Gebrauchsanweisung für Südfrankreich - Birgit Vanderbeke - E-Book

Gebrauchsanweisung für Südfrankreich E-Book

Birgit Vanderbeke

0,0
12,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sonnenblumenfelder und Olivenhaine; Pont du Gard und blühender Lavendel; mediterrane Luft, die nach Thymian und Rosmarin duftet, und das Klacken der Pétanquekugeln – das ist Südfrankreich. Und noch viel mehr. Denn wussten Sie, dass »Gekochtes Wasser« zu den Spezialitäten der provenzalischen Küche gehört? Wie man sich beim »Piquenique« verhält? Dass sich die Bewohner hier seit Jahrhunderten weigern, an die Zentrale in Paris Steuern zu entrichten? Und dass noch immer über den Erfinder des Cassoulet gestritten wird? Birgit Vanderbeke führt mit dieser charmanten Liebeserklärung mitten hinein in eine der vielfältigsten Regionen Frankreichs – und zu den Menschen mit ihrer »convivialité«, ihrer Kinderliebe und leidenschaftlichen Anarchie.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mehr über unsere Autoren und Bücher:
www.piper.de
Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienenen Buchausgabe
1. Auflage 2011
ISBN 978-3-492-95291-0
© Piper Verlag GmbH, München 2011
Umschlagkonzept: Büro Hamburg
Umschlaggestaltung: Birgit Kohlhaas, Egling
Umschlagmotiv: Katrin Müller / Corbis
Datenkonvertierung E-Book: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Karte

Vorwort

Die erste Auflage dieser Gebrauchsanweisung erschien im Jahr 2002, geschrieben hatte ich sie im Frühling 2001, nachdem ich acht Jahre in Südfrankreich gelebt hatte. Inzwischen sind es siebzehn, das ist ein Drittel meines Lebens. Diese Jahre haben mich verändert, und gerade gestern, am 11. November 2010, habe ich gemerkt, wie typisch südfranzösisch diese Veränderung ist, deshalb will ich mein gestriges Erlebnis der um noch mal acht Jahre erweiterten Ausgabe dieses Buches voranschicken.

Der 11. November ist in Frankreich ein Feiertag, und zwar einer von den wichtigen, nämlich der höchste patriotische Feiertag. Begangen wird der Waffenstillstand im Ersten Weltkrieg, der das Ende der »grande guerre« bedeutet hat, zwar ein glorioser Sieg über Deutschland, aber doch bitter, wenn man bedenkt, dass der Krieg überwiegend auf französischem Territorium stattgefunden, die männliche Bevölkerung flächendeckend dezimiert und das Land im Norden und Osten so verwüstet hat, dass die Narben bis heute zu sehen sind.

In jeder noch so kleinen Gemeinde versammeln sich die Bürger vor dem in jeder noch so kleinen Gemeinde zentralen Kriegerdenkmal mit den eingravierten Namen der vielen Gefallenen. Fast jede Familie liest den eigenen Nachnamen auf diesen langen Listen, die Mitglieder der Veteranenverbände erscheinen in Uniform, es werden feierliche Reden gehalten, und als Lazare Ponticelli, der letzte Überlebende aus dem Ersten Weltkrieg, 2008 starb, bekam er ein Staatsbegräbnis (auch wenn er das gar nicht gewollt hatte).

Im deutsch-französischen Verhältnis ist dieser Tag begreiflicherweise etwas heikel, ebenso übrigens wie der 8. Mai. Es war eine sehr ernsthafte Versöhnungsgeste, als der frühere Präsident Jacques Chirac 1998 den Bundeskanzler Helmut Kohl zur Teilnahme an den Zeremonien nach Paris einlud, und Kohl, der sich auf deutsch-französischem Minengelände schon bewährt hatte, als er seinem damaligen Amtskollegen Mitterrand 1984 über die Gräber von Verdun hinweg sehr fotogen die Hand reichte, nahm wohlweislich die Einladung an, konnte dann allerdings nicht zu den Feierlichkeiten reisen, weil er abgewählt worden war. Sein Nachfolger Gerhard Schröder sah die Sache offenbar locker als olle Kamelle an und sagte die Teilnahme ab mit der schlampigen Begründung, er habe Terminschwierigkeiten. Damit setzte er sich gewaltig in die Nesseln, und nach dem Politikum, das er auf die Art losgetreten hatte, dauerte es weitere elf Jahre, bis sich der jetzige Präsident, Nicolas Sarkozy, zur Einladung der Bundeskanzlerin Angela Merkel entschloss, sodass also im Jahr 2009 aparterweise zunächst Sarkozy am 9. November nach Berlin reiste, um dort gemeinsam mit anderen Größen der Welt den historischen 20. Jahrestag des Mauerfalls zu begehen, und zwei Tage darauf ihrerseits Angela Merkel zum 90. Jahrestag des historischen Kriegsendes nach Paris. Sie stand nicht ganz so fotogen am Grab des Unbekannten Soldaten wie Kohl damals mit Mitterrand vor dem Beinhaus in Verdun, artikulierte zum Schluss ihrer Rede etwas unbeholfen ein »Vive la France, vive l’Allemagne, vive l’amitié franco-allemande« und geriet einigermaßen in Verlegenheit, als Sarkozy den Vorschlag machte, den 11. November auch in Deutschland zum Feiertag zu erklären und vom »Tag des Waffenstillstands« kurzerhand zum »Tag der deutsch-französischen Versöhnung« umzudeklarieren. Sie sehen, der Fettnäpfe stehen einige zwischen Franzosen und Deutschen herum, und es wird sich auch emsig hineingesetzt.

