Geheimnisse aus dem Buch der Natur - Omraam Mikhaël Aïvanhov - E-Book

Geheimnisse aus dem Buch der Natur E-Book

Omraam Mikhaël Aïvanhov

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Beschreibung

Wir leben mitten in einer Zivilisation, die von uns verlangt, dass wir lesen und schreiben können - und es ist gut so, denn Lesen und Schreiben sind immer notwendig. Beide Tätigkeiten sollte man aber auch auf höherer Ebene ausführen können. In der Einweihungswissenschaft versteht man unter dem Wort lesen die Entschlüsselung der subtilen, verborgenen Seite aller Dinge und Lebewesen, sowie die Auslegung aller Symbole und Zeichen, die die Kosmische Intelligenz im großen Buch der Natur überall eingeprägt hat. Und schreiben heißt, das große Buch der Natur mit eigener Prägung zu versehen und durch die magische Kraft des eigenen Geistes auf Steine, Pflanzen, Tiere, Menschen einzuwirken. Folglich sollte man nicht nur auf dem Papier lesen und schreiben können, sondern in allen Regionen des Universums. Omraam Mikhaël Aïvanhov

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Über den Autor

Omraam Mikhaël Aïvanhov war ein großer spiritueller Meister, ein lebendiges Vorbild, ein »Überbringer des Lichts« und ein warmherziger, humorvoller Lehrer, der durch sein selbstloses, zugängliches und brüderliches Verhalten überzeugte.

Er strebte an, alle Menschen bei ihrer persönlichen Entwicklung zu begleiten – so wie ein Bergführer seine Kameraden sicher bis auf den höchsten Gipfel führt.

Das Gedankengut, das Omraam Mikhaël Aïvanhov verbreitet hat, bietet zahlreiche Methoden und einen klaren, begehbaren Weg zu größerer Vollkommenheit und mehr Lebensglück.

In wohltuend einfacher Sprache erklärt er alle wichtigen Zusammenhänge des Lebens und ist gerade bei den Fragen unserer heutigen Zeit wegweisend. Ob es um die Bewältigung des Alltags geht, um das Thema der Liebe und Sexualität oder um tiefgründige philosophische Themen – stets sind seine Antworten überraschend klar und hilfreich.

Kurzbeschreibung

»Wir leben in einer Zivilisation, die verlangt, dass wir lesen und schreiben können – und es ist gut so, denn das Lesen und Schreiben wird immer notwendig sein. Beide Tätigkeiten sollte man aber auch auf höherer Ebene ausüben können. In der Einweihungswissenschaft versteht man unter »Lesen« das Entziffern der subtilen verborgenen Seite der Dinge und Lebewesen sowie das Auslegen der Symbole und Zeichen, die die kosmische Intelligenz im großen Buch der Natur überall eingeprägt hat. Und »Schreiben« heißt, das große Buch der Natur mit seiner eigenen Prägung zu versehen und durch die magische Kraft des eigenen Geistes auf Steine, Pflanzen, Tiere und Menschen einzuwirken. Man sollte also nicht nur auf dem Papier lesen und schreiben können, sondern in allen Regionen des Universums.«

Omraam Mikhaël Aïvanhov

Inhaltsverzeichnis

Über den Autor

Kurzbeschreibung

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Das Buch der Natur

Kapitel 2: Tag und Nacht

Kapitel 3: Quelle und Sumpf

Kapitel 4: Die Vermählung, ein universelles Symbol

Kapitel 5: Die Arbeit mit den Gedanken zur Gewinnung der Quintessenz

Kapitel 6: Die Macht des Feuers

Kapitel 7: Die entschleierte Wahrheit

Kapitel 8: Der Hausbau

Kapitel 9: Rot und weiß

Kapitel 10: Der Strom des Lebens

Kapitel 11: Das neue Jerusalem

Kapitel 12: Lesen und Schreiben

Vom selben Autor – Reihe Gesamtwerke

Vom selben Autor – Reihe Izvor

Vom selben Autor – Reihe Broschüren

Copyright

Da Omraam Mikhaël Aïvanhov seine Lehre ausschließlich mündlich überlieferte, wurden seine Bücher aus stenographischen Mitschriften, Tonband- und Videoaufnahmen seiner frei gehaltenen Vorträge erstellt.

