Gladiator - Simon Scarrow - E-Book

Gladiator E-Book

Simon Scarrow

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Beschreibung

Die Feinde des Imperiums dürsten nach Rache

Die Krieger Macro und Cato sind auf dem Weg nach Rom, als ihr schwer beschädigtes Schiff vor Kreta anlegen muss. Dort tobt ein Aufstand – die Revolte unter der Führung des brutalen Gladiators Ajax droht die Mittelmeerinsel ins Chaos zu stürzen. Ajax steht dem römischen Reich mit unversöhnlichem Hass gegenüber, und auch gegen die beiden Centurionen hegt er tiefen Groll ...

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Simon Scarrow

GladiatoR

Roman

Aus dem Englischen von Norbert Stöbe

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Die Originalausgabe The Gladiator erschien 2009 bei Headline Publishing Group, London.

Copyright © 2009 by Simon Scarrow

Copyright © 2011 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Redaktion: Werner Bauer

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München,

unter Verwendung des Originalmotivs von © Tim Byrne

Satz und eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-05727-5V006

www.heyne.de

Dieses Buch ist Mick Webb und den Lehrkräftender Stoke Holy Cross Primary School gewidmet.Danke für alles, was Sie für meine SöhneJoe und Nick getan haben.

kapitel 1

Mit dem nächsten Schlag sollten wir Matala erreichen«, erklärte der Kapitän, beschirmte die Augen und blickte zur Küste von Kreta, die steuerbord voraus im Glanz der Abendsonne lag. Neben ihm standen einige seiner Passagiere, ein römischer Senator, dessen Tochter und zwei Centurionen, die alle nach Rom wollten. Sie waren in Cäsarea an Bord gekommen, zusammen mit der Dienerin der Tochter, einem Mädchen aus Judäa. Der Kapitän war stolz auf sein schon etwas betagtes Schiff, die Horus. Sie stammte aus Alexandria. Früher hatte sie Getreide übers Mittelmeer nach Rom gebracht, dann war sie ausgemustert worden. Noch immer handelte es sich um ein tüchtiges, seegängiges Schiff, und der Kapitän besaß genug Selbstvertrauen und Erfahrung, um sie notfalls von der Küste fernzuhalten. Folglich war die Horus nach Verlassen des Hafens von Cäsarea sogleich auf die hohe See hinausgesteuert und hatte drei Tage später die kretische Küste erreicht.

»Heute Abend kommen wir nicht mehr nach Matala?«, fragte der Senator.

»Leider nein, Herr.« Der Kapitän lächelte schwach. »Im Dunkeln werde ich auch keine Ansteuerung versuchen. Die Horus ist voll beladen und hat starken Tiefgang. Da will ich nicht auf irgendwelche Untiefen auflaufen.«

»Und was machen wir stattdessen?«

Der Kapitän verzog die Lippen. »Wir müssen uns bis zum Morgengrauen von der Küste fernhalten und beidrehen. Dabei verliere ich einen Tag, aber das lässt sich nicht ändern. Betet alle zu Poseidon, dass wir die verlorene Zeit anschließend wieder aufholen.«

Der ältere Centurio seufzte. »Verfluchte Seereisen. Immer diese Verzögerungen. Hätten die Landroute nehmen sollen.«

Der andere Offizier, ein groß gewachsener, schlanker Mann mit lockigem Haarschopf, klopfte seinem stämmigen Kameraden lachend auf die Schulter. »Ich dachte eigentlich, ich wäre der Ungeduldige von uns beiden! Immer mit der Ruhe, Macro, wir werden Rom auf jeden Fall schneller erreichen, als wenn wir uns über Land aufgemacht hätten.«

»Ich dachte, du kannst das Meer nicht ausstehen.«

»Ich mag’s nicht besonders, aber ich habe meine Gründe, weshalb ich so schnell wie möglich nach Rom will.«

