Fantastische Abenteuer 3 - Michaela Göhr - E-Book

Fantastische Abenteuer 3 E-Book

Michaela Göhr

0,0
3,49 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Timo und Simon sorgen auch an ihrer neuen Schule mit schlauen und fantastischen Ideen für Gerechtigkeit. Damit kommen sie einer erpresserischen Schülerbande in die Quere. Zufällig stößt das Dreamteam auf ein dunkles Geheimnis der Anführerin. Ist sie tatsächlich in eine Serie von Verbrechen verwickelt? Als das Mädchen spurlos verschwindet, geraten die Freunde in einen Strudel aus Macht und Boshaftigkeit, gegen den sie nur gemeinsam bestehen können. Ein spannender Kinderroman für Leseratten ab 10 Jahren. Mit Antolin-Quiz für Klasse 5.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Zur Autorin
Dank
Impressum
Erpressungsversuch und Museumsbesuch
Unangenehme Neuigkeiten
Unter Verdacht
Belauschte Gespräche
Fix und fertige Verfolger
Pizza Margherita
Busfahrt und ein blaues Auge
Emily
Psychologie
Baumhauskrise
Ablenkung
Krankenbesuch
Turmspringer
Eine rutschige Sache
Überraschung
Ein egoistisches Schmuckstück
Observierung
Rätselhafte Andeutungen
Verschwunden
Heimlichkeiten
Simonsuche
Stimmen im Ohr
Mitgehörte Gespräche
Fragen und Bekenntnisse
Jennysuche
Discobesuch
Überraschung im Stroh
Eierfleck und Pferdedreck
Pläne am Vormittag
Gummifinger
Hosenloser Filmstar
Vom Regen in die Traufe
Hängengeblieben
Auf Messers Schneide
Heimlicher Dank
Worterklärungen
Weitere Abenteuer

 

Michaela Göhr

 

Fantastische Abenteuer 3

 

Gefährliche Bande

 

 

Zur Autorin

Michaela Göhr wurde in eine lesebegeisterte Familie hineingeboren und wuchs umgeben von Büchern auf. Schon als Kind schrieb sie leidenschaftlich gern eigene Geschichten und lebte ständig in anderen Welten. Heute wohnt sie mit ihrer eigenen kleinen Familie direkt gegenüber von ihrem Elternhaus, arbeitet als Lehrerin, Hausfrau und Mutter, treibt gern Sport und hämmert nebenbei stundenlang wie wild auf der Tastatur ihres PCs herum, um die Geschichten aus ihrem Kopf zu befreien.

 

Dank

Ich danke Elisabeth Marienhagen, Christine Föllmer-Maier und allen anderen Menschen, die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben. Außerdem bedanke ich mich bei Kathrin Franke-Mois von Epic Moon – Coverdesign für die schöne Gestaltung des Umschlags.

 

 

Alle Teile dieses Werkes sind urheberrechtlich geschützt.

 

 

 

 

Michaela Göhr

 

Fantastische Abenteuer

Gefährliche Bande

Impressum

 

Text: © & Urheberrecht Michaela Göhr Birkenweg 24, 58553 HalverMail: [email protected] FB: www.facebook.com/derfantast24/ Homepage: www.derfantast.jimdofree.com

 

Umschlaggestaltung: © Kathrin Franke-Mois Epic Moon – Coverdesign / Münchenwww.epicmooncoverdesign.com Bildmaterial: Bigstock

Bilder Innenteil: ©Michaela Göhr, Pixabay

 

Erstausgabe 2023 independantly published

 

 

 

 

 

 

 

Erpressungsversuch und Museumsbesuch

 

„Hey, Tim-Sim! Kommt ihr heute Abend auch zu der Party?“

Joels Stimme drang durch den Lärm auf dem Flur, eindeutig an Simon und mich gerichtet.

„Ach, ich weiß nicht ...“, gab ich zögernd zurück. „Bin kein Halloween-Fan. Mit Verkleiden hab ich’s nicht so ...“

Der Junge lachte. „Du musst dich nicht maskieren, Timo. Johanna, Erik und ich sind auch ohne Grusel-Outfit unterwegs. Aber die Fete soll gut sein, hat Sven erzählt. Letztes Jahr gab es ein echt tolles Buffet und einen richtigen DJ, der die Mucke aufgelegt hat. Kommt schon, das wird lustig! Ihr könnt nicht immer nur für euch abhängen. Macht mal was mit!“

„Keine schlechte Idee“, meinte mein Freund fröhlich.

„Hm.“

Seine Begeisterung steckte mich nicht an. Ich stand nicht unbedingt auf Partys mit lauter Musik und wollte den Abend lieber ruhig und gechillt verbringen. Aber da meldete sich schon eine bekannte Stimme in meinem Hinterkopf.

Das ist eine hervorragende Übungsgelegenheit für mich! Von hier aus ist es nicht weit in die Stadt. Wenn wir hingehen, besteht bestimmt mal die Möglichkeit, sich für ein halbes Stündchen abzuseilen.

Ah, das war typisch Simon! Er brauchte ständig Action und erwartete wie selbstverständlich, dass ich mitzog. Ganz gleich, um was es diesmal ging – harmlos war es sicherlich nicht. Ich wusste genau, dass ich ihn auch mit den besten Argumenten der Welt nicht von seinen Verrücktheiten abhalten konnte. Also begleitete ich ihn lieber, um aufzupassen, dass er wenigstens keine allzu großen Dummheiten anstellte.

„Na gut, überredet“, seufzte ich deshalb. „Wann geht’s noch mal los?“

„Halb sieben in der Aula. Das wird cool“, freute sich Joel. „Bis dann!“

Seine schnellen Schritte entfernten sich in Richtung Schulhof. Wir folgten ihm ein wenig langsamer, um ebenfalls noch etwas von der Pause zu haben.

„Du erzählst mir nicht zufällig, was du heute Abend vorhast?“, murmelte ich dabei.

