschuhfach und holte die Whiskyflasche heraus. Überrascht stellte er fest, dass sie nur noch zu einem Drittel gefüllt war.

Schien besonders schnell zu verdunsten, diese Marke.

Er klemmte die Flasche zwischen die Oberschenkel, und während er mit der linken Hand steuerte, drehte er mit der rechten den Schraubverschluss ab.

Er trank, und der Whisky wärmte seine Seele.

Tannbergs Mercedes blinkte und bog in einen schmalen Waldweg.

Markesch trat abrupt auf die Bremse. Verwirrt runzelte er die Stirn.

Was, zum Henker, hatte das zu bedeuten?

Nirgendwo gab es ein Hinweisschild auf einen Gasthof, und er wollte verdammt sein, wenn Tannberg zum Pilze sammeln in den Wald gefahren war.

Gott! dachte Markesch. Das darf doch nicht wahr sein - der Bastard will das Hotelzimmer sparen! Eine schnelle Nummer auf dem Liegesitz, und dann zum Essen nach McDonald's, wie? Es ist nicht zu fassen!

Langsam ließ er den Ford an die Abzweigung heranrollen.

Tannbergs Wagen war bereits hinter der nächsten Biegung verschwunden, doch das Rot der Rücklichter glühte wie bengalisches Feuer durch das tropfnasse braungrüne Unterholz.

Dann erloschen die Lichter.

Tannberg hatte angehalten.

Markesch zögerte, setzte ein Stück zurück und parkte den klapprigen Ford im Schatten der Bäume. Er nahm den Fotoapparat vom Rücksitz, steckte die Whiskyflasche in die Seitentasche seiner speckigen Lederjacke und stieg aus.

Die Luft roch nach Laub und Feuchtigkeit. Bis auf das nervöse Tröpfeln aus den regenschweren Baumkronen war es still. Der Himmel klarte weiter auf, und ein Hauch von Gold mischte sich in das kühle Nachmittagslicht.

Gutes Licht.

Ersparte glatt den Weichzeichner.

Markesch schlug sich in den Wald. Gebückt pirschte er durch das Unterholz; Zweige peitschten ihm ins Gesicht und überschütteten ihn mit feinem Sprühregen. Der Boden war aufgeweicht und von glitschigem Laub bedeckt. Mehrfach rutschte Markesch aus und bewahrte sich erst im letzten Moment vor einem Sturz.

Er fluchte.

Eine verdammte Art, sein Geld zu verdienen.

Warum musste dieser Idiot von Tannberg sein Schäferstündchen auch mitten im Wald abhalten?

Ein paar Millionen auf dem Konto, aber kein Geld für ein Hotelzimmer, wie?

Geiz oder Paranoia, dachte Markesch, das ist hier die Frage.

Vor ihm glänzte etwas Blaues durch das dunkle Grün des Waldes.

Der Mercedes.

Markesch schlich geduckt weiter, bis er eine Stelle erreicht hatte, von der aus er den Wagen deutlich sehen konnte. Er kauerte sich hin und überprüfte kurz die Kamera; ein japanisches Fabrikat, vollautomatisch, man musste nur auf den Auslöser drücken. Genau das Richtige für einen technischen Blindgänger wie ihn.

Er koppelte das Teleobjektiv an und blickte wieder zu dem Mercedes hinüber.

Tannberg und seine Sekretärin waren noch nicht zur Sache gekommen - sie redeten. Oder besser: Die Sekretärin redete, während Tannberg mit mürrischem Gesicht zuhörte.

Markesch zog die Whiskyflasche aus der Tasche und nahm einen großen Schluck. Der Whisky brannte in der Kehle, eine billige Marke, aber das Leben war hart, und man musste nehmen, was einen noch härter machte. Immerhin vertrieb das Zeug die Kälte aus der Seele, und nur darauf kam es an.

Die Sekretärin redete noch immer.

Hübsches Ding, dachte Markesch. Hohe Wangenknochen, ausdrucksstarke Augen, sinnliche Lippen. Aber zu geschwätzig.