Kapitel 1: Das Buch der Natur

Von alters her wurde der Mensch als ein kleines Universum betrachtet. In den Tempeln der Antike wurde er als der Schlüssel dargestellt, der die Tore zum Palast des Großen Königs aufschloss, denn alles, was im Weltall als Materie und Energie überhaupt existiert, lässt sich auch im Menschen – jedoch in verkleinertem Maße – wiederfinden. Deswegen wird das Universum »Makrokosmos« (große Welt) und der Mensch »Mikrokosmos« (kleine Welt) genannt. Und Gott ist der Name des erhabenen Geistes, der die große und die kleine Welt schuf, beseelt und am Leben erhält.

Um leben und sich weiterentwickeln zu können, muss dieser Mikrokosmos (der Mensch) unbedingt mit dem Makrokosmos (der Natur) ständig verbunden sein. Beide müssen in stetiger Wechselbeziehung zueinander stehen, denn aus dieser Wechselbeziehung besteht eben das, was man Leben nennt. Das Leben ist nichts anderes als eine ununterbrochene Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur. Findet diese Wechselbeziehung einmal nicht statt, dann treten Krankheit und Tod ein. Alles, was wir essen, trinken und atmen, ist das Leben Gottes. Es besteht überhaupt nichts, was nicht vom göttlichen Geist belebt, beseelt wäre. Alles lebt, atmet ein und aus, alles pulsiert und steht in enger Verbindung mit diesem mächtigen Strom, der von Gott ausströmt und sich über das Universum ergießt – von den Sternen bis zu den winzigsten Materieteilchen. Paulus sagte: »Denn in ihm leben, weben und sind wir« (Apg 17,28).

Austausch ist der Schlüssel zum Leben. Gesundheit oder Krankheit, Schönheit oder Hässlichkeit, Reichtum oder Armut, Klugheit oder Dummheit usw. hängen von der Art und Weise ab, wie sich jener Austausch abspielt. Alles ist Ernährung, Atmung, Wechselbeziehung ohne Ende. Beim Essen haben wir Austausch mit der physischen Welt; wenn wir Gefühle empfinden, wenn wir denken, findet ein Austausch auf der Astral- und Mentalebene statt. Durch ihre Ernährungs- und Atmungsweise verstopfen viele Menschen die Kanäle ihres Organismus; dann können normale Wechselbeziehungen zwischen ihnen und der Natur nicht mehr richtig stattfinden, und sie werden krank. Mit dem Herzen und dem Intellekt steht es genauso. Wenn der Intellekt und das Herz lichtvolle Gedanken und warmherzige Gefühle nicht richtig empfangen, wenn sie sich der negativen Gedanken und Gefühle nicht entledigen, wie man Asche und Abfälle beseitigt, dann stehen sie in größter Gefahr.

Um glücklich und innerlich erfüllt zu sein, müssen die Menschen lernen, korrekte Wechselbeziehungen zu pflegen und insbesondere ihr Herz der Natur gegenüber zu öffnen. Sie sollen lernen, ihrer Verbindung mit der Natur gewahr zu werden und zu spüren, dass sie zu ihr gehören. Wer sein Herz dem göttlichen Strom öffnet, der das Universum durchdringt, der verwirklicht einen vollkommenen Austausch. Dann beginnt er dank dem neuartigen Intellekt, der in ihm erwacht, die subtilsten philosophischen Probleme zu begreifen. Er wird gefragt: »Wissen Sie, dass ein Philosoph über das schon geschrieben hat, was Sie jetzt sagen?« Nein, das weiß er nicht, aber es ist auch nicht so wichtig, dass er es weiß. Was er aber wirklich kennt, ist dieser Austausch, weil er ihn erlebt und tief empfindet. Es ist gut zu wissen, was ein gewisser Denker schon geschrieben hat; aber besser ist es, Beweise aus dem eigenen Leben zu liefern. Statt Bücher zu lesen, ist es besser, sich selbst mit der einzig wirklichen, unerschöpflichen und ewigen Quelle zu verbinden, nämlich der Natur. Aus dem großen Buch der Natur – denn alles steht darin geschrieben – sollen wir künftig lernen, unsere Zitate herauszunehmen. Denn alle Menschen werden einmal sterben, und wegen ihrer Unvollkommenheit werden sie sich alle mehr oder weniger geirrt haben; die Natur hingegen wird in alle Ewigkeit lebendig und wahrhaftig weiterbestehen.

