Gelogen wie gedruckt - Hubert vom Venn - E-Book

Gelogen wie gedruckt E-Book

Hubert vom Venn

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Kolumnen und Kurzgeschichten aus 'Eifelmagazin' und 'Grenz-Echo' oder Wegwerftexte zu jeder Gelegenheit

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© 2007 eBook-Ausgabe 2011RHEIN-MOSEL-VERLAGBrandenburg 17, D-56856 Zell/Mosel Tel. 06542/5151, Fax 06542/61158 Alle Rechte vorbehalten ISBN: 978-3-89801-789-3

Hubert vom Venn

Gelogen wie gedruckt

Kolumnen und Kurzgeschichten aus »Eifelmagazin« und »Grenz Echo« oder Wegwerftexte zu jeder Gelegenheit

RHEIN-MOSEL-VERLAG

Inhalt:

Sitten und GebräucheAch du lieber HerrgottMänner und FrauenKindersegenMenschen gibt’sHinter vorgehaltener HandWeihnachten drohtIm Eifeler ForstNeee, wat bin ich krankTücken des AlltagsArbeit und HandwerkEssen steht auf dem TischLand und LeuteAus der Kinder- und JugendzeitUrlaub – muss das sein?Die hohe KunstWat eine jecke ZeitModerne Zeiten(Un)sportliches

***

Prolog

Als der mongolische Gelehrte Cheng Wang Ming Yang (vierte Ming-Dynastie) bei seinem langen Marsch den Philosophen-Pfad über den Brahmaputra beschritt, rief er plötzlich »« aus, während es von den Steilwänden »« zurückschallte.

Warum ich euch das erzähle?

Das weiß ich auch nicht – denn es hat mit dem nun folgenden Buch nichts, aber auch überhaupt nichts zu tun und ist wahrscheinlich auch nur gelogen wie gedruckt. Somit haben wir den Titel auch schon abgefeiert und müssen uns damit nicht mehr weiter beschäftigen.

Zur Sache: Zahlreiche Besucher meiner Eifeltourneen mit Jupp Hammerschmidt wollen nach Auftritten immer wissen: »Jibt et dat, wat Se da immer so schreiben, auch als Buch?« Gemeint sind meistens die Kolumnen im »Eifelmagazin« oder im »Grenz Echo«.

Darauf kann ich dann immer mit einem klaren »Jein« antworten, da viele dieser Geschichten in »Mein Jahr in der Eifel« und in »Sterne der Eifel« berücksichtigt wurden – aber eben nicht als Kurzgeschichten. Eine weitere Frage ist dann oft: »Darf ich die auch bei meinem Jeburtstag oder beim »Schlappen-Kaffeetag im Altenheim-Stift« vortragen? Meistens stellt sich dann heraus – der Eifeler ist ja ehrlich – dass diese Frage völlig überflüssig war, da die Geschichten bereits beim Jeburtstag und im Altenheim-Stift vorgetragen wurden.

Aber unter uns: Ich habe – solange es sich im privaten Kreis abspielt – nichts dagegen, wenn man mich beklaut. Immer noch besser, als zum einhundertsiebenunddreißigsten Mal die Geschichten vom WC zu hören, das von einem Eifeler Touristikbüro mit »Wald-Capelle« übersetzt wurde. Als Kind wusste ich bei jedem Familienfest: Gleich holt der gefürchtete Onkel die gefürchtete WC-Geschichte wieder heraus. Also, beklauen Sie mich, lügen Sie wie gedruckt (»Dat han ich selbst jeschrieben!«) – und schließen Sie mich dafür in Ihr Nachtgebet ein.

Ihr

Hubert vom Venn

Sitten und Gebräuche

Begrüßung

»Tag zusammen, lange nix gelesen!« So würde ein Eifeler Sie nie begrüßen!!! Dieser Satz widerspricht allen Regeln der Eifeler Volks-Linguistik. Nein, der Eifeler (in verschiedenen belgischen Sprengeln Mottes genannt) teilt die Begrüßungsformen in vier Schritte ein und verknüpft damit oft auch noch eine Information, die ein simples »Tach zusammen, schönes Wetter heute!« um Längen übertrifft.