Jetzt aber nehme ich Sie mit, und wir verlassen die pompösen Feierlichkeiten in Paris, wo – weit weg von hier – historische Symbole aufgeführt und neue gestrickt werden, jetzt sind wir im Süden des Landes, in dem sehr kleinen Dorf Aubussargues, das 234 Einwohner hat, keine eigene Webseite, dafür ein entzückendes Schlösschen, auf dessen Dach eine Parabolantenne so geschickt angebracht ist, dass man sie kaum entdecken kann, alsdann engste Gässchen und pittoreske alte Gemäuer, und drum herum jede Menge Oliven und Wein.

Dieser winzige Ort nun hat sich im letzten Jahr gedacht, schön und gut, dieser 11. November, man versammelt sich gegen elf Uhr morgens, man hält die Gedenkstunde ab, die Blaskapelle spielt militärisch, um zwölf ist die Sache vorbei, jeder geht nach Hause zum Mittagessen, und das soll es dann gewesen sein? In Aubussargues fand man, dass es das noch nicht gewesen sein sollte.

Für mich wiederum ist der 11. November kein Feiertag, sondern eher ein Feiertag der Franzosen, den ich aus der Distanz achte. Also ist dieser Tag für mich ein Arbeitstag. Einer, an dem ich zum Beispiel das Vorwort für diese Neuauflage meiner Gebrauchsanweisung abschließen könnte, es fehlen da nur noch ein paar Sätze.

Als ich letztes Wochenende im Républicain, dem kleinen lokalen Nachrichtenblättchen unserer Region, las, dass in Aubussargues anlässlich des »jour de l’armistice« nach der Zeremonie der hundert Jahre alte kommunale Backofen angeheizt werden würde, der kürzlich restauriert worden ist, und dass die Gemeinde öffentlich dazu einlade, sich vor diesem Backofen einzufinden, ihr Brot, ihre Pizza, ihre Brioche oder Kuchen mitzubringen und dort gemeinsam zu backen, fand ich das eine der vielen guten Ideen, die in letzter Zeit hier aus dem Boden sprießen, weil sich viele Leute in der Gegend, in der ich lebe, entschlossen gegen die Abkühlung der effizienzbestimmten Welt zur Wehr setzen und sich an allen Ecken und Enden, quer durchs Jahr hindurch immer neue Anlässe ausdenken, zu denen Menschen zusammenkommen und Zeit miteinander verbringen können.

Aber der 11. November ist für Deutsche nun mal ein Arbeitstag, Sarkozys Vorschlag ist bei Frau Merkel natürlich nicht durchgekommen, meine preußischen Wurzeln – oder neuerdings Gene – dagegen werden durchkommen und mich an den Schreibtisch bringen.

Aber ich habe von meinen sieben Kilo Kürbis noch ungefähr drei Kilo im Kühlschrank, und ich kann sehr gutes Brot und sehr guten Kuchen daraus machen.

Sicherheitshalber habe ich am Abend des 10. November ein paar Brote und einen Kuchen vorbereitet, die ja am nächsten Tag, während ich mein Vorwort zu Ende schreibe, ganz nebenbei hier in den Ofen könnten und das Haus schön warm machen würden.

Und am 11. November habe ich mich, wie sich das gehört, an den Schreibtisch gesetzt. Es war ein zauberhafter Sonnentag, und es wäre die reinste Energieverschwendung gewesen, an so einem Tag bei uns in der Küche den Herd einzuheizen. Gegen Mittag würde es bestimmt um die achtzehn Grad warm werden. Im Schatten.

Ein Jammer eigentlich, an einem so warmen Novembertag am Computer zu hocken. Die Chrysanthemen leuchten so besonders im Herbstlicht. Die letzten Rosen. Alles strahlt so festlich.