»Das glaube ich gern.« Centurio Macro nickte augenzwinkernd zur Tochter des Senators hinüber. »Ich bin schon froh, wenn ich ein neues Kommando bekomme und auf Dauer zu den Legionen zurückkehren kann. Das haben wir uns auch redlich verdient, Cato, die Götter sind mein Zeuge. Zwei Jahre an der Ostgrenze! Ich habe genug von der Hitze, dem Sand und dem Staub. Fürs nächste Mal wünsche ich mir einen lauschigen Posten irgendwo in Gallien. Wo ich mich eine Weile ausruhen kann.«

»Das sagst du jetzt.« Cato lachte. »Aber ich kenne dich, Macro. Vor Ablauf eines Monats wäre dir sterbenslangweilig.«

»Ich weiß nicht. Ich würde mich gern wieder dem eigentlichen Soldatenhandwerk widmen. Anstatt für den Kaiserpalast die Drecksarbeit zu erledigen.«

Cato nickte voller Mitgefühl. Seit sie den ersten Auftrag für Narcissus ausgeführt hatten, den Privatsekretär des Kaisers und Leiter des kaiserlichen Spitzeldienstes, lauerten für Macro und Cato in jeder Ecke Gefahren, von den gewöhnlichen Risiken des Soldatenlebens ganz zu schweigen. Catos Miene verhärtete sich. »Ich fürchte, darauf haben wir keinen Einfluss. Je mehr Probleme wir lösen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass man unsere Dienste erneut in Anspruch nehmen wird.«

»Wohl wahr«, brummte Macro. »Was für eine Scheiße …«

Als ihm einfiel, dass der Senator und dessen Tochter in der Nähe waren, blickte er schuldbewusst zu ihnen hinüber und räusperte sich. »Tut mir leid, junge Herrin. Entschuldige die Ausdrucksweise.«

Der Senator lächelte. »In den vergangenen Monaten ist uns weit Deftigeres zu Ohren gekommen, Centurio Macro. Ich glaube, wir sind die rauen Umgangsformen der Soldaten inzwischen gewöhnt. Sonst könnte ich die Aufmerksamkeit, die Cato meiner Tochter zuteilwerden lässt, wohl kaum gutheißen, nicht wahr?«

Sie grinste. »Keine Sorge, Vater, den werde ich schon zähmen.«

Cato lächelte, als sie seinen Arm umfasste und liebevoll drückte. Der Kapitän kratzte sich am Kinn.

»Dann wollt ihr wohl heiraten, Julia?«

Sie nickte. »Sobald wir wieder in Rom sind.«

»Verdammt, dabei wollte ich selbst um deine Hand anhalten«, scherzte der Kapitän. Er musterte Cato kurz. Im Unterschied zu den meisten anderen erfahrenen Soldaten war das Gesicht des Centurios nicht von Narben entstellt. Außerdem war er der mit Abstand jüngste Centurio, dem der griechische Kapitän je begegnet war, nämlich gerade mal Anfang zwanzig, und unwillkürlich fragte er sich, ob der junge Mann vielleicht nur deshalb befördert worden war, weil er von einem mächtigen Freund protegiert wurde. Die Orden an der Rüstung des Centurios aber legten Zeugnis ab von tatsächlichen, hart errungenen militärischen Leistungen. Offenbar steckte doch mehr hinter dem Centurio Cato, als es den Anschein hatte. Centurio Macro hingegen war der typische harte Kämpfer. Zwar einen Kopf kleiner als Cato, hatte er jedoch die Statur eines Bullen und muskulöse, zernarbte Arme und Beine. Er war etwa fünfzehn Jahre älter als sein Kamerad, trug sein dunkles Haar ganz kurz und hatte durchdringende braune Augen, doch seine Gesichtsfalten deuteten darauf hin, dass er bei Gelegenheit auch humorvoll sein konnte.

