Erster Funke - Petra Ivanov - E-Book

Erster Funke E-Book

Petra Ivanov

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  • Herausgeber: Unionsverlag
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2017
Beschreibung

Bruno Cavalli steht kurz vor einem Ermittlungserfolg, als ihm jemand zuvorkommt: Der Schweizer Bankangestellte, der sensible Kundendaten gestohlen hat, liegt ermordet in einem finsteren Hangar in New York. Zusammen mit der Staatsanwältin Regina Flint folgt Cavalli den Spuren des Killers bis nach Washington. Obwohl Cavallis unorthodoxe Ermittlungsmethoden Flints Vorstellungen von Verbrechensbekämpfung gehörig umkrempeln, kommen die beiden sich immer näher – und geraten ins Netz der Mafia. »Immer wieder bin ich gefragt worden, wie sich Regina Flint und Bruno Cavalli kennengelernt haben. Jetzt tauche ich in die Vergangenheit ein. Regina Flint und Bruno Cavalli treffen zum ersten Mal aufeinander. Schnell wird ihnen klar, dass sie so bald nicht wieder voneinander loskommen.« Petra Ivanov

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Seitenzahl: 312

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Über dieses Buch

Bruno Cavalli steht kurz vor einem Ermittlungserfolg, als ihm jemand zuvorkommt: Der Datendieb liegt ermordet in einem finsteren Hangar in New York. Zusammen mit der Staatsanwältin Regina Flint folgt Cavalli den Spuren des Killers bis nach Washington. Flint und Cavalli kommen sich näher - und geraten ins Netz der Mafia.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

Petra Ivanov verbrachte ihre Kindheit in New York. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz absolvierte sie die Dolmetscherschule und arbeitete als Übersetzerin, Sprachlehrerin sowie Journalistin. Ihr Werk umfasst zahlreiche Kriminalromane, Jugendbücher und Kurzgeschichten.

Zur Webseite von Petra Ivanov.

Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Petra Ivanov

Erster Funke

Flint und Cavalli – Wie alles begann

Die Vorgeschichte

Kriminalroman

Ein Fall für Flint und Cavalli

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 3 Dokumente

Der erste Teil dieses Romans erschien 2015 als E-Book unter dem Titel Hangar B im Appenzeller Verlag. Für diese Buchausgabe hat die Autorin den Text überarbeitet.

© by Petra Ivanov 2017

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: joegolby (iStock)

Umschlaggestaltung: Heike Ossenkop

ISBN 978-3-293-30972-2

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

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Version vom 22.09.2022, 22:28h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

Impressum

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Inhaltsverzeichnis

ERSTER FUNKE

VorbemerkungHangar B — New York1 – Die nasse Landebahn reflektierte das Licht der Straßenlaternen …2 – Nimmst du auch ein Glas Wein?«, fragte Staatsanwalt …3 – Cavalli schaute über den Hangar. Sowohl das New …4 – Der durchnässte Hosenanzug klebte Regina am Körper wie …5 – Benedikt Krebs lehnte sich zurück und schlug die …6 – Das Aviator Sportzentrum umfasste zwei Eishockeyfelder, einen Kunstrasen …7 – Hinter dem Motel führte ein schmaler Gang an …8 – Wolken zogen über dem Atlantik auf. Als sich …9 – Sandra Weiß war noch immer nicht aufgetaucht …10 – Cavalli saß mit dem Rücken zur Wand …USB 2.0 — Washington1 – Regina Flint stand in der Hotellobby und trank …2 – Cavalli ließ die Schultern kreisen. Der Geruch von …3 – Chinatown war ein ruhiges Viertel östlich der Stadtmitte …4 – Warum hast du mir nicht gesagt, dass du …5 – Reginas Unterbewusstsein arbeitete heftig. Sie versuchte, ihren Gedanken …6 – Fiona Kelly spielte mit ihrem Ohrring. Was sie …7 – Regina saß auf der Bettkante und starrte auf …8 – Cavalli versuchte, den Mund zu öffnen. Es knisterte …9 – Im Raum herrschte Betrieb. FBI-Agenten gingen hin und …10 – Cavalli saß an einer Wand, die Hände hinter …11 – Der Anhänger brannte auf Reginas Haut, die Kette …12 – Der Regen war stärker geworden. Cavalli legte den …13 – Ich verstehe immer noch nicht, warum sie Kelly …

Mehr über dieses Buch

Über Petra Ivanov

Petra Ivanov: »Meine Figuren sind lebendig. Wenn ich nicht schreibe, verliere ich denn Kontakt zu ihnen.«

Petra Ivanov: »Mein Weltbild hat sich zum Besseren verändert, seit ich Krimis schreibe.«

Mitra Devi: Ein ganz und gar subjektives Porträt von Petra Ivanov

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Vorbemerkung

Liebe Leserin, lieber Leser,

2005 erschien Fremde Hände, der erste Fall für Regina Flint und Bruno Cavalli. Ein Leichenfund in einer Müllverbrennungsanlage in Zürich-Nord führte die Staatsanwältin und den Kriminalpolizisten zusammen. Es war nicht ihre erste Begegnung. Sie waren schon früher einmal ein Paar gewesen. Doch die Beziehung war in die Brüche gegangen, ihre Wege hatten sich getrennt.

Nach Fremde Hände folgten Tote Träume, Kalte Schüsse, Stille Lügen, Tiefe Narben, Leere Gräber und Heiße Eisen. In diesen Romanen kann man nachlesen, wie sich die Beziehung zwischen den beiden weiterentwickelte. Etwas aber blieb offen. Immer wieder bin ich im Laufe der Jahre gefragt worden: Wie haben sich Regina Flint und Bruno Cavalli kennengelernt? War es Liebe auf den ersten Blick? Wo sind sich die beiden begegnet?