Nichts da, dachte ich, rief mir ein energisches »au travail« zu, an die Arbeit, draußen war es still, weil alle bei den Kriegerdenkmälern waren, bei uns im Ort, in Aubussargues, natürlich auch, preußische Wurzeln hin, preußische Gene her, die Arbeit wollte bei dieser Stille nicht richtig rutschen, ist ja auch komisch, an einem solchen Tag, wenn der Ort so still ist, jetzt müssten sie langsam fertig sein mit ihrer Zeremonie, ich müsste langsam mit meinem Vorwort zum Ende kommen; wenn’s aber so gar nicht laufen will … kurz: gegen Mittag wurde es ein zauberhaftes Fest in Aubussargues. Ein paar Hundert Leute standen in der Sonne auf einem gelb glitzernden Blätterteppich herum und unterhielten sich, ein Glas in der Hand, während sie darauf warteten, dass die Unmengen Backwaren in den Ofen geschoben und später nach und nach herausgeholt und auf einem Tisch davor aufgetürmt werden würden, Pizzas wurden geviertelt, Brot und Kuchen geschnitten und auf Papptellern serviert. Die Olivenernte hat begonnen und ist ein Thema, weil die Oliven in diesem Jahr früher reif sind als sonst, wann hat man das je gehabt, Oliven am 11. November, selbst wir haben schon fast zwanzig Kilo zur Mühle gebracht, die sonst um diese Jahreszeit noch geschlossen ist; was, die Mühle ist schon offen, fragt Monsieur Echevé und ist erleichtert, weil ihm die Oliven demnächst von den Bäumen fallen, wenn er sie nicht bald herunterholt; das Bauernbrot von Madame Dumas ist ungewöhnlich knusprig und duftet; das Rezept hat sie aus einem alten Backbuch, das sie letztens auf dem Trödel gefunden hat, jemand fragt, ob wir den neuen Wein von Serge schon gekostet haben, Serge ist unser Briefträger und macht einen hervorragenden Wein, natürlich kennen wir den, hier trinken alle seinen Agarrus, den er nach Dienstschluss mit dem Motorrad in einer zweiten Runde zu seinen Kunden ausfährt, denen er vorher die Briefe eingeworfen hat, die bunten Etiketten auf den Flaschen macht ihm Manu, wussten Sie das, ja genau der, der letztens eine Ausstellung in der Galerie Martinez hatte, da ist er übrigens, Serge, und freut sich, dass die kleine Gemeinde Aubussargues für ihr Backfest etliche Flaschen Weißwein und Rosé bei ihm geordert hat, jemand fragt, was das für ein komisches gelbes Brot ist, ein Kürbisbrot ist das; na klar kann ich Ihnen das Rezept geben, der Witz daran ist, dass man …

Der Witz daran ist, dass mein Vorwort eigentlich etwas preußisch war, es fehlte ihm eine gewisse südfranzösische Leichtigkeit, die sich – sehr weit weg von dem Pariser Pomp, in diesem Jahr wieder ohne Angela Merkel und deutsch-französische Fettnäpfe – mit wenigen Zutaten (im Fall meines Kürbisbrots 300 Gramm Mus von gekochtem Kürbis auf etwa ein Kilo Mehl, einen Teelöffel Salz und einen Würfel Hefe) preiswert, unkompliziert und anspruchslos bei jeder Gelegenheit einstellt.

Von dieser Leichtigkeit – und auch von ihren Tücken – will ich Ihnen erzählen.

Birgit Vanderbeke,

im November 2010

Mein Süden

Der französische Süden boomt. Jahr für Jahr kommen immer mehr Menschen, um im »midi« ihre Ferien zu verbringen, am liebsten noch mehr als nur die Ferien. Sie haben Träume im Kopf, sie haben Filme gesehen, Bücher gelesen, die Literatur, die gesamte Kunst ist voll damit, sie haben eine Vorstellung von mediterraner Heiterkeit, es gibt bestimmte fixe Requisiten in dieser Vorstellung, die Bilder sind alle da, von den Sonnenblumen bis zu den Lavendelfeldern, und es sind wunderbare Bilder, jeder Reiseführer evoziert sie: das Licht, der Duft, das entspannte »laisser-vivre« in den kleinen Dörfern inmitten von Olivenhainen und Weinreben, die sommerliche Hitze, bei der es mittags ganz still wird, selbst manchmal die Zikaden …

Sie kennen diese Bilder. Jeder kennt sie. Südfrankreich ist bezaubernd. Man kann diesen Zauber konsumieren. Von Ostern bis September ziehen ganze Prozessionen von Südsehnsüchtigen durchs Land und bevölkern, als Touristen verkleidet, die Cafés, Bars, Bistros am Straßenrand, fotografieren die Sonnenblumen von den Feldern weg, schwärmen busreisend von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit, zeigen sich gegenseitig andächtig das Meer oder holen sich dort einen Sonnenbrand und sind eine sonderbare Spezies, die in Wirklichkeit keine Wirklichkeit wünscht, sondern die Bilder erleben möchte, die sie mitgebracht hat.

Dieser Zustand heißt weltweit Urlaubmachen und erfordert keine Gebrauchsanweisung, weil jeder weiß, wie das geht.

Interessant wird der Süden, sobald man wahrnimmt, dass dort Menschen leben und wie sie das tun.

Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man verfällt ihm vollkommen, oder es gibt Enttäuschungen.