Markesch gönnte sich noch einen Schluck.

Verdammt, warum mussten die Weiber so viel reden, bevor sie sich hinlegten? Um zu beweisen, dass sie nicht so leicht zu haben waren? Eine Art Balzverhalten? Ein magisches Ritual, Zauberworte, um den Mann an sich zu binden?

Markesch hasste es.

Es war so sinnlos. Es gab keine Worte, mit denen man einen anderen Menschen binden konnte. Die einzigen Fesseln, die wirklich hielten, waren die Fesseln, die man sich selbst anlegte.

Komm schon, Baby, dachte er ungeduldig, komm schon, bringen wir die Sache hinter uns. Zier dich nicht, mach schon, nur ein paar Bilder, und dann können wir alle gehen... 

Tannberg schien ähnlich zu denken. Er legte seinen Arm um sie, zog sie heftig an sich, küsste sie fordernd auf den Mund, bedeckte ihren Hals, ihre Schultern mit hitzigen Küssen.

Markesch riss die Kamera hoch.

Klick!

Sie schüttelte den Kopf, versuchte ihn abzuwehren, sich seinen Händen zu entziehen, aber Tannberg ließ sich davon nicht stören. Gut so, mein Junge, dachte Markesch, gut so, mach' weiter, weiter, großartig! Tannberg nestelte an ihrer Bluse, knöpfte sie auf.

Klick!

Tannberg zerrte ihr die Bluse von den Schultern und entblößte das spitzenbesetzte Schwarz ihres BHs.

Klick!

Tannbergs Hand schloss sich um die Wölbung ihrer linken Brust und schob das Körbchen hoch.

Klick!

Tannbergs Zunge zog eine feuchte Spur um das dunkle Rosa ihrer Brustwarze.

Klick!

Sie stieß ihn fort. Schrie ihn an. Schlug ihn mit der flachen Hand ins Gesicht.

Markesch ließ verblüfft die Kamera sinken.

Was hatte das wieder zu bedeuten? Dass sie sich zunächst geziert hatte, leuchtete ihm noch ein, aber dieser Sketch passte nicht in die Show. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er zum Mercedes hinüber.

Tannbergs Gesicht war eine wutverzerrte Grimasse, und dieser Anblick versöhnte Markesch mit der unwillkommenen Wendung der Dinge. Wahrscheinlich, weil er Tannberg noch mehr verabscheute als dieses Flittchen. Einen Moment lang hoffte er, dass Tannberg sie schlagen würde, doch zu seiner Enttäuschung riss er nur die Beifahrertür auf und warf sie hinaus.

Immerhin!

Markesch lächelte boshaft. Plötzlich gefiel ihm die Entwicklung. Vielleicht war es auch der Whisky, der allmählich Wirkung zeigte.

Tannberg schleuderte ihr mit einem Fluch die Handtasche hinterher, und als sie sie aufhob und sich wieder aufrichtete - mit einer graziösen, fließenden Bewegung, in die sich die kurzen Stromstöße ihrer unterdrückten Wut mischten - bemerkte Markesch, dass sie kleiner war, als er angenommen hatte.

Vermutlich reichte sie ihm nicht einmal bis zur Schulter.

Dumpf fiel die Wagentür ins Schloss. Der Motor sprang an, und mit quietschenden Reifen schoss der Mercedes davon. Über den holprigen Waldweg, der Landstraße entgegen, verschwand hinter den Bäumen.

Der Motorenlärm verklang.

In der plötzlichen Stille war das Tröpfeln aus den Baumkronen unnatürlich laut.

Markeschs Blicke kehrten zu der Frau zurück. Sie weinte. Seltsamerweise verärgerte es ihn. Tränen hatte er ihr nicht zugetraut. Zum Henker, sie war nicht der Typ für Tränen!

Er kauerte im Unterholz und fragte sich, was er tun solle.

Eine absurde Frage.

Er wusste, was er zu tun hatte. Die Aufnahmen waren im Kasten, der Auftrag erfüllt. Er musste nur noch den Film entwickeln, zur Tannberg'schen Villa in Köln-Marienburg fahren, Tannbergs Frau die Abzüge und Negative übergeben und das Honorar kassieren.