In diesem Buch tauche ich ein in die Vergangenheit dieses spannungsreichen Duos. Regina Flint und Bruno Cavalli treffen zum ersten Mal aufeinander – und schnappen einen Killer. Es wird ihnen klar, wer hinter der ganzen Geschichte steckt; aber ebenso schnell wird ihnen klar, dass sie so bald nicht wieder voneinander loskommen werden.

Viel Vergnügen wünsche ich Ihnen!

Petra Ivanov

Hangar B

New York

1

Die nasse Landebahn reflektierte das Licht der Straßenlaternen. Bruno Cavalli beachtete es nicht. Genauso wenig wie den Regen, der ihm ins Gesicht peitschte. Floyd Bennett Field wirkte verlassen. Vorsichtig schlich Cavalli zum Hangar B. Eine Ratte huschte vorbei und verschwand im Gebüsch. Cavalli fürchtete sich nicht vor Ratten. Er fürchtete sich vor keinem Tier. Menschen hielt er für weit gefährlicher. Als Polizist war er mit Grausamkeiten konfrontiert, die alles übertrafen, was das Tierreich zu bieten hatte.

Er schlüpfte durch ein Loch im Maschendrahtzaun und schaute zurück. Floyd Bennett Field war New Yorks erster Flughafen gewesen. Die Stadt hatte ihn 1931 im Süden von Brooklyn eröffnet, zehn Jahre später war der Flugverkehr wieder eingestellt worden. Heute wurde Floyd Bennett Field nur noch vom New York Police Department benützt. Aus den Rissen im Beton spross Unkraut, und der Boden wölbte sich, wo Kälte und Hitze ihm zugesetzt hatten.

Cavalli spurtete zum verwitterten Hangar und presste sich mit dem Rücken gegen die Mauer. Konzentriert lauschte er den Geräuschen. Der Sturm, der am Vormittag über die Jamaica Bay hinwegfegte, war inzwischen abgeflaut, noch immer überdeckte der Regen jedes Geräusch. Er wartete einige Minuten, dann ging er auf den Eingang zu. Glasscherben und leere Dosen lagen am Boden, er war offenbar nicht der Einzige, der das »Betreten verboten«-Schild missachtete. Neben der Tür blieb er stehen. Er streckte die Hand aus und legte sie auf den Türknauf. Das Metall fühlte sich kalt an. Er drehte am Griff. Die Tür öffnete sich. Ein Gefühl von Unbehagen überkam ihn.

Modrige Luft schlug ihm entgegen. Es roch nach Motorenöl, Urin und Schweiß. Er packte das Stahlrohr, das er in der Hand hielt, fester. Dachte an die SIG Sauer in seinem Büro bei der Kantonspolizei Zürich, die hätte er jetzt gern dabei, aber in den USA durfte er keine Waffe tragen. Sofort verdrängte er den Gedanken. Unerfüllbaren Wünschen hing er nicht nach.

Er holte tief Luft und betrat den Hangar. Seit der National Park Service den Flugplatz verwaltete, waren die historischen Bauten nach und nach renoviert worden. Im Hauptgebäude befand sich ein Museum, Hangar B beherbergte eine Sammlung von Flugzeugen aus der Pionierzeit der Luftfahrt. Ein Gitterwerk aus Stahl stützte den Holzbau. Die mit mattem Glas versehenen Fenster ließen nur spärlich Licht hindurch. Neben einem Wasserflugzeug konnte Cavalli schemenhaft eine Leiter und eine Werkzeugkiste erkennen, daneben stand ein U-Boot-Jagdflugzeug. Vermutlich eine Neptune, dachte er, als er darauf zuging und die Bombenkammer sah. Die gelbe Beschriftung warnte vor Sprengstoff.

Ein Luftzug streifte ihn. Hatte jemand eine zweite Tür geöffnet? Irgendetwas hatte sich verändert im Raum. Der gut 8000 Quadratmeter große Hangar erschien ihm wie ein einziges unheilvolles Kraftfeld. Cavalli blieb reglos stehen. Sekunden verstrichen. Ein Geruch fiel ihm auf, er kannte ihn, konnte ihn aber nicht zuordnen. Er enthielt eine balsamische Komponente, darunter lag eine Note, die an den Duft von Nadelhölzern erinnerte. Cavalli musste an Pilze, getrocknete Zitronen und altes Leder denken. Obwohl es ein angenehmer Geruch war, löste er in ihm eine seltsame Gereiztheit aus.

Kurz überlegte er, Verstärkung anzufordern, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Sein Instinkt hatte ihn hierhergeführt, Fakten konnte er keine liefern. Zwar bearbeitete er den Fall schon seit einigen Monaten, jetzt lag die Verantwortung jedoch in den Händen des FBI. Der leitende Agent, Jim McKenzie, hatte Cavalli klargemacht, wer das Sagen hatte. Cavalli war lediglich als Berater hinzugezogen worden. Er ballte die Faust. Er kannte Mark Heller und Sandra Weiß besser als jeder FBI-Agent. Er war mit ihrem Vorgehen vertraut und hatte sich gründlich mit ihrer Vergangenheit beschäftigt. Vor allem aber wusste er, wie sie dachten.

Heller fühlte sich vom Leben betrogen und glaubte, nicht genügend Wertschätzung zu erfahren. Zweimal war er bei einer Beförderung übergangen worden. Sein verletztes Selbstwertgefühl versuchte er, mit Arroganz zu kompensieren, was ihm keine Freunde bescherte. Weiß hingegen war mit ihrem Leben zufrieden gewesen, bevor sie Heller kennenlernte. Sie lebte in einer Zweizimmerwohnung, ging ab und zu mit Freunden aus, hütete die Katze der Nachbarin, wenn diese im Urlaub weilte, und leistete sich alle zwei Monate ein Paar neue Schuhe. Dass sie die Führung lieber anderen überließ, statt selbst die Initiative zu ergreifen, machte sie jedoch unberechenbar. Sie würde Heller folgen, egal, was er von ihr verlangte. Hauptsache, sie musste keine Entscheidungen treffen.