Ein großer Meister, ein großer Eingeweihter ist ein Mensch, der über die Struktur des Menschen und der Natur Bescheid weiß; ihm sind auch die Wechselbeziehungen wohl bekannt, in denen er durch Gedanken, Gefühle und Handlungen zu ihr stehen soll. Deshalb sagen die Orientalen, man lerne in fünf Minuten bei einem wirklichen Meister mehr, als in zwanzig Jahren an der besten Universität der Welt. In der Nähe eines Meisters lernt man die Wissenschaft des Lebens, denn jeder große Meister bringt das wahre Leben mit sich.

Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem Studium, das man an einer Universität absolviert, und der Ausbildung, die man in einer esoterischen Schule bekommt. An der Universität lernt man alles, was das äußere Leben betrifft, und nach ein paar Jahren solcher Studien sieht man wohl ein, dass man so klug ist wie zuvor: Man hat immer noch die gleichen Schwächen, die gleichen Mängel. Gewiss, man ist vielleicht zu einem namhaften Gelehrten geworden, man versteht sich auf die Handhabung von verschiedenen Geräten, man hat gelernt, Zitate anzuführen, schöne Reden zu halten und sogar eine Menge Geld zu verdienen. Dabei hat sich aber die Fähigkeit gesteigert, die Mentalität der anderen zu deformieren. Wer hingegen mit der esoterischen Lehre vertraut ist, stellt nach bestimmter Zeit eine tiefe Wandlung in sich selbst fest; sein Unterscheidungsvermögen und seine moralische Kraft sind größer geworden, so dass er den anderen zum Segen wird.

Das Studium an der Universität gleicht der Analyse einer Frucht im Labor; mit Hilfe aller möglichen physischen und chemischen Verfahren findet man heraus, aus welchen Elementen Haut, Fleisch, Kerne und Saft bestehen, ohne je die Frucht selbst zu kosten, ohne sie durch die Instrumente zu entdecken, die Gott uns mitgegeben hat, ohne ihre Wirkungen am eigenen Leibe zu spüren. Es mag wohl sein, dass die Einweihungswissenschaft euch nichts über die physische Zusammensetzung der Frucht übermittelt, aber sie lehrt euch, wie sie zu essen ist; und ihr merkt bald, wie das gesamte Räderwerk in eurem Innern in Bewegung gesetzt, belebt und geregelt wird. Erst dann könnt ihr euch in das Studium des großen Buches der Natur hineinwagen. Dort entdeckt ihr alle physikalischen, chemischen, astronomischen Zusammenhänge, und zwar viel besser erklärt als in den Werken der Akademiker. Euch wird auch einleuchten, auf welche Weise sie miteinander verbunden sind.

Es lohnt sich, bestimmten Disziplinen auf den Grund zu gehen, denn jede von ihnen offenbart uns eine andere Seite des Universums und des Lebens. Solange man aber auf den heutigen Forschungsmethoden beharrt, erfasst man nur die abgestorbene Seite der Dinge. Eines Tages wird man begreifen, dass es unbedingt nötig ist, in die Wissenschaften neues Leben einzuflößen, d. h. einzusehen, dass sie mit allen Gebieten der Existenz verflochten sind. Dann werden beispielsweise die mathematischen Formeln oder die geometrischen Figuren und deren Eigenschaften eine andere, neue Sprache sprechen, und man wird entdecken, dass unsere Gedanken, Gefühle und Handlungen von denselben Gesetzen regiert werden. Diese Wissenschaft eben betrachte ich als die wirklich wahre Wissenschaft. Heutzutage hat man in der Astronomie oder in der Anatomie viel zu viel Wissen angehäuft, ohne diese Wissenschaften miteinander zu verbinden, und vor allem ohne sie mit dem Menschen und dessen Leben zu verbinden.