Was kümmerte ihn das Flittchen?

Sie brauchte sich nur an die Landstraße zu stellen, ein wenig Bein zu zeigen, und es würde innerhalb weniger Minuten zu einem kilometerlangen Stau kommen. Frauen wie sie konnten selbst durch die Sahara per Anhalter reisen, ohne länger als eine halbe Stunde auf einen Wagen warten zu müssen. Weil sie mehr waren als bloße Menschen; weil sie magische Geschöpfe waren.

Vielleicht zögerte er deswegen.

Er würde alles verderben. Es war verrückt. Es widersprach seinen sämtlichen Prinzipien, jeglicher Vernunft.

Zum Henker mit der Vernunft!, dachte Markesch.

Er stand auf und trat aus dem Gebüsch auf die Lichtung.

»Brauchen Sie einen Wagen?«, fragte er heiser.

Sie drehte sich langsam zu ihm um, und er sah, dass ihre Tränen längst versiegt waren. Versiegt, ohne Spuren auf ihrem Make-up zu hinterlassen. Ihre Augen waren dunkle Seen, abgrundtief. Sie wirkte nicht überrascht. Kühl erwiderte sie seinen Blick, nahm ihn und sein Angebot wie eine selbstverständliche Tatsache.

Es machte ihn wütend.

Es faszinierte ihn.

»Wo steht Ihr Wagen?«, sagte sie. Ihre Stimme war dunkel wie ihre Augen.

»An der Straße. Nicht weit von hier.«

»Gehen wir!«

Sie gingen. Der Waldweg war schlammig, und sie folgte dem schmalen Streifen Wildkraut und Gras in der Mitte. Er trottete hinter ihr her. Mit finsterem Gesicht. Im Stillen fluchend.

Gott, er musste wirklich den Verstand verloren haben! Und das wegen diesem kaltherzigen, arroganten Flittchen.

»Ich bin Markesch«, sagte er, als sie die Straße erreichten.

»Markesch, der Spanner?«

»Nur Markesch. Ich war rein zufällig in der Nähe. Auf der Suche nach dem Waldsterben. Ich bin Romantiker, wissen Sie.«

Sie trat an den Ford und wartete schweigend, bis er ihr die Beifahrertür geöffnet hatte. Ihre Miene verriet nichts von ihren Gefühlen.

Wahrscheinlich hatte sie keine Gefühle. Wahrscheinlich wusste sie nicht einmal, was Gefühle waren!

Seine Hand zitterte leicht, als er den Schlüssel in das Zündschloss steckte und den Anlasser drehte.

»Sie sollten einen Schluck Whisky trinken«, riet sie. »Das hilft. Es beruhigt. Wirklich.«

Wieder dieser Spott. 

Er warf ihr einen giftigen Seitenblick zu. Sie lächelte. Kaum merklich und nur mit den Lippen, nicht mit den Augen, aber als er dieses Lächeln sah, wusste er, dass er immer danach gesucht hatte.

Natürlich war es Unsinn.

Außerdem brachte er sich damit nur in Schwierigkeiten.

Er fröstelte und zog die Whiskyflasche aus der Seitentasche seiner Lederjacke. Doch er trank nicht. Er nahm die Flasche und legte sie ins Handschuhfach. Als er die Hand zurückziehen wollte, hielt sie sie fest.

Die Berührung schickte einen Schauder durch seinen Körper. Plötzlich begehrte er sie. Und plötzlich verstand er Tannberg.

»Werden Sie mir die Fotos zeigen, wenn sie entwickelt sind?«, fragte sie.

Ihre Finger lösten sich von seiner Hand, und er fuhr los.

»Ich bin Privatdetektiv«, sagte er über den Motorenlärm hinweg. Mit harter Stimme; vielleicht sogar hart genug, um sie zu treffen.