Ich kann mich an mehrere Erlebnisse erinnern, die mich ihm haben verfallen lassen, und es waren Erlebnisse, die nicht als Postkarte, sogar in Büchern nicht zu haben sind, deshalb erzähle ich mal zwei Beispiele:

Mein Sohn war acht Jahre alt und sprach kein Wort Französisch, als er von seinen brutalen Eltern zum Besuch einer französischen Schule und zum Erlernen der landesüblichen Sprache und Schrift gezwungen wurde. Wegen der Schrift brauchte er einen neuen Füllfederhalter. Um die Grausamkeit etwas zu lindern, kauften die Eltern einen guten Füllfederhalter mit einer sehr teuren Feder. Beim Einpacken sagte die Verkäuferin in der Papeterie: »Da musst du aber ganz schön aufpassen, nicht dass dir das Ding auf die Spitze fällt.«

Genau dies geschah kaum eine Woche später.

Mutter und Sohn gestanden in der Papeterie den Hausaufgabenunfall, zeigten die platte Feder und hörten verblüfft den Satz, das sei ja ganz unglaublich, das dürfe aber nicht passieren, das sei ein Materialfehler, den man nicht hinnehmen würde, und das müsse man unbedingt reklamieren und einschicken, da würde man sich drum kümmern. Das Ding wurde konfisziert, dem Kind ein neuer Füller in die Hand gedrückt, und wir mochten das nicht glauben.

Eine ganze Weile dachte ich, ihn nur geträumt zu haben: den ersten Besuch eines Arztes, den ich rief, um einem keinesfalls kranken, sondern bloß schulunwilligen Kind klarzumachen, dass Schule nur im Krankheitsfall versäumt werden darf (eine Anfängerhaltung, die sich mit den Jahren gegeben hat). Der Arzt sah sich den Jungen an, kam aus dem Kinderzimmer und sagte sodann mit ernster Miene: »Tja, eine eindeutige Simulitis, und wenn das Fieber nicht weiter steigt, könnte er im Grunde morgen wieder zur Schule.« Wir tranken einen Kaffee, und plötzlich sagte er besorgt: »Aber wenn er nun Fieber bekommt? Hätten Sie dann wohl Paracetamol?« Ich hatte nicht. Der Rezeptblock wurde gezückt. Bei der Gelegenheit fiel dem Arzt ein, dass ja auch Kopf-, Bauch-, Halsschmerzen oder Husten eintreten könnten, und da ich dagegen auch keine Medikamente hatte, schrieb er die also auch noch auf, und es endete so, dass ich am Schluss – weil Kinder sich leicht beim Spielen mal etwas verrenken oder verzerren – noch eine Tube Sportsalbe auf dem Rezept und eine komplette vernünftige Hausapotheke verordnet bekommen hatte und ein kleiner Junge, der das Fremdwort für seine Krankheit natürlich nicht kannte, das Gesicht hatte wahren dürfen.

Solche Erlebnisse steigern den Zauber der Region ungemein, und sie waren in Südfrankreich von Anfang an häufig und kommen eigentlich täglich vor, aber viele sind unscheinbar und schwer zu entziffern von Gegenden aus, in denen die Ellenbogenkultur so altmodische Tugenden wie Höflichkeit, Wärme und Charme ziemlich rabiat verdrängt hat.

Ich habe in den letzten beiden Jahrzehnten gewissermaßen im deutsch-französischen Spagat gelebt, bin in dieser Zeit etlichen typischen Fragen zum Leben in Südfrankreich begegnet, habe währenddessen auch gelegentlich erlebt, wie Leute dem Süden enttäuscht den Rücken gekehrt haben, und darüber nachgedacht, was zwischen der deutschen und der südfranzösischen Lebensweise womöglich zu Schwierigkeiten führen könnte. In dieser Gebrauchsanweisung nenne ich ein paar Dinge, die man wissen sollte, und ein paar typische Missverständnisse, die man leicht vermeiden kann, wenn man die Freude voll genießen möchte, in Südfrankreich, und sei es für kurze Zeit, »chaleureusement« aufgenommen zu werden.

Dabei habe ich den Rhythmus der Großstädte vernachlässigt, das rasante Leben in Marseille, die Hafenstimmung, wenn dort gestreikt wird, die Nachrichten aus den nördlichen Quartiers, den Cités Kallisté, Frais Vallon, Castellane und den anderen Gettogebieten der Stadt; auch Toulouse, auch Nizza oder Toulon meide ich in dieser Gebrauchsanweisung, einfach weil es Großstädte sind und Großstädte in den Träumen vom Süden eher selten vorkommen oder nur gestreift werden. Die Zauberwörter heißen Arles, Aix-en-Provence, Avignon, und die mediterranen Träume enthalten vor allem auch die Umgebungen solcher mittelgroßen Städte, die Schluchten, die Grotten, die Flüsse, die kleinen pittoresken Orte, in denen die Zeit anders verläuft, gemächlicher, also das Land; das südfranzösische Land, das sich oberhalb des Mittelmeeres ein Stück gen Norden hinzieht.

