Friedliche Zeiten - Birgit Vanderbeke - E-Book

Friedliche Zeiten E-Book

Birgit Vanderbeke

4,3

Beschreibung

Der Krieg ist lange vorbei und trotzdem noch überall. Es herrscht Krieg in der kleinen Vorstadtwohnung im Deutschland der sechsiger Jahre. Die Mutter hat immer Angst. Besonders, dass der Vater abhauen könnte. Manchmal geht er abends weg. Dann will die Mutter sterben. Keine Angst Kinder, sagt sie, ich nehme euch mit. Abends, allein in ihrem Zimmer, überlegen die beiden Töchter, wie sich das verhindern ließe. Das und der Dritte Weltkrieg. Eine schnelle, mitreißende Erzählung, zum Erschrecken komisch, eine raffiniert gewobene, gültige Geschichte aus einer deutschen Kindheit.

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Birgit Vanderbeke

Friedliche Zeiten

Erzählung

Rotbuch Verlag

eISBN 978-3-86789-563-7

© 2013 (1996) by BEBUG mbH / Rotbuch Verlag, Berlin

Umschlaggestaltung: MetaDesign, Berlin

Rotbuch Verlag

Alexanderstraße 1

10178 Berlin

Tel. 01805/30 99 99

(0,14 Euro/Min., Mobil max. 0,42 Euro/Min.)

www.rotbuch.de

Mein Vater mochte am Osten, daß sie es mit dem Sozialismus versucht hatten, und er mochte am Osten nicht, daß sie den Sozialismus nicht zum Laufen gebracht hatten, weil sie alle Idioten waren. Soviel wußten wir. Was er am Westen mochte, wußten wir nicht.

Meine Mutter mochte am Westen, daß jetzt sie die Schlüssel verschwinden lassen konnte und nicht mehr ihre Mutter. Das jedenfalls sagte der Vater.

Mein Vater mochte an meiner Mutter nicht, daß sie die Klo- und Badezimmerschlüssel immer verschwinden ließ und daß im Klo und Bad nicht geheizt werden durfte. Im Schlafzimmer auch nicht. Der Vater sagte, deshalb sind wir doch nicht in den Westen gegangen, daß man sich hier genauso den Hintern abfriert wie drüben, obwohl wir endlich Zentralheizung haben; und dauernd kommt jemand rein. Er drehte die Heizung an, aber bis die Heizung den Raum warm machte, hatte er sich den Hintern schon abgefroren. Sobald der Vater rauskam, ging die Mutter rein und drehte die Heizung wieder ab. Wasa und ich versuchten immer mal wieder, möglichst zu Hause gar nicht mehr aufs Klo zu gehen, weil man sich den Hintern abfror, und dauernd kam jemand rein, weil er nicht wissen konnte, daß besetzt war, aber doch meistens die Mutter. Sobald einer von uns auf dem Klo war, hatte die Mutter Angst, es könnte ihm schlecht werden, Kreislaufschwäche, Übelkeit oder so, und dann rief sie erst hinein, ist alles in Ordnung da drinnen mit dir, und der, der drin war, antwortete nicht, weil er ja auf dem Klo war, und dann kriegte sie es mit der Angst. Nämlich wenn er nicht antwortete, dann natürlich, weil ihm schlecht geworden war oder weil er eine Kreislaufschwäche hatte und in Ohnmacht gefallen war, und sie mußte ihn aus Ohnmacht und Übelkeit retten und also hinein. Der Vater sagte, was heißt hier Ohnmacht, das Kind wird erfroren sein; so kalt wie es in der Toilette ist, würde mich das nicht wundern. Jedenfalls konnte keiner ungestört auf dem Klo sein, auch nicht im Badezimmer, in den anderen Zimmern sowieso nicht, weil alle Schlüssel abgezogen und verschwunden waren, aber bei den anderen Zimmern hatten wir uns daran gewöhnt, daß wir keine Ruhe hatten, nur bei Badezimmer und Klo mochte sich niemand daran gewöhnen außer Flori, dem es egal war, wenn dauernd die Mutter reinkam und nachsah, ob alles in Ordnung war.