Cavalli hatte das Leben der beiden bis ins letzte Detail studiert. Er wusste sogar, dass Heller seine Brötchen gerne mit Erdbeerkonfitüre aß und Weiß zum Frühstück Müsli favorisierte. Vor allem aber ahnte er, wo sie sich versteckten.

Vor ein paar Jahren hatte Heller fünf Tage in New York verbracht. Am letzten Tag war er nach Brooklyn gefahren, um Freunde zu besuchen, die auf Floyd Bennett Field campierten. Seit der Flugplatz zu einem Naherholungsgebiet umgestaltet worden war, gab es einige offizielle Stellplätze für Wohnmobile und Zelte. Heller hatte den Tag damit verbracht, die historischen Gebäude und den Park zu erkunden, später grillten sie zusammen an der Jamaica Bay.

Menschen hängen an ihren Gewohnheiten, das Floyd Bennett Field war Heller vertraut. Die Stellplätze waren einfach, doch sie erfüllten ihren Zweck. Bevor Heller vor drei Wochen untertauchte, hatte er einen gebrauchten Dodge-Grand-Caravan gekauft, das perfekte Fahrzeug, um unauffällig zu campen. Mit einem Heckzelt bot der Wagen genügend Platz für zwei. April war ein guter Monat, um sich auf Floyd Bennett Field zu verstecken. Im Winter erregte ein einsamer Camper Aufmerksamkeit, im Sommer waren die begehrten Plätze stets belegt, sodass Heller frühzeitig hätte reservieren müssen. Das Risiko, eine Kreditkarte einzusetzen und so Spuren zu hinterlassen, hatte er aber bis jetzt vermieden.

Etwas bereitete Cavalli Kopfzerbrechen: Wie war es Heller und Weiß gelungen, sich eine neue Identität zuzulegen? Beim Park Service hatten sich nur drei deutsche Studentinnen sowie ein Enddreißiger aus Amsterdam registriert. Keine Paare. Ein Dodge-Grand-Caravan war auch nicht eingetragen. Heller und Weiß hatten weder Beziehungen zu Kriminellen in den USA noch andere nützliche Verbindungen. Dass sie sich unbemerkt hätten hereinschleichen können, war unwahrscheinlich. Die Park Ranger patrouillierten regelmäßig durch das Areal, ein nicht angemeldetes Fahrzeug wäre ihnen sofort aufgefallen.

Vielleicht sind sie gar nicht hier, dachte Cavalli. Wenn er sich doch getäuscht hatte? Gespenstern hinterherjagte? Er hatte den Flugplatz gründlich abgesucht. Nirgends hatte er eine Spur der Flüchtigen entdeckt. Als letzte Möglichkeit blieb noch der Hangar B.

Aus dem Augenwinkel nahm Cavalli eine Bewegung hinter einer restaurierten Catalina wahr. Er blendete alle Gedanken aus und konzentrierte sich auf seine Sinne. Der Regen trommelte immer noch auf das Wellblechdach, der Schein der Straßenlaterne war so schwach, dass der hintere Teil des Hangars im Dunkeln lag. Cavalli spürte, dass er beobachtet wurde. In gebückter Haltung schlich er zur Catalina.

Jemand befand sich hinter dem Flugboot.

Als Cavalli näher kam, registrierte er einen neuen Geruch. Seine Sinne schalteten auf Alarm. Blut. Plötzlich überlagerte Motorenöl den Blutgeruch. Verärgert atmete Cavalli ein. Gerüche nahm er in Schichten wahr. War die erste Schicht zu dominant, ließ er den Duft eine Weile auf sich einwirken und richtete seine Aufmerksamkeit dann auf die zweite Schicht. Reglos verharrte er, bis sich seine Rezeptoren an das Motorenöl gewöhnt hatten. Dann konzentrierte er sich auf das Blut. Langsam drang die metallische Note an die Oberfläche. Cavalli ging in die Hocke und versuchte festzustellen, aus welcher Richtung der Geruch kam.

Eine Windböe erfasste die dünnen Seitenwände des Hangars und ließ das Gebäude erzittern. Cavalli hörte das entfernte Knattern eines Hubschraubers, kurz darauf drang ein Lichtstrahl in den Hangar und glitt über eine Rolle Stacheldraht an der Wand. Sekunden später war es wieder dunkel. Gerne hätte Cavalli seine Taschenlampe eingeschaltet, verzichtete aber darauf, denn die Dunkelheit war sein einziger Schutz. Heller und Weiß hatten noch nie Gewalt angewandt, doch sie waren verzweifelt. Cavalli wusste nicht, wie weit sie gehen würden, um der Polizei zu entkommen. Vom FBI konnte er keine Hilfe erwarten. Geriet die Situation außer Kontrolle, war er auf sich allein gestellt.

Schweiß rann ihm den Rücken hinunter, das Stahlrohr fühlte sich glitschig an in seiner Hand. Wenn Heller und Weiß entwischten, trüge er die Verantwortung. Dass sich McKenzie geweigert hatte, ein Team nach Floyd Bennett Field zu schicken, weil er Cavallis Ermittlungsansatz nicht ernst genommen hatte, spielte keine Rolle. Cavalli war auf eigene Faust losgezogen. Dafür hatte das FBI kein Verständnis.

Er hörte ein leises Schleifen. Hinter ihm verdichtete sich die Luft. Blitzschnell drehte Cavalli sich um.

Ein weiterer Hubschrauber flog am Hangar vorbei, im Licht des Scheinwerfers blitzte eine Klinge auf. Sie schnellte auf Cavalli zu.

