Erinnerung an Annette - Horst H. Geerken - E-Book

Erinnerung an Annette E-Book

Horst H. Geerken

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Beschreibung

Erinnerungen an Annette - Der letzte Weg einer außergewöhnlichen und tapferen Frau

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Seitenzahl: 138

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Annettes Lebensweisheit:

Wenn Du geboren wirst, weinst du alleine und alle um dich herum lachen.

Lebe Dein Leben so, dass, wenn du stirbst, du alleine lachst und alle um Dich herum weinen.

(Altes chinesisches Sprichwort)

Am 5. September 2005 wurde das Hospiz am Waldkrankenhaus in Bonn-Bad Godesberg eröffnet. In diesem Jahr wird das zehnjährige Jubiläum am 5. September gefeiert. Dazu wollten Annette und ich unsere herzlichsten Glückwünsche übermitteln.

Dieses Büchlein entstand durch die Anregung von Schwester Birgit Weidenbrück. Sie bat mich, aus diesem Anlass ein paar Zeilen zum Andenken an Annette zu schreiben, einen ganz außergewöhnlichen und lieben Menschen.

Als Annette noch mitten im Leben stand

Inhalt

Dank

Annettes Abschiedsbrief an Familie, Freunde, Kolleginnen und Kollegen

Vorwort

Die Vorgeschichte

Reisen mit der Krankheit

Exkursionen

Der Fall

Tage und Nächte in Annettes Leben im Hospiz

Das Hospiz am Waldkrankenhaus

Ausklang

Anhang: Ausschnitte aus dem Reisebericht von Annettes letzter Reise nach Indonesien

Dank

Dem Hospiz am Waldkrankenhaus in Bad Godesberg, der Leitung und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danke ich von ganzem Herzen für die liebevolle Pflege und Unterstützung von Annette. Alle Schwestern haben Annette liebevoll und immer geduldig mit viel Zeit umsorgt. Annette hat mir noch aufgetragen, auch allen Schwestern herzlich zu danken. Besondern Dank bin ich der Hospiz-Leitung schuldig, da ich wochenlang mit Annette in ihrem Zimmer wohnen durfte, um sie auf ihrem letzten Lebensweg zu begleiten. Auch dem Sozialtherapeuten und allen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sage ich Dank für ihre aufopfernde Unterstützung bei der nicht einfachen Aufgabe.

Annettes Familie, den vielen Freunden, Bekannten, Kolleginnen und Kollegen, die mit ihren Gedanken oder Besuchen und mit unzähligen lieben Briefen bei Annette waren, sage ich ein herzliches Dankeschön. Immer wieder las ich Annette diese Briefe und Grüße vor, und sie hat sich jedes Mal sehr darüber gefreut. Besonders dankbar bin ich Annettes alter Freundin Sabine, die wöchentlich Annettes liebe Mutter Ilse von Köln nach Bonn zu Annette brachte und die auch die Umschlagseite dieses Büchleins gestaltete.

Besonderer Dank gebührt Annettes Chef, Herrn Professor Georg Schöllgen, dem Inhaber des Lehrstuhls für Alte Kirchengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn, und seiner lieben Ehefrau. Beide, wie auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Lehrstuhls wie des Dölger-Instituts, haben Annette während ihrer Erkrankung unterstützt und waren rührend um ihr Wohl bemüht. Alle standen auch mir hilfreich zur Seite. Besonders hervorheben möchte ich hier die wissenschaftlichen Mitarbeiter Hanno Dockter und Daniel Weisser, denen Annette in besonderer Weise verbunden war. Jedes Mal, wenn die beiden Herren Annette besuchten, freute sie sich und ein Strahlen belebte ihr Gesicht.

Es war rührend, wie viele Freunde, Bekannte, Kolleginnen und Kollegen Annette im Hospiz besuchen wollten. Dafür danke ich ganz herzlich. Im Namen von Annette bitte ich jedoch um Verständnis und gleichzeitig um Entschuldigung, dass ein Besuch in vielen Fällen nicht möglich war. Manch unangemeldeter Besuch wurde dann – je nach Annettes Tagesform – auch von den Schwestern oder von mir abgewiesen.

