Fear Street 43 - Lampenfieber - R.L. Stine - E-Book

Fear Street 43 - Lampenfieber E-Book

R.L. Stine

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Beschreibung

Der anonyme Brief lässt Selena das Blut in den Adern gefrieren. Als Star der Theatergruppe ist sie Fanpost gewöhnt – aber dieser Verehrer will sie offenbar ganz für sich allein haben. Seine Zeilen lassen Schreckliches erahnen. Und plötzlich häufen sich bei den Proben gefährliche Unfälle. Unfälle, deren Ursache mehr als rätselhaft ist ... Mit den Horror- und Thriller-Büchern aus der Fear Street schuf Bestsellerautor R.L. Stineeine Reihe, die inzwischen zu den Klassikern derHorrorliteratur für Jugendliche zählt. Seit über 20 Jahren gibt es seine Geschichten schon auf Deutsch und seitdem begeistern sie gleichermaßen Jungs und Mädchen ab 12 Jahren und alle Fans von Gruselgeschichten. Ab 2021 zeigt Neflix den Klassiker Fear Street als Horrorfilm-Reihe!

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Seitenzahl: 160

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Inhalt

Prolog

Kapitel 1 – „Er wird dir …

Kapitel 2 – Geschockt blickte sie …

Kapitel 3 – Selena bemerkte die …

Kapitel 4 – „Ich halte das …

Kapitel 5 – Selena stützte sich …

Kapitel 6 – „Danny!“, atmete Katy …

Kapitel 7 – Selena schrie gellend …

Kapitel 8 – „Jake!“, rief Selena …

Kapitel 9 – Selena rannte die …

Kapitel 10 – Selena stand einen …

Kapitel 11 – Am nächsten Tag …

Kapitel 12 – Der Regen prasselte …

Kapitel 13 – Selena kauerte sich …

Kapitel 14 – „Es ist vorbei“ …

Kapitel 15 – Liebe Selena, heute …

Kapitel 16 – „Klasse Film!“, sagte …

Kapitel 17 – Selena spürte, wie …

Kapitel 18 – Selenas Entsetzensschrei wurde …

Kapitel 19 – Selena war schon …

Kapitel 20 – Selena starrte abwechselnd …

Kapitel 21 – „Er ist vom …

Kapitel 22 – „Mr Riordan“, rief …

Kapitel 23 – Liebe Selena, Überraschung! …

Kapitel 24 – Selena las die …

Kapitel 25 – „Katy?“ Keine Antwort …

Kapitel 26 – Selena blickte hinauf …

Kapitel 27 – Selena schrie entsetzt …

Kapitel 28 – Selena blickte wie …

Kapitel 29 – „Wo … wo hast …

Kapitel 30 – Mit einem unterdrückten …

Kapitel 31 – „Neiiiiin!“ Selena stieß …

Kapitel 32 – Selena wartete auf …

Alle Einzelbände der Reihe „Fear Street“ als eBook

Über den Autor

Weitere Infos

Impressum

Prolog

Liebe Selena,

dein Name bedeutet „Mond“ – und wie der Mond bist du blass, schön und geheimnisvoll. Dein blondes Haar glänzt silbern wie die Strahlen des bleichen Nachtgestirns.

Jeder bewundert dich. Jeder applaudiert dir.

Auch ich gehöre zu deinem Publikum, Selena.

Aber obwohl ich dich jeden Tag sehe, siehst du mich nicht. Doch irgendwann wird sich das ändern. Irgendwann werde ich dein einziges Publikum sein.

Nur du und ich, Selena. Irgendwann.

Sehr bald.

Für immer dein,

Die Sonne

1

„Er wird dir nie wieder wehtun. Ich verspreche es dir. Er wird dir nie wieder wehtun.“ Selena Goodrichs letzte Worte waren fast ein Flüstern.

Das Publikum begann zu klatschen, und dann fiel langsam der Vorhang. Als er sich wieder hob, trat Selena nach vorne auf die Bühne. Lächelnd ließ sie ihren Blick über das Publikum wandern und nahm den Applaus und die begeisterten Rufe entgegen.

Sie machte eine tiefe Verbeugung, bei der ihr die blonden Locken über die Schultern fielen. Dann richtete sie sich auf und wandte sich den anderen Schauspielern zu. Sie reichte Alison Pearson und Jake Jacoby die Hände – und alle Darsteller, die sich in einer Reihe aufgestellt hatten, verbeugten sich gemeinsam. Die Zuschauer sprangen auf und klatschten und jubelten noch lauter.