Hartes Training und jahrelange Routine kamen jetzt zum Einsatz. Statt zurückzuweichen, wie es der Angreifer erwartete, sprang Cavalli vor und rammte die Beine seines Widersachers. Die Klinge traf ihn am Oberarm, und ein heißer Schmerz durchfuhr ihn. Das Stahlrohr fiel zu Boden. Cavalli packte es und kam wieder hoch. Zu seiner Überraschung hatte sich sein Angreifer ebenfalls in Bewegung gesetzt. Wie hatte er Mark Heller so falsch einschätzen können?

Ohne zu zögern, nahm Cavalli die Verfolgung auf. Heller hatte bereits mehr als fünfzig Meter Vorsprung. »Halt! Polizei!«, rief Cavalli in der Hoffnung, Heller zu verunsichern, da dieser wohl kaum damit rechnete, auf Deutsch angesprochen zu werden. Der Flüchtige rannte weiter, der Nachhall seiner Schritte deutete darauf hin, dass er auf den Ausgang zustrebte. Cavallis Gedanken rasten. War Heller erst draußen, würde ihn die Nacht verschlucken. Cavalli musste handeln. Jetzt.

Über ihm ragte die Neptune auf. Er sah gerade noch, wie ein Schatten hinter dem Bug verschwand, dann verstummten die Schritte. Im Hangar war nur noch das Prasseln des Regens zu hören. Die Bombenkammer bot einen ausgezeichneten Zufluchtsort, aber warum hätte sich Heller hier verstecken sollen? Der Ausgang war nur zwanzig Meter entfernt. Etwas stimmte nicht.

Es klickte leise. Cavalli ließ sich zu Boden fallen. Ein Schuss krachte. Innerlich fluchend, kroch Cavalli hinter eine Laderampe und wartete, bis das Pfeifen in seinen Ohren nachließ.

Er würde sich einen neuen Plan ausdenken müssen. Viele Möglichkeiten boten sich ihm nicht. Er rief sich die Umgebung des Hangars ins Gedächtnis. Die Jamaica Bay lag im Osten, die Landebahn 6-24, welche im rechten Winkel zu den Hangars verlief und beim ehemaligen Terminal endete, im Nordwesten. Auf dem asphaltierten Platz neben dem Maschendrahtzaun, durch den Cavalli gestiegen war, standen Camper. Weiter nördlich befand sich die Flotte von Bell-412- und Agusta-A119-Koala-Hubschraubern des New York Police Departments. Wo einst die Küstenwache stationiert gewesen war, arbeitete jetzt die Notfalleinheit der Polizei. Kein guter Ort, um sich zu verstecken. Auch die Polizeiwache der Park Police würde Heller meiden. Er würde wohl eher eines der heruntergekommenen Lagerhäuser ansteuern oder Schutz in einer der Baracken suchen, welche einst der Navy gehört hatten; in den 1940er-Jahren hatte sie das Areal übernommen und es bis zum Ende des Vietnamkriegs genutzt. Vielleicht würde sich Heller aber auch ganz aus dem Staub machen. Keine schlechte Idee, denn er musste schließlich davon ausgehen, dass jemand den Schuss gehört hatte. Cavalli dachte an den Luftzug, den er gespürt hatte, und beschloss, den zweiten Ausgang zu suchen.

Leise trat er den Rückzug an. Er kam an einem der hohen Fenster vorbei. Das Licht der Straßenlaterne beleuchtete ein Fahrzeug mit rotem Kreuz auf weißem Grund. Ein Armee-Krankenwagen. Das Symbol erinnerte Cavalli an den metallischen Geruch, den er bemerkt hatte, bevor er angegriffen worden war. Er versuchte, die Quelle zu lokalisieren, roch aber nur sein eigenes Blut.

Vorsichtig näherte er sich der Seitenmauer. Er hielt das Stahlrohr wie einen Blindenstock, um nicht über die Rolle Stacheldraht zu stolpern, die dort lag. In einiger Entfernung hörte er ein Geräusch. Das Quietschen einer Sohle.

Heller steuerte auf den Hauptausgang zu.

Wollte Cavalli Heller abfangen, musste er das Gebäude durch den Hinterausgang verlassen und den Hangar umrunden. Er warf alle Vorsicht über Bord und beschleunigte seine Schritte, das Stahlrohr hielt er jetzt schützend vors Gesicht. Sein verletzter Arm fühlte sich kalt an. Plötzlich stand er vor einer Absperrung. Er kniff die Augen zusammen und erkannte Motorenteile, die auf einer Plane am Boden lagen. Er folgte der Absperrung, bis das Nylonseil im rechten Winkel im Dunkeln verschwand, und bog dann zur Mauer ab.

In der Ferne ertönten Polizeisirenen. Etwas polterte laut, vermutlich hatte Heller die Richtung geändert. Cavalli schätzte, dass sich dieser jetzt auf der Höhe der Catalina befand. Steuerte auch Heller den Hinterausgang an, um der Polizei nicht in die Arme zu laufen?

Wenn es Cavalli gelang, die Tür zu verschließen, säße Heller fest.

Er kam an der Leiter vorbei. Der Geruch von Blut wurde wieder stärker. Cavalli meinte die Anwesenheit eines weiteren Menschen zu spüren. War Sandra Weiß auch hier? Tappte er in eine Falle? Cavalli holte aus und warf das Stahlrohr in hohem Bogen von sich weg. Es flog durch den Hangar und landete scheppernd dort, wo er die Neptune vermutete. Wagte es Heller, noch einmal zu schießen, würde er jetzt dorthin zielen, im Glauben, dass Cavalli das Rohr aus der Hand gefallen war. Heller sog geräuschvoll die Luft ein. Cavalli setzte sich in Bewegung. Er sprintete am Wasserflugzeug vorbei und rannte auf die Tür zu.

Sein Fuß traf auf ein Hindernis. Er stolperte und prallte gegen eine Stütze. Schwindel erfasste ihn. Um das Gleichgewicht wiederzuerlangen, ging er in die Hocke. Seine Finger berührten etwas Warmes. Cavalli beugte sich vor, um zu sehen, was da lag.