„Später. Ich arbeite noch an den Details. Bis es so weit ist, weißt du alles, versprochen. Ich geb dir nur schon mal das Stichwort Kultur. Klingelt da was?“

„Äh ...“

Bei mir schlug lediglich das Stimmengewirr auf dem Pausenhof zu, das mich wie gewohnt beim Durchschreiten der Tür überfiel. Ich kam auch nicht dazu, näher über die Worte nachzudenken, da mein Freund einen leisen Fluch ausstieß. Die Woge seines Ärgers überrollte mich und machte mir klar, dass es ernst war.

„Diese Idioten!“, knurrte er, zog heftig an meinem Arm und beschleunigte schlagartig seine Schritte. Ich stolperte hinter ihm her, trotz der Warnung überrascht und kam mir – nicht zum ersten Mal – vor wie ein Pudel, der an der Leine mitgeschleift wird.

„Hey, was ... Autsch, mein Zeh! Ah, blöder Mist!“

Leise vor mich hin fluchend humpelte ich hinter meinem Partner her. Wenn er so reagierte, musste es einen ernsten Grund geben, deshalb horchte ich lieber angestrengt, anstatt ihm Vorwürfe zu machen. Normalerweise nahm er nämlich genug Rücksicht auf mich.

„Sorry, aber da drüben hinter den Büschen stehen Andy und Hendrik. Sie haben mal wieder einen Fünftklässler in der Mangel. Ich dachte, wir hätten ihnen das längst abgewöhnt ...“

„Denen ist nicht zu helfen, das solltest du wissen!“, keuchte ich und versuchte, mit ihm Schritt zu halten. „Sie brauchen ständig und immer neu eins auf den Deckel, weil sie die Intelligenz und das Gedächtnis einer Stubenfliege haben.“

„Scheint mir auch so. Offenbar wollen sie mal wieder Schutzgeld erpressen. Leider sind sie trotz aller Blödheit noch schlau genug, außer Sicht zu bleiben. Ha, aber der Kleine wehrt sich!“

„Schafft er es alleine?“

„Gegen die zwei Halbaffen? Machst du Witze? Die sind drei Köpfe größer, außerdem zu zweit. Er hat nicht die Spur einer Chance!“

Ich konzentrierte mich auf meinen Freund, um mitzubekommen, was die älteren Schüler mit dem Jungen anstellten.

„Lasst mich in Ruhe!“, quietschte eine helle Stimme ärgerlich. „Ich sag es Frau Peffer!“

„Wenn du das tust, prügeln wir dich windelweich“, drohte Andy. „Deine Klassenlehrerin kann nicht ewig auf dich aufpassen. Kein Lehrer kann das. Vor uns bist du nur sicher, solange du jeden Montag zwei Euro mitbringst.“

„Ihr seid echt hundsgemein! So viel Taschengeld krieg ich gar nicht ...“

„Tu doch was!“, drängte ich. Wir näherten uns rasch den Stimmen. Inzwischen vernahm ich auch ohne Simon, was gesprochen wurde.

„In Ordnung, sagen wir ein Euro fünfzig. Wir sind ja keine Unmenschen“, warf Hendrik besänftigend ein.

„Hi Andy, mal wieder ein neues Opfer gefunden?“, rief ich laut. „Ihr wollt den Kleinen doch nicht etwa erpressen!“

„Misch dich nicht ein, Blindschleiche“, zischte der Angesprochene zurück. „Und hör auf, so zu brüllen. Dich und deine blonde Klette kriegen wir noch, verlasst euch drauf. Auch wenn ihr die Lieblinge der Pauker seid. Macht ’ne Fliege, bevor wir euch das Grinsen aus dem Gesicht schlagen!“

„Ihr wollt uns schlagen? Nie im Leben! So ungeschickt, wie ihr seid, schlagt ihr höchstens lang hin, weil euch die eigenen Füße im Weg sind!“, höhnte Simon.

Fallstrick oder Glatteis?

Die lautlose Frage kam mir gerade recht.

Rutschiger Matsch, gab ich auf demselben Weg zurück.

„Na, wartet!“, knurrte Andy. Gleich darauf hörte ich synchron ausgestoßene Überraschungsschreie und zwei rasch aufeinanderfolgende schmatzende Platschgeräusche, gefolgt von Flüchen, bei denen empfindlichere Gemüter mit den Ohren geschlackert hätten.

„Los, wir verschwinden!“, rief mein Freund. Das brauchte er mir nicht zweimal sagen. Ich befand mich ohnehin schon im Fluchtmodus, denn mehr als eine solche Aktion durfte mein Begleiter sich nicht leisten. Es wäre aufgefallen, wenn wir einfach stehengeblieben wären, um uns totzulachen. Also nahmen wir die Beine in die Hand und rannten. Der Junge, den die beiden Nervensägen drangsaliert hatten, klebte uns an den Hacken. Ich erkannte es am schnellen Atmen schräg hinter mir.

Erst als wir die schützende Masse der Schüler erreichten, die beim Schellen in Richtung Gebäude strömte, passten wir uns an.

„Danke!“, stieß das Beinah-Opfer erleichtert hervor. „Ihr seid Tim-Sim, oder?“

„Wenn du so willst ... Ich bin Timo und mein Seh-Assistent hier heißt Simon“, gab ich trocken zurück.

Seh-Assistent? Seit wann denn das?

Na, genau das machst du doch, konterte ich gedanklich, du hilfst mir beim Sehen!

„Ist ja toll, dass ich euch kennenlerne! Ich bin Jannik, hab schon so viel von euch gehört. Mein Freund Erik hat mir tausend Storys und Gerüchte erzählt. Irgendwas scheint echt dran zu sein. Ihr wart sooo mutig gerade! Woher wusstet ihr, dass sie ausrutschen? Da war doch gar nichts! Oder hab ich was an den Augen?“

Simon lachte. „Reiner Zufall. Wahrscheinlich haben wir sie bloß wütend genug gemacht. Ich glaub nicht, dass du plötzlich eine Brille brauchst. Aber sag nichts gegen Leute, die was an den Augen haben, sonst wird mein Freund sauer.“

„Oh, entschuldige!“, rief der Junge erschrocken. „Ich wollte nicht ...“

„Ist schon in Ordnung“, beruhigte ich ihn. „Ich bin zwar blind, aber nicht aus Zucker. Freut mich, dich kennenzulernen, Jannik. Sag Bescheid, wenn diese Unholde dich noch mal belästigen. Sie gehören zu Jennys Bande. Bei uns haben die lästigen Pestbeulen es auch schon versucht, aber wir haben sie abblitzen lassen. Also wenn du Hilfe brauchst ... Du findest uns in der 6b, erster Stock, dritte Tür.“

Es war ein schönes Gefühl, einem Mitschüler zu helfen und es gleichzeitig diesen furchtbaren Chaoten aus der achten Klasse zu zeigen.