Besuche wurden für Annette zu anstrengend, und nach einem Besuch ging es ihr regelmäßig schlechter. Bereits nach wenigen Tagen im Hospiz hat mich Annette daher gebeten, mit ganz wenigen Ausnahmen keine Besucher mehr zu ihr zu lassen. Sie wollte nur mit mir alleine sein. Das war kein böser Wille, sondern Annettes Selbstschutz.

Annettes Abschiedsbrief an Familie, Freunde, Kolleginnen und Kollegen

Es wird keine Trauerfeier und keine Anzeige über Annettes Tod geben. Annette hat verfügt, dass ihre Asche in aller Stille beigesetzt wird. Dieses kleine Büchlein soll anstelle einer Trauerfeier und einer Anzeige als dauernde Erinnerung an Annette dienen. Es war Annettes Wunsch, sie so in Erinnerung zu behalten wie sie immer war, voller Lebensfreude und Humor. Diese positive Lebenseinstellung hat sie bis zu ihrem Lebensende bewahrt.

Annette hat schon vor weit über einem Jahr einen Abschiedsbrief geschrieben, den ich hier wiedergeben möchte:

Liebe Familie, liebe Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen,

nun, wenn Ihr diesen Brief in Euren Händen haltet, habe ich Abschied genommen, aber ich bin schon heute sicher – immerhin noch unter den Lebenden – dass ich den Übergang gut bewältigen werde, denn der Tod und das Sterben waren für mich immer schon ein Teil meines Lebens.

Euch kann ich leider nicht den ‚üblichen‘ Abschied ermöglichen mit Kirche, Friedhof und dergleichen. Ich möchte so traurige Dinge auch nicht nach Beendigung meines Lebens, während dessen ich so fröhlich auf Erden herumgetanzt bin, anderen zumuten – und mir selbst auch nicht. Ich möchte nicht unter die Erde, da ist es mir zu dunkel und zu nass, Schließlich habe ich – vor allem gegen Ende meines Lebens – ständig gefroren. Ich möchte verbrannt und ausgestreut werden an einem Ort, der mir gefällt. Da kann ich weiter auf Erden herumtanzen. Ich hatte immer ein glückliches Gemüt und habe das auch stets als ein Gottesgeschenk empfunden. Behaltet mich in Erinnerung, so wie ich war.

Danke für all die schönen Stunden, die wir zusammen erleben durften. Ich wünsche Euch ein gutes und glückliches Leben mit Euren Familien. Auf Wiedersehn!

Eure Annette

Außer weiteren Abschiedsbriefen an ihre Familie hat Annette mir auch Dankesbriefe an alle Ärzte übergeben, die sie in der schwierigen Zeit ihrer Erkrankung besonders fürsorglich und fachkundig betreut hatten. Annette und ich wussten seit der unheilvollen Diagnose, dass ein endgültiger Abschied in nicht allzu ferner Zukunft lag.

Vorwort

Annettes Vater, Professor Dr. Hans Bräker, war Orientalist. Er war Gründer und Leitender Wissenschaftlicher Direktor des ‚Bundesinstituts für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien‘ in Köln, das dem Auswärtigen Amt angeschlossen war. Anlässlich einer Forschungsreise Ende der 1960er Jahre waren die Eltern von Annette in Indonesien meine Gäste bei einer Indonesischen Reistafel, und wir sind seither freundschaftlich verbunden. Annette traf ich erstmals 1991 bei einer Feier von gemeinsamen Freunden. Annette war schon alleine und ich auch. Wir verstanden uns auf Anhieb gut, hatten viele gemeinsame Interessen und kurz danach waren wir ein glückliches Paar.

Annette war durch ihr Studium der Malayologie, der Vergleichenden Religionswissenschaft und der Orientalischen Kunstgeschichte besonders eng mit Südost-Asien verbunden. Daher durfte sie bereits ihre Eltern bei vielen Reisen in diesen Raum begleiten. So war sie – bevor wir uns kennenlernten – zum Beispiel bereits in Indien, Kambodscha, Laos, Birma und Indonesien. Obwohl Annette und ich oft zur selben Zeit in Indonesien waren, trafen wir uns dort nie. Entweder war sie oder ich auf einer anderen Insel des riesigen Archipels am Äquator.