Der Mann trug eine Cargohose mit aufgenähten Seitentaschen und darüber eine Fischerweste. Seine Füße steckten in schweren Kampfstiefeln. Ein Survival Kit hing an seinem Gürtel, der Inhalt war auf dem Boden verstreut. Cavalli wartete, bis der nächste Hubschrauber sein Licht in den Hangar warf. Er registrierte ein Taschenmesser, Mehrzweckschnur, einen Wasserfilter, Alkoholtupfer, Kompressen, einen Kompass, einen Müsliriegel und eine Packung Streichhölzer. Damit hätte der Mann in der Wildnis überleben, aber nicht die klaffende Wunde an seinem Hals verhindern können.

Jetzt wusste Cavalli mit Sicherheit: Der Mann, den er im Dunkeln verfolgt hatte, war nicht Mark Heller. Denn Mark Heller war tot.

2

Nimmst du auch ein Glas Wein?«, fragte Staatsanwalt Benedikt Krebs.

»Nein, danke«, antwortete Regina Flint. »Ich würde auf der Stelle einschlafen. Wie schaffst du das bloß? In der Schweiz ist es jetzt drei Uhr morgens.«

Krebs zuckte mit den Schultern. »Ich habe mich während des Flugs erholt. Ich bin es gewohnt, jede Gelegenheit zum Ruhen zu nutzen. Seit die Zwillinge auf der Welt sind, habe ich keine Nacht mehr durchgeschlafen.«

Regina lächelte. Egal, wie viel ihr Vorgesetzter um die Ohren hatte, stets blieb er gelassen. Als Leitender Staatsanwalt trug er die Verantwortung für vier Abteilungen, außerdem gehörte er einer Arbeitsgruppe an, die sich mit der anstehenden Reform der Staatsanwaltschaft beschäftigte. Sie waren nach New York gereist, um sich mit der Arbeit der Kommission für Öffentliche Integrität vertraut zu machen, die sich mit ethischen Fragen innerhalb der Verwaltung befasste. Ein Bekannter von Krebs hatte einen Informationsaustausch mit dem Vorsitzenden des Ausschusses organisiert.

Regina schätzte sich glücklich, Krebs zum Chef zu haben. Sie arbeitete erst seit einem Jahr als Staatsanwältin; dass Krebs sie auserkoren hatte, ihn in die USA zu begleiten, zeugte von großem Vertrauen. Genau wie er interessierte sich Regina für ethische Fragen. Oft diskutierten sie über Transparenz, Fairness und Objektivität, darüber, welchen Grundprinzipien eine öffentliche Verwaltung zu folgen hatte und wie das Vertrauen in die Strafverfolgung gestärkt werden könnte.

Im Moment aber dachte Regina einzig und allein an ihr Hotelbett. Sie stellte sich vor, wie sie zwischen die gestärkten Laken schlüpfte, die Augen schloss und der Schwere nachgab, die auf ihr lastete. Nach der Ankunft in New York hatte die Zeit bloß gereicht, um kurz zu duschen und sich frisch zu schminken. Nicht einmal ein Nickerchen war ihr vergönnt gewesen. Sie unterdrückte ein Gähnen. Zwar war sie nicht in offizieller Funktion nach New York gereist, doch nach außen vertrat sie die Zürcher Staatsanwaltschaft. Deshalb hatte sie sich nicht vor dem gemeinsamen Essen mit dem Schweizer Konsul drücken können.

»Was halten Sie davon, dass Justizangestellte ihr steuerbares Einkommen offenlegen müssen, Frau Flint?«, fragte dieser nun.

Regina blinzelte. Ihre Gedanken waren zu träge, es gelang ihr nicht, die richtige Antwort zu finden. Krebs kam ihr zu Hilfe, indem er seine Ansicht darlegte. Regina nahm einen Schluck Wasser und zuckte zusammen, als die Eiswürfel ihre Zähne berührten.

Die Vertreterin der Handelskammer sah sie an. »Ich habe mich auch noch nicht an die eiskalten Getränke gewöhnt«, sagte sie. »Und das nach drei Jahren in den USA.«

»Gefällt es Ihnen?«, fragte Regina. »Hier zu leben, meine ich.«

»Ich liebe New York, aber der letzte Winter war mir eindeutig zu kalt. Im Januar fielen die Temperaturen auf vier Grad! Fahrenheit, wohl bemerkt. Das sind etwa minus 16 Grad Celsius.«

»Die Kältewelle wird bereits als elfte Plage bezeichnet«, erklärte der Konsul. »Vor allem von der jüdischen Gemeinde. Die eisigen Temperaturen haben zu einem Engpass beim Weißfisch geführt. Und das vor Pessach, dem wichtigsten Fest des Jahres. Viele Juden können sich Pessach ohne ›Gefilte Fisch‹ gar nicht vorstellen.« Er verstummte, als sein Mobiltelefon klingelte, und schaute auf die Nummer auf dem Display. »Entschuldigen Sie mich.« Er schob seinen Stuhl zurück, erhob sich und verließ den Raum.

Regina hörte nicht weiter auf die Stimmen. Das Restaurant war bis auf den letzten Platz besetzt. Der Duft von Knoblauch und frischen Kräutern strömte ihr entgegen und ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Der Kellner stellte einen Teller mit Kopfsalat aus dem Hudson Valley vor sie hin und wünschte ihr guten Appetit. Regina breitete gerade die Serviette auf dem Schoß aus, als der Konsul zurückkehrte. Seine Lippen waren zusammengekniffen, auf seiner hohen Stirn hatten sich Falten gebildet.

»Das New York Police Departement hat soeben einen Schweizer Bürger verhaftet. Er wird in Brooklyn festgehalten.«

Regina richtete sich auf.

»Wird die Botschaft immer so schnell verständigt?«, fragte Krebs verwundert.