Dafür ein Beispiel: Ihr glaubt, ihr beherrscht die vier Grundrechnungsarten (Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division). In Wirklichkeit aber kennt ihr sie nicht, solange ihr nicht wisst, dass das, was in euch addiert, das Herz ist. Ja, das Herz kann nur addieren; es fügt immer etwas hinzu und oft bringt es alles durcheinander. Derjenige, der subtrahiert, ist der Intellekt. Die Multiplikation ist die Tätigkeit der Seele und die Division die des Geistes. Betrachtet, wie sich der Mensch im Laufe seines Lebens verhält. Solange er noch ganz klein ist, fasst er alles an, was er um sich herum findet, hebt es auf und steckt es in den Mund. Die Kindheit ist das Zeitalter des Herzens, der ersten Grundoperation, die Zeit des Addierens. Wenn das Kind zum Jugendlichen heranreift, beginnt sein Intellekt sich zu manifestieren; dann lehnt er allmählich alles ab, was ihm unnütz, schädlich oder unangenehm vorkommt: Er subtrahiert. Später wagt er sich an die Multiplikation heran. Deshalb tauchen Frauen, Kinder, Häuser, Geschäfte und allerlei Errungenschaften in seinem Leben auf... Zuletzt – wenn der Mensch alt geworden ist – denkt er an seine baldige Reise ins Jenseits und macht sein Testament, in dem er sein Vermögen verteilt – er dividiert also.

Anfangs häuft man Dinge an; später trennt man sich von vielen Dingen. Was gut ist, soll man einpflanzen, damit es sich vermehre. Wer sich nicht darauf versteht, Gedanken und Gefühle einzupflanzen, hat keine Ahnung von der wahren Multiplikation. Derjenige aber, der sich auf’s Einpflanzen versteht, sieht bald die Anzeichen einer großen Ernte; dann kann er dividieren, d. h. die geernteten Früchte verteilen. Im Leben werden wir dauernd mit den vier Grundoperationen konfrontiert. Etwas rührt sich in unserem Herzen, aber wir sind nicht fähig, es zu »subtrahieren«. Oder unser Intellekt wendet sich von einem wahrhaftigen Freund unter dem Vorwand ab, er gehöre weder zu den Gelehrten noch zur Prominenz. Manchmal kommt es vor, dass wir das Schlechte multiplizieren und versäumen, das Gute einzupflanzen. Wir sollten also anfangen, die vier Operationen im täglichen Leben zu erlernen. Dann können wir uns mit den Potenzen, Quadratwurzeln und Logarithmen befassen. Augenblicklich müssen wir uns aber mit dem Erlernen der ersten vier Grundoperationen begnügen, denn bis jetzt haben wir das Addieren und Subtrahieren noch nicht einmal richtig gelernt. Manchmal machen wir eine Addition mit einem Erzschurken oder lehnen einen guten Gedanken, ein hohes Ideal ab, einfach weil der Erstbeste uns sagt, mit solchen Ideen würden wir ganz bestimmt verhungern.

Alles, was wir in unserer Umgebung sehen, alles, was wir zum Leben brauchen, alles, was wir tun, hat eine tief gehende Bedeutung. Selbst in unseren Alltagsgesten stecken ungeahnte, zu entschlüsselnde Geheimnisse. Meister Peter Deunov sagte: »Die Natur belustigt die gewöhnlichen Menschen; sie belehrt die Schüler der Einweihungswissenschaft, aber nur den Weisen enthüllt sie ihre Geheimnisse.« Jedes Ding in der Natur hat eine Form, einen Inhalt und einen Sinn. Die Form ist für die gewöhnlichen Menschen, der Inhalt für die Schüler der Einweihungswissenschaft, der Sinn wird aber den Weisen und Eingeweihten vorbehalten.

Die Natur ist das große Buch, aus dem man lesen lernen soll. Sie ist das große kosmische Reservoir, mit welchem wir in Verbindung treten müssen. Wie soll das vor sich gehen? Es ist sehr einfach: durch das Geheimnis der Liebe. Wenn wir die Natur lieben – nicht aus Vergnügungs- und Unterhaltungszwecken, sondern weil sie das große von Gott geschriebene Buch darstellt –, wird in uns eine Quelle sprudeln, die alle Unreinheiten wegspülen und die verstopften Kanäle wieder freilegen wird. Dank des Austausches, der stattfindet, werden wir das Leben verstehen und neue Erkenntnisse gewinnen. Sobald die Liebe herannaht, blühen alle Wesen und Dinge auf wie Blumen. Deshalb spricht uns die Natur innerlich an, wenn wir sie lieben; denn auch wir sind ein Teil der Natur.

