Gespräch mit Seneca - Josef Moser - E-Book

Gespräch mit Seneca E-Book

Josef Moser

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Beschreibung

Eine etwas andere Seneca Biografie In diesem Buch entwirft der Autor ein fiktives Gespräch mit dem Politiker, Anwalt, Philosophe und Stoiker Lucius Annaeus Seneca, der im ersten Jahrhundert nach Christus eine wichtige Persönlichkeit im Römischen Reich und Mitbegründer der Philosophie des Stoizismus war. Seinen zahlreichen Schriften ist es zu verdanken, dass die Philosophie der Stoa bis zum heutigen Tag überlebt hat. Dabei werden zahlreiche spannende Themen erörtert. Die Verschwörung des Piso, Senecas Exil auf Korsika, Seneca und die Philosophie des Stoizismus, Der Brand von Rom, Intrigen und Mordkomplotte im Römischen Reich, Das Ende der Republik. All das schildert der Autor auf kurzweilige Weise in der Form eines Interviews.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Josef Moser

 

Gespräch mit Seneca

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Copyright © 2024 Josef Moser

Illustration: Josef MoserCoverdesign: Josef Moser mit freundlicher Unterstützung einer KI

 

Verlag:[JMP] Josef Moser Publishing, Ulmenstr. 55, 90537 Feucht

 

Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Über Verschwörung und Tyrannenmord
Über das Ende von Caesar
Über Nero
Über die Götter
Über Agrippina
Über Sklaven und die Freiheit
Über das Exil
Über Messalina
Über die Zeit
Über den Zorn
Über die Jugendjahre
Über Reichtum
Über ein glückliches Leben
Über Senecas Tod
Anhang
Das Julisch-Claudische Kaiserhaus
Kaiser Claudius
Senecas Leben
Senecas Schriften
Personenregister

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

haben Sie sich auch schon einmal vorgestellt, wie es wäre, mit berühmten Persönlichkeiten eine ungezwungene Unterhaltung führen zu können?

Welche Erfahrungen haben diese Personen im Laufe ihres Lebens gemacht, was bewegt sie, welche Meinungen haben sie zu bestimmten Themen?

Ein solches Gespräch könnte in jeder Hinsicht spannend und interessant sein.

Wir würden aber nicht nur über die Person selbst, sondern auch über das gesamte Umfeld etwas erfahren.

Würden wir uns mit einem Schauspieler unterhalten, so würden wir nicht nur Informationen über sein Leben erhalten, sondern über die ganze Branche. Darüber hinaus würden wir zwangsläufig seine Ansichten zu Themen wie Politik, Kultur oder auch Philosophie kennenlernen.

Noch spannender wäre es, mit historischen Persönlichkeiten, die längst verstorben sind, zu reden.

Ein derartiges Gespräch würde uns nicht nur Einblicke in ihre persönlichen Lebensgeschichten bieten, sondern darüber hinaus auch noch Erkenntnisse über die Lebensweise und Kultur längst vergangener Zeiten.

In diesem Buch entwerfe ich ein fiktives Gespräch mit dem Politiker, Anwalt und Philosophen Lucius Annaeus Seneca, der im ersten Jahrhundert nach Christus eine wichtige Persönlichkeit im Römischen Reich war.

Sicher wäre es auch interessant gewesen, eine Unterhaltung mit einem der damaligen Kaiser zu führen. Ich habe mich aber dafür entschieden, den Blick auf die Herrscher von einer außenstehenden Person aus zu beleuchten.

Seneca hatte durch seine gehobene Stellung innerhalb des Staatswesens einen unverstellten Blick auf die teils dramatischen Ereignisse dieser Zeit.

Er erlebte die Epoche der Julisch-Claudischen Dynastie aus nächster Nähe und verewigte seine Gedanken zum Zustand des Reichs in zahlreichen Schriften, die glücklicherweise bis zum heutigen Tag erhalten sind.

Sein eigenes Leben ist geprägt von vielen Höhen und Tiefen. Er wurde von zahlreichen Krankheiten geplagt, in die Verbannung geschickt und von Kaiser Nero schließlich zum Selbstmord gezwungen.

Allerdings konnte er am Ende seines Lebens auch auf eine sehr erfolgreiche Karriere als einflussreicher Mann im Dienste des Staates zurückblicken.