„Ich hoffe bloß, dass sie nicht eines Tages rauskriegen, wer hinter ihrem Pech steckt“, bemerkte ich auf dem Weg ins Klassenzimmer. „Immerhin läuft ständig was bei ihnen schief, wenn wir zwei in der Nähe sind.“

„Ach was, niemand hier weiß etwas über meine besondere Vorstellungskraft. Außer dir natürlich. Aber du würdest es keinem sagen, weil du mein bester Freund bist. Selbst wenn sie was merken – diese Hohlköpfe hätten noch viel schlimmere Sachen verdient. So, wie die mit den jüngeren Schülern umgehen. Immer müssen sie Ärger machen, irgendwen erpressen oder verprügeln. Wir haben sie ja bisher nur nicht verpfiffen, weil wir die Fragerei durch die Lehrer und die Polizei vermeiden wollten. Aber wenn das so weitergeht ...“

„Sei froh, dass wir für sie nicht mehr sind als Fliegendreck unterm Schuh und sie sich nur mit uns abgeben, um ihr Taschengeld aufzubessern.“

Der Unterricht begann und verdrängte sämtliche Gedanken an erpresserische Idioten sowie actiongeladene Unternehmungen, getarnt als Halloweenparty-Besuch.

 

„Möchtest du es dir nicht noch mal überlegen? Ich hab ein mieses Gefühl.“

Wie immer bei derartigen Aktionen rumorte mein Magen nervös. Dabei hatten wir es problemlos geschafft, uns von der albernen Fete abzusetzen. Aber seit wir hinter der niedrigen Mauer hockten und Simon sich auf das Gebäude schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite konzentrierte, wurde mir zunehmend unbehaglich.

„Blödsinn! Das hier ist auch nicht schlimmer als die Sache mit dem Chemieraum. Lass mich jetzt bitte nicht im Stich, Timo!“

Die gewisperte Antwort klang flehend. Oder vielleicht existierte sie nur in meinem Kopf. So genau konnte ich das nicht sagen.

Im Moment beschäftigte ihn die ‚Hausaufgabe‘ unseres gemeinsamen Freundes Scheich Ali so stark, dass er kaum noch an was anderes denken konnte. Allerdings legte er dessen Anordnungen ziemlich eigenwillig aus.

„Setz dich mit elektronischen Schlössern und Verriegelungssystemen auseinander“, hatte Ali gesagt. Kein Wort davon, dass Simon jedes Schloss, das er vorfand, eigenhändig öffnen sollte! Aber natürlich reichte es meinem Freund nicht, die Theorie zu verstehen.

„Es ist schon etwas anderes, ob du ins Schulgebäude einsteigst oder in ein Museum. Wenn wir hierbei erwischt werden, wird’s richtig brenzlig. Muss das echt sein?“

„Ja. Außerdem hab ich es fast. Ich brauch dich nur noch für die Eingangstür. Wir könnten natürlich das Fenster nehmen, aber du kriegst bestimmt raus, wie man den Türcode knackt.“

„Echt – die Alarmanlage hast du schon? Und die Kameras auch?“

Ich war erstaunt. Wir hockten höchstens seit fünf Minuten auf den feuchtkalten Steinen.

„Jep, ist alles erledigt. Die Kameras hab ich ausgeschaltet, den Alarm deaktiviert. Dafür musste ich nicht mal an die Elektronik, weil es mit einem einfachen Schlüssel ging. Fehlt nur noch der dumme Eingang.“

„Wofür lass ich dich denn die ganze Zeit diesen technischen Krempel lernen? Kannst du die Tür nicht kurzschließen oder die Kontakte überbrücken?“

„So einfach ist es diesmal leider nicht. Die Schaltung sieht kompliziert aus, so eine hab ich bisher noch nicht kennengelernt. Da muss ich mich erst schlaumachen. Wird sofort nach den Ferien erledigt.“

„Warum kommen wir dann nicht später wieder, wenn du es weißt?“

Hartnäckigkeit und Geduld waren mitunter die einzigen Methoden, die bei dem Dickkopf neben mir wirkten. Doch diesmal ließ er sich nicht umstimmen.

„Komm schon, diese Gelegenheit kriegen wir so schnell nicht wieder! Wir haben sonst nie so lange Ausgang. Ich weiß, dass wir das zusammen hinkriegen. Dann bringe ich ganz fix den Klebepunkt am Bilderrahmen an und wir sind wieder auf der Party, bevor irgendwer was merkt. Bitte!“

Manchmal war es nicht leicht, der beste Freund des Fantasten zu sein. Vor allem dann nicht, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Aber ich dachte an Alis Bitte bei unserem letzten Besuch.

„Sorg dafür, dass er nicht zu sehr ins Grübeln gerät“, hatte er mir aufgetragen. „Das wäre sowohl für ihn selbst als auch für alle anderen ziemlich katastrophal.“

Ich fand diese Aufgabe viel schwieriger als die Sache mit den elektronischen Spielereien. Wie sollte ich Simon davon ablenken, dass er anders war als der Rest der Welt? Er wurde ja ständig und überall daran erinnert.