Der große deutsche Mystiker Jakob Böhme war Schuster. Sicherlich hatte er sich in einer früheren Inkarnation folgendes Privileg verdient: Eines Tages erfuhr er eine derartige Erleuchtung, dass er sie als unerträglich empfand, denn alle Gegenstände um ihn herum strahlten. Verwirrt verließ er sein Haus und flüchtete aufs Feld. Mitten in der Natur wurde es noch ärger: Steine, Bäume, Blumen, Gras, alles strahlte und sprach zu ihm durch dieses Licht... Viele Hellseher und Mystiker haben dieselbe Erfahrung gemacht und wissen, dass überhaupt alles in der Natur lebendig und lichtvoll ist.

In dem Maße, wie wir der Natur gegenüber unsere Einstellung ändern, ändern wir auch unser eigenes Schicksal. Wenn wir meinen, die Natur sei tot, vermindern wir das Leben in uns; wenn wir denken, die Natur sei voller Leben, dann belebt alles, was sie enthält – Steine, Pflanzen, Tiere, Sterne... – unser Wesen und fördert die Kraft unseres Geistes.

Kapitel 2: Tag und Nacht

I

Die Natur führt ihr eigenes Leben mit seinen mannigfaltigen Manifestationen: Schönwetter, Regen, Nebel, Schnee. Der Reigen der Jahreszeiten – Frühling, Sommer, Herbst, Winter – samt allen Veränderungen, die sie nach sich ziehen, sind eine Sprache für sich, die zu entschlüsseln ist. Es gibt Tag und Nacht, Tätigkeit und Ruhe, Wachen und Schlaf; auf allen Gebieten stößt man immer wieder auf dieselbe Wechselfolge. Was stellt der Tag dar? Die Tätigkeit. Und die Nacht? Das Ausruhen. Natürlich geht auch nachts während des Schlafes eine Arbeit vor sich, aber diese Arbeit spielt sich nicht mehr im Bewusstsein ab, sondern auf einer anderen Ebene, die man Unterbewusstsein nennt.

So entspricht der Tag dem Bewusstsein und die Nacht dem Unterbewusstsein. Der Tag ist die Zeit des Wachens, die Nacht die des Schlafes; tagsüber herrscht Aktivität, nachts Passivität. Man könnte auch sagen, der Tag entspricht dem Verbrauch (denn jede Aktivität schließt den Verbrauch von Energie ein) und die Nacht der Regeneration, der Wiederherstellung. Der Verbrauch kann aber nicht lange vonstatten gehen, wenn keine Erneuerung darauf folgt, d. h. wenn man nicht wieder zu Kräften kommt, wenn man seine Batterien nicht wieder auflädt. Dazu ist ein Reinigungsprozess unerlässlich. Und gerade die Aktivität, die nachts im Unterbewusstsein vor sich geht, ist mit anderen Tätigkeiten verbunden, zuallererst aber mit einem Reinigungsprozess, d. h. mit der Beseitigung schädlicher giftiger Elemente, damit die Blutbahnen, die Atmungs- und Ausscheidungswege freigelegt werden und das Fluidum des Blutstroms und des Nervensystems wieder fließen.

Aktivität, klares Bewusstsein, Wachsamkeit bedeuten für den Menschen einen erheblichen Aufwand an Materialien und Energien. Ihr habt keine Ahnung, was für Energien allein der Bewusstseinszustand kostet. Um wach zu sein, ja, nur darum, verbraucht das Gehirn ungeheuer viel Energien! Versiegen einmal die Kräfte und Materialien, die dem Gehirn den Wachzustand ermöglichen, dann schläft es im Laufe des Tages ein, um das, was ihm fehlt, wiederaufzubauen. Manchmal genügen zwei bis drei Minuten, da fühlt es sich wieder erquickt und aufgeladen. So arbeiten wir unaufhörlich mit dem »Tag« und mit der »Nacht«, mit der Aktivität und mit dem Ausruhen, mit dem Bewusstsein und dem Unterbewusstsein.