Seine Stellung als Erzieher des späteren Kaisers Nero verschaffte ihm Einfluss, den er auch geschickt zu nutzen wusste.

Wir können heute über seine zahlreichen überlieferten Schriften Einblick in seine Gedankenwelt erhalten.

Seneca war ein Anhänger des Stoizismus und fühlte sich dieser Philosophie zeit seines Lebens verbunden.

Er verehrte die großen Denker der griechischen Antike und übernahm ihre Werte als Maßstab für sein eigenes Leben.

Ich stelle mir vor, dass ein Gespräch mit diesem außergewöhnlichen Menschen sehr interessant verlaufen könnte.

Als Autor muss ich mich dazu eines schriftstellerischen Tricks bedienen.

Damit ich diese Unterhaltung führen kann, muss ich eine Zeitreise unternehmen, die mich ins Jahr 65 nach Christus führt.

Auf Senecas Landsitz verbringe ich die letzten Stunden mit meinem Gastgeber, bevor ihn sein furchtbares Schicksal ereilt.

Ich habe auf diese Weise Gelegenheit, etwas über Senecas Leben und die römische Gesellschaft zu erfahren.

Er teilt auch seine Ansichten über große Persönlichkeiten dieser Zeit mit mir.

Vieles, was Seneca in diesem Buch von sich gibt, ist eine Erfindung von mir. Allerdings habe ich mich bemüht, seine Ausführungen so zu gestalten, wie es den Überlieferungen möglichst genau entspricht.

Dabei habe ich auf seine eigenen Werke zurückgegriffen, aber auch Quellen zurate gezogen, die über ihn berichten. Dabei sind vor allem die Annalen des Tacitus zu erwähnen.

Der Wahrheitsgehalt dieser Quellen ist bei Historikern umstritten. Oft wird eine Begebenheit möglicherweise verfälscht wiedergegeben. Dies lässt sich heute nur noch sehr schwer nachprüfen.

So ist es fraglich, ob die Kaiser jener Zeit tatsächlich so grausam waren, wie sie von den damaligen Geschichtsschreibern dargestellt wurden.

Ich lasse Seneca in diesem Buch so sprechen, wie es meiner persönlichen Einschätzung nach Sichtung der vorhandenen Quellen entsprechen könnte.

Möglicherweise hat Seneca auch mir nicht immer die Wahrheit erzählt, vor allem wenn es um seine privaten Angelegenheiten ging.

So wird beispielsweise seine mögliche Beteiligung an der Pisonischen Verschwörung, die schließlich auch zu seinem Todesurteil geführt hat, sehr unterschiedlich gewertet.

Ich habe das Gespräch so niedergeschrieben, wie es mir plausibel erschien.

Auch habe ich darauf geachtet, dass ich keine persönliche Wertung seiner Ausführungen vorgenommen habe.

Wie sollte ich ihm klarmachen, dass unsere Vorstellungen von der Rechtmäßigkeit der Haltung von Sklaven fundamental voneinander abweichen?

Er war ein Kind seiner Zeit. Man muss ihm aber zugestehen, dass er in vielen Dingen sehr fortschrittlich dachte und auch handelte.

Durch Seneca kann man viel über das Römische Imperium erfahren. Er vermittelt darüber hinaus jedoch auch Einblicke in die faszinierende Gedankenwelt des Stoizismus.

Diese Philosophie ist in gewisser Weise zeitlos und schlägt somit eine Brücke in die Neuzeit.

 

 

Über Verschwörung und Tyrannenmord

 

Wir schreiben das Jahr 65 nach Christus.

An einem sonnigen Apriltag folge ich einer Einladung des berühmten Lucius Annaeus Seneca in sein feudales Landhaus, das außerhalb Roms gelegen ist.

Auch wenn es sichtbar in die Jahre gekommen ist und wohl einiger Renovierungsarbeiten bedarf, so ist doch unverkennbar, dass es sich hierbei um ein luxuriöses Anwesen handelt.

Umgeben von Weinbergen liegt die Villa in einer lieblichen Landschaft. Die Stille, die man hier vorfindet, wird nur durch gelegentliches Vogelgezwitscher unterbrochen und steht im krassen Gegensatz zum geschäftigen und lauten Treiben in Rom.

Ich kann gut verstehen, warum sich Seneca hierher zurückgezogen hat.