Mit einem Anflug von Neid wandte der Kapitän seine Aufmerksamkeit wieder dem jüngeren Offizier zu. Wenn er in eine Senatorenfamilie einheiratete, hatte der Centurio für den Rest seines Lebens ausgesorgt. Geld, gesellschaftliches Ansehen und eine Vorzugsbehandlung bei anstehenden Beförderungen waren ihm dann sicher. Gleichwohl war nicht zu übersehen, dass der junge Centurio und die Senatorentochter einander innig zugetan waren. Jeden Abend standen sie Arm in Arm an Deck und betrachteten den Sonnenuntergang und die glitzernden Wogen.

Als es Abend wurde, segelte die Horus parallel zur Küste an einer der Buchten vorbei, die der Kapitän in der langen Zeit, in der er auf Handelsschiffen kreuz und quer durchs Mittelmeer gesegelt war, gut kennengelernt hatte. Als die Sonne hinter dem Horizont versank und die Berge und Hügel der Insel in ein goldenes Licht tauchte, blickten alle ans Ufer. In Strandnähe lag ein großer Landsitz, und in der fallenden Dämmerung kehrten lange Kolonnen von Sklaven von der Arbeit auf den Feldern, in den Wäldern und in den Weinbergen zurück. Müde schlurfend wurden sie von Aufsehern mit Peitschen und Stöcken zu ihren Unterkünften geleitet.

Cato spürte, dass Julia an seiner Seite zitterte. »Ist dir kalt?«

»Nein. Es ist deswegen.« Sie deutete auf die Sklaven, die auf den Hof traten, worauf das Tor geschlossen und verriegelt wurde. »Ein schreckliches Leben für jeden Mann und jede Frau.«

»Aber ihr habt daheim doch auch Sklaven.«

»Schon, aber die werden gut behandelt und genießen in Rom eine Menge Freiheiten. Ganz anders als diese armen Geschöpfe. Müssen von früh bis spät schuften. Werden nicht besser behandelt als das Vieh.«

Cato überlegte einen Moment, dann sagte er: »Das ist nun mal das Los der Sklaven. Ganz gleich, ob sie auf Besitzungen wie dieser, in Bergwerken oder auf Baustellen arbeiten. Nur ein kleiner Teil hat das Glück, in Haushalten wie deinem zu leben oder in einem Gladiatorenlager trainieren zu dürfen.«

»Gladiatoren?« Julia wölbte die Brauen. »Glück? Wie kannst du jemanden glücklich schätzen, der ein solches Schicksal zu erleiden hat?«

Cato zuckte mit den Schultern. »Die Ausbildung ist hart, aber wenn sie erst mal hinter ihnen liegt, haben sie es gar nicht so schlecht. Ihre Besitzer sorgen gut für sie, und die besten Kämpfer erwerben ein kleines Vermögen und genießen das flotte Leben.«

»Solange sie in der Arena überleben.«

»Wohl wahr, aber dabei riskieren sie nicht mehr als jeder Legionär und führen ansonsten ein weit angenehmeres Leben. Wenn sie lange genug durchhalten, können sie die Freiheit erlangen und als reicher Mann den Ruhestand genießen. So weit bringen es nur ganz wenige Soldaten.«

»Wo du Recht hast, hast du Recht«, knurrte Macro. »Ich frage mich, ob ich nicht auf Gladiator umschulen soll.«

Julia musterte ihn entgeistert. »Das ist doch nicht dein Ernst?«

»Wieso nicht? Wenn ich schon Leute umbringen soll, kann ich mich ebenso gut ordentlich dafür bezahlen lassen.«

Senator Sempronius lachte glucksend über das Gesicht, das seine Tochter machte. »Glaub ihm kein Wort, mein Kind. Centurio Macro scherzt nur. Er kämpft für den Ruhm Roms, nicht für Sklavenlohn, selbst wenn er in Gold ausgezahlt würde.«