„Also schön“, murmelte ich ergeben. „Wobei soll ich dir denn helfen?“

„Schau mal, ich zeig’s dir!“

Er nahm meine Hand. Reflexartig baute ich eine gedankliche Verbindung zu ihm auf, um zu erfahren, was er meinte. Das Kunstmuseum befand sich in bequemer Simon-Reichweite. Ein Teil von ihm hielt sich längst im Eingangsbereich auf und konzentrierte sich auf ein elektronisches Gerät, das dort an der Wand hing. Ich empfing komplizierte Muster – vermutlich irgendwelche Schaltungsbauteile, die nach einem geheimnisvollen Prinzip angeordnet waren. Damit konnte ich nichts anfangen, das wusste er genau!

„Kannst du es nicht anfassen?“, flüsterte ich.

„Quatsch, dafür müsste ich den Kasten erst auseinandernehmen. Hier, so fühlt es sich von außen an.“

Ich betastete mit ihm gemeinsam einen Ziffernblock mit einem Kartenschlitz. Aha. Normalerweise freute ich mich immer, wenn ich die Sachen anfassen durfte, die Simon betrachtete, aber in diesem Fall half es mir kein Stück weiter.

„Und was soll mir das jetzt sagen?“

„Das Teil befindet sich an der zweiten Tür. Die erste habe ich aufgeschlossen. Dazu musste ich bloß den Schlüssel richtig kodieren. Diese Schaltung hier ist zu schwierig. Den Magnetstreifen kann ich passend machen, aber ich kenne die Zahlenkombination nicht.“

„Witzbold! Und woher soll ich die Nummer wissen? So lange kein Rätsel daneben hängt ... Wie sieht denn die Tür dazu aus?“

„Es ist eine schmale Eisentür mit einem Knauf.“

„Hm.“

Mein Denkapparat surrte. Seine Beschreibung kam mir komisch vor.

„Das ist doch der Haupteingang, hast du gesagt. Warum ist die Tür dann so klein?“

„Es gibt noch eine doppelte Schiebetür aus Glas, durch die tagsüber Besucher reingehen, aber der Bewegungsmelder ist natürlich abgeschaltet.“

„Ah! Hast du schon mal daran gedacht, den Sensor zu aktivieren, du Genie?“

„Oh ...“

Ich musste grinsen, weil ich merkte, wie peinlich es ihm war. So dicht neben ihm brauchte ich mich überhaupt nicht anzustrengen, um seine Gefühle wahrzunehmen. Es war eher schwierig, es nicht ständig zu tun.

„Na, mach endlich, bring’s hinter dich!“, ermunterte ich ihn. „Mein Popo wird langsam kalt.“

„Danke“, hauchte er. „Bin gleich wieder da!“

Leise sprang er auf, huschte über die Straße. Ich blieb, wo ich war. Immerhin spürte ich sofort, wie sich ein dickes, weiches Sitzpolster unter meinen Hintern schob. Mein Freund hatte es sich extra für mich ausgedacht. Seine vorgestellten Dinge waren nur für ihn selbst sichtbar, aber das spielte keine Rolle. Das Kissen wärmte meinen Allerwertesten trotzdem. Sofort machte ich mich daran, meine eigene besondere Begabung auszunutzen. Ich huschte in Simons Kopf, um ihn gedanklich bei seinem Abenteuer zu begleiten.

 

Schon hörte ich leise ein Schloss klicken. Eine Schiebetür glitt vor meinem Partner auseinander, als er sich näherte. Gemeinsam mit ihm durchquerte ich blitzschnell eine große Halle. Wir hatten das Kunstmuseum erst wenige Wochen zuvor mit der Klasse besucht. Deshalb wusste ich, dass der riesige Raum vollgepackt mit Kunstgegenständen war, die an den Wänden hingen, auf Sockeln oder in Vitrinen standen. Es ging eine Treppe hinauf und dann nach rechts in einen engeren Gang. Schließlich blieb mein Freund stehen, kramte in seiner Tasche nach dem kleinen Aufkleber und pappte ihn sorgfältig auf den Rahmen eines Gemäldes. Am nächsten Öffnungstag wollten wir uns unter die Besucher mischen, um ein Beweisfoto für Ali zu knipsen. Sofort machte Simon sich auf den Rückweg. Treppe runter, durch die Halle ...

 

Eine Berührung an meiner Schulter brachte mich dazu, die Verbindung zu unterbrechen. Es war eine gedachte Kopie von Simon, der sich immer noch im Gebäude befand.

Komm mit und sei leise, kam seine mentale Botschaft bei mir an. Ich folgte dem Zug an meinem Arm, ohne lange zu fragen. Die Geisterhand führte mich ein Stück über feuchten, holprigen Rasen, der mir die Sneaker durchnässte. Schließlich gelangten wir an einen hüfthohen Holzzaun, den ich ohne Hilfe überkletterte. Auf der anderen Seite war der Boden wieder hart und trocken. Von rechts hörte ich leise Schritte heraneilen.

„Wo bist du denn langgegangen?“, wollte ich wissen.

„Psst!“, machte mein Freund, fasste erneut meine Hand und zog mich mit sich. Lautlose Rollen bildeten sich unter meinen Füßen – ein altvertrautes Gefühl, auf Inlinern über den Asphalt zu sausen.

„Ich musste einen Umweg nehmen“, erklärte er dabei. „Draußen vor dem Gebäude gingen jede Menge Fußgänger vorbei, außerdem kam ein Polizeiwagen. Deshalb bin ich hinten aus dem Fenster gestiegen und hab dich durch den Garten geführt.“

„Hat uns irgendwer gesehen?“

Mir wurde ganz flau bei dem Gedanken.

„Nicht, dass ich wüsste. Keine Sorge, ist alles gutgegangen. He, das war eine total coole Aktion! Danke, dass du mir den Tipp gegeben hast.“

„Na ja, wozu bin ich dein Freund? Ohne mich würdest du noch immer über die Türschloss-Kombi nachdenken.“

„Wahrscheinlich.“

Mit Mühe unterdrückte ich den Heiterkeitsausbruch, den dieser Gedanke bei mir auslöste.

„Hast du jetzt genug Action gehabt?“, erkundigte ich mich vorsichtig.