Damit allerdings meine Gebrauchsanweisung nicht selbst allzu pittoresk würde, wie das vielleicht hätte geschehen können – Liebe macht auch dem Land gegenüber blind –, habe ich meinen Sohn gebeten, jeden Abend Seite für Seite durchzulesen, was ich Tag für Tag geschrieben hatte, und der hat sich als äußerst skeptischer, kritischer und sozial kompetenter Leser erwiesen und sei dafür herzlich bedankt; er hat inzwischen mehr als die Hälfte seines Lebens in Südfrankreich verbracht, empfindet daher nicht wie seine Mutter die Skrupel des Gastes gegenüber dem Gastgeberland und neigt mit der Nüchternheit seiner Jugend nicht zur Idealisierung der Verhältnisse.

Einig sind wir uns aber im Grundsätzlichen: Der Midi ist für Glück geradezu wie gemacht.

Wenn man ein paar Dinge beachtet.

Was Sie wissen sollten, bevor Sie losfahren

Es duftet. Die Luft ist voller Pinien, Lavendel, Rosmarin undsoweiter. Und es leuchtet. Die Farben sind einfach stärker. Und dann die Sonne. Mediterran, das Ganze. In Lyon hat das angefangen, als Sie durch den Tunnel gefahren sind, der den Süden vom Norden trennt, aber wahrscheinlich sind Sie gar nicht durch den Tunnel gefahren, sondern haben die Umgehungsautobahn genommen, um nicht im Tunnel in einen Stau zu geraten. Jedenfalls irgendwo da in der Gegend fing es an zu duften und zu leuchten, der Regen hatte aufgehört, rechts noch ein bisschen Massif Central, und da etwa haben Sie Ihrer Mitfahrerin die Hand aufs Bein gelegt und was von diesem Rotwein gesagt, den Sie heute Abend trinken, diesem kleinen »ballon de rouge«, in diesem sandfarbenen Natursteinhaus, das Sie schon vom letzten Jahr her kennen oder das Sie, wenn Sie im letzten Jahr woanders waren, heute Abend ganz sicher finden und entdecken werden in einem dieser kleinen Dörfer, in denen abends das Klacken der Boulekugeln sanft durch die Straßen klingt, und manchmal hört man Musetten. Nicht direkt an der Côte vielleicht sollte das sein, die ist ja schlechterdings unbezahlbar und dann die dauernden Staus, derentwegen der Tunnel in Lyon ja so tückisch wurde, dass sie die Umgehungsautobahn gebaut haben, sondern etwas im Hinterland, wo es noch unverfälscht zugeht und die alten Männer in der Bar am Dorfplatz oder im Café de la France ihren Pernot trinken, wenn sie mit ihren klapprigen alten Renaults von den Weinfeldern heimkommen oder von der Melonenernte oder von den Sonnenblumen, die ab Valence so besonders leuchten wegen der Farben undsoweiter.

Ihre Mitfahrerin hat den Reiseführer gelesen, sie hat die Verfilmung von Patrick Süskinds Das Parfum im Kino gesehen und war damals in Lübeck in der Ausstellung über Sanary-sur-Mer oder in der Hamburger Kunsthalle, wo die Selbstporträts von van Gogh auch schon so geleuchtet haben, und sie hat nichts gegen Gott in diesem Lande, aber nur so herumsitzen und diese Ballons trinken, das wäre doch nichts für sie undsoweiter, und in Avignon ist das Theaterfestival; überhaupt hat sie mal im Netz nachgeschaut, was es alles so gibt da unten, und es ist tatsächlich einiges los und zu sehen in Südfrankreich im Sommer, sie hat jedenfalls ihren Strohhut rausgeholt, den sie letztes Jahr in Isle-sur-la-Sorgue gekauft hat, auf diesem traumhaften Wochenmarkt, wo sie auch Antiquitäten verkaufen, am Samstagvormittag, oder war das am Sonntag. Sie hat die Handtasche, die sie immer ins Büro mitnimmt, gegen den Ibizakorb vertauscht, seit Lyon hat sie die Sonnenbrille auf und sich in Montélimar Sud sicherheitshalber mit Sonnenschutz 25 eingecremt, weil sie gelesen hat, dass die Sonne im Süden auch durch die Autofenster gefährlich sein kann.

Und jetzt geht das los.

Und da könnten Sie sich allerdings mächtig wundern.

Wenn Sie nämlich den ersten und womöglich lebenswichtigen Rat dieses Buches nicht befolgen:

Wer mit dem Auto nach Südfrankreich fährt, sollte sich unbedingt vorher einen Film besorgen (gibt’s auf DVD) und sorgfältig mehrmals ansehen.