Macro wölbte eine Braue. »Ich frage mich, wer da Scherze macht.«

Cato blickte lächelnd ans Ufer. Die Sklavenunterkunft war ein Schandfleck am Hang des Hügels, der die Bucht abschloss. Nichts regte sich dort, abgesehen von einer flackernden Fackel über dem Tor, die den Wachposten beleuchtete. Dies war die gewerbliche Seite der Sklaverei, von der die meisten Römer nichts mitbekamen, zumal die von hohem Stand wie Senator Sempronius und dessen Tochter. Die parfümierten, uniformierten Sklaven eines reichen Haushalts hatten wenig gemein mit den zerlumpten Massen, die in Arbeitslagern schufteten, ständig müde und hungrig und streng bewacht von Aufsehern, die jede Aufmüpfigkeit mit gnadenloser Härte schon im Keim erstickten.

Es war ein hartes Regime, doch das Imperium war wie jede andere zivilisierte Nation, die Cato kannte, auf die Sklaverei angewiesen, um Wohlstand zu schaffen und die Menschenmassen in den Städten zu ernähren. Cato musste an die grausamen Ungerechtigkeiten des Schicksals denken. Die schlimmsten Auswüchse der Sklaverei waren eine Schande für die Menschheit, fand er, selbst wenn das System an sich eine Notwendigkeit darstellte.

Auf einmal erbebte das Deck unter seinen Stiefeln, und er senkte den Blick.

»Holla«, knurrte Macro. »Hast du das auch gespürt?«

Julia krampfte die Hand um Catos Arm. »Was war das? Was ist passiert?«

Überraschungslaute und Warnrufe waren zu vernehmen, während die Besatzung und die anderen Passagiere der Horus auf die Decksplanken niedersahen.

»Wir sind aufgelaufen«, sagte Sempronius und klammerte sich an der Reling fest.

Der Kapitän schüttelte den Kopf. »Ausgeschlossen! Dafür sind wir zu weit von der Küste entfernt. Ich kenne das Gewässer. Auf fünfzig Meilen gibt es hier keine Untiefen, bei den Göttern. Auf jeden Fall … Schaut! Dort!«

Der Kapitän zeigte aufs offene Meer hinaus, das an einer Stelle schwach schimmerte. Einen Moment lang, der manchem wie eine kleine Ewigkeit erschien, hielten das Decksbeben und das Zittern der Meeresoberfläche an. Einige fielen auf die Knie und begannen fieberhaft zu beten. Cato hielt Julia in den Armen und suchte über ihren Kopf hinweg den Blick seines Freundes. Macro biss die Zähne zusammen und hatte die Hände zu Fäusten geballt. Zum ersten Mal meinte Cato einen Anflug von Angst in seinen Augen wahrzunehmen.

»Ein Meeresungeheuer«, sagte Macro leise.

»Ein Meeresungeheuer?«

»Ja, eine andere Erklärung gibt es nicht. Heilige Scheiße, weshalb habe ich mich nur zu einer Seereise beschwatzen lassen?«

So plötzlich, wie es eingesetzt hatte, hörte das schwache Beben auf, und kurz darauf zeigte die Meeresoberfläche wieder das alte Wellenmuster, während sich die Horus mit der Dünung hob und senkte. Niemand an Bord sprach, als warteten alle darauf, dass das seltsame Phänomen von neuem einsetzte. Julia räusperte sich. »Glaubst du, es ist vorbei – was es auch immer war?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Cato leise.

Der kurze Wortwechsel hatte den Bann gebrochen. Macro blies die Wangen auf und ließ die Luft zischend entweichen, der Kapitän wandte sich von den Passagieren ab und funkelte den Steuermann an. Der hatte das große Steuerruder losgelassen und hockte unter dem Pfauenrad am Ende des geschwungenen Heckbalkens. Das Schiff drehte sich langsam in den Wind.