Eifeler Begrüßung Nr. 1 umfasst den Zeitraum, wenn man sich bis zu zwei Wochen nicht gesehen hat, und muss ganz dramatisch vorgetragen werden:

»Weißt du, wer tot ist?«

Dann lehnt sich der Eifeler zurück und erwartet keine Antwort – ja eine Antwort würde sogar alle Regeln des Eifeler Anstands verletzen. Stellen Sie sich doch nur einmal vor, Sie würden mit »Tant’ Finchen?« antworten, dann müsste der Eifeler kurz auflachen und sagen:

»Nein, deine Mutter!«

Also schweigt man lieber und bekommt dann den Namen – meist verbunden mit einem »Ganz plötzlich!« oder »Aber auch kein Wunder, wie der gesoffen hat!«

Eifeler Begrüßung Nr. 2 umfasst den Zeitraum zwei Wochen bis drei Monate:

»Weißt du, wer ausgerechnet ist?«

Wieder darf man nur mit einem fragenden Gesicht antworten und der Eifeler sagt dann »Breuers Resi, 12. Oktober« und verbindet diese Mitteilung noch mit der Information »Aber das erste Kind ist ja nie pünktlich!« oder mit einem kritischen Schlag gegen die Weißkittelschaft:

»Aber die Ärzte am Simmerather Krankenhaus rechnen ja immer falsch!«

Eifeler Begrüßung Nr. 3 wird angebracht, wenn man sich länger als drei Monate bis zu einem Jahr nicht mehr gesehen hat:

»Weißt du, wer auseinander ist?«

Fragender Blick, sonst nichts. Der Eifeler nennt darauf nur den Namen des seitenspringenden Ehemanns: »Schreibers Karl-Heinz«, schließt daran sofort den Grund an, der dem Eifeler natürlich bekannt ist:

»So ein Flittchen aus Aachen.«

Eifeler Begrüßung Nr. 4 kommt zum Zuge, wenn man sich länger als ein Jahr nicht mehr gesehen hat.

»Weißt du, wer nach Düren in die Jeckenanstalt gekommen ist?«

Fragender Blick, klar. Dann sagt der Eifeler den Namen und verbindet damit die Information, dass er es immer schon gewusst hat:

»Also wenn du mich fragst! Der war noch nie ganz dicht!«

Gedächtnis

Zwanghaft ist, dass der Eifeler nichts vergessen kann.

Wir haben ja was von einem Elefanten an uns – nein, nicht im Porzellan-Laden – ich spreche von unserem Gedächtnis. Der Eifeler trägt quasi immer ein Archiv mit sich, auf das wir ständig Zugriff haben.

»Hasenfelders Franz hat geheiratet?« ist eine Meldung, die man gerne einfach so in den Raum wirft. Da wir Landbevölkler uns unseres Elefanten-Archivs schämen, antworten wir auf diese Art von News immer mit einem »Wer ist das dann?«

Mit dieser Frage tun wir unserem Gegenüber einen Gefallen, da der sofort lospoltern kann:

»Hasenfelders Franz, den MUSST du doch kennen, der hatte dir doch im Kindergarten 1956, an deinem dritten Geburtstag, die Tasse heißen Kakao über die schöne Leserhose mit der grün-rot gerippten Hirschprägung gekippt, die du erst eine Woche vorher für 87 Mark in dem Trachtengeschäft an der Hotmannspief in Aachen bekommen hast, das 1961 Bankrott gegangen ist, weil der Besitzer mit einer Verkäuferin durchgebrannt ist, die den dann zwei Jahre später in Nizza wegen eines Spaniers verlassen hat. Da war die Lederhose aber schon aus der Reinigung, hat 7,50 Mark gekostet – DAMALS SCHON –, ganz zu schweigen von den acht Pfennig, die der Kakao damals im Kindergarten kostete. Hast du eigentlich noch die Brandnarbe?«

Auf diese Information antwortet der Eifeler in seiner ganzen schweigsamen Art lediglich mit »Ach, der!«

Eine große Belastung für die Psyche des Mittelgebirgs-Menschen ist auch die Tatsache, dass wir sämtliche Katastrophen regionaler oder sogar überregionaler Bedeutung mit uns rumschleppen und dadurch einfach zu Schwermut neigen müssen.

Wenn zum Beispiel ein Eifeler sagt:

»Mein Großvater ist Jahrgang 1912.« Dann bekommt man zur Antwort: »… als die Titanic untergegangen ist!« Und wenn einer fragt: »Wann ist eigentlich euer jüngster Sohn geboren?«, antwortet man nicht mit einer Jahreszahl, sondern mit »Als Graf Berghe von Trips sich in der Formel 1 zu Pratsch gefahren hat.«

Ganz schlimm ist es mit lokalen Katastrophen. – Jeder Eifeler könnte bei »Wetten dass« sämtliche Verkehrsunfälle, Hausbrände und Bombentrichter von der Jahrhundertwende (also der vorletzten) bis heute aufzählen.