„All diese Leute sind gekommen, um mich zu sehen“, dachte Selena glücklich. „Die Bühne ist meine Welt. Endlich weiß ich, wo ich hingehöre.“

Nachdem der Vorhang zum letzten Mal gefallen war, wandte Selena sich ihren Freunden zu. „Ihr beiden wart spitze!“, sagte sie anerkennend.

„Danke, Selena“, murmelte Alison. Sie war ein hübsches Mädchen mit smaragdgrünen Augen und langen, schwarzen Haaren. Bewundernd lächelte sie Selena an. „Aber ich werde nie so gut sein wie du. Du hast fantastisch gespielt!“

„Stimmt, du warst gar nicht mal so übel, Moon“, stimmte Jake zu und klopfte Selena leicht auf die Schulter. Unter Selenas Freunden war er der Einzige, der immer noch ihren Spitznamen aus Kindertagen benutzte. Er zog sie gerne damit auf, weil er wusste, dass sie sich darüber ärgerte. Die meisten anderen Leute wussten nicht einmal, dass „Selena“ aus dem Griechischen kam und frei übersetzt „Mond“ bedeutete.

„Du warst auch nicht schlecht. Wenigstens bist du dieses Mal nicht auf die Nase gefallen“, gab Selena zurück und verdrehte die Augen. „Gehst du eigentlich zu der Party für die Schauspieler?“

Jake zuckte mit den Achseln. „Ich weiß noch nicht“, meinte er. „Irgendwie bin ich nicht so richtig in Partystimmung.“

Trotz der dicken Bühnenschminke auf seinem Gesicht bemerkte Selena, dass Jake dunkle Ringe unter den Augen hatte. Sie wollte ihn gerade fragen, was los war, als der Leiter des Schauspiel-Clubs auf sie zustürmte.

„Meinen Glückwunsch, Selena!“, rief er mit dröhnender Stimme. „Die heutige Vorstellung war ausgezeichnet! Besonders gut hat mir die Sache mit dem Taschentuch im letzten Akt gefallen. Damit hast du sogar mich überrascht!“

„Vielen Dank, Mr Riordan“, antwortete Selena mit einem Lächeln.

Der gut aussehende, grauhaarige Schauspiellehrer stieg auf einen Stuhl und bat um Aufmerksamkeit. „Wir treffen uns dann gleich alle auf der Party bei mir zu Hause!“, verkündete er über das Stimmengewirr hinweg. „Doch bevor ihr geht, möchte ich euch noch an das Vorsprechen für die Frühjahrsaufführung erinnern, das nächste Woche stattfindet. Ihr werdet euch freuen zu hören, dass ich einen Klassiker ausgesucht habe – Romeo und Julia.“

Diese Neuigkeit wurde mit einer Mischung aus Stöhnen und begeistertem Jubel aufgenommen.

„Romeo und Julia!“, dachte Selena aufgeregt. „Das ist meine große Chance, Shakespeare zu spielen!“ Als sie zu ihrem Spind ging, musste sie sich ihren Weg durch die laute, aufgeregte Menge der Schauspieler bahnen, die sich hinter der Bühne tummelten.

„He, Selena!“, rief Danny Morris. „Prima Vorstellung! Du warst echt cool!“

„Danke“, erwiderte Selena kurz angebunden und schob sich an dem stämmigen, blonden Jungen vorbei, der wie sie die Abschlussklasse der Highschool besuchte. Als sie die Enttäuschung auf seinem gebräunten Gesicht bemerkte, spürte sie leichte Gewissensbisse. „Vielleicht sollte ich ein bisschen netter zu ihm sein“, überlegte sie. „Schließlich haben wir uns früher mal sehr gern gehabt. Damals – aber das ist lange her …“

Heute konnte Selena allerdings nicht mehr verstehen, warum alle Mädchen an der Highschool von Danny so fasziniert waren. Inzwischen fiel es ihr sogar schwer, sich vorzustellen, dass sie ganze sechs Monate mit ihm gegangen war. Wie hatte sie seine Angeberei und seinen Egoismus bloß so lange ausgehalten?

„Sprichst du auch für eine Rolle im nächsten Stück vor?“, fragte Danny und baute sich vor ihr auf.