Dieser Film ist in gewisser Weise ernüchternd, weil dort nicht Boule gespielt, keine Ballons getrunken und nicht in Natursteinhäusern mit Blick aufs Mittelmeer oder auf sonst einen Horizont gewohnt wird. Gespielt wird dort allerdings auch, ich komme noch darauf zu sprechen; ansonsten aber: Dosenbier und Garage; okay, mitten in Marseille, aber nicht in den pittoresken Teilen, obwohl der alte Hafen kurz mal im Blick ist, sondern irgendwo in den nördlichen Cités, die ich schon erwähnte und über die der Reiseführer Ihrer Begleiterin vornehm schweigt, was ja auch seine Aufgabe ist. Denken Sie nun nicht, ich wollte Ihnen den Aufenthalt an einer der schönen hiesigen Stellen vermiesen mit dem Hinweis auf die tristen Realitäten, die wir schließlich alle kennen, weshalb wir von Natursteinhäusern träumen undsoweiter, und wenigstens im Urlaub möchten wir von den bedauerlichen Zuständen der Welt verschont sein und dem Traum etwas näher. Nein, nein, ganz und gar nicht.

Es ist nur so, dass dieser Film, der inzwischen auch im deutschen Fernsehen gelegentlich läuft, in Südfrankreich das gewesen ist, was man bei Ihnen einen »Kultfilm« nennt. Alle haben ihn gesehen. Samy Naceri, ein Schauspieler, den Sie vermutlich nicht kennen werden, weil er die letzten zehn Jahre überwiegend im Knast zugebracht hat, spielt darin Daniel. Und diesen Daniel sollten Sie kennen, sonst werden Sie kaum fassen können, was Ihnen in den nächsten Wochen häufig bis regelmäßig passiert. Denn infolge dieses Kultfilms ist Daniel nicht nur ein einzelner, witziger, lockerer, cooler und sehr liebenswerter Typ, der einen Rennfahrertick hat und manchmal, besonders beim Autofahren, ziemlich spinnt, sondern es gibt ihn massenhaft. Ungefähr jeder, dessen Nummernschild mit 13 (Boûches-du-Rhône, Marseille), 84 (Vaucluse, Avignon), 83 (Var), 06 (Alpes-Maritimes, Nizza), 30 (Gard, Nîmes) oder 34 (Hérault, Montpellier) endet, ist Daniel, weshalb Sie sich diese Endnummern unbedingt einprägen und ihnen gegenüber mit äußerster Konzentration defensiv verhalten sollten.

Der Film heißt Taxi (inzwischen gibt es ihn auch als Taxi2, 3 und 4) und ist vermutlich der Grund dafür, dass Frankreich in der grauenvollen Statistik europäischer Verkehrsunfälle trotz aller staatlichen Bemühungen auch 2010 noch sehr weit vorne steht, wobei ich nach jahrelanger französischer Fahrpraxis aus Erfahrung behaupte: Es liegt am Süden. Daniel nämlich pfeift auf die Straßenverkehrsordnung. Er pfeift im Übrigen sowieso auf jegliche Staatsgewalt, aber das wird ein anderes Kapitel werden, weil Sie ja jetzt erst kurz hinter Montélimar sind, wo es zugegebenermaßen weder von Staatsgewalt noch von irren Autofahrern wimmelt, sondern nur von Lkw, die allseits sehr sittsam mit Tempo 130 überholt werden, weil es mittlerweile richtig teuer wird, wenn man das Limit überschreitet. Ernst wird es erst, sobald Sie auf eine Route Nationale fahren. Zunächst stellen Sie fest, dass das runde Schild mit der Tempoangabe 90 reine Makulatur ist und keiner unter 100 fährt, die meisten bedeutend schneller. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn Sie die autobahnähnliche Nationalstraße nicht irgendwann verlassen und auf eine der zweispurigen D-Irgendwas abbiegen müssten, weil an Nationalstraßen bekanntlich diese Natursteinhäuser nicht stehen, auf die Sie sich seit Köln-Kalk gefreut haben. Die stehen da, wo die Straßen zweispurig sind, etwas schmaler, als Ihr Citroën Grand Picasso sie gewohnt ist; und dann fangen die Kurven an, die Steigungen mit Kurven, und jetzt sollten Sie die Sache nicht mehr leicht nehmen: Es kann nicht mehr lange dauern, da kommt Ihnen einer mit locker 110 in einer Kurve entgegen, von der Sie kaum glauben, dass man sie mit 70 nehmen kann, und zwar kommt der mit den 110 Ihnen nicht auf seiner Seite, sondern mindestens zur Hälfte auf Ihrer entgegen, ganz egal, ob die Fahrbahnmitte noch markiert ist oder – wahrscheinlicher – nicht. Wenn Sie jetzt Glück haben, werden Sie in dem Moment nicht gerade von dem halbstarken Peugeot 206 hinter Ihnen überholt, der Ihnen schon eine Weile lang an der Stoßstange hängt, und können knapp nach rechts ausweichen, wobei Ihr Citroën sich sehr wundert, wie nah der Graben an seinen rechten Rädern vorbeirutscht; nach meiner Erfahrung allerdings haben fast alle halbstarken Peugeot 206 den unwiderstehlichen Drang, alles, was nicht 110 fährt, ausgerechnet in Kurven überholen zu müssen, weil sie alle Daniel sind und von der Straßenverkehrsordnung sowie ganz allgemein der Staatsgewalt (ich komme darauf zurück) nichts halten, und dann brauchen Sie gute Nerven und am besten noch bessere Bremsen. Ein besonderer Protest gegen die Staatsgewalt besteht im Übrigen darin, dass der Gebrauch des Blinkers sowohl in Überholmanövern als auch bei schlichtem Abbiegen im Süden dieses Landes konsequent abgelehnt wird.