„Von wegen, wir fangen doch gerade erst an! Ich muss noch sooo viel lernen. Nächstes Wochenende nehmen wir uns den Supermarkt vor, danach vielleicht ein Juweliergeschäft oder die Bank.“

„Bist du irre?“

„Okay, du hast recht, das ist noch ’ne Nummer zu groß. Dafür brauchen wir mehr Übung. Aber reizen würde es mich schon, meinen Aufkleber von innen am Geldtresor anzubringen ...“

Unangenehme Neuigkeiten

 

Wochenende und Ferienbeginn! Ich genoss den Gedanken daran, endlich mal ordentlich auszuschlafen und eine ganze Woche ohne Lernen vor mir zu haben. Ein Vibrieren an meiner Brust weckte mich viel zu früh. Im Halbschlaf griff ich nach dem kleinen Gerät, das dort an einer Kette hing, steckte es ins Ohr und drückte den winzigen Knopf.

„Hm?“

„Guten Morgen, Schlafmütze. Rat mal, was gestern Nacht im Museum los war!“

„Du warst los“, brummte ich mürrisch. „Musst du mich deswegen extra wecken? Das ist so kindisch!“

Verärgert drückte ich erneut den Knopf, um unser Gespräch zu beenden. Seine Erfindung war toll, aber er musste sie nicht bei jeder unpassenden Gelegenheit testen. Erst vor einigen Wochen hatte er mir ein Ohr-Handy erdacht, mit dem ich ihn überall auf der Welt anrufen konnte. Es ersetzte unser altes ‚Band‘, das zwar ebenfalls genial war, aber längst nicht so trendy. Bei dem neuen Gerät nutzte er sein eifrig gesammeltes Wissen über Mobilfunktelefone. Deshalb fand er es viel cooler.

In typischer Simon-Hartnäckigkeit summte das Gerät erneut, bevor es mir gelang, den Stecker aus dem Ohr zu nehmen. Gähnend drückte ich dabei zweimal auf den Knopf. Sicher war sicher. Für solche Albernheiten hatte ich um diese Uhrzeit wirklich keinen Nerv! Mein Wecker auf dem Nachttisch verriet mit quäkender Stimme, dass es sieben Uhr einunddreißig war. Boa, mitten in der Nacht! Ächzend drehte ich mich um. Bestimmt konnte ich noch ein wenig weiterpennen, wenn der Idiot mich ließ.

Jetzt lass mich nicht hängen, das hier ist wichtig! Du weißt genau, dass es gedanklich andersrum nicht klappt.

Seufzend steckte ich erneut den Ohrstecker ein.

„Was gibt’s denn so Weltbewegendes, dass du mich jetzt schon damit quälen musst? Wir treffen uns sowieso nachher. Hat das nicht Zeit bis dahin?“

„Nee. Weil es nämlich einen Diebstahl im Museum gab, gestern Nacht!“

Mit einem Schlag war ich hellwach.

„Was! Aber du hast doch bloß ... Du wolltest doch nur ...“, stotterte ich verwirrt. „Wieso Diebstahl? Hast du aus Versehen irgendwas eingesteckt?“

„Quatsch, natürlich nicht! Es muss noch jemand anders auf die Idee gekommen sein, dort einzusteigen. Und zwar Profis, wie’s aussieht. Sie haben eine sehr wertvolle Figur geklaut.“

„Woher weißt du davon?“

„Es kam beim Frühstück im Radio. Die Täter haben kaum Spuren hinterlassen. Sie sind durch ein Fenster an der Rückseite eingestiegen.“

Ich stöhnte. „Hast du Kameras und Alarmanlage nicht wieder eingeschaltet, du Hirni?“

„Doch. Was denkst du von mir? Die Einbrecher haben überall die Kabel durchtrennt. Die Geräte sind hinüber. Das war nicht mein Werk – ich mach nichts kaputt! Wozu auch, wenn ich einfach den Schalter umlegen kann?“

„Das müssen echt Profis gewesen sein, wenn sie den Alarm ausgetrickst haben. Gut, dass du keine Spuren hinterlassen hast!“

„Nun ja ... Ich hab dir doch gesagt, dass ich auf dem Rückweg durch ein Fenster ausgestiegen bin. Genau durch dieses sind die Diebe reingekommen. Ähm, die Polizei hat sich über die Fingerabdrücke an der Scheibe gewundert, weil sonst nirgends welche zu finden waren.“

„Oh Mann, wie doof ist das denn! Wie konntest du bloß an das Glas packen!“, ächzte ich.

„Woher sollte ich ahnen, dass irgendwer überhaupt nach Spuren sucht? Ich hab doch gar nichts gemacht! Anscheinend waren die Scheiben auch noch frisch geputzt.“

„Sei froh, dass deine Fingerabdrücke bisher nirgends gespeichert sind.“

„Denkste! Meine Ma hat mir erzählt, dass die Polizei damals nach unserer Entführung Abdrücke von uns beiden zu Hause eingesammelt hat. Von einem Glas und von deiner Braillezeile. Natürlich nur, um uns zu finden.“

„Oha.“

Das hörte sich nicht gut an! Ich kannte genügend Detektivgeschichten und wusste ziemlich genau, welche Methoden die Polizei einsetzte, um Täter ausfindig zu machen. Wir konnten nur hoffen, dass sie in unserem Fall nicht auf die Idee kam, Simons Fingerabdrücke mit denen am Fenster zu vergleichen. Siedend heiß fiel mir der Aufkleber ein, den er extra angebracht hatte.

„Du musst sofort zum Museum, um dein Logo abzumachen!“, rief ich erregt.

„Zu spät. Ich hab natürlich schon nachgesehen – es ist weg. Entweder hat die Polizei es eingesackt oder die Diebe fanden es cool.“

Wieder stöhnte ich. Das wurde ja immer schlimmer! Auf dem Klebepunkt prangte Simons Markenzeichen, ein F wie ‚Fantast‘. Kaum jemand wusste darüber Bescheid, aber eventuell fand ein Kriminalkommissar auch auf diesem Aufkleber Spuren.