Es handelt sich um ein hübsches Fleckchen Erde, wo er seine Gedanken in aller Ruhe schweifen lassen kann.

Hier findet er auch die Zeit und Muße für das Verfassen seiner schriftlichen Werke.

Die Idylle, die ich hier vorfinde, vermag nicht darüber hinwegzutäuschen, dass sich der Hausherr gerade in einer sehr heiklen Situation befindet.

Er steht im Verdacht, an einer Verschwörung gegen Kaiser Nero beteiligt gewesen zu sein.

Eine Gruppe aus Senatoren und unzufriedenen Prätorianern hatte Pläne geschmiedet, Nero in ähnlicher Weise zu ermorden, wie es Jahre zuvor mit Caesar geschehen war.

Danach sollte der beim Volk beliebte Politiker Gaius Calpurnius Piso zum neuen Kaiser ernannt werden.

Nach der Aufdeckung der Pläne und Verhaftung der Verschwörer fiel in den Folterkammern der römischen Gefängnisse Senecas Name, als nach weiteren Beteiligten am geplanten Mordkomplott gefragt wurde.

Daher stellt sich die Frage, ob Nero diesen Anschuldigungen glaubt und wenn ja, ob er gegenüber seinem früheren Erzieher Milde walten lassen oder ein vernichtendes Urteil fällen wird.

Man wartet in diesen Tagen mit großer Spannung auf die Entscheidung des Kaisers.

 

Ich werde von einem Diener durch das hübsch gestaltete Atrium zu einem lichtdurchfluteten Raum im ersten Stock geführt, in dem Seneca bereits auf mich wartet.

Er erhebt sich bei meinem Eintreten und begrüßt mich sehr herzlich wie einen alten Bekannten.

Ich nehme auf einem edlen Holzstuhl mit gedrechselten Füßen Platz. Die überraschend bequeme Sitzfläche ist mit Lederriemen bespannt.

Das exklusive Mobiliar zeugt davon, dass der Hausherr sehr wohlhabend sein muss, da Holz im antiken Rom Mangelware und daher auch nur in luxuriösen Anwesen zu finden ist.

Durch das offene Fenster kann man den Brunnen hören, der im Hof plätschert.

Ich: Sehr geehrter Lucius Annaeus Seneca. Ich möchte mich sehr herzlich bedanken, dass Sie unter diesen für Sie so schwierigen Umständen Zeit gefunden haben, mich zu empfangen.

Während mein Gastgeber zu einer Antwort ansetzt, erscheint ein Hausdiener mit einem Krug und zwei Trinkbechern und stellt diese auf einem kleinen dreibeinigen Tisch vor uns ab.

Im Krug befindet sich Wein, der in Anbetracht dessen, dass unser Gespräch am frühen Nachmittag stattfindet, sehr stark mit Wasser verdünnt ist.

Der Hausdiener füllt die Kupferbecher bis zur Hälfte und verlässt dann den Raum.

Seneca zwinkert mir zu und fordert mich auf, zu kosten.

Seneca: Bitte probieren Sie! Es handelt sich um ein Erzeugnis aus meinem eigenen Weinberg.

Ich hoffe, Sie genießen meinen „Vinum praedulce“.

Ich nehme einen ersten Schluck und bin überrascht. Der eigentlich essigsaure Wein wurde durch die Beimischung von Honig in ein sehr süßes Getränk verwandelt, das tatsächlich den Beinamen „praedulce“ verdient.

Ich: Dieser Wein schmeckt ausgezeichnet. Würden Sie mir verraten, welches Geheimnis sich hinter der Herstellung dieses köstlichen Getränks verbirgt?

Ich erkenne so viele einzelne Geschmacksrichtungen, die ich aber nicht genau zuordnen kann. Sicherlich wird dem Wein außer Honig auch noch etwas anderes zugesetzt.

Seneca: Wir halten die genaue Zusammensetzung eigentlich geheim.

Einige Details möchte ich Ihnen aber dennoch verraten.

Wir verwenden nicht nur Honig, um dem Wein die nötige Süße zu verleihen.

Zur Verfeinerung mischen wir beispielsweise auch Rosenblütenblätter bei.

Auch Thymian wird in geringen Mengen verwendet.

Die Herstellung eines guten Weines ist mit sehr viel Aufwand verbunden. Ohne Zusätze wäre er ungenießbar.