Fragen Sie einmal ganz einfach:

»Wie komme ich von hier nach Mützenich?«

Dann werden Sie mit Sicherheit folgende Antwort zu hören bekommen:

»An dem Baum, wo Fammels Martin 1953 vom Blitz getroffen wurde, bis zu dem Bauernhaus, das 1961 bis auf die Grundmauern abbrannte und auch nie wieder aufgebaut wurde, bis an die Kurve, aus der es 1946 bei einer Verfolgungsfahrt den Zollwagen getragen hat, vier Schwerverletzte, Gott-sei-Dank: nur Zöllner, bis zu der Kuppe, wo 1951 die Pferde von dem Molkereiwagen durchgingen und zig Hektoliter Milch in den Schnabbelbach flossen. Dann bis zu der Scheune, in der 1968 Rader-Annemie den Scheidenkrampf hatte, man weiß bis heute nicht gegen wen, ich habe da zwar so meinen Verdacht, der Schwager von der ist ja seit diesem Jahr zeugungsunfähig, aber man will sich ja nicht den Mund verbrennen. Und dann müssen Sie noch einmal fragen.«

Ich persönlich bin da völlig aus der Art geschlagen und sage immer:

»Mit so altem Kram belaste ich mich nicht!«

Das liegt bestimmt dran, dass ich eine andere Generation bin …

… geboren, als das schlimme Gasunglück in Hellenthal war, die erste Sparkasse in Höfen von Luxemburgern überfallen wurde, mein Bruder sich mit der Kreidler überschlug und die Welt sowieso am Rande eines Atomkriegs stand.

Knigge

Ich weiß nicht, wie ich in diesem Zusammenhang darauf komme, aber das Eifeler Gehirn springt bekanntlich immer so hin und her.

Ich finde, bevor man in fremde Länder fährt, soll man sich erst einmal in der Heimat richtig verhalten. Wenn ich mir da das Benehmen vieler Mitmenschen ansehe, kann ich nur fordernd ausrufen: Ein neuer Knigge muss also her.

Was, Sie wissen nicht, was Knigge ist? Tja, wie soll ich Ihnen das jetzt erklären? Also Knigge ist, wie man sich richtig benehmen tut, wenn man zum Beispiel in einem Hotel essen muss. Wir Eifeler sagen ›essen muss‹, weil wir freiwillig nie in einem Hotel essen würden. Höchstens wenn man uns dazu zwingt. Also zum Beispiel – wenn ein anderer bezahlt.

Aber ich denke an etwas ganz anderes, über das ich mir in den letzten Tagen so meine Gedanken gemacht habe: Nach meiner Meinung muss es ganz feste Regeln beim Anziehen geben. Es ist doch unmöglich – da könnte ich mich irre drüber aufregen – dass es für das Anziehen keine festen Regeln mehr gibt. Manche fangen mit der Unterhose an, andere mit den Socken. Ja, verdammt, man isst doch auch keinen magenschließenden Käse vor dem Pudding.

Das ist übrigens ein gutes Stichwort: Essen und richtiges Anziehen kann man schon vergleichen.

Zuerst muss man sich also die Vorspeise – pardon: die Unterhose anziehen. Die Unterhose – glauben Sie mir – ist quasi die Amusegueule (oder wie das heißt) beim Anziehen. Wenn wir nämlich die Unterhose anhaben, lacht keiner mehr amüsiert. Daher immer zuerst die Unterhose anziehen.

Und dann kommt die Suppe – quasi das Unterhemd oder bei den Fraulück der … Dings, Sie wissen schon.

Und nun kommt der Skandal. Viele Menschen schlüpfen nach dem Unterhemd in die Socken – ziehen also im übertragenen Sinne den Käse vor. Das ist falsch, völlig falsch sogar.

Als Hauptgang müssen wir Männer nämlich zuerst das Hemd anziehen und die Frauen die Bluse. Hemd und Bluse müssen allerdings al dente sein – also steif gebügelt. Die Kleidungsstücke muss man vorher aber pochieren, also in heißem Wasser waschen. Als Sorbet oder Petits-fours gelten Schlips und Halsketten. Und nun kommen wir zur Hose, die müssen wir allerdings tranchieren, das heißt: Wir dürfen die Füße nicht nur in ein Hosenbein stecken. Wenn Sie das nicht beachten, fallen Sie hundertprozentig auf den Hintern. Die Röcke der Frauen sind nach dem Eifeler Anziehknigge medium, da der Rock sonst steif wie ein Brett steht und beim Hinknien – zum Beispiel im Hochamt – knistert wie Chipstüten-Papier im Kino.