Daniel übrigens fährt einen auf Speed gebrachten Peugeot 406, ein Auto, von dem Sie in Südfrankreich bis vor ein paar Jahren nicht damit rechnen mochten, dass es das dort gibt, weil nach Ihrer Erinnerung und in den Filmen aus der cineastischen Blütezeit des Landes nur diese liebenswerten Rostlauben von Kasten-Renault oder Leiterwagen mit den braun gebrannten alten Männern in Unterhemd drin herumgondeln. Sehr vereinzelt gibt es das auch heute noch, ansonsten aber bewegen Sie sich automäßig mindestens im Mittelstand. Eher im oberen Mittelstand. Und das kam in zwei Etappen so: Anfang dieses Jahrhunderts beschloss die französische Regierung irgendwo in Paris, damals noch sehr, sehr weit weg von hier, dass etwas gegen die Umweltschweinerei getan werden müsse, die von den stinkenden Rostlauben im ganzen Land ausging und sich mit der Zeit in Europa ziemlich herumgesprochen hatte, und fortan wurden diese Rostlauben vom französischen TÜV nicht mehr durchgelassen, sondern auf eine Art konfisziert, die in gewisser Weise an Bestechung erinnert. Noch heute gibt es die erstaunlichsten Autofriedhöfe hier. Der Besitzer wurde recht anständig entschädigt, Daniel machte den Führerschein, die Autos wurden breiter und schneller, manch altes Bauernherz klopfte bei der Anschaffung einer dreistelligen PS-Menge noch einmal jugendlich schneller, und als infolge der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 auch in Frankreich eine »prime à la casse« (Abwrackprämie) eingeführt wurde, war die erste Generation dieser Wagen auch schon etwas in die Jahre gekommen; abermals wurden massenhaft die neuesten Fahrzeuge angeschafft, während die Straßen, mit Ausnahme der Hauptadern, mehr oder weniger die Gleichen geblieben sind, die sie vorher waren und die Sie seit Über den Dächern von Nizza spätestens geliebt haben: schmal, gewunden, sehr häufig ohne Mittelstreifen.

Auf den Mittelstreifen weise ich Sie aus noch einem Grund hin, den Sie kennen sollten, bevor Sie von der Autobahn runterfahren.

Die Lebensgewohnheiten der Leute ändern sich überall, auch hier. Noch aber herrscht, jedenfalls bei der älteren Generation, die eiserne Sitte, um Punkt zwölf Uhr Mittag zu essen, davor einen Aperitif zu trinken und zum Essen mindestens einen Wein. Und gegen zwei dann ins Auto zu steigen und auf solchen Schleichwegen zur Arbeit oder aufs Feld zu fahren, auf denen mit Alkoholkontrollen nicht zu rechnen ist. Und da wäre dann allerdings ein Mittelstreifen als Orientierungshilfe nicht schlecht, besonders wenn man von dem 90-Stundenkilometer-Vorschlag nichts hält.

Wenn Sie also die Möglichkeit haben, gegen zwei Uhr mal kurz aus dem Auto zu steigen und sich vielleicht etwas in der pinienduftenden Gegend die Beine zu vertreten, sollten Sie das tun.

Bei der Gelegenheit schlage ich vor, Sie achten einmal auf ein silbriges, im Sommer oft nur staubig-graues Kraut, das in kleineren struppigen Teppichflecken praktisch überall um Sie herum vor sich hin wächst und überhaupt nicht so aussieht, wie Sie sich erinnern, dass Thymian aussieht, weil Sie Thymian entweder gerebelt kennen oder als dünne grüne Zweiglein mit winzigen dunklen Blättchen daran. Wenn Sie aber dieses struppige graue Zeug zwischen den Fingern zerreiben und daran riechen, merken Sie: Es ist Thymian. Gewissermaßen Thymian hoch drei. Daneben wachsen noch andere Kräuter, aber um die brauchen Sie sich im Augenblick nicht zu kümmern, weil es zunächst um den Thymian geht. Den würde ich jetzt mal pflücken. Reichlich. Den können Sie nämlich fortan ziemlich gut gebrauchen. Wenn Sie die Augen aufhalten, begegnet Ihnen bei Ihrem Mittagsspaziergang auch irgendwo noch ein Lorbeerbaum und nimmt es Ihnen nicht übel, wenn Sie ihm ein paar Blätter rauben. Vielleicht nicht gleich einen ganzen Ast. Und dann hätten Sie fast schon alles zusammen für ein erstes südliches Essen heute Abend, den Rest können Sie unterwegs noch in jedem beliebigen Ort besorgen, und zwar bis abends um sieben. In Supermärkten bis halb neun. Im Sommer bis neun. An Sonntagen nur bis mittags.