»Was beim Hades tust du da?«, blaffte der Kapitän den Steuermann an. »Geh auf deinen Posten, verflucht noch mal, und bring uns wieder auf Kurs!«

Während der Steuermann ans Ruder eilte, wandte sich der Kapitän erbost an die anderen Seeleute. »Wieder an die Arbeit! Bewegt euch.«

Widerwillig kehrten seine Männer an ihre Posten zurück und richteten das Segel neu, das an den Rändern zu flattern begonnen hatte, als die Horus einen Moment lang angeluvt war, bevor der Steuermann das Schiff wieder auf den ursprünglichen Kurs gebracht hatte.

Macro leckte sich nervös die Lippen. »Ist wirklich alles in Ordnung?«

Cato spürte das Deck unter seinen Füßen und blickte aufs Meer, das wieder so glatt aussah wie vor dem Beben. »Scheint so.«

»Den Göttern sei Dank.«

Julia nickte, dann weiteten sich ihre Augen, als sie an ihre Dienerin dachte, die in der kleinen Kabine, die sie sich mit ihrer Herrin und dem Senator teilte, auf der Bodenmatte schlief. »Ich sollte besser mal nach Jesmiah sehen. Das arme Mädchen hat sich bestimmt zu Tode geängstigt.«

Cato entließ sie aus seiner Umarmung, dann eilte Julia zum schmalen Niedergang, der zu den Kabinen hinunterführte, die zahlungskräftigen Passagieren vorbehalten waren. Die übrigen Passagiere mussten sich an Deck aufhalten und auch dort schlafen.

Als Julia verschwunden war, erreichte sie vom Ufer ein leiser Schrei. Cato, Macro und Sempronius wandten die Köpfe der Küste zu. Im Dämmerlicht sahen sie mehrere Gestalten aus den Sklavenunterkünften des Anwesens hervorstolpern. Beziehungsweise aus dessen Überresten. Die Wände waren eingestürzt, so dass man die auf dem Gelände verteilten Hütten sah. Nur zwei schienen unversehrt, der Rest war zerstört.

»Verflucht noch mal.« Macro starrte die Ruinen an. »Was ist da passiert?«

»Ein Erdbeben«, sagte Sempronius. »Das habe ich schon mal erlebt, als ich noch Tribun in Bithynien war. Die Erde bebte, und es lag ein dumpfes Dröhnen in der Luft. Es dauerte eine ganze Weile an, und zahlreiche Gebäude stürzten ein. Die Bewohner wurden zerquetscht und unter dem Schutt begraben.«

Bei der Erinnerung schauderte er. »Es gab Hunderte Tote …«

»Aber wenn das ein Erdbeben war, weshalb waren dann auch wir hier draußen auf dem Meer betroffen?«

»Das weiß ich nicht, Macro. Das Tun der Götter entzieht sich menschlichem Begreifen.«

»Mag sein«, bemerkte Cato. »Aber wenn das Landbeben stark genug war, könnte es sich doch durchs Wasser bis zum Schiff fortgepflanzt haben?«

Die drei Männer blickten zu den zerstörten Sklavenunterkünften hinüber, die allmählich in der Ferne entschwanden, da die Horus sich stetig von der Küste entfernte. In den Ruinen war ein Feuer ausgebrochen, wahrscheinlich in der Küche, wo die Abendmahlzeit zubereitet wurde. Flammen loderten in die Dunkelheit empor und erhellten die fassungslosen Überlebenden. Eine Handvoll Leute grub im Schutt verzweifelt nach Verschütteten. Cato schüttelte mitfühlend den Kopf.

»Den Göttern sei Dank, dass wir auf hoher See waren. Ich möchte jetzt nicht an Land sein. Zumindest dafür solltest du dankbar sein, Macro.«

»Ach, wirklich?«, erwiderte Macro leise. »Wie kommst du darauf, die Götter wären schon mit uns fertig?«

»Achtung, Deck!«, rief jemand von oben. »Kapitän, schau!«

Der unterhalb der Mastspitze rittlings auf der Rah sitzende Ausguck zeigte entlang der Küste