Und nun kommen erst die Socken. Diese sollen – aus hygienischen Gründen – vorher pochiert werden. Wenn wir das alles haben, kommen wir zur Panade – also Jacke und Mantel. Pudding ist dann quasi der Hut und die Schuhe. Letztere aber erst vor der Haustür anziehen, weil die Eifeler Frau sonst ausruft:

»Treck jefällischst die Drecksklumpen us, und lauf mir damit nicht über den Perser!«

Den echten Anzieh-Gourmet erkennt man daran, dass er sich nicht nur anzieht, sondern vorher auch seinen Körper pflegt – also auf jeden Fall immer die Haare kandieren.

Was sagen Sie? Meine »Tipps für um Anzuziehen« interessieren Sie einen Dreck? Na gut, dann können Sie jetzt alles, was ich geschrieben habe, … flambieren.

Spucken

Versteh einer die Fraumenschen!!!

Als ich unlängst ganz gemütlich vom Frühstückstisch durchs Fenster im hohen Bogen in unseren Vorgarten spuckte, regte meine Frau sich kriminal auf. Sofort sprach sie – nein, nicht von Scheidung, sondern vom Hotel:

»Stell dir vor, du müsstest mal in einem Hotel übernachten, was meinst du, was die Leute von dir denken.«

»Wenn ich schlafe, spucke ich nicht«, konterte ich ebenso scharfzüngig wie auch einleuchtend – aber mit Logik braucht man dem angeblich schwächeren Geschlecht ja nicht zu kommen.

Vorigen Sonntag lief bei meiner Frau die Regentonne über!

Wir gingen gemütlich zur Kirche, da putzte ich mir filigran und taschentuchlos – und das ist eine Kunst, die heute kaum noch einer beherrscht – die Nase mit zwei Fingern.

»Du Ferkel«, rief meine Frau entgeistert aus. »Heute Abend gehen wir zur Strafe ganz teuer essen, damit du mal siehst, wie sich die feinen Herrschaften benehmen. Da kannst du dir dann mal ’ne Scheibe abschneiden!!!«

Gesagt – getan: Abends musste ich mir dann meinen guten Anzug – den ich sonst nur bei Beerdigungen und Kinderkommunion trage – anziehen. Meine Frau wollte sogar, dass ich passende Socken zusammenstelle und die Schuhe putze.

Und dann sind wir in ein ganz feines Lokal gefahren – »Château au vieux âne«, oben im Venn!

»Wehe, wenn ich mich hier blamieren muss!«, zischte meine Frau noch vor der Tür, ehe ich ihr brav aus dem pelzkragenbeschlagenen Mantel half – viel lieber hätte ich mir in einer Zusammenfassung die wichtigsten Tor-Schüsse aus Europa angesehen.

Randbemerkung: Das arrogante Gesicht des Kellners erzeugte in mir die Lust, dem Frackträger kräftig auf die Ohren zu hauen. Wegen meiner Frau bekam ich aber Fracksausen – ja ja, was tut man nicht alles aus Liebe nicht …

Ich habe mir dann lieber die feinen Herrschaften angeguckt – ich sollte ja was lernen …

Am Nebentisch saß ein grau/gelb-melierter Herr mit etwas zu kurzer Hose und Speckröllchen über den Socken, der eine offensichtlich viel zu junge Begleiterin ausführte. Über den Tisch guckte der Herr von Welt/Geld der Jungdame mit einem Blick wie ein alternder Bernhardiner mit Augen-Entzündung in den Ausschnitt, unter dem Tisch tätschelte der das Knie der Jungmaid, die ihrerseits zustimmende Laute von sich gab, die mich stark an kleine Ferkel am Fresstrog erinnerten.

Und dann zelebrierte sich einer durch die Eingangstür, den ich (und Sie auch – da bin ich mir sicher) schon oft in der Zeitung gesehen hatte:

»Den besten Tisch am Fenster, wie immer«, blökte der Raumfüller und veranstaltete einen Affentanz, als der Kelln…, äh, Ober höflichst mitteilte, dass da besetzt sei:

»Ihnen ist wohl nicht klar, was ich im letzten Jahr in diesem Bums gelassen habe.«

Kaum war der verhinderte Fensterplatz-Sitzer rausgeschnaubt, da gab lautstark ein Schwerfülliger mit dem typischen Heinsberger Rundkopf wie zehn nackte Weiße an:

»Ich esse ja sonst nur in den ersten Häusern, aber ihr ›Geraspeltes Sauerkraut an flambiertem Wildschwein-Hirn mit Sauce Oudler‹ kann sich echt sehen lassen. Bloß die Petersilien-Kartoffeln schmecken eher wie Persil-Kartoffeln.«

Während mir vom Tisch vor uns dauernd einer Zigarrenqualm über (oder heißt es »an«?) meine Suppe blies, konnte ich weiter das gute Benehmen der feinen Leute studieren!