»Markesch, der Schnüffler?«

»Markesch, das Auge. Die Fotos gehören einer Klientin. Es würde dem Prinzip der Diskretion widersprechen, wenn ich sie Ihnen zeigen würde. Sie verstehen?«

»Diskretion«, wiederholte sie und ließ das Wort wie eine Praline auf der Zunge zergehen. »Können Sie das auch buchstabieren?«

Seine Hände verkrampften sich um das Lenkrad, bis die Knöchel ganz weiß waren. In diesem Moment hasste er sie so sehr, dass er sie hätte schlagen können.

Aber sie war es nicht wert.

Sie war überhaupt nichts wert.

Sie war nur ein Flittchen, mehr nicht.

Doch sie saß neben ihm, und sie roch nach süßem Tau und bitterem Gift, und wenn er verstohlen zur Seite blickte, sah er dieses Lächeln um ihre blutrot geschminkten Lippen, und es brannte wie Feuer in seiner Seele.

Es war lächerlich.

Natürlich war es lächerlich.

Sie erreichten die Autobahnauffahrt und fuhren weiter Richtung Köln. Schweigend. Nur der Motor des klapprigen Ford lärmte. Plötzlich war Markesch froh über den Lärm. Er ließ das Schweigen weniger bedrückend wirken.

Am Horizont zogen neue Regenwolken auf, und als sich weit vor ihnen die Türme des Kölner Doms schemenhaft im verdämmernden Tag abzeichneten und die Lichter der Stadt wie festgefrorene Sternschnuppen aufglühten, prasselte der Regen schwer und schmutzig auf die Windschutzscheibe.

Markesch brach das Schweigen.

»Wohin soll ich Sie bringen?«

Sie drehte den Kopf, und diesmal lächelten auch ihre Augen, nicht nur ihr Mund.

»Fahren wir zu dir«, sagte sie.

Ein Messer schnitt ihm ins Herz.

Aber es schmerzte nicht.

Vermutlich träumte er. Sicher, es musste ein Traum sein.

»Ich bin Eva«, sagte sie.

Eva.

Natürlich.

Er hätte es sich denken können.

Seine Stimme klang heiser vor Nervosität.

»Eva mit dem Apfel?«

Sie lehnte sich zurück. »Nur Eva.«

 

Der Duft ihrer Haut erfüllte sein Fleisch mit fiebriger Hitze, ließ Bilder in seinem Kopf kreisen und wirbeln, als wäre die Luft mit Lotos geschwängert.

Es war Nacht, und er rieb sich an ihrem Körper, atmete den Duft ihrer Haut, trank die Süße ihres Schoßes. Er küsste ihre Stirn, ihre Augen, ihre Wangen, ihr Kinn, er küsste ihre Lippen und ließ sie nicht mehr los. Er barg sein Gesicht im Tal ihrer Brüste, umfasste mit dem Mund die aufgerichteten Spitzen ihrer Brustwarzen, er hörte sie stöhnen und seufzen und seinen Namen flüstern. Seine Zunge streichelte die flache, glatte Haut ihres Bauches, erforschte die Tiefe ihres Nabels, den weichen

Busch ihres Venushügels, den rosigen, feuchten Spalt ihrer Scham, den tiefen, heißen Schlund. Er hob sich über sie, und ihre Hände glitten über seine Schenkel, seine Lenden, umfassten sein pochendes Glied und führten es in ihren Schoß. Er stieß tief in sie hinein, und sie schrie vor Lust, umklammerte ihn mit ihren Schenkeln, ihren Armen, presste ihren Unterleib gegen ihn, suchte und fand mit ihm den Rhythmus. Sie flüsterte ihm mit kehliger Stimme süße Obszönitäten ins Ohr, verbotene Worte, köstlich wie ihr williges Fleisch, sie biss in seine Schulter, seine Brust, bohrte ihre Fingernägel in seinen Rücken, grub ihm brennende Rillen in die Haut. Und als er kam, kam auch sie, und zwischen ihren kehligen Lauten der Lust, die seine eigene Lust wie eine magische Rückkoppelung verstärkten, hörte er sie leise seufzen:

»Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich...«

Er glaubte ihr kein Wort.