»Der Fall ist hochsensibel«, erklärte der Konsul. Sein Blick schweifte in die Ferne, als denke er über etwas nach, dann sprach er weiter. »Haben Sie von dem Datendiebstahl bei der Schweizerischen Kreditgesellschaft gehört?«

»Beruflich habe ich wenig mit Wirtschaftsdelikten zu tun«, antwortete Krebs. »Aber aus den Medien weiß ich, dass zwei Angestellte der Bank eine Liste mit Namen von amerikanischen Bankkunden zusammengetragen haben. Angeblich sollen sie die Daten den hiesigen Steuerbehörden angeboten haben.«

»Zu einer Übergabe ist es Gott sei Dank nicht gekommen«, erklärte der Konsul. »Wir wissen aber, dass sich die beiden Angestellten an der Ostküste aufhalten.«

Der Kellner wartete im Hintergrund mit drei Tellern.

»Ist nicht ein Zürcher Kantonspolizist in die USA gereist? Um mit dem FBI zusammenzuarbeiten?«, fragte Krebs.

Der Konsul nickte. »Bruno Cavalli. Wie gut kennen Sie ihn?«

»Gar nicht. Er bearbeitet Wirtschaftsdelikte. Ich hatte noch nie mit ihm zu tun.«

Der Konsul setzte sich, und der Kellner servierte die restlichen Salate.

»Cavalli ist … wie soll ich es formulieren? Ich bin geneigt zu sagen, ein wandelndes Pulverfass, aber das trifft es nicht genau. Damit würde ich behaupten, dass er unberechenbar ist, und das stimmt nicht. Hinter Cavallis Vorgehen steckt eine gewisse Logik. Das Problem ist, dass er häufig auf eigene Faust handelt. Fragt man ihn, woher er seine Informationen hat, verweist er auf sein Bauchgefühl.«

»Das klingt, als hielten Sie nichts von Bauchgefühlen«, stellte Krebs fest.

»Sagen wir mal, Cavalli übertreibt es meiner Meinung nach. Manche fragen sich, ob er über Insider-Informationen verfügt. Er ist seit Beginn in den Fall involviert. Gut möglich, dass er nicht nur die Interessen des Staates verfolgt.«

Krebs stieß einen leisen Pfiff aus.

»Der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig«, warf die Vertreterin der Handelskammer ein. »Vor einer Woche hat der Senat einen Untersuchungsbericht veröffentlicht, in dem der Schweizerischen Kreditgesellschaft vorgeworfen wird, sie habe über zwanzigtausend Amerikanern geholfen, Geld vor dem Fiskus zu verstecken. Die Summe der nicht deklarierten Gelder soll sich auf rund vier Milliarden Dollar belaufen.«

»Der Schweiz wird mangelnde Kooperation vorgeworfen«, ergänzte der Konsul. »Ich bin zwar der Meinung, dass es allein an den USA liegt, dass bisher nur ein paar wenige Daten geliefert wurden – ein Senator blockiert seit Langem das revidierte Doppelbesteuerungsabkommen, das Amtshilfe bei Steuerhinterziehung zuließe. Aber Sie können sich vorstellen, wie Washington reagieren würde, sollte sich herausstellen, dass ein Schweizer Polizist in den Diebstahl verwickelt ist. Politisch müssten wir dafür einen hohen Preis zahlen.«

»Apropos Preis«, sagte Krebs. »Ein Bankangestellter, der Daten an Deutschland verkauft hat, soll dafür über eine Million Euro verlangt haben. Sind bei der US-Regierung auch Forderungen eingegangen?«

»Mark Heller und Sandra Weiß haben versucht, Kontakt mit der Regierung aufzunehmen«, erklärte der Konsul. »Sie wollten zwei Millionen Dollar.«

»Versucht?«, wiederholte Krebs. »Was ist geschehen?«

»Mark Heller ist tot. Seine Leiche wurde vor zwei Stunden in einem Hangar auf dem ehemaligen Flugplatz Floyd Bennett Field in Brooklyn entdeckt. Zu Bruno Cavallis Füßen.«

Mit 2,5 Millionen Einwohnern war Brooklyn der größte Stadtbezirk von New York City. Ein Drittel der Bevölkerung war italienischer, russischer, polnischer und irischer Abstammung, ein weiteres Drittel war aus der Karibik eingewandert. Die übrigen Einwanderer kamen aus Lateinamerika und Asien. Einundzwanzig Polizeiwachen sorgten dafür, dass im Schmelztiegel Ruhe und Ordnung herrschten.

Bruno Cavalli war auf das 63. Revier gebracht worden. Es war die einzige Wache in Brooklyn, die sich die Aufgaben mit einer weiteren Behörde, der US Park Police, teilte, da Floyd Bennett Field zur Gateway National Recreation Area gehörte.

All dies erzählte der Konsul, während sie den Belt Parkway hinunterbrausten. Als Krebs vorgeschlagen hatte, Regina solle mit nach Brooklyn fahren, wollte sie eigentlich diskret ablehnen. Es war ihr klar, dass sie sich diese Gelegenheit, Einblick in die Tätigkeit einer amerikanischen Strafverfolgungsbehörde zu nehmen, nicht entgehen lassen sollte. Aber nachdem sie nun bereits vierundzwanzig Stunden auf den Beinen war, fehlte ihr die nötige Konzentration. Schließlich war es einfacher gewesen mitzukommen, als Krebs einzugestehen, dass sie sich dazu nicht in der Lage fühlte. Schicksalsergeben folgte sie dem Konsul zu seinem Wagen. Krebs versprach, in der Zwischenzeit Kontakt mit dem Staatsanwalt aufzunehmen, der in der Schweiz die Untersuchung zu dem Datendiebstahl leitete.