„Und was jetzt?“

„Keine Ahnung. Noch mal bin ich nicht so dumm, meine Visitenkarte irgendwo aufzukleben.“

„Blödmann! Das ist nicht witzig!“

Mit etwas Konzentration entging mir nicht, dass er sich schnell bewegte und dabei in die Pedale trat.

„Wenigstens bist du so schlau und kommst her.“

Zwei Minuten später klingelte es. Zumindest stand ich nicht mehr halb nackt im Raum, als mein Freund gleich darauf zu mir reinstürmte.

„Wissen deine Eltern eigentlich Bescheid?“, fragte ich beim Überziehen des warmen Pullis.

„Nö, bist du verrückt? Die steinigen mich, wenn sie es rauskriegen!“

„Aber irgendwem musst du es beichten, bevor du wegen reiner Dämlichkeit verhaftet wirst.“

„Verhaftet? Das soll mal einer versuchen! Die stecken mich niemals ins Gefängnis!“

„Okay, du wirst in zwei Wochen zwölf, deshalb kommst du wahrscheinlich erst mal ins Heim. Du könntest zwar jederzeit ausbrechen, aber überleg doch mal! Selbst wenn sie dich nicht einsperren, gibt es mächtigen Ärger. Keiner wird glauben, dass du nichts geklaut hast, obwohl deine Fingerabdrücke am Tatort sind. Und wir dürfen der Polizei nicht die Wahrheit sagen, weil du sonst wieder in Gefahr gerätst. Denk an die Bruderschaft und das Zeugenschutzprogramm! Stell dir vor, du musst noch mal umziehen ...“

Der Gedanke an diese Zwickmühle nahm mich echt mit. Alles in mir drängte danach, das Missverständnis so schnell wie möglich aufzuklären. Aber ich verstand natürlich, dass mein Freund niemandem von seinen heimlichen Übungen erzählen wollte. Auch wenn er dabei nichts mitnahm oder zerstörte – es war trotzdem verboten, in ein fremdes Haus einzudringen. Im schlimmsten Fall könnten seine Eltern ihm untersagen, den Scheich zu besuchen, weil der ihm solche Flausen in den Kopf setzte. Dass er ohne Ali vermutlich noch viel heftigere Einfälle hätte, konnten sie ja nicht wissen.

„Dann müssen wir halt die echten Täter finden.“

„Wie willst du das anstellen? Du bist kein Detektiv, Simon. Und ich noch viel weniger. Wir haben überhaupt keine Spur – vergiss es!“

Ich saß auf dem Bett und merkte, wie mein Besucher sich seufzend neben mir niederließ.

„Aber was sollen wir sonst machen?“

Ich schwieg einen Moment, um angestrengt nachzudenken. Mein Verstand sagte mir, dass wir einen Erwachsenen ins Vertrauen ziehen sollten, der uns im Notfall helfen würde. Nur wen? Die Polizei schied schon mal aus. Unsere Eltern? Ah, da konnten wir gleich unser Testament machen! Scheich Ali? Er wäre zwar verärgert, dennoch verständnisvoll. Leider befand er sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten, viel zu weit weg von Deutschland. Nein, wir brauchten irgendwen, der näher wohnte und uns trotzdem nicht gleich den Kopf abreißen würde. Jemanden wie ...

„Ruf Kommissar Henkel an“, schlug ich vor.

Simon stöhnte. „Was glaubst du, was der mit mir macht, wenn ich ihm das beichte!“

„Möchtest du es lieber deiner Ma erzählen?“

„Bloß nicht! Warum warten wir nicht erst mal ab, was passiert? Wahrscheinlich haben sie die Fingerabdrücke längst gelöscht und kommen überhaupt nicht auf die Idee, mich zu verdächtigen. Ich bin ja kein Verbrecher. Und was soll ich mit so einer blöden Figur anfangen?“

„Du könntest sie für jemand anders gestohlen haben, der dir Geld dafür gibt. So was hab ich schon öfters in Detektivgeschichten gehört. Aber mit den Abdrücken hast du hoffentlich recht.“

Das Vibrieren seines Handys konnte ich mehr spüren als hören. Simons gedachte Dinge erzeugten nämlich keine Geräusche. Trotzdem bemerkte ich es sofort.

„Hi Ma“, meldete er sich. „Was gibt’s?“

Ich lauschte, um ihre Antwort zu verstehen.

„Hallo, bist du bei Timo? Hier sind zwei Polizistinnen, die dich sprechen möchten. Es geht um den Einbruch ins Museum. Ich hoffe sehr, dass das nur ein dummer Irrtum ist, der sich schnell aufklären lässt!“

Sein unterdrücktes Ächzen entsprach genau dem, was ich selbst fühlte. Wie betäubt saßen wir nach dem kurzen Gespräch nebeneinander, gefangen in einer Art Schockstarre.

„Das ging fix“, flüsterte ich schließlich.

„Ich brauche einen Anwalt“, hauchte Simon.

„Nein, du brauchst einen Kommissar!“

 

 

Unter Verdacht

 

Er rief Kommissar Henkel über sein Handy an. Neben ihm sitzend war es so, als würde ich das Gerät selbst ans Ohr halten und mich auf mein Ziel konzentrieren. Tasten drückte mein Freund nie – wozu auch? Er kannte nicht mal die Nummer. Gebannt warteten wir, ob jemand abhob. Es tutete endlos lange, bis sich etwas tat.

„Simon! Das ist ja eine Überraschung! Wie geht es dir?“

Der Kriminalist klang erstaunt, jedoch ruhig wie immer, als mein Freund sich meldete.

„Im Grunde gut, aber ich glaube, ich stecke mal wieder in Schwierigkeiten ...“

Leicht stotternd brachte er die Geschichte hervor. Da der Kommissar über Simons fantastische Vorstellungskraft Bescheid wusste, ließ dieser nichts aus.

„... und jetzt steht die Polizei bei uns vor der Tür, um mich dazu auszufragen.“

Ich spürte die Anspannung meines Sitznachbarn beim Warten auf die Reaktion. Mir selbst wurde dabei die Kehle trocken. Ich litt mit ihm, wie so oft in den letzten drei Jahren.