 

Später sprachen sie miteinander.

Später, nachdem sie sich wieder und wieder geliebt hatten und die graue Blässe des Morgens die Fensterscheiben in Milchglas verwandelte.

»Er wollte mich heiraten«, sagte Eva. »Das heißt, er hat es versprochen. Oft. Sehr oft.« Sie lächelte, und wieder blieb das Lächeln auf ihre Lippen beschränkt. »Immer dann, wenn ich ihn gedrängt habe. Ich habe ihn geliebt. Ja, ich habe ihn geliebt. Ich war eine Idiotin.«

Markesch küsste ihre Schulter. In seinen Gliedern war angenehme Schwere, aber sein Kopf war leicht, ganz leicht.

»Er hätte mich nie heiraten können«, sagte sie.

»Warum nicht?«, fragte er und küsste ihren Nacken.

»Weil Menschen sich nicht ändern können. Nicht grundlegend, nur ein wenig, nur in einer Weise, die schon immer ein Teil von ihnen war. Und Theo hätte sich grundlegend ändern müssen, um mich zu heiraten.«

Theo.

Markesch löste seine Hand von ihrer Brust, rollte auf den Rücken, starrte zur Decke.

»Theo liebt das Geld mehr als die Frauen«, sagte sie. »Er hätte das Geld verloren, wenn er mich geheiratet hätte.«

Markesch runzelte die Stirn.

»Verloren? Wieso?«

»Du weiß es nicht? Das Geld gehört seiner Frau. Alles gehört seiner Frau.« Eva lächelte dünn, ein Rasierklingenlächeln. »Theo verwaltet nur das Vermögen, den Grundbesitz. Ich wusste es nicht, bis...«

»Bis?«

»Bis heute. Bis zu unserem Streit. Das war der Grund für diesen schrecklichen Streit. Er hat mich die ganze Zeit belogen. All dieses Gerede vom Heiraten... Das Geld gehört seiner Frau, und wenn er sich von ihr scheiden lässt, verliert er alles, die Villa, den Mercedes, vermutlich sogar seine Mitgliedschaft im Tennisclub. Das wäre das Schlimmste für ihn - aus dem Tennisclub verbannt zu werden. Das würde ihn umbringen.«

Sie lachte. »Gütertrennung«, sagte sie. »Der Vertrag wurde am Tag vor der Hochzeit geschlossen. Sozusagen als Überraschung. Ich hätte zu gern Theos Gesicht gesehen. Natürlich konnte er da keinen Rückzieher mehr machen. Außerdem hat er wohl gehofft, das Vermögen trotzdem in seine Hände zu bekommen. Soviel zu den Hoffnungen.«

Draußen hellte der Tag weiter auf, und in Markesch kroch die Müdigkeit hoch.

»Was wirst du mit den Fotos machen?«, fragte Eva.

Irgendetwas in ihrem Tonfall ließ ihn hellwach werden.

»Abliefern. Was sonst?«

»Wieviel bekommst du dafür?«

»Zweitausend. Plus Spesen.« Es war ein großzügiges Honorar, wenn man den Aufwand bedachte.

»Zweitausend«, wiederholte sie.

Er sah zur Seite, und der geringschätzige Ausdruck auf ihrem Gesicht schmerzte ihn. Es war verrückt. Sie war nur ein Flittchen. Was kümmerte es ihn, was sie dachte?

»Zweitausend sind ein Witz. Ein Witz. Die Tannbergs sind Millionen schwer.«

Er wusste, worauf sie hinaus wollte. Zum Henker, er hätte es sich denken können. Er kannte Frauen wie sie. Frauen mit einem Eisblock anstelle des Herzens.

»Theo würde eine Menge dafür geben, um zu verhindern, dass seine Frau die Fotos bekommt.« Sie sprach leise, fast träumerisch. »Sie wird sich von ihm scheiden lassen. Sie ist dieser Typ Frau. Und Theo wird dann vor dem Nichts stehen. Armer Theo.«

»Er hat es verdient«, erklärte Markesch. »Hat du vergessen, wie er dich behandelt hat?«

Ihr Gesicht wurde hart. Ganz hart.

