Ich sehe was, was du nicht siehst - Birgit Vanderbeke - E-Book

Ich sehe was, was du nicht siehst E-Book

Birgit Vanderbeke

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Beschreibung

»Man kann einfach weggehen, dachte ich. Entweder man geht ein bisschen weg, oder man geht richtig weg, oder man bleibt.« Eine junge Frau denkt darüber nach wegzugehen. Mit ihrem Sohn, einem grünen Nilpferd und einem kleinen Hund verlässt sie Deutschland und fährt von Berlin nach Frankreich. Das Land, in das sie kommt, begrüßt sie mit torkeligen Sternen und silbrigen Baumreihen im Abendlicht. Vieles findet sie hier. Kleines und Großes. Birgit Vanderbeke erzählt von Abschied und Willkommen, von der Alltäglichkeit der Angst und einem neuen Leben ...

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Für Maître Isnard

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienenen Buchausgabe

1. Auflage 2014

ISBN 978-3-492-96774-7

© Piper Verlag GmbH, München 2014 Erstausgabe: Alexander Fest Verlag, Berlin 1999 Covergestaltung: Kornelia Rumberg, www.rumbergdesign.de Covermotiv: Colin Hutton/Trevillion Images Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Man kann einfach weggehen, dachte ich. Entweder man geht ein bißchen weg, oder man geht richtig weg, oder man bleibt.

René war nach New York gegangen. Natürlich würde er wiederkommen, aber das könnte dauern.

Man kann auch bleiben und, während man bleibt, denken, eines Tages gehe ich einfach weg, und während man es denkt, bleibt man und wartet, bis René wiederkommt, und eines Tages ist man geblieben und gar nicht weggegangen, weder ein bißchen noch richtig. Und dann ist man traurig und sagt: wo ist das Leben bloß hin.

Ich bin erst geblieben und habe gedacht, eines Tages gehe ich weg, inzwischen ist das Kind immer mehr gewachsen, und ich bin immer noch dagewesen, und eines Tages habe ich gedacht, wenn du jetzt nicht bald weggehst, bleibst du womöglich da, und hinterher wirst du traurig, und da bin ich weggegangen, und alle sind da geblieben, wo sie waren. Erst bin ich ein Stückchen weggegangen und habe gemerkt, ein Stückchen ist schon zuviel, aber noch nicht genug. Ein Stückchen ist zuviel zum Umkehren und Zurückgehen, aber man ist noch nicht richtig weggegangen, es gibt wieder eine Gustav-Heinemann-Straße und einen Adenauerplatz, es gibt wieder Grundschullehrerinnen, die heißen Gaby und kaufen Weizenkleie und Vorzugsmilch im Reformhaus und Gemüse, ungespritzt, auf dem Markt, und wieder sind dem Postboten vier Treppen hoch zuviel, und lieber wirft er einen Niemand-angetroffen-Zettel in den Briefkasten, Einschreibesendung, bitte abholen, heute jedoch nicht vor vier, und die Leute sagen, man traut sich schon gar nicht mehr, U-Bahn zu fahren, und nachts nach dem Kino ins Parkhaus, das ist als Frau lebensgefährlich; die Nachbarn klingeln und sagen, bei Ihnen steckt außen der Schlüssel, und wenn man sagt, das ist schon in Ordnung, sagen sie, haben Sie denn keine Angst; und es ist so, als wäre man nicht weggegangen, sondern im Grunde geblieben, auch wenn es ein bißchen anders aussieht und Doppelstockbusse darin herumfahren. Ich habe es eine Weile gemacht; alle haben gesagt, und hier war die Mauer, und jetzt ist sie nicht mehr hier, sondern demnächst die Regierung, was für eine Aufregung, und dies war der Osten, und jetzt ist der Osten der Westen, und das ist die Anarchie. Immer wollte der Osten der Westen sein, und dann war er es, und als er es war, wollte er es nun plötzlich doch nicht sein wegen der Mieten und Arbeitslosen, und der Westen mochte den Osten nicht haben wegen der Krankenkassenreform und der Steuern und wegen der komischen Einkaufsbeutel, die sie dort einfach weiterbenutzen, und also blieb der Osten der Osten und der Westen der Westen, alle waren unzufrieden und schlecht gelaunt, und wenn man mit dem Doppelstockbus in den Osten fuhr, war man im Osten, und ich kannte den Osten schon, und am Abend fuhr ich zurück in den Westen und war im Westen, und das einzige, was ich nicht kannte, waren Doppelstockbusse, also war ich nicht richtig weggegangen, sondern gerade so viel, daß ich nicht umkehren konnte und wieder zurück, aber nicht weit genug, um zu bleiben. Wenn etwas so ähnlich ist, wie man es kennt, aber man muß es trotzdem neu lernen, sieht man nicht ein, warum; und das Kind hat gesagt, du hast mir aber versprochen, ich kriege einen Hund, wenn wir weggehen, und da habe ich eines Tages gesagt, wir sind ja nicht richtig weggegangen, du kriegst einen Hund, wenn wir richtig weggehen, und das Kind hat gesagt, also dann gehen wir mal bald, und es hat ihm nichts ausgemacht, daß der Hund dann womöglich fremdsprachig wäre, weil Richtig-Weggehen über die Grenze wäre.

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