Annette und ich setzten die ausgedehnte Reisetätigkeit fort. Fast jedes Jahr reisten wir nach Indonesien, das durch meine langjährige berufliche Tätigkeit dort und Annettes Studium zu unserer zweiten Heimat wurde. Gemeinsam bereisten wir noch weitere 57 Länder. Darunter waren so exotische Unternehmungen wie die Durchquerung der Wüste Gobi in der Mongolei, eine abenteuerliche Reise von Pakistan über den fast 5.000 Meter hohen Khunjerab Pass (Kunjirap La, den höchsten befestigten Pass der Welt) nach China, eine Reise in den Dschungel von Neuguinea, eine Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn an den Baikalsee, die Überquerung des Indischen Ozeans und des Atlantiks mit einem Großsegler, und ein Besuch des ehemaligen Königreichs Sikkim im Himalaya, zu dem ich durch meinen Funkkontakt mit dem König2 eine besondere Verbindung hatte. Wir ließen nichts aus! Und makellos angezogen war Annette bei jeder Gelegenheit. Immer passte alles zusammen!

Ankunft in Gangtok/Sikkim im Himalaya

In der Wüste Gobi

Im Hunza-Tal/Karakorum Gebirge, Nord-Pakistan

Auf ‚unserem‘ Hausboot auf den ‚Backwaters‘ durch Süd-Indien

Chinesische Zollkontrolle in fast 5.000 Metern Höhe auf dem Khunjerab-Pass

Mit dem Segelschiff über den Indischen Ozean

In der Karibik

Auf dem Zwiebelmarkt in der Ukraine

Auf dem Schwarzen Meer

Leicht angeheitert beim Heurigen in Sterzing

Es gab auch manch exklusive Reise zu Wasser und zu Land

Bis zur zweiten Hälfte des Jahres 2014 hatte Annette ihr Hobby ausgeführt. Mit Hingabe und Liebe entwarf sie bunte Halsketten, aus Perlen, Edel- und Halbedelsteinen, die wir in ganz Asien, von Sibirien über China bis Indonesien, anlässlich unserer Reisen zusammengesucht und erstanden hatten. Die meisten der Perlen und Steine kamen aus Indonesien. Annette wollte in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 nochmals, wie schon mehrmals zuvor, eine Präsentation ihrer Halsketten für Freunde und Bekannte ausrichten. Dazu kam es leider nicht mehr.

Eine kleine Auswahl der von Annette entworfenen Halsketten

Annette entwarf auch Ringe und Anhänger, für sich und für Freunde, die dann in Yogyakarta in Mitteljava bei einem Silberschmied – der für mich schon seit den 1960er Jahren Silbersachen anfertigte – und bei einem Goldschmied auf Bali in Silber und Gold perfekt realisiert wurden.

Annette hatte noch ein weiteres Hobby das sie faszinierte: SCHUHE! Sie kaufte nicht nur unzählige Schuhe in Deutschland und Italien ein, auf Bali ließ sie sich Dutzende Paare anpassen und von Hand anfertigen. Auch die Schuhmacher sind auf Bali Künstler! Oft entwarf sie zusammen mit dem Schuhmacher ein Modell. Es folgten Anproben, und wenn das erste Paar passte wurde eine ganze Serie in den verschiedensten Farben gefertigt.

Schuhe waren Annette ganz wichtig, möglichst bunt, so wie ihre Kleidung. Ich bin sicher, fünf Monate lang hätte sie jeden Tag ein anderes Paar tragen können.

Eine kleine Auswahl eines von ihr entworfenen Modells

Und da Tanzen – besonders lateinamerikanisch – unser gemeinsames Hobby war und wir auf Bali fast jeden Abend in einer anderen Lokalität tanzen gingen, gab es auch noch Tanzschuhe mit besonders dünnen und flexiblen Ledersohlen. Nicht nur Annette, auch ich ließ mir auf Bali Schuhe von Hand anfertigen. Sie sind äußerst bequem und sitzen wie angegossen. Beim Salsa mit den vielen Drehungen haben wir einige Sohlen durchgetanzt.

2 Geerken, Der Ruf des Geckos, S. 319ff

Die Vorgeschichte

Anfang 2012 machten Annette und ich die letzte unbeschwerte Reise nach Java und Bali. Im kalten deutschen Winter zieht es uns beide jedes Jahr in die tropische Wärme Indonesiens. Auf Bali hatten wir wieder die kleine Villa Susanta in Ubud gemietet, in der wir schon seit vielen Jahren wohnen, in den Bergen gelegen und – obwohl nur wenige Grad südlich des Äquators – mit herrlichem gesundem, aber warmem Klima.