»So etwas vergesse ich nicht. Niemals. Aber diese Fotos sind mehr wert als lächerliche zweitausend. Viel mehr. Für Theo bedeuten sie alles. Alles, verstehst du?«

Markesch sagte nichts.

»Ich bin eine anspruchsvolle Frau«, fügte sie hinzu. »Ich bin Theo sehr ähnlich. Ich liebe das Geld.«

Markesch schloss die Augen.

Ihre Lippen glitten über seine Wange, ihre Zunge kitzelte feucht sein Ohr.

»Denk darüber nach«, flüsterte sie. »Ich liebe dich. Und ich liebe das Geld.«

 

Als er am späten Nachmittag aufwachte, war sie fort. Er fand einen Zettel auf dem Küchentisch.

Du weißt, was Du zu tun hast, wenn Dir etwas an mir liegt. Wenn du Dich entschieden hast, ruf mich an. Eva.

Mehr nicht, nur diese Zeilen und ihre Telefonnummer.

Markesch zerknüllte den Zettel und warf ihn in den Abfalleimer. Sie glaubte doch nicht im Ernst, dass er auf ihr Süßholzgeraspel hereingefallen war. Es war keine Liebe gewesen, weder bei ihr, noch bei ihm. Sex, dachte er. Reine Lust. Also vergiss sie. Sie bringt dir nur Arger ein. Kassiere deine Zweitausend von Tannbergs Frau und vergiss Eva.

Aber später, als er im Badezimmer vor dem Spiegel stand und sich rasierte, verschwammen seine eigenen Gesichtszüge, und er sah sie vor sich, die dunklen Seen ihrer Augen, das lockende Rot ihres Mundes, und wieder hörte er sie stöhnen:

»Ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich...«

Nicht mich, dachte er. Sondern das Geld.

Vergiss sie, dachte er.

Vergiss sie.

 

Am Abend rief er sie an.

Es war verrückt. Natürlich war es verrückt. Aber er rief sie trotzdem an.

»Ich möchte dich sehen«, sagte er heiser. »Ich muss dich sehen.«

»Du hast es dir überlegt?« Ihre Stimme klang kühl, sachlich, fremd. Doch er hatte nichts anderes erwartet. Sie war eben diese Art Frau. Aber er begehrte sie. Er war ein Idiot. »Du weißt, was ich meine?«

»Sicher. Wann kommst du?«

»In einer Stunde bin ich bei dir. »Sie schwieg einen Moment. »Ich bin froh«, sagte sie. »Ich habe dich vermisst. Ich brauche dich.« Die Kühle war aus ihrer Stimme verschwunden. »In einer Stunde.«

Sie legte auf.

Er schloss die Augen und dachte an ihre Brüste, ihre Schenkel, ihren Schoß - und an Tannberg, an die Fotos.

Wieviel würde Tannberg für die Fotos zahlen?

Und konnte er es überhaupt, wenn das Geld seiner Frau gehörte?

Eva schien davon überzeugt zu sein, und sie musste es wissen. Als seine Sekretärin.

Er fragte sich, ob sie heute im Büro gewesen war. Der Gedanke gefiel ihm nicht. Eva und dieser Bastard. Im Büro. Im Bett. Im Auto. Im Auto...

Markesch schenkte sich einen Whisky ein.

Tannberg würde dafür bezahlen. Für die Fotos, die Sache im Wald, die Jahre mit Eva. Zum Henker, Eva hatte recht! Für ein paar Kröten musste er sich mit dem Schmutz fremder Leute beschäftigen, und Bastarde wie Tannberg lebten in Saus und Braus. Es war nicht gerecht. Es war ganz und gar nicht gerecht. Und Eva war eine Frau, die verwöhnt werden wollte, die es verdient hatte, dass man sie verwöhnte.

Erpressung, dachte Markesch.

Ein schmutziger Job. Aber er hatte nie besonderen Wert darauf gelegt, sein Geld auf saubere Weise zu verdienen.