»Tag« und »Nacht« trifft man überall, auf allen Gebieten in unterschiedlichen Formen wieder. Was entspricht Frühling und Sommer? Der Tag. Herbst und Winter? Die Nacht. Nachts ruht sich die Natur aus, damit sie zu neuen Kräften kommt, damit Frühling und Sommer wieder Früchte mit sich bringen. Deswegen verlagert sich – je nach Jahreszeit – die Aktivität in den Bäumen und Pflanzen. Im Herbst und Winter geht die Arbeit in den Wurzeln vor sich, während sie im Stamm und in den Ästen zum Stillstand kommt; der Baum trägt dann weder Blätter noch Blumen, noch Früchte. Dieser Zustand entspricht der Arbeit im Unterbewusstsein. Im Frühling und Sommer hingegen verlagert sich die Aktivität wieder nach oben, was der Arbeit im Bewusstsein entspricht. Dann verlegt sich die Aktivität wieder nach unten, und so fort...

Dieser Wechsel lässt sich ebenfalls im Laufe eines jeden Monats beobachten, denn da gibt es auch »Tag« und »Nacht«; vierzehn Tage lang nimmt der Mond zu, es ist Tag; und in den darauf folgenden vierzehn Tagen nimmt er ab, es ist Nacht. Bei zunehmendem Mond verlagert sich die Aktivität nach oben zum Gehirn, dann kann sich der Mensch einen größeren Kraftverbrauch erlauben, aktiver und energischer werden und zu aufwändigeren Leistungen kommen. Bei abnehmendem Mond verlagert sich die Aktivität in den Bauch, den Magen und die Geschlechtsorgane; die Kraft des Gehirns flaut etwas ab, dafür wird die Aktivität im Unterbewusstsein intensiver, was zur Folge hat, dass der Mensch eine größere Wollust verspürt, mehr Nahrung und Schlaf braucht... Ihr seht also, ein Monat, das sind zwei Wochen Licht und zwei Wochen Finsternis. An einem Tag – manchmal auch in einer einzigen Stunde – kann es auch »Tag« und »Nacht« geben.

Der Tag bedeutet also das Wachsein, die Aktivität, den Verbrauch. Wäre jedoch die Nacht nicht da, um den Tag vorzubereiten, dann gäbe es überhaupt keinen Tag. Nehmen wir ein Beispiel: Was ist die Schwangerschaft? Eine Nacht. Neun Monate verbringt das Kind in der Finsternis; es ist sich dessen nicht bewusst, es sieht nichts, und es wird auch von niemandem gesehen; seine Mutter spürt kaum, wie es sich ab und zu rührt. Ihr seht also, das Leben ist hier eine Nacht, die neun Monate dauert, und ein Tag, der sich bis zu neunzig Jahren hinzieht! Inzwischen gibt es natürlich andere Tage und andere Nächte, symbolisch gesprochen.

In der Genesis heißt es: »Und es ward Abend und ward Morgen: der erste Tag... Und es ward Abend und ward Morgen: der zweite Tag.« »Abend« bedeutet hier die Nacht und »Morgen« der Tag. Warum hat denn der Schöpfer zuallererst mit der Nacht begonnen? Eben weil es keinen Tag geben kann, wenn ihm keine Nacht vorausgeht. Der Tag selbst bereitet nichts vor, sondern verbraucht, vergeudet das, was in der Nacht bereitgestellt und angesammelt wurde. Bevor Sonne, Mond und Sterne zum Vorschein kamen, fand doch eine Vorbereitungsarbeit im Dunkeln, in der Finsternis statt. Nach der Einweihungswissenschaft soll die Nacht den Tag und die Finsternis das Licht vorbereiten. Schaut euch einmal die Kohle an – sie ist schwarz; diese Dunkelheit geht der Flamme voraus, die bald aus ihr hervorbrechen wird. Zuerst gibt es also die Finsternis, und aus der Finsternis flammt das Licht auf, denn die Finsternis ist es, die das hervorbrechende Licht vorbereitet.