Leider verlieren manche Menschen durch den übermäßigen Genuss dieses herrlichen Getränks die Kontrolle über sich selbst.

Das führt zu sehr unschönen Verhaltensweisen, auf die ich nicht näher eingehen möchte.

Darum trinken wir in der Regel tagsüber nur Wein, der mit viel Wasser verdünnt ist.

Man sollte Wein genießen und nur in Maßen zu sich nehmen.

Dann muss man auch keine Furcht vor den möglichen Folgen haben.

Ich muss grinsen.

Ich: Wie wahr!

Seneca führt seinen Becher ebenfalls an die Lippen, bevor er das begonnene Gespräch fortsetzt.

Seneca: Ich bin überrascht, dass Sie sich für meine Person interessieren, zumal Sie, wenn ich das richtig verstanden habe, aus der Zukunft den Weg hierher gefunden haben.

Ich: Das Interesse an Ihnen und Ihren Werken ist auch in der Zeit, aus der ich komme, ungebrochen.

Ihre Schriften haben viele Jahrhunderte überdauert, wurden in viele Sprachen übersetzt und immer wieder neu interpretiert.

Seneca schmunzelt, als er zu einer Antwort ansetzt.

Seneca: Sie wollen damit sagen, dass sich meine Schriften auch außerhalb des Römischen Reiches verbreitet haben?

Ich: Sie sind ein weltweit bekannter Autor und Philosoph.

Seneca: So haben letztendlich auch die Barbaren im Norden den Weg zur römischen Kultur gefunden?

Ich: Die Römer haben in ganz Europa bleibende Spuren hinterlassen.

Man kann ihren Einfluss auf die Kulturgeschichte des Kontinents nicht hoch genug einschätzen.

Seneca: Ich folgere aus diesen Worten, dass die Römer zwar viele Spuren hinterlassen haben, selbst aber keine Rolle mehr in Ihrer Zeit spielen.

Ich: Das haben Sie völlig richtig erkannt. Viele große Reiche sind im Laufe der Geschichte entstanden und wieder verschwunden.

Da macht das Römische Reich leider keine Ausnahme.

Seneca: Das ist sehr bedauerlich. Allerdings überrascht es mich auch nicht besonders.

Wie wir leider mehrfach feststellen mussten, wird von den Herrschenden viel zu wenig auf das Wohl des Volkes geachtet.

Außerdem führt unersättliche Machtgier leider immer wieder zu fatalen Fehlentscheidungen, die letztendlich zum Niedergang führen.

Ich: Spielen Sie mit dieser Bemerkung auf eine bestimmte Person an?

Es ist ja bekannt, dass Sie zum aktuell herrschenden Kaiser ein sehr gespanntes Verhältnis haben.

Seneca ist sichtbar bemüht, die richtigen Worte zu finden. Kritik am Kaiser zu üben, ist eine sehr riskante Angelegenheit.

Seneca: Auch der Kaiser ist nur ein Mensch. Daran musste auch Caesar immer wieder erinnert werden.

Caesar fühlte sich den Göttern gleich und darum wurde er auch auf gewaltsame Weise beseitigt.

Zu Zeiten der Republik war der Senat noch eine wichtige und einflussreiche Einrichtung. Das hat sich leider spätestens seit Augustus grundlegend verändert.

Die Kaiser entwickelten sich immer mehr zu Alleinherrschern. Die Senatoren wurden nach und nach entmachtet und wurden zu Marionetten der Diktatur.

Mit dieser allgemein gehaltenen Antwort weicht Seneca meiner konkreten Frage nach Nero geschickt aus.

Ich: Trifft diese Beschreibung der Verhältnisse auch auf die momentane Situation unter Kaiser Nero zu?

Seneca: Ein Herrscher, der seine Macht durch Grausamkeit und Terror aufrecht erhält, wird irgendwann mit Gewalttätigkeit gegen die eigene Person konfrontiert werden. Ich befürchte, dass Nero diesem Umstand in der Vergangenheit nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt hat, weil er sich selbst als unangreifbar sieht.

Möglicherweise wird Nero eines Tages ein ähnlich unrühmliches Ende wie Caesar finden.

Ich: Was bringt Sie zu dieser Vermutung?

Seneca: Wie ich schon sagte, Gewalt erzeugt Gegengewalt.