„Natürlich.“ Selena seufzte. Sie versuchte, um ihn herumzugehen, aber er bewegte sich keinen Zentimeter. „Danny, hör mal, ich hab’s eilig …“

„Du wirst bestimmt den Part der Julia bekommen“, sagte Danny beharrlich und ignorierte ihre Versuche, an ihm vorbeizukommen. „Rat mal, für welche Rolle ich vorspreche?“

„Das Ungeziefer im Schloss?“, witzelte Selena.

„Selena!“

Beim Klang der vertrauten Stimme ihrer besten Freundin, Katy Jensen, drehte Selena sich um. Katy, die den schwarzen Overall der Bühnenarbeiter trug, kam auf sie zugelaufen.

„Bis später“, wimmelte Selena Danny ab, als Katy sich näherte.

„Du warst großartig!“, schwärmte Katy. „Sogar noch besser als gestern.“ Begeistert umarmte sie ihre Freundin.

„Heute waren alle Schauspieler großartig“, sagte Selena bescheiden. „Und hinter der Bühne lief es auch perfekt.“

Katy wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Ihr kurz geschnittenes dunkles Haar war zerzaust und ihr blasses, rundes Gesicht glänzte vor Schweiß.

„Es gab ein Problem mit der Beleuchtung“, erzählte sie. „Hast du es nicht bemerkt?“

„Überhaupt nicht“, erwiderte Selena.

„Einer der Scheinwerfer war nicht richtig eingestellt“, erklärte Katy. „Ich bin sofort raufgeklettert, als ich es gesehen habe.“ Sie zeigte hinauf zu dem schmalen Laufsteg hoch über der Bühne, an dem die Beleuchtungsanlage befestigt war.

Selena blickte nach oben und schauderte. „Wie bringt Katy es bloß fertig, dort hinaufzusteigen?“, fragte sie sich. Allein beim Anblick der schmalen Metallleiter wurde ihr ganz schwindelig.

Katy dagegen machten große Höhen nichts aus. Schon als sie beide noch klein gewesen waren, war sie immer diejenige gewesen, die auf die größten Bäume kletterte, während Selena lieber am Boden blieb.

„Wahrscheinlich ist Katy deswegen auch bei der Bühnenarbeiter-Crew“, dachte Selena und öffnete die Tür des großen Umkleideraums.

Hier hatten sich all ihre Freundinnen versammelt, die in dem Stück mitgespielt hatten. Für die Dauer der Aufführung diente der Raum als Ankleidezimmer für die Mädchen. „Die Spinde müssten auch mal repariert werden“, bemerkte Katy. „Ich glaube, es gibt keinen einzigen, der noch richtig schließt.“

Selena zuckte mit den Achseln.

„Und – bist du bereit für deine nächste Rolle?“, erkundigte sich Katy.

„Wie meinst du das?“, fragte Selena, während sie Alison mitfühlend zulächelte. Die Schwarzhaarige versuchte gerade ebenfalls, sich durch die Gruppe der Mädchen zu drängen.

„Na, komm schon.“ Katy lachte. „Es ist doch klar, dass du die Julia spielen wirst.“

„Das sagen alle. Dabei ist es noch gar nicht sicher, ob ich die Rolle bekomme“, wehrte Selena ab.

Katy schnaubte. „Du könntest genauso gut behaupten, es sei nicht sicher, ob die Sonne morgen wieder aufgeht! Alle wissen doch, dass du die perfekte Besetzung für die Julia bist. Ich meine, es ist das letzte Stück in diesem Jahr. Wenn du nicht die Hauptrolle spielst, wird sowieso niemand kommen.“

„So ’n Quatsch!“ Selena verdrehte die Augen. Warum musste Katy bloß immer so übertreiben? „Es ist ganz allein Mr Riordans Entscheidung“, fügte sie hinzu.

„Was ist meine Entscheidung?“ Mr Riordan hatte sich den Mädchen unbemerkt genähert.

„Wir sprechen gerade über die Rollenverteilung für die Frühjahrsaufführung“, erklärte Selena.

Mr Riordan nickte. „Die Besetzung des nächsten Stücks könnte besonders wichtig werden“, vertraute er ihnen an.

„Warum?“, fragte Katy neugierig.

„Nun, eigentlich ist es ja noch ein Geheimnis, aber … ich habe gerade erfahren, dass der Schauspiellehrer der Northwestern-Universität hier sein wird“, flüsterte Mr Riordan ihnen zu.