Die Finsternis stellt die nicht organisierte Materie dar, das Chaos, die Arbeit im Unterbewusstsein, bevor etwas im Bewusstsein auftaucht in Form von Licht, von Verstand, von Intelligenz. Bei der spirituellen Arbeit soll man solche Begriffe richtig anwenden können. Wenn der Himmel bedeckt ist und die Sonne ausbleibt, soll gerade diese Zeit ausgenützt werden, um auf das Unterbewusstsein einzuwirken. Ist es euch gelungen, an anderen Tagen – weil die Sonne schien und die elektromagnetischen Strahlungen günstig waren – die spirituelle Arbeit im Bewusstsein oder Unterbewusstsein zu tun, dann seid ihr an den Tagen, wo sich die Verhältnisse verändert haben, nicht fähig, dieselbe Arbeit zu verrichten. Ihr sollt also auf eine andere Aktivität umschalten. Da das bewölkte und schwüle Wetter der Nacht entspricht, sollt ihr die Aktivität des Gehirns zum Stillstand bringen und ins Sonnengeflecht hinabsteigen.

Das Sonnengeflecht ist der Sitz des Unterbewusstseins und das Gehirn der des Bewusstseins. Steigt ihr ins Unterbewusstsein hinab, das mit der Gesamtheit des Kosmos, mit der Unendlichkeit verbunden ist und die kollektive Seite darstellt, dann stellt ihr eine Verbindung mit dem universellen Leben her, mit dem Ozean des universellen Lebens, ihr verschmelzt mit ihm. Durch das Sonnengeflecht schwingt ihr also harmonisch mit der Unendlichkeit mit. Wollt ihr wieder zum selbstbewussten, freien, unabhängigen Individuum werden, dann steigt zum Gehirn hinauf. Das Gehirn hat die Eigenart, die Menschen zu individualisieren, und das Sonnengeflecht hat die Eigenart, sie wieder in die Kollektivität zu integrieren. Dank des Sonnengeflechtes könnt ihr während der Nacht arbeiten.

Am Tag individualisiert ihr euch, ihr kommt euch vor wie ein Wesen, das von den anderen getrennt ist; vielleicht widersetzt ihr euch sogar den anderen und bekämpft sie. Im Schlaf hingegen führt ihr kein individuelles Leben mehr, sondern nehmt am universellen, kosmischen Leben teil. Ihr werdet eins mit der Unendlichkeit, wo ihr die notwendigen Kräfte zur Erneuerung schöpft; genauso wie die Fische, die im Meer und Ozean schwimmen und sich von den Elementen ernähren, die im Wasser aufgelöst sind. Im kosmischen Ozean tauchen die Menschen immer wieder ein und auf. Dieser Wechsel bedeutet eben Tag und Nacht, Bewusstsein und Unterbewusstsein, Wachen und Schlaf.

Die Finsternis geht dem Licht voraus. Das haben die Alchimisten verstanden. Sprechen sie von »dem Licht, das aus der Finsternis hervorgeht«, dann verstehen sie darunter das Ergebnis einer wichtigen Arbeit, die vorher in der Finsternis stattgefunden hat. Und wenn man in der Dunkelheit arbeiten kann, dann deswegen, weil es in Wirklichkeit keine Dunkelheit ist. In der Nacht herrscht blendendes Licht. Dieses Licht aber, das auf der Astralebene strahlt, kann mit physischen Augen nicht wahrgenommen werden. Das, was für manche dunkel ist, wird von anderen als lichtvoll empfunden. Licht und Finsternis koexistieren immer.

Man kann wohl sagen, das Licht sei eine Tochter der Dunkelheit, denn das Kind ist es – und nicht umgekehrt –, das aus dem Schoß der Mutter herauskommt. Das Licht hat niemals die Dunkelheit erzeugt. Es verdrängt sie, ja, aber es ist die Dunkelheit, die das Licht hervorbringt. Wie? Das ist ein Geheimnis: durch die Vermittlung der Bewegung. Ohne Bewegung zeigt sich kein Licht. Zuerst wird Wärme durch Reiben, Schlagen oder Bewegen erzeugt, und diese Wärme ist es, die sich in Licht verwandelt. Wird dieser Vorgang auf den Menschen übertragen, dann kann man sagen, die Bewegung entstehe aus dem Willen und die Wärme, d. h. die Liebe, aus der Bewegung. Und da diese Liebe größer wird, muss sie hervorbrechen in Form von Licht, Intelligenz und Weisheit.