»Ich möchte sofort den Geschäftsführer sprechen«, großmaulte der Abgeordnete, ähm, ist ja egal, Sie kennen ihn auf jeden Fall:

»Der 83er Hillesheimer Südhang schmeckte so was nach Kork. Und dann die Rechnung. Aber mit einem Wochentagsdatum! Und nicht flambiert.«

Apropos Wein!

Ein junger Schnösel probierte Wein und zog damit das Interesse des ganzen Lokals auf sich: Erst schwenkte der das Glas, hielt dieses dann gegen das Licht, steckte die Nase rein, schlürfte den Wein, kaute darauf rum wie auf Hornhaut und spuckte dann die paar Tropfen in den Aschenbecher.

Morgen spuck ich wieder in unseren Vorgarten …

Ach du lieber Herrgott

Beichte

Es gibt Zeiten, da kann man abends – nicht nur als Frau – in Monschau kaum über eine Straße gehen, weil ein Auto nach dem anderen an den verregneten Straßen-Cafés vorbeiflanierte. Während der letzten zehn Wochen war das bekanntlich anders: Ab 17Uhr fegte der Fußball die Städte und Dörfer leer.

In den Tagen vor der Weltmeisterschaft kam ein neuer Pastor in unser Dorf.

Der ehrwürdige Herr war schon etwas älter und hören kann der auch nicht mehr so ganz gut. Natürlich übernahm der auch sofort den Religionsunterricht in unserer Schule und führte ganz neue Sitten bei den Puten ein: Jeden Samstag ab 17 Uhr – also nach dem Baden in der Eifel – müssen die Pänz beichten gehen.

Jeden Samstag!!! Tuen Sie sich dat ens weg!!!

Als aufmerksamer Beobachter des Dorflebens fiel mir sehr schnell auf, dass sich alle Beichtkinder am Samstag immer schon um 16 Uhr im Bus-Wartehäuschen trafen und dann gemeinsam beichten gingen.

»Da kann doch was nicht stimmen!«, sagte ich noch so zu meiner Frau und beschloss, mir unseren Heinz-Willi, dat Schinos, einmal vorzuknöpfen. Da ich – wie nicht wenige im Dorf behaupten – ein pädagogisches Naturtalent bin, habe ich den Heinz-Willi vorige Woche ganz einfühlsam zur Seite genommen und mich vorsichtig an das Thema Beichten herangetastet:

»Wenn du verdammter Put nicht sofort das Maul aufmachst und mir haarklein erzählst, was ihr alten Weiber vor der Beichte immer im Wartehäuschen zu quatschen habt, dann haue ich dir so eine rein, dass du dich überschlägst und die Kellertreppe runterfliegst!«

Sie sehen, man kann mit einem gewissen Fingerspitzengefühl die Dinge auch vernünftig ansprechen. Der Heinz-Willi antwortete auch sofort:

»Ja, weißt du Papp, bei dem neuen Pastor müssen wir nun jede Woche beichten gehen. Nach drei Wochen ist uns nichts mehr eingefallen. Da haben wir uns Zettel gemacht und alle Sünden, die es gibt, aufgeschrieben. Und hinter jeder Sünde, wie oft wir es gemacht haben.«

»Aber warum müsst ihr doofen Tölen euch dafür jede Woche im Wartehäuschen treffen?«, fragte ich verständnisvoll nach.

»Das ist so. Wenn wir jede Woche die gleichen Sünden beichten, dann fällt das dem neuen Pastor doch auf. Und daher tauschen wir immer im Wartehäuschen die Sündenzettel aus, da merkt der nicht, dass wir keine Sünden zu bieten haben. Du musst nämlich wissen, dass der Pastor im Beichtstuhl ganz genau hinhört und sich dafür extra sein Hörgerät anzieht. Damit hört der jede Stecknadel in der Kirche fallen.«

»Zeig mir mal deinen Sündenzettel«, forschte ich nach.

Der Heinz-Willi gab mir den Zettel, den er mit dem siebenjährigen Thorsten von Schröders-Franz getauscht hatte: »Ehebruch – letzte Woche rund 4600-mal, gelogen 1745-mal, gestohlen 167-mal.«

»Und das hast du alles gebeichtet, und der Pastor hat dazu nichts gesagt?«, fragte ich ungläubig nach.

»Doch«, klärte mich der Heinz-Willi auf, »der hielt die Hand an das Hörgerät und sagte immer ›Oh‹, ›Schade‹, ›Gut so‹ und dann drei Vaterunser als Bußgebet.«

Das wollte ich mir selbst einmal ansehen und bin zur Kirche gerast, um auch einmal zu beichten – schaden kann das ja nie.