Er wartete, trank seinen Whisky und dachte an das Geld.

Bis Eva kam.

Er öffnete die Tür, und ohne ein Wort zu sagen, ließ sie den leichten Mantel von den Schultern gleiten und knöpfte ihre Bluse auf. Nur ihre Augen sprachen: Du kannst mich haben - aber zu meinen Bedingungen.

Sie trug keinen BH. Ihre Brüste reckten sich ihm fordernd entgegen. Apfelbrüste, fest und gleichzeitig weich. Dann, langsam, während ihre Zungenspitze lockend das Rot ihrer Lippen nachzeichnete, glitten ihre Hände an ihren Hüften hinunter, bis zum Saum ihres kurzen Rockes, hoben ihn langsam in die Höhe.

Sie trug kein Höschen.

»Gefällt es dir?«, flüsterte sie. »Sag, gefällt es dir?«

Plötzlich hasste er sie wieder.

Er hasste sie, weil sie Macht über ihn hatte. Weil sie mit ihm spielte. Sie spielte mit ihm, und sie war ein Flittchen.

»Ja«, sagte er rau.

Er kniete vor ihr nieder und vergrub sein Gesicht im dünnen Flaum ihres Schoßes. Er nahm ihren Duft in sich auf und stieß mit der Zunge in die feuchte Hitze ihrer Scham, zog die rosa Furche ihres Schoßes nach und umschloss mit den Lippen fest ihre Klitoris. Ihr Becken zuckte, sie keuchte auf und verkrallte ihre Finger in seinem Haar, presste ihren Schoß gegen sein Gesicht. Dann sank sie zu Boden und spreizte die Beine.

»Komm«, sagte sie kehlig.

Sie spielte mit ihm.           

Ihr Gesicht glühte vor Lust, doch ihre Augen blieben kühl.

Die Augen eines Flittchens.

Aber ihr Körper...

Er warf sich auf sie, wild und brutal, weil er sie hasste und weil er sie so begehrte, wie nie eine Frau zuvor, und als er in sie eindrang und sich mit heftigen Stößen dem Orgasmus näherte, hörte er sie zwischen ihren lusterfüllten Seufzern leise lachen.

»Du gehörst mir«, wisperte sie. »Du gehörst mir ganz.«

Es war ein Spiel.

Und er spielte mit.

 

Sie lag nackt auf dem Bett, ein Bein angewinkelt, eine Hand zwischen ihren Schenkeln, das Gesicht ganz entspannt vor Zufriedenheit. Markesch stand am Fenster, rauchte eine Zigarette und sah hinaus in die Nacht. Die Lichter von Köln wirkten seltsam fahl, und die Nacht war nicht schwarz, sondern grau.

»Ich habe mit Theo gesprochen«, sagte Eva. »Ihn vorbereitet. Ich habe ihm gesagt, dass wir im Wald beobachtet worden sind. Von dir. Dass du Fotos gemacht hast. Im Auftrag seiner Frau. Ich habe ihm deinen Namen genannt.«

Markesch war nicht überrascht.

Er hatte es erwartet. Es passte zu ihr und ihrem Charakter: zielbewusst, kompromisslos, skrupellos.

Er hasste sie dafür, und gleichzeitig war er fasziniert.

»Und?«, fragte Markesch. »Wie hat er reagiert?«

Sie lachte leise. »Er war nicht erfreut. Theo ist ein sehr sensibler Mann. Vor allem, wenn es um sein Geld geht.«

»Um das Geld seiner Frau.«

Markesch drückte die Zigarette aus, trat ans Bett, beugte sich über sie und küsste ihren Hals, ihre Schultern, ihre Brüste.

Ihre Hand glitt über seinen Rücken, zur Hüfte, zu seinen Lenden, umschloss sein Glied, rieb es sacht, bis es sich verhärtete und sein Atem schneller wurde, dann schob sie ihn zurück.

»Die Geschäfte gehen vor, Liebling.«

Sie gefiel ihm immer mehr.

»Was wird er unternehmen?« Markesch setzte sich auf das Bett. »Was kann er unternehmen?«