Ich: Ist es legitim, einen Herrscher auf diese Art und Weise zu beseitigen?

Seneca antwortet nicht sofort, dann jedoch umso ungestümer.

Seneca: Manchmal gibt es wohl keinen anderen Ausweg.

Beendet man das Leben des Tyrannen, so rettet man unweigerlich das Leben von anderen Menschen.

Aber auch für den Despoten selbst ist es eine gute und sinnvolle Tat. Denn sie hindert ihn daran, weitere Untaten zu begehen. Sein Tod befreit ihn von seiner unheilbaren Schlechtigkeit.

Diese sehr allgemein gehaltene Aussage zur Rechtfertigung für einen Tyrannenmord möchte ich in Hinblick auf die aktuellen Geschehnisse näher beleuchten.

Ich: Dann können Sie die Gründe für die angeblichen Pläne zur Ermordung Neros nachvollziehen?

Seneca: Ich kenne Nero schon sehr lange. Ich durfte ihn unterrichten, als er ein Kind war. Später hat er mich als seinen Berater sehr geschätzt.

Leider hat er sich im Laufe der Jahre sehr zu seinen Ungunsten verändert. Das ist auch der Grund, warum ich mich aus dem aktiven Staatsdienst zurückgezogen habe und hierher gezogen bin.

Hier hoffte ich, Ruhe zu finden.

Alles, was ich wollte, war Abstand zu Rom.

In der Abgeschiedenheit meines Landhauses lebe ich sehr zurückgezogen.

Ich bin ein alter Mann, der es genießt, einen Spaziergang durch den Weinberg zu machen.

Es gibt keinen Grund, mich an irgendwelchen Verschwörungen gegen Nero zu beteiligen.

Ich bemerke sehr wohl, dass Seneca erneut ausweichend antwortet. Dennoch möchte ich im Moment nicht weiter in ihn dringen und bringe das Gespräch auf den griechischen Philosophen Sokrates.

Ich: Sokrates bevorzugte andere Mittel und Wege, um einem Tyrannen Widerstand zu leisten. Er wählte das Mittel des Ungehorsams.

Er weigerte sich vehement, Befehle auszuführen, die seiner Meinung nach rechtswidrig waren.

Außerdem diskutierte er auf öffentlichen Plätzen über religiöse und politisch strittige Themen.

Damit provozierte er die Obrigkeit immer wieder aufs Neue.

Seneca schmunzelt.

Seneca: Diese Vorgehensweise ist aber sehr riskant. Auch ihm ist sie am Ende zum Verhängnis geworden.

Er ist in einem merkwürdigen Prozess zum Tode verurteilt worden.

Er hatte sich keines Verbrechens schuldig gemacht, außer seine eigenen Meinungen zu äußern.

Geschadet hat er dabei niemandem, obwohl behauptet wurde, dass er die Jugend durch seine Ansichten verderbe.

Ich: Sokrates scheint seinem eigenen Tod sehr gefasst entgegengesehen zu haben.

Er lehnte sogar Fluchtpläne ab, die seine Freunde geschmiedet hatten.

Seneca: Sokrates war zu diesem Zeitpunkt 70 Jahre alt und mit sich im Reinen.

Er hatte keine Angst vor dem Tod. Ganz im Gegenteil.

Er hätte nach damaliger Rechtspraxis ein selbst gewähltes Exil als alternative Strafe vorschlagen können.

Möglicherweise wäre er der Todesstrafe dadurch entgangen.

Sokrates jedoch wählte bewusst den unausweichlichen Weg in den Tod.

Mich schaudert bei dem Gedanken, dass meinen Gastgeber in Kürze ein ähnliches Schicksal ereilen wird.

Auch wenn Seneca spürbar ausweicht, wenn es um die Verschwörung gegen Nero geht, hake ich noch einmal nach.

Ich: Wussten Sie denn von den Plänen der Verschwörer gegen Nero?

Seneca schließt kurz die Augen. Mir scheint, er ringt nach den richtigen Worten.

Seneca: Anscheinend gibt es Personen, die in den Folterkammern Roms Aussagen in dieser Richtung machen. Die Wahrheit ist unter diesen Umständen dehnbar, wie man sich unschwer vorstellen kann.

Ich denke, dass Nero nichts dagegen hätte, wenn ich zum Kreis der Verschwörer gehören würde.

---ENDE DER LESEPROBE---