Leider war der Pastor zu einem Versehgang gerufen worden und hatte sein Hörgerät vergessen. Als technisch interessierter Mensch wollte ich natürlich sofort testen, ob man mit dem Hörgerät wirklich die fallenden Stecknadeln in der Kirche hören kann.

Daher steckte ich mir den Knopf ins Ohr.

Wissen Sie, was ich hörte?

»Roberto Carlos zu Leonardo, der schickt Ronaldo in die Tiefe des Raumes und Romario schießt direkt aus vollem Lauf …«

Fasten

Was sagen Sie?

Mit dem Kreuz auf der Stirn vom Aschermittwoch sehe ich wie ein Erste-Weltkrieg-Bomber aus?

Eine Frechheit!!! Sie sind wohl nicht katholisch, was!!!

Ich war am Mittwoch nämlich in der Frühmesse – und zur Beichte – und habe mir das Aschenkreuz geholt. Das würde Ihnen auch nicht schlecht zu Gesicht stehen. Ich sage immer: Dieser Karneval ist ein Sündenbabel, da erkenne ich den wahren Charakter der Leute aus unserem Dorf. Säue! Wie die Säue benehmen die sich und schämen sich nicht, dass das ganze Dorf bei ihren Ausschweifungen zuschaut. Ich dagegen fahre immer ins Nachbardorf und …

… benehme mich dort daneben. Hauptsache nicht im eigenen Dorf, sage ich immer.

Der Teufel weiß nämlich, was Sie über Karneval so getrieben haben. Ich habe mir dagegen – wie gesagt – das Aschenkreuz geholt – quasi als Generalamnestie, ähm …, -absolution. Es ist mir zwar zuletzt 1967 was mit Frauen passiert (generell, nicht nur auf Karneval bezogen), aber ich rede immer wieder gerne darüber.

Sogar im Beichtstuhl!!!

Unser Pastor, ein feiner Mann übrigens, sagt jedes Jahr am Aschermittwoch:

»Na Hubääät – reden wir wieder über deinen 67er Fall.«

Unter uns: da hatte ich das Wort »Alaaf« in den Schnee gepinkelt – allerdings mit der Handschrift meiner Freundin.

Hochwürden hört immer zu und verkündet dann die Buße:

»Drei Vaterunser und ein Hering.«

Der Hering ist für Hochwürden …

Haben Sie dagegen am Aschermittwoch Ihren Hering gehabt? Sie wissen ja: Das Rind gehört zu den Säugetieren, der Hering zu den Pellkartoffeln. So – oder ähnlich – steht es in der Bibel und deshalb darf man ab Aschermittwoch bis Ostersamstag (12 Uhr) kein Fleisch essen.

Nehmen Sie also sofort die Dauerwurst von ihrem Frühstücksbrot, Sie Sünder Sie, und angeln sich sofort einen Hering aus der Mayonnaise …

Auch Süßigkeiten sind bei uns in den nächsten 40 Tagen perdu, ähm, tabu. Wir stellen im Wohnzimmer immer für jedes Kind ein großes Glas auf, und dann fasten die Puten wie der Teufel. Jeden Abend schütten die die Gläser um, und gucken, wer am meisten gefastet hat. Ostersamstag – Schlag 12 Uhr – dürfen die Kinder dann ihre Gläser auf einmal leerfuttern. Am Nachmittag ist denen dann so schlecht, und ich spare mir die Oster-Süßigkeiten. Das schadet gar nicht, man muss eben auch mal verzichten lernen …

Verzichten müssen wir in der Eifel von Gründonnerstag bis Ostersamstag auch auf die Glocken, weil die in der Zeit nach Rom zum Brei-Essen fliegen. Da man aber in den Eifeldörfern Glocken braucht, gehen die Messdiener mit Holzklappern durch das Dorf und bekommen dafür an den Häusern von den Leuten Eier geschenkt. Die liefern meine Kinder immer bei mir ab und ich verdrücke dann bis Ostermontag rund 68 Eier. Meine Frau schimpft dann immer:

»Du riechst aus dem Mund, wie eine Kuh aus dem …, ähm, wie die heißen Quellen in Aachen.«

Kurzum: Ich freue mich heute schon auf den Aschermittwoch im nächsten Jahr und vor allen Dingen auf – Hochwürden:

Da kann ich dann endlich wieder über den 67er Fall erzählen…

Ostern

Gott sei Dank haben wir dieses Ostern nun auch geschafft.

Neulich war doch erst Weihnachten und jetzt schon wieder Ostern.