„Du machst Sachen“, kam es nach kurzem Schweigen zurück. „Normalerweise würde ich dich die Suppe lieber selbst auslöffeln lassen, die du dir eingebrockt hast. Wenn da nicht die Bruderschaft wäre ... Seltsam, dass sie dich so schnell verdächtigen, weil eure Abdrücke nicht in der offiziell zugänglichen Kartei gespeichert sind. Nur die Verantwortlichen vom Zeugenschutzprogramm haben Zugriff auf solche Daten. Kann ich mit den Beamten sprechen?“

„Ich bin nicht zu Hause, sondern bei Timo. Aber ich muss jetzt los, wie es aussieht.“

Im Hintergrund hörte ich die Türklingel.

Guck mal, wer da kommt!

„Oh, ist doch nicht nötig“, fuhr mein Freund fort. „Die Polizistinnen stehen schon vor der Tür. Mist, sie haben meine Eltern mitgebracht. Na, das wird ’ne super Party!“

Stöhnend gab ich ihm recht. Immerhin war ich ebenfalls in die Sache verwickelt.

Fünf Minuten später saßen wir im Wohnzimmer und schockten unsere Eltern mit dem Geständnis, ins Museum eingebrochen zu sein.

„Timo hat Schmiere gestanden, ich bin reingegangen“, gab mein Freund kleinlaut zu. „Ich wollte bloß ein bisschen Eindruck schinden, mehr nicht! Es war ganz einfach, reinzukommen, weil ein Fenster offenstand.“

„Wann war das denn?“, kam die erwartete Rückfrage. Darauf waren wir vorbereitet. Der Kommissar hatte uns geraten, es so aussehen zu lassen, als seien die Diebe eher dagewesen als wir. Dadurch entfiel das Problem mit der Sicherheitstechnik.

„Gegen halb zwölf, vielleicht etwas später“, antwortete ich rasch. Eine solche Lüge aus Simons Mund wäre tödlich gewesen. Also musste ich einspringen. Sein Vater gab ein komisches Geräusch von sich. Auch meine Mutter schnappte hörbar nach Luft. Aber sie sagten nichts. Um diese Zeit lag ich normalerweise im Tiefschlaf. Auf der gestrigen Halloween-Party waren wir beide bis halb zehn geblieben. Um kurz nach zehn hatte ich meiner Ma bereits gute Nacht gesagt. Von Simon wusste ich, dass die Tatzeit zwischen elf Uhr und Mitternacht geschätzt wurde. Deshalb hatte ich bewusst einen Zeitpunkt gewählt, der noch vor der Geisterstunde lag und trotzdem halbwegs glaubwürdig klang. Ich befürchtete, dass alles andere meine Eltern völlig umgeworfen hätte. Ganz zu schweigen von den Folgen wie Hausarrest und Simon-Besuchsverbot, mindestens bis Ende des Jahres.

„Das ist merkwürdig, weil unser Augenzeuge davon sprach, euch gegen neun beim Museum gesehen zu haben“, entgegnete eine der Beamtinnen.

„Äh ja, da waren wir auch schon mal dort“, schaltete ich blitzschnell.

Du hast doch gesagt, dass uns keiner bemerkt hat!

Mein lautloser Vorwurf erreichte sogar sein Ziel, weil wir nah genug nebeneinandersaßen, damit mein Freund mich verstand. Wenn wir uns nicht mehr in Rufweite befanden, blieb diese Art der Unterhaltung meistens ziemlich einseitig. Das bedeutet, dass er mich vollquatschen konnte, meine Antwort jedoch ungehört an ihm abprallte.

Ich hab extra überall geguckt, da war keiner! Jedenfalls nicht auf der Straße, kam es lautlos zurück.

„Der Zeuge behauptet, dass er Simon dabei beobachtet hat, wie er durch den Vordereingang ins Gebäude gelangt ist. Doch rausgekommen ist er nicht mehr.“

Oha, könnte natürlich sein, dass jemand im Haus gegenüber saß und uns beobachtet hat. Aber da war alles duster! Deshalb hab ich nicht so genau nachgesehen.

Ich stöhnte mal wieder lautlos. Es war großer Mist, dass ich mich bei solchen Angelegenheiten hundertprozentig auf meinen Freund verlassen musste. Wie oft schon hatte ich ihm gesagt, dass er überall nachsehen sollte! Am besten doppelt! Jetzt hatten wir den Salat.

Sag ihnen nichts mehr – wir brauchen doch einen Anwalt, gab ich lautlos zurück.

Laut sagte ich: „Okay, dumm gelaufen – Sie haben uns eiskalt erwischt. Es tut mir echt leid, dass wir geschwindelt haben, aber genau das hat uns Kommissar Henkel geraten, damit Sie nicht so furchtbar viele Fragen stellen, die Simon in Gefahr bringen. Da Sie die Fragen jetzt doch gestellt haben, rufen Sie am besten Ihren Kollegen an. Der kann Ihnen sagen, warum mein Freund Ihnen nicht sagen darf, wie er es gemacht hat ...“

„Oh, das ist eine gute Idee“, mischte sich Simons Paps ein. Er klang erleichtert. „Kannst du ihn anrufen?“

Er meinte natürlich nicht mich.

„Klar“, kam es prompt von meinem Sitznachbarn. „Ich brauch bloß mal ein Telefon.“

„Ich mach das schon“, sagte die Beamtin rasch. „Wenn du mir die Nummer sagst, nehme ich mein Diensthandy.“

„Äh, das geht nicht ...“

Ich spürte, wie verzweifelt mein Partner nach einer glaubwürdigen Ausrede suchte. Natürlich kannte er Henkels Telefonnummer nicht. Er musste sich die Verbindung ja nur vorstellen, damit sie existierte. Offiziell durfte er die Nummer nicht mal wissen. Simons Mama schaltete diesmal schneller als ich, was auch gut war, da ich auf ihre Idee nie gekommen wäre.