Reginas Magen knurrte. Sie durchsuchte ihre Handtasche nach etwas Essbarem, fand aber nur eine Schachtel Kaugummis. Sie erinnerte sich, dass sie den letzten Müsliriegel auf dem Weg ins Hotel gegessen hatte. Sie dachte an die unangetastete Mahlzeit im Restaurant. Was immer Bruno Cavalli getan hatte, sein Timing hätte schlechter nicht sein können.

Der Parkway führte an der Küste entlang. Soweit das Auge reichte, nur Wasser. Regina stellte sich den Strand in der Sonne vor, deren Strahlen ihre Haut wärmten; weichen Sand zwischen ihren Zehen, sanft aufschlagende Wellen, lachende Kinderstimmen, kreischende Möwen, getrocknetes Salz.

»Frau Flint?« Eine Hand berührte sie an der Schulter.

Regina riss die Augen auf. Sie hatte geschlafen. Verlegen räusperte sie sich. »Sind wir in Brooklyn?«

Der Konsul zeigte zur Polizeiwache. Wortlos stieg er aus, umrundete den Wagen und hielt Regina die Tür auf. Gemeinsam überquerten sie den Parkplatz. Ein Streifenwagen brauste mit heulender Sirene durch eine Regenpfütze an ihnen vorbei und spritzte sie nass.

Auf der Wache wurden sie von einem Polizisten mit schlaffem Kinn und hängenden Schultern begrüßt. Er stellte sich mit Bob Fratini vor und erklärte, er habe soeben die Anweisung erhalten, Bruno Cavalli gehen zu lassen. Regina sah ihm an, dass er alles andere als erfreut war.

»Ich brauche noch eine Unterschrift«, brummte er, während sie ihm einen langen Gang hinunter folgten. »Die Sache gefällt mir ganz und gar nicht!«, stellte er klar.

»Fehler passieren«, sagte der Konsul.

Fratini schnaubte. Es klang nicht so, als halte er Bruno Cavallis Verhaftung für einen Fehler.

Sie kamen an einem Großraumbüro vorbei, nur ein einziger Arbeitsplatz war besetzt. Irgendwo summte eine Kopiermaschine.

An einer Zelle blieben sie stehen. Fratini schloss die Tür auf. Er wünschte ihnen viel Glück, seine Stimme war voller Sarkasmus. Dann trat er zur Seite.

Regina wusste nicht, auf wen sie da treffen würde. Mit Sicherheit nicht auf einen Zürcher Polizisten, der aussah wie ein Nachkomme Winnetous. Sein schwarzes Haar glänzte im hellen Licht der Neonröhre, seine dunklen Augen blitzten gefährlich. Er ging in dem kleinen Raum auf und ab, und obwohl er nicht viel größer war als Fratini, strahlte er eine Kraft aus, die sie zurückweichen ließ. Er schien davon auszugehen, dass seine Anweisungen befolgt wurden. Eingesperrt zu sein, empfand er ganz offensichtlich als Affront.

Sein Zorn richtete sich gegen Fratini. Er fixierte den Sergeant mit durchdringendem Blick. »Ich muss zurück an den Tatort!«

Fratini wandte sich an den Konsul. »Und ich muss noch Papierkram erledigen. Rufen Sie mich, wenn Sie so weit sind.« Er marschierte davon.

»Herr Cavalli«, begann der Konsul.

Bruno Cavalli brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen und drängte sich an ihm vorbei. Dabei streifte er Reginas Arm. Sie spürte die Hitze, die von ihm ausging.

»Sergeant!«, rief er mit schneidender Stimme. »Sie werden es noch bereuen, wenn Sie nicht augenblicklich dafür sorgen, dass ich an den Tatort gebracht werde!«

Fratini blieb stehen und drehte sich langsam um. Er hob den Zeigefinger. »Und wenn Sie nicht augenblicklich die Klappe halten, sorge ich dafür, dass Sie den Rest der Nacht in dieser Zelle verbringen.«

Der Konsul trat vor. »Lassen Sie uns in Ruhe über die Angelegenheit sprechen. Etwas scheint Herrn Cavalli zu beschäftigen.«

Fratini verdrehte die Augen.

»Ich war so nahe dran!« Bruno Cavalli hielt Daumen und Zeigefinger einen Zentimeter auseinander, den Blick auf Fratini gerichtet. »Ohne das NYPD säße Hellers Mörder jetzt hinter Gittern! Stattdessen blamieren Sie sich mit lächerlichen Anschuldigungen.«

Fratini wandte sich ab. Bruno Cavalli hob die Hand, als wolle er ihn zurückhalten, ließ sie dann langsam sinken. Erst jetzt bemerkte Regina das Blut, das ihm aus dem Ärmel tropfte. Er trug ein Sweatshirt mit der Aufschrift »NYPD«, vermutlich eine Leihgabe oder ein Geschenk der Polizei.

»Herr Cavalli benötigt einen Arzt«, sagte der Konsul. »Ich schlage vor, wir fahren zum nächsten –«

»Bringen Sie mir einen Erste-Hilfe-Kasten«, befahl Bruno Cavalli.

Fratini stapfte davon und kehrte kurz darauf mit einer Tasche zurück, die er Bruno Cavalli zuwarf.

Der Kantonspolizist krempelte den Ärmel hoch und entblößte eine tiefe Schnittwunde.

Der Konsul schüttelte den Kopf. »Die Wunde muss genäht werden. Ich fahre Sie zur Notaufnahme.«

Bruno Cavalli wandte sich an Regina. »Können Sie nähen?«

Sie prustete los.

Er sah sie verständnislos an.

»Nein«, sagte sie. »Ich kann nicht nähen.« Auch nicht stricken, ergänzte sie in Gedanken. Oder kochen.

Bruno Cavalli öffnete die Tasche, nahm ein Fläschchen Desinfektionsmittel, sterile Gaze und einen Verband heraus und reichte alles Regina. »Säubern Sie zuerst die Wunde, dann sorgen Sie dafür, dass sie nicht mehr blutet. Bitte«, fügte er hinzu.