Nein, Kinder, wie die Zeit vergeht. Und das Schlimmste: Es war schon wieder einer dieser Feiertage, an denen Verwandte ohne UNO-Resolution bei mir einfallen.

Schon am Karfreitag scharrten die unterschiedlichsten Verwandten – von IHRER Seite natürlich – in den Startlöchern, um mir dann das Osterfest gehörig zu versauen. Die aßen für drei, wollten dann auch noch Ostereier suchen und brachten meiner Frau nur einen Narzissenstrauß aus dem eigenen Garten mit.

Da war ich doch schon glatt in den roten Zahlen.

Nun ja, Onkel Karl hatte abgesagt, nachdem ich ihm Karfreitag am Telefon erklärt hatte, dass ich in diesem Jahr den in England vorgebratenen, aus einer Maul- und Klauenseuchen-Schlachtung stammenden Lammbraten aus der Dose billig erworben und alle Eier in niederländischen Sperrbezirken gekauft hätte. Der war schon leicht sauer gewesen, als ich ihn fragte:

»Du bist doch evangelisch. Dürft ihr Lutherischen überhaupt am Karfreitag telefonieren?«

Meine Schwiegermutter dagegen haben das Klauenseuchen-Lamm und die Hühnerpest-Eier nicht geschreckt. Die sagte nur: »Lecker«.

Ein Glück, dass meine Frau die Telefonate nicht gehört hat, die hätte bestimmt »Es gibt überhaupt kein Lamm, sondern Sauerbraten!« dazwischengerufen.

Dann wären noch mehr von der Bagage gekommen.

Besonders schlimm, dass ich in aller Herrgottsfrühe für die Kinder von irgendwelchen buckeligen Verwandten im Garten Eier verstecken musste. Diese blöden Puten finden doch sowieso nie etwas. Pure Geldverschwendung. Im vergangenen Sommer habe ich nämlich nach Monaten einen Schokohasen im Baum (15 Meter Höhe) bei 30 Grad im Schatten gefunden. Der Schokohase hatte sich schon um einen Ast gewickelt. Der sah aus wie die Schlange aus dem Dschungelbuch. Als ich den vom Ast ablecken wollte, wäre ich fast abgestürzt.

Aber in diesem Jahr konnte mir das nicht passieren. Ich hatte mir nämlich einen Lageplan gemacht und alles so versteckt, dass keiner etwas finden konnte. Am Osterdienstag habe ich alles alleine gegessen.

Klar, ein paar Knickebein-Eier – die mag ich sowieso nicht – durften die Verwandten schon finden. Zum Beispiel auf der Mauer vom Misthaufen, in der Mausefalle oder ein ganz dickes Ei in dreißig Meter Höhe in einem Krähennest.

»Ach du dickes Ei, wie ist der Osterhase mit seinen Stummelbeinchen da nur raufgekommen«, rief ich ganz scheinheilig.

Schlimm fand ich auch, dass ich Ostersamstag, als die Glocken aus Rom kamen, dreißig Eier färben und dann mit Speckschwarten einreiben musste. Da packte ich meine Frau aber bei der Eitelkeit.

»Eier sind völlig ungesund. Da bekommt man das ganze Gesicht voller Pickel. Schau dich doch nur mal an – im Cholesterin-Spiegel.«

Na jut! Ostern ist also abgehakt. Der nächste Feiertag, an dem Verwandte einem auf die Nerven gehen, ist noch was dahin. Pfingsten lade ich nämlich nie einen ein.

Überraschungseier

Die Rettung des Katholizis…, also des Glaubens geht von der Eifel aus – sage ich einfach mal so …

Sehen Sie mal: selbst in der Fastenzeit, die unlängst erst zu Ende ging, füllte kein Mensch mehr Gläser und Schuhkartons mit abgegriffenen Bonbons und Schokoladenriegeln und fastet bis Ostersamstag. Pustekuchen! Ja, es wird sogar Fleisch am Freitag gegessen – statt Kabeljau, Matjes oder Rotbarsch.

Keiner fastet – nur ich habe am Aschermittwoch ausgerufen:

»Ab sofort gibt es keine Überraschungseier mehr!«

Was sagen Sie? Die kleine Freude könnte ich den Kindern doch lassen. Welchen Kindern? Ich spreche von mir.

Sie müssen nämlich wissen, dass ich bei uns im ›Konsum‹ der Hauptabnehmer von Überraschungseiern bin. Oft – bei Sonderaktionen wie »In jedem siebten Ei ist eine lustige Umbaumba-Schildkröte« – stehe ich schon um viertel vor Neun vor dem Laden, damit die Schulkinder mir nicht jedes siebte Ei wegschnappen.