„Mein Sohn merkt sich solche Sachen durch das Eingabemuster“, sagte sie überzeugend. „Wenn Sie ihm Ihr Telefon geben, tippt er die Nummer bestimmt richtig ein.“

Ich lächelte in mich hinein und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. Auch Simons Eltern waren nicht schlecht im Lügen. Sie waren es gewohnt, ihren Sohn ständig zu decken. Das hieß aber nicht, dass uns das mächtige Donnerwetter anschließend erspart blieb.

„Na, dann leg los, Junge.“

Problemlos merkte ich, wie mein Sitznachbar das Gerät in die Hand gedrückt bekam. Er drückte wahllos auf ein paar Tasten, bevor er es konzentriert ans Ohr hielt. Der Kommissar schien auf unseren Anruf gewartet zu haben, denn er meldete sich sofort. Er laberte die Beamtin mit komplizierten Gesetzestexten zu, nach denen Simon unter Schutz stand. Ihre Einwände wischte er beiseite.

„Wenn Sie mir nicht glauben, wenden Sie sich an den Zeugenschutzprogramm-Beauftragten Ihres Bezirks“, schloss er. „Ich versichere Ihnen, dass die beiden Jungs mit dem Raub nichts zu tun haben. Bitte sehen Sie von weiteren Ermittlungen und Befragungen ab. Sie bringen sich selbst nur in Schwierigkeiten, indem Sie darauf bestehen.“

Die Frau beendete das Gespräch.

„Ihr habt da einen recht einflussreichen Freund“, bemerkte sie anschließend. „Er hat mir versichert, dass ihr nichts mit dem Diebstahl zu tun habt und so etwas bestimmt nicht noch einmal vorkommt. Fürs Erste glaube ich ihm. Trotzdem muss ich euch eindringlich vor solchen Dummheiten warnen. Ihr wisst genau, dass es verboten ist, in ein öffentliches Gebäude einzudringen, ob ihr nun unter Schutz steht oder nicht. Für dieses eine Mal kommt ihr mit einem blauen Auge davon. Aber wir notieren das alles. Solltet ihr noch einmal irgendwo auffällig werden, zählt das als richtige Straftat. Ihr wisst, was das bedeutet, oder?“

Wir stimmten kleinlaut zu und versprachen, es nie wieder zu tun.

„Nun gut, dann war es das erstmal. Wir schreiben unseren Bericht und Sie reden den beiden hoffentlich noch mal ordentlich ins Gewissen“, wandte sich die strenge Stimme jetzt an die Erwachsenen.

„Worauf Sie Gift nehmen können“, grollte mein Papa. Er ging zur Tür, um die beiden Besucherinnen zu verabschieden. Während seiner kurzen Abwesenheit wurde die Atmosphäre im Wohnzimmer immer unangenehmer. Unsere Eltern lauerten förmlich darauf, dass sich die Haustür hinter den beiden Beamtinnen schloss.

Wie befürchtet wurde das Unwetter schrecklich, das danach über uns hereinbrach. Wir mussten haargenau erzählen, was wir getan hatten und bekamen die ganzen Herbstferien lang Hausarrest. Für uns die schlimmste Strafe, da wir uns nicht sehen durften. Trotzdem war ich froh, dass meine Eltern mir nicht den Umgang mit Simon verboten. Okay, das hätte nicht viel Sinn gemacht, da wir in der Schule nebeneinandersaßen und uns sowieso Tag und Nacht unterhalten konnten. Das wussten sie genau, auch ohne mein neues Ohr-Handy zu kennen.

Länger als eine Woche würde ich es auf keinen Fall ohne dich aushalten, kam Simons gedankliche Botschaft, als seine Eltern nach der heftigen Gardinenpredigt mit ihm ins Auto stiegen. Ich lächelte traurig.

Das weiß ich doch – und mein Pa auch. Sonst hätte er bestimmt einen Monat daraus gemacht ...

Mein Freund antwortete nicht. Also war ich mir recht sicher, dass er mich nicht mehr gehört hatte. Es machte nichts. Schließlich war ich das bei ihm gewöhnt. Irgendwann, so tröstete ich mich, würde er das auch noch lernen. Bis dahin mussten wir erheblich vorsichtiger bei unseren heimlichen Aktionen werden. In dieser Hinsicht machte ich mir längst keine Illusionen mehr. Es konnte noch so viele Strafen hageln – ein Leben ohne irgendwelche Verrücktheiten, von denen unsere Eltern nichts wissen durften, gab es mit ihm zusammen einfach nicht.

 

 

 

Belauschte Gespräche

 

Die endlose Woche lang beschäftigte uns die Frage, wer Simon bei der Polizei verpfiffen hatte. Es musste jemand sein, der ihn kannte. Außerhalb der Schule waren das nur sehr wenige Leute. Das lag vor allem daran, dass wir auf unangenehme Fragen prima verzichten konnten, die immer dann auftauchten, wenn uns jemand bei unseren Freizeitaktivitäten zusah. Den meisten Leuten kam es halt seltsam vor, dass zwei Kids mit ihrem Tandem genauso schnell auf der Straße fuhren wie ein Sportwagen oder dass sie im See untertauchten und erst etliche Minuten später wieder hochkamen. Und das waren noch die harmloseren Unternehmungen. Von Sprüngen aus großer Höhe in einen gedachten Pool, Seilbahnfahrten ohne echte Seilbahn, Riesenhüpfern mit Siebenmeilenstiefeln oder Ausflügen mit einem vorgestellten Flugzeug rede ich gar nicht erst.

Mit den meisten Mitschülern und Lehrern verstanden wir uns ausgezeichnet. Aber es gab auch Kotzbrocken wie Andy, Hendrik und Co, denen wir ein Dorn im Auge waren, weil wir uns in ihre miesen Geschäfte einmischten. Ich glaubte zwar nicht, dass sie uns wichtig genug nahmen, um uns zu verfolgen, aber man wusste nie, was in ihren kümmerlichen Gehirnwindungen abging. Deshalb fassten wir einen Plan, wie wir sie dazu bringen konnten, sich zu verraten.

---ENDE DER LESEPROBE---