Unsere Villa in Ubud/Bali. Entspannung am Pool

Unsere Villa in Ubud/Bali. Bei der Arbeit: Reiseberichte

Annette 2012 auf Bali

So geht’s zum Tanz, Ubud 2012

Anfang April waren wir wieder zurück in Deutschland. Am Mittwoch, den 23. Mai waren wir schon wieder mit unserem Wohnmobil unterwegs. Wir wollten einige Tage nach Frankreich ins Burgund fahren. Seit Jahrzehnten ist Annette Kundin des Weinguts von Schloss Chambolle-Musigny in Beaune. Dort waren wir zu einer Weinprobe eingeladen.

Schon seit Wochen fühlte sich Annette nicht richtig wohl und war immer schlapp. Immer wieder sagte sie: ‚Mit meiner Lunge ist etwas nicht in Ordnung‘. Aber alle Untersuchungen mit Röntgen, CT und MRT der letzten Monate und Wochen verliefen zunächst negativ.

In Thionville machten wir Rast und kauften in dem uns von früheren Reisen bekannten Feinkostgeschäft ein paar leckere Sachen ein. Wir wollten nur eine kleine Rast mit einer französischen Vesper machen. Annette gefiel mir gar nicht. Sie redete nicht viel, sah blass aus und legte sich immer wieder auf den Sitz. Auf meine Frage nach ihrem Befinden antwortete sie: „Mir fällt das Atmen immer schwerer. Ich bekomme kaum noch Luft.“ Das war für mich das Signal, sofort umzukehren und zurück nach Bonn zu fahren. In der Nacht waren wir wieder zu Hause.

Am nächsten Morgen stellte sich Annette auf Anraten unseres Hausarztes im Malteser-Krankenhaus in Bonn zur Untersuchung vor. Bereits am nächsten Tag wurde sie stationär eingewiesen und war sieben Tage dort. Sie hatte über zwei Liter Wasser im Brust- und Bauchraum. Kein Wunder, dass ihr das Atmen schwerfiel. Die Lungen konnten sich nicht mehr ausdehnen. Der Pleuraerguss wurde durch eine Punktion entfernt, aber weitere Flüssigkeit lief immer wieder nach.

Die vernichtende Erstdiagnose traf uns einige Tage später aus heiterem Himmel, als das Ergebnis der histologischen Untersuchung des Lungenwassers vorlag: Lungenkrebs, der Tumor war bereits durchgebrochen. Das mit Tumorzellen verseuchte Lungenwasser hatte sich im gesamten Brust- und Bauchraum ausgebreitet und die Tumorzellen hatten sich bereits an der Brustfellhaut festgesetzt. Eine Operation war nicht mehr möglich. Unheilbar! Die Überlebenschance ohne Chemotherapie war maximal sechs Monate. Wir nahmen uns ganz feste in die Arme und weinten leise vor uns hin.

Wir wollten aber noch einiges erleben! Wir gaben nicht auf! Nach dem ersten Schock machten wir Pläne, wie es weitergehen sollte. Sofort wurde der uns empfohlene Onkologe in der Janker-Klinik aufgesucht und die erste Serie der Chemotherapie begann. Alles sollte versucht werden, um noch ein paar schöne gemeinsame Jahre mit Reisen dem Tode abzutrotzen.

In einer Pleurodese-Operation im September desselben Jahres im Malteser-Krankenhaus wurde der Durchbruch in der Lunge verklebt, um ein weiteres Austreten des Lungenwassers zu verhindern. Dies war erfolgreich! Es trat kein Wasser mehr aus. Alle weiteren Behandlungen wurden ambulant im Krebszentrum der Janker-Klinik durchgeführt. Wir fühlten uns dort sofort sehr gut betreut. Da Annette die Chemotherapie durch Infusion nach mehrmaliger Anwendung nur noch sehr schlecht vertrug, wurde die Chemotherapie mit Iressa in Tablettenform weitergeführt. Zum Glück waren Annettes Krebszellen eine sogenannte ‚Asiatische Mutation‘, auf die Iressa besonders gut ansprach.