Der Konsul zuckte mit den Schultern. Er ahnte wohl, dass seine Proteste wirkungslos bleiben würden. Regina zögerte, befolgte aber dann die Anweisungen. Es erschien ihr einfacher, als sich Bruno Cavalli zu widersetzen. Sie säuberte zuerst die bronzefarbene Haut an seinem Oberarm, dann die Wunde. Währenddessen berichtete er, was im Hangar geschehen war. Seine Stimme war warm, sie passte nicht zu seinem ungehobelten Verhalten.

»Glauben Sie, Sandra Weiß hat Mark Heller getötet?«, fragte der Konsul.

»Nein«, antwortete Bruno Cavalli. »Das würde sie nie tun.«

»Vielleicht haben Sie sich in ihr getäuscht.«

Bruno Cavalli starrte den Konsul an.

»Wie groß ist Sandra Weiß?«, fragte Regina.

»1,63 Meter«, antwortete Bruno Cavalli.

»Und Mark Heller?«

»1,82 Meter.« Jetzt drehte er den Kopf. »Warum?«

Regina bat ihn, den Finger auf die Gaze zu legen. »Sandra Weiß hätte sich strecken müssen, um Mark Heller am Kopf zu packen. Die Halsschlagader liegt hinter der Luftröhre, es braucht ziemlich viel Kraft, um sie zu durchtrennen. Der Täter kann nicht kleiner als Heller sein. Außer, er ist sehr kräftig.«

Bruno Cavalli schaute überrascht auf.

»Wer hat noch ein Interesse, Heller zu töten?«, fragte Regina.

»Genau das versuche ich herauszufinden.« Bruno Cavalli sah zum Konsul. »Ich muss zurück an den Tatort. Und zwar sofort!«

»Vielleicht kann Krebs seine Beziehungen spielen lassen.« Regina war über sich selbst erstaunt. Normalerweise dachte sie sorgfältig nach, bevor sie redete. Doch Bruno Cavalli ließ sie die Vorsicht vergessen.

»Benedikt Krebs?«, fragte er. »Der Zürcher Staatsanwalt?«

Regina erklärte ihm, dass Krebs in New York war. »Ich arbeite mit ihm zusammen.«

»Und Sie sind …?«

Regina stellte sich vor. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie der Konsul missbilligend die Lippen zusammenkniff. Offensichtlich traute er Bruno Cavalli nicht. Auch Regina war sich nicht klar, welche Rolle der Kantonspolizist spielte. Seine Anwesenheit im Hangar würde die Ermittlungen jedoch kaum gefährden. Beamte des New York Police Departments untersuchten den Tatort, Bruno Cavalli wäre nur ein Statist. Er würde nichts erfahren, was er nicht ohnehin schon wusste. Möglicherweise konnte er aber wichtige Hinweise zum Tathergang geben.

Auch wenn sein bisheriges Verhalten nicht gerade vertrauenerweckend war, neigte Regina dazu, ihm zu glauben. Seine Entrüstung darüber, dass man ihn eines Mordes bezichtigte, schien echt zu sein. Vielleicht war sie aber auch nur zu müde, um die Wahrheit zu erkennen.

3

Cavalli schaute über den Hangar. Sowohl das New York Police Department als auch die US Park Police waren aufgeboten worden. Sie hatten jeden Wagen überprüft, der Floyd Bennett Field verlassen hatte, und jedes Fahrzeug untersucht, das sich noch auf dem Areal befand. Von Sandra Weiß fehlte jede Spur.

Auf der Fahrt zum Hangar hatte Regina Flint ihn gebeten, ihr die Ereignisse detailliert zu schildern. Er sah ihr an, dass sie sich seine Ausführungen noch einmal durch den Kopf gehen ließ, während sie dem Rechtsmediziner bei der Arbeit zuschaute. In dem Flutlicht, das die Kriminaltechniker aufgestellt hatten, wirkte sie fast so bleich wie die Leiche auf dem Betonboden. Nur die pfirsichfarbenen Sommersprossen um ihre Nase und das dezente Rosa ihrer Lippen verliehen ihrem Gesicht ein wenig Farbe. Er war sich sicher, dass sie sich von der Leiche fernhalten würde, so zerbrechlich, wie sie aussah, doch sie ging neben dem Rechtsmediziner in die Hocke und studierte die klaffende Wunde, als handle es sich dabei um ein Kreuzworträtsel.

Cavalli wunderte sich immer noch über die Wende, die die Geschichte genommen hatte. Ein einziger Anruf von Regina Flint hatte genügt, um Fratini umzustimmen. Eine halbe Stunde später saß Cavalli in einem Streifenwagen und wurde von einem Polizisten an den Tatort gefahren. Der Konsul war nach anfänglichem Zögern nach Manhattan zurückgekehrt, Cavalli hatte ihm versprechen müssen, dafür zu sorgen, dass Regina Flint unversehrt ins Hotel zurückgelangte.

Er fragte sich, wie lange es dauerte, bis das FBI auftauchte. Bestimmt war Jim McKenzie über die Ereignisse informiert worden. Zum wiederholten Mal hatte Cavalli seine Anweisungen missachtet. Dass McKenzie ihm keine Wahl gelassen hatte, würde dem Agenten als Erklärung nicht reichen. Cavalli war es egal. Er war hier, um ein Verbrechen aufzuklären, nicht um Freundschaften zu schließen. Als er den Toten betrachtete, wurde ihm klar, dass auch er jetzt da hätte liegen können. Reflexartig fasste er sich an die Kehle.

Der Rechtsmediziner, ein quirliger Mann um die fünfzig mit dem Körperbau eines Jockeys, bemerkte die Geste. »Der Täter war entschlossen«, sagte er. »Die Wundränder sind scharf, glattwandig, ohne Schürfsaum und Gewebebrücken. Genaueres werde ich Ihnen aber erst sagen können, wenn ich die Wunde gesäubert habe.«