Gekochtes Wasser

Der ganze Süden von Frankreich liegt für mich in diesem geheimnisvollen okzitanischen Wort: »aigo boulido«, provenzalisch heißt es: »aigo bulhido«. Eau bouillie wäre die französische Bezeichnung, also »gekochtes Wasser«.

In einer Gebrauchsanweisung darf es nicht fehlen.

Sie werden es auf keiner Speisekarte finden, nicht auf den rustikalen, nicht auf den edleren, und dennoch gibt es das − mehr oder weniger verborgen − überall.

Ich habe es zuerst in Kochbüchern entdeckt, im 1910 erstmals erschienenen ›Reboul‹* zum Beispiel, danach im Manuel Complet de la Cuisinère Provençale (dem kompletten Handbuch der provenzalischen Küche) von Marius Morard aus dem Jahr 1886, und da hat es mich stutzig gemacht.

Morard setzt das gekochte Wasser an den Anfang seines Suppenkapitels, und zwar mit dem beeindruckenden Motto:

L’aigo boulido, saouvo la vido.

L’eau bouillie, sauve la vie.

Gekochtes Wasser rettet das Leben.

Er erzählt sodann, dass ein ihm bekannter Arzt in jedem Hotel, in dem er auf seinen Reisen abstieg, sofort verlangte, dass ihm täglich ein solches Wasser zubereitet würde; er wollte seiner Gesundheit zuliebe nicht einen einzigen Tag lang darauf verzichten. Dieser Arzt auch appellierte eindringlich an junge Mütter, ihre Kleinkinder damit zu ernähren.

Schließlich tauchte es in einem neueren Kochbuch gleich mehrmals auf: in La cuisine secrète du Languedoc-Roussillon von André Soulier, wieder am Beginn des Suppenkapitels, und es klang wieder so, dass ich nicht glauben mochte, es würde eine Suppe daraus, wenn man das Rezept befolgen würde, sondern eben bloß ein »gekochtes Wasser«. Denn nichts anderes ist es. Und jetzt kommt der Zauber: Dieses gekochte Wasser schmeckt so, dass man es tatsächlich jeden Tag essen möchte.

Ich kam zufällig dahinter, als unser Sohn Sportfest hatte. Zum Sportfest geht jeder. Ob es nach einem Rugbyspiel ist, ob es Siegesfeiern sind, das sommerliche Johannisfeuer oder das Herbstfest: die Leute gehen hin, sind randvoll mit Regionalstolz, und der Bürgermeister drückt Hände.

Es war im Herbst. An einer Ecke war das Buffet aufgebaut. Getränke und ein riesiger Kessel über mehreren Gasflammen. Wirklich riesig. Mehrere Frauen bedienten ihn, andere bestrichen geröstete Baguettescheiben mit Knoblauch, und eine lange Schlange stand davor und wartete darauf, in einem Plastikbecher eine Kelle aus dem Kessel, bestreut mit etwas Reibekäse, zu bekommen, einen Plastiklöffel dazu, in die andere Hand eine Scheibe Röstbrot, und das kostete damals ungefähr drei Francs. Eine Mark oder einen halben Euro.

Das also war das gekochte Wasser, und seither koche ich es alle paar Tage und könnte beschwören, dass es so eine Art Jungbrunnen ist, es hilft gegen Erkältung, allgemeine Schlappheit und Müdigkeit, Appetitlosigkeit, gegen den Schreck über die Begegnung mit Daniel und überhaupt für und gegen alles, es macht einen munter und tatenlustig, und das alles würde mich nicht sehr beeindrucken, wenn es nicht eine der ungewöhnlichsten Delikatessen wäre, die ich kenne. Und wie das meiste der hiesigen Tradition: kostet es sehr wenig, nämlich bloß

1,5 Liter Wasser

neun Knoblauchzehen, davon lasse ich vier oder fünf ganz, die anderen quetsche ich, aber das ist meine persönliche Art, sie ist nirgends vorgeschrieben, ich habe sie mir so ausgedacht;

ein paar Zweige Thymian,

ein paar Blätter Salbei, aber nicht mehr als fünf oder sechs,

zwei oder drei Lorbeerblätter,

einen Schuss Olivenöl sowie

ordentlich Salz und noch ordentlicher Pfeffer.

Das kochen Sie auf und lassen es dann eine halbe Stunde oder etwas länger auf kleinster Flamme ziehen. Während der Zeit fängt es in Ihrer Wohnung oder Ihrem Natursteinhaus wunderbar an zu duften.

Dann schütten Sie es durch ein Sieb, und jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder Sie trinken es, oder Sie essen es. In diesem Fall können Sie beispielsweise ein Eigelb hineingeben, es mit Käse bestreuen und die besagte Brotscheibe dazu essen, dann ist es ein Abendessen oder eine Vorspeise.

Ende der Leseprobe