2014 hatte der Primärtumor der Lunge auch die Wirbelknochen des Rückgrats befallen und schon teilweise zerstört. Auch im Nervenwasser und im Gehirn wurden nun Tumorzellen festgestellt. Es folgten viele anstrengende Bestrahlungen des Kopfes und weitere Chemotherapien. Annette machte alles ganz tapfer mit. Nach der ersten Chemotherapie fielen ihr alle Haare aus. Langsam wuchs wieder ein leichter Flaum, aber nach der Bestrahlung des Kopfes war der Kopf wieder kahl.

Um die Tumorzellen im Liquor zu vernichten, wurde nun eine Serie von Lumbalpunktionen mit Depozyte durchgeführt. Für eine erste Lumbalpunktion musste Annette einige Tage stationär in die Neuro-Onkologie der Uni-Klinik in Bonn. Diese Behandlung war sehr anstrengend und – trotz Betäubung – auch schmerzhaft. Unser immer hilfsbereiter und äußerst kompetenter Onkologe der Janker-Klinik organisierte, dass die weiteren Lumbalpunktionen hier und ambulant durchgeführt werden konnten. Ein sehr erfahrener Arzt machte dies in der Janker-Klinik ohne Narkose und zwar völlig schmerzfrei. Was für ein Unterschied! Nach jeder Behandlung musste Annette liegend in meinem VW-Bus nach Hause transportiert werden, wo sie für zwei Tage das Bett nicht verlassen durfte.

Während all dieser Therapien war Annette immer noch halbtags in der Universität berufstätig. Sie war noch täglich mit ihrem Auto unterwegs und versorgte sich zu Hause selbst. Annette war eine bewundernswerte und tapfere Frau. Nur manche Abende und die Wochenenden von Freitagnachmittag bis Sonntag verbrachten wir gemeinsam. Trotz ihrer Krebserkrankung konnten wir noch einige längere Reisen machen, und mit den Kolleginnen und Kollegen der Universität konnte Annette noch an mehreren Exkursionen teilnehmen.

Reisen mit der Krankheit

Die erste Chemotherapie mit Infusion war abgeschlossen und die weitere Behandlung wurde mit Tabletten weitergeführt. Wir konnten also auf eine längere Reise gehen.

Natürlich war unser Wunschziel wieder die Insel Bali. Im Februar 2013 flogen wir für zwei Monate in unser Paradies! Um den langen Flug von mindestens 18 Stunden für Annette möglichst erträglich zu machen, buchten wir Business-Class. Ein wunderbarer Flug, jeder hatte sein eigenes Bett, wir konnten acht Stunden lang tief schlafen. Da vergeht die Zeit ‚im Fluge‘. In Hongkong mussten wir das Flugzeug wechseln. Auch das war kein Problem. Mit der von der Fluggesellschaft angebotenen ‚Travel-Assistance‘ wurden wir im Rollstuhl direkt von unserer Maschine abgeholt und zum andern Abflugsteig gefahren. Aller Papierkram wurde für uns erledigt. Auch am Flughafen in Bali wurden wir direkt am Flugzeug mit einem Rollstuhl empfangen und durch die Pass- und Zollkontrollen geschleust. Vor dem Flughafen wartete schon unser Mietauto mit unserem Fahrer Murah, der uns schon seit vielen Jahren bei längeren Ausflügen über die Insel fährt. Auf direktem Wege ging es zu unserem Bungalow, der Villa Susanta in Ubud, unserem Paradies mit einem kleinen Pool.

Wir hatten zwei wundervolle und glückliche Monate, die uns Annettes Krankheit vergessen ließen. Zwischendurch mussten wir diverse Blutwerte von Annette bestimmen lassen und nach Deutschland senden. Alles war im grünen Bereich! Unsere balinesischen Freunde belieferten uns mit Kräutern und Wurzeln für eine alternative balinesische Krebstherapie. Annette machte auch dies mit, und sie hatte das Gefühl, dass es ihr gut tat. Sie führte diese Therapie auch in Deutschland parallel zu den Chemotherapien weiter. Die Zutaten wurden uns von Freunden aus Bali mitgebracht. War es die Wirkung dieser alternativen balinesische Krebstherapie, die es Annette noch so lange gut gehen ließ?

Annette im März 2013 mit Horsts Enkelin Skyla