Zuerst hat mir ja nur die Schokolade geschmeckt – zwei Eier lang.

Aber dann habe ich entdeckt, dass man durch Überraschungseier richtig was lernen kann. Ja, wirklich. Hätten Sie zum Beispiel gewusst, dass ein so allgemeingültiger Satz wie »Spielzeug nicht geeignet für Kinder unter 3 Jahren« auf Schwedisch »Skall inte ge till barn under 3 Örr« oder auf Finnisch »El saa antaa alle 3-vuotiaille lapsille« heißt?

Und der so lebenswichtige Satz »Die kleinen Teile können von den Kleinkindern in den Mund genommen und verschluckt oder eingeatmet werden« heißt auf Holländisch:

»De stukjes met kleine afmetingen kunnen door kleine kinderen in de mond gestopt worden en ingeslikt of opgesnoven worden.«

Immerhin liegt Holland quasi vor der Tür – da gehören solche Sätze zur europäischen Allgemeinbildung.

Ich gebe es ja zu! Nicht nur der Bildung und der Schokolade wegen bin ich ein Anhänger von Überraschungseiern. Mir geht es auch um die – wie soll ich sagen? – Kommunikation.

Wenn ich zum Beispiel am Küchentisch sitze und im Schweiße meines Angesichtes ein Spielzeug wie ›Pirat steckt sich beim Laufen eine Banane in den Mund‹ bastele, dann stehen ruckzuck alle meine Enkel um mich herum und es kommt sehr schnell zu einem fruchtbaren Dialog wie:

»Opa, bei dir wird die Banane aber in den Papagei gesteckt« oder »Auch Piraten haben keine Arme an den Ohren!«

Die Spielsachen – das brauchen Sie mir nicht zu unterstellen – interessieren mich überhaupt nicht, die verschenke ich sofort weiter – oder besser gesagt: ich erlaube den Kindern, dass diese die Bastelsachen einmal im Monat in meiner Nachttisch-Kommode angucken.

Ich habe schon überlegt, ob ich nicht »Eifeler Überraschungseier« zu meinem Beruf mache und mit einem Wagen von Tür zu Tür fahre:

Ich nehme allerdings Hühnereier. Und meine Überraschung wird sein:

Sind Salmonellen drin – oder nicht …?

Männer und Frauen

Beifahrer

Tun Sie sich das mal weg!

Mit meinem Auto, mit meinem Auto wollte meine Frau gestern nach Aachen fahren.

»Sollen wir nicht zusammenfahren?«, rief ich ganz freundlich. Die Reaktion war für mich unverständlich:

»Als ich dich gesehen habe, bin ich schon zusammengefahren!«

So gemein reagiert meine Frau immer, wenn sie weiß, dass ich ihr bei Fehlern über die Schulter sehen könnte. Und Frauen am Steuer – das wissen Sie auch – sind nun einmal eine geballte Ladung an Fehlern.

»Schalten, schalten«, wie oft habe ich das meiner Frau schon gepredigt, wenn die im dritten Gang die Himmelsleiter nach Aachen runterkriecht:

»Du doofes Luder ziehst doch auch kein Pferd am Schwanz, wenn das arme Tier den Berg runterrennen soll.«

Kaum erklärt man den Frauen etwas höflich und bildlich in einem ganz vernünftigen Ton, dann werden diese sofort ausfallend:

»Wer fährt hier? Du oder ich?«

»Du fährst, aber du denkst nicht – Autofahren erfordert aber beides. Ja, verdammt, musst du den Holländer überholen lassen? Hättest du auf mich gehört, dann würden wir dem im zweiten Gang nur noch unsere Rücklichter zeigen. Aber der hat es dir gegeben. Wahrscheinlich saß ein Mann am Steuer – trotzdem der Holländer war.«

»Das ist falsches Deutsch!«, versuchte meine Frau vom Thema abzulenken und kam mir dann mit irgendeiner Statistik aus einer Zeitung, die ich nicht lese – ›Psychologie heute‹ heißt die: »Es ist klar erwiesen …« (wenn Frauen ›klar erwiesen‹ sagen, lügen sie) »… es ist klar erwiesen, dass Frauen weniger Unfälle bauen und somit also auch ganz klar die besseren Autofahrer sind.«

»Und warum, bitteschön …«, kam ich meiner Frau mit glasklarer Männer-Logik, »… und warum, bitteschön, gibt es nur berühmte Rennfahrer und keine berühmten Rennfahrerinnen, hä?«

»An 100 Prozent aller Unfälle in der Formel 1 waren in diesem Jahr Männer beteiligt!«, kam mir meine Frau dann mit ihrer verdammten Unsachlichkeit.