„Das ist ein Scherz, oder?“ Selena stockte der Atem. Diese Uni hatte eine der besten Schauspielabteilungen im ganzen Land.

„Nein, es stimmt“, versicherte er ihr. „Er besucht jedes Jahr eine andere Schule in der Gegend, um nach neuen Talenten Ausschau zu halten. Und dieses Jahr hat er sich die Highschool in Shadyside ausgesucht.“

„Wow!“, rief Selena. „Ich habe mich an der Northwestern beworben, aber ich kann dort nur studieren, wenn ich ein Stipendium bekomme.“

„Dann ist das deine große Chance“, sagte Mr Riordan augenzwinkernd. Er drehte sich um und ging auf den Bühneneingang zu. „Ich seh euch beide auf der Party!“

„Du hast mir gar nicht erzählt, dass du zum Studieren weggehen willst“, bemerkte Katy.

„Natürlich möchte ich das“, antwortete Selena. „Aber es ist nur ein Traum. Meine Mom verdient ja nicht mal genug Geld, um mich aufs Junior-College zu schicken.“

„Wenn dieser Schauspiellehrer dich die Julia spielen sieht, bekommst du das Stipendium bestimmt“, prophezeite ihr Katy.

„Das wäre zu schön, um wahr zu sein“, meinte Selena. „Aber ich glaube es erst, wenn es so weit ist.“

Die meisten anderen Mädchen waren inzwischen verschwunden. Selena riss die Tür ihres Spinds auf. Ihr Rucksack hing immer noch dort, wo sie ihn vorhin aufgehängt hatte, aber darunter lag ein riesiger Blumenstrauß, der in blau gestreiftes Papier eingewickelt war.

„Was ist denn das?“, fragte Katy und blickte Selena über die Schulter.

„Cool!“, rief Selena. „Ich wüsste zu gerne, von wem die sind!“

„Mach doch mal auf!“, drängte Katy.

Vorsichtig holte Selena den eingewickelten Strauß aus dem Spind. Sie riss das Papier ein Stück auf, warf einen Blick hinein – und schnappte vor Entsetzen nach Luft.

2

Geschockt blickte sie die Blumen an und ließ sie dann zu Boden fallen.

Beide Mädchen starrten mit offenem Mund auf lauter verwelkte, schwarze Rosen.

„Wie eklig!“, schrie Katy und presste die Hände gegen die Wangen.

„Halb verfaulte Blumen“, stöhnte Selena. „Echt makaber!“

Dann bemerkte sie den kleinen, weißen Umschlag, der unter das Gummiband geschoben war, das die schlaffen Stängel zusammenhielt. Sie beugte sich hinunter und hob ihn auf. Mit zitternden Fingern zog Selena eine mit Schreibmaschine geschriebene Karte heraus und las:

Liebe Selena,

meinen Glückwunsch!

Ich hoffe, Du hast den Applaus genossen, denn es war vielleicht Dein letzter Auftritt.

Wusstest Du schon, dass Du die Schauspielerei aufgeben wirst – um mit mir zusammen zu sein?

Und zwar für immer.

Selena stand wie erstarrt da und blickte auf den schwarzen Strauß hinunter. „Was für ein perverser Einfall!“, rief sie, plötzlich wütend.

Katy hielt sich die Nase zu. Der faulige Gestank der Blumen war kaum zu ertragen. „Warum sollte jemand so etwas tun?“

Selena überflog noch einmal die Nachricht. „Schau dir das an!“ Sie tippte unten auf die Karte. Dort befand sich keine Unterschrift, sondern ein leuchtend orangefarbener Aufkleber, der die Form einer Sonne hatte. Selena kratzte mit dem Fingernagel daran herum.

„Was hat das zu bedeuten?“, fragte Katy.

Selena zuckte mit den Achseln. „Es ist nur ein Aufkleber. So ein Sticker, wie ihn kleine Kinder sammeln.“

„Aber was soll er auf der Karte?“, beharrte Katy.

„Wen interessiert das schon?“, fauchte Selena. Mit angehaltenem Atem hob sie den widerlichen Strauß auf und warf ihn in den Mülleimer in der Ecke des Umkleideraums. „Wahrscheinlich ist das nur ein dummer Witz.“

„Ein Witz?“, rief Katy. „Spinnst du? Wer sollte wohl halb verfaulte Blumen für witzig halten?“

„Jemand mit einem ziemlich abartigen Humor“, antwortete Selena. „Jemand wie … wie Jake!“

„Was? Jake?“

„Seitdem wir Kinder waren, spielt er mir doch ständig Streiche.“

„Mag sein, aber das hier ist nicht sein Stil“, gab Katy zu bedenken. „Und außerdem glaube ich nicht, dass Jake im Moment in der Stimmung für dumme Streiche ist.“

„Und warum nicht?“

„Ist es dir denn nicht aufgefallen?“, fragte Katy. „Jake verhält sich in letzter Zeit echt merkwürdig. Heute ist er total in die Luft gegangen, nur weil ich ihn gebeten habe, mir eins der Requisiten zu geben.“

„Stimmt. Er sah auch ziemlich erschöpft aus“, meinte Selena. „Ich möchte mal wissen, was mit ihm los ist.“ Während sie ihrer Freundin zum Parkplatz folgte, grübelte sie weiter darüber nach.

„Ich glaube immer noch, dass Jake mir die Blumen geschickt hat“, nahm Selena den Faden wieder auf, als sie vor Katys Wagen standen, der unter einer großen, alten Eiche geparkt war. „Nachher werde ich ihn fragen.“

Selena fröstelte, als sie darauf wartete, dass Katy die Wagentür öffnete. Es war eine kühle, bedeckte Nacht, und die Äste der Bäume tanzten im heftigen Wind.

„Ich hoffe auch, dass es Jake war“, seufzte Katy und zog die Autoschlüssel aus der Jackentasche. „Aber diese Nachricht klingt, als hätte sie jemand geschrieben, der ziemlich durchgeknallt ist.“

Als Katy vom Parkplatz fuhr, war Selena im Geiste bereits bei der Frühjahrsaufführung. Sie sah schon genau vor sich, wie sie das Vorsprechen beginnen würde, welche Szenen sie auswendig lernen würde …

„Erde an Selena. Bitte kommen!“ Katys Stimme unterbrach ihre Gedanken.

„Hä?“ Selena blinzelte ihre Freundin verwirrt an.

Katy prustete laut los. „Wo bist du eigentlich mit deinen Gedanken?“, rief sie. „Wenn du die ganze Nacht im Auto sitzen bleibst, kannst du dich schlecht für die Party umziehen.“

„’tschuldigung“, murmelte Selena, die erstaunt feststellte, dass sie bereits vor ihrem Haus in der Fear Street parkten. „Ich habe nur gerade an Romeo und Julia gedacht.“

Katy verdrehte die Augen. „Hast du eigentlich noch irgendwas anderes im Kopf außer dem Theater?“

„Na ja, ab und zu denke ich auch mal an Jungen“, witzelte Selena. Sie ging vor ihrer Freundin den unebenen Plattenweg zum Haus hoch, öffnete die Tür und schaltete das Licht an. „Schade, dass Mom diesen Monat Spätdienst hat“, seufzte sie. „Ich hätte mir so gewünscht, dass sie sich die Aufführung ansieht.“

„Beim nächsten Stück ist sie bestimmt dabei“, sagte Katy tröstend.

„Falls ich die Rolle bekomme“, erinnerte Selena ihre Freundin. Sie rückte den abgetretenen Läufer im Flur zurecht und stieg die quietschenden Treppenstufen hoch.

„Was für eine Bruchbude“, dachte Selena. Sie hasste es, in einem solch schäbigen Haus zu leben, aber sie wusste auch, dass ihre Mutter sich nichts Besseres leisten konnte. Seit Selenas Vater gestorben war, war das Geld knapp.

„Wer sollte denn sonst die Julia spielen?“, beharrte Katy und folgte Selena in ihr Zimmer. „Okay, Alison ist gut, aber nicht so gut wie du. Das behauptet sie sogar selber.“

„Das sagt sie doch nur aus Höflichkeit“, antwortete Selena und warf ihren Rucksack auf die rosa und weiß gemusterte Überdecke ihres Bettes.

Katy setzte sich daneben. „Ich könnte dir helfen, deinen Text für das Vorsprechen zu lernen“, bot sie an.

„Mal sehen“, erwiderte Selena ausweichend. Dabei wusste sie jetzt schon, dass sie keine Hilfe wollte – sie lernte ihren Text lieber alleine. „Warum sprichst du nicht auch für eine Rolle vor?“, schlug sie Katy vor. „Es zwingt dich doch niemand, bei der Bühnencrew mitzumachen.“

Katy schnaubte abwehrend. „Ich bin doch viel zu dick für die meisten Rollen.“ Sie hatte ungefähr zehn Kilo Übergewicht und war deswegen sehr unsicher.

„Warum machst du dich selber immer so schlecht?“ Selena versuchte, sich ihren Ärger nicht anmerken zu lassen. „In diesem Stück gibt es jede Menge Rollen, die für dich infrage kämen. Vielleicht könntest du Julias Amme spielen.“

Als ihre Freundin keine Antwort gab, griff Selena nach einem Wattepad und begann, sich abzuschminken.

„Selena?“, fragte Katy nach einer Weile. „Als wir noch klein waren, hättest du dir da jemals träumen lassen, dass du einmal so beliebt sein würdest?“

„Natürlich nicht“, antwortete Selena. „Ich habe geglaubt, ich würde immer dick und schüchtern bleiben.“

„Wie ich“, murmelte Katy.

Selena ignorierte sie. „Aber als ich anfing, mich fürs Theaterspielen zu interessieren, habe ich aufgehört, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, ob die anderen mich mögen. Ich wollte nur noch eine gute Schauspielerin sein.“

„Es ging alles so schnell“, bestätigte Katy leise. „Ich meine, du hast einen Schauspielkurs belegt – und das war’s! Du hast abgenommen, angefangen, mit Danny auszugehen, und gleich im ersten Stück, in dem du mitgespielt hast, warst du der Star.“

„Ich hatte doch nur Glück“, wandte Selena ein. „Das Mädchen, das die Hauptrolle hatte, musste damals die Schule verlassen.“

„Mag sein“, erwiderte Katy. „Aber jeder weiß, dass du die beste Schauspielerin der ganzen Highschool bist. Vielleicht hast du sogar das Zeug für eine professionelle Karriere.“

Katy ließ sich gegen einen Stapel Kissen sinken und seufzte tief auf. „Ich hoffe, du wirst niemals so berühmt, dass du nicht mehr meine Freundin sein willst.“

„Natürlich nicht!“, rief Selena. „Wenn ich später mal den Oscar gewinne, werde ich aufstehen und sagen: ,Ich möchte meiner besten Freundin Katy Jensen danken, deren Bereitschaft, auf den Beleuchtungssteg zu klettern, all dies erst möglich gemacht hat.‘“

Sie lachten beide.

Nachdem Selena sich abgeschminkt hatte, öffnete sie ihren Kleiderschrank und zog ein Paar Jeans und einen grünen Pullover heraus.

„Sind die Jeans neu?“, fragte Katy. „Welche Größe ist das? 34?“

„Nein, Größe 38“, antwortete Selena lachend. „So dünn bin ich nun auch wieder nicht.“

„Im Vergleich zu früher schon“, bemerkte Katy spitz. „Und im Vergleich zu mir erst recht.“

„Du könntest ja auch abnehmen“, schlug Selena vor. „Ich bin schließlich keine Diät-Göttin oder so was. Probier’s doch mal!“

„Na klar – schaff ich doch locker!“, spottete Katy.

„Das meine ich ernst“, beharrte Selena. „Ich habe abgenommen, weil ich unbedingt Theater spielen wollte. Mir war klar, dass ich keine Hauptrollen bekommen würde, wenn ich nicht endlich aufhören würde, so viel zu essen.“

„Das ist der Unterschied zwischen uns“, meinte Katy wehleidig. „Mich hat eben noch nie etwas so fasziniert wie dich das Theaterspielen.“

Selena warf ihrer Freundin einen ärgerlichen Blick zu. „Dann such dir doch etwas, was dich interessiert“, sagte sie leicht genervt. Geschickt nahm sie ihr Haar zurück und fasste es mit einem grünen Band zusammen. „Wie sehe ich aus?“, fragte sie.

„Wunderbar“, antwortete Katy. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Wir sollten uns besser auf den Weg machen.“

„Ich möchte aber auch nicht zu früh da sein“, meinte Selena. „Wir …“

Sie brach ab, als es gegen ihr Zimmerfenster klopfte.

Es war ein zaghaftes Klopfen, das immer lauter wurde. Dann folgte ein dumpfer Schlag.

Selena fuhr herum. Ihre Augen waren vor Schreck weit aufgerissen. „Katy …“, stieß sie hervor. „Da ist jemand am Fenster! Jemand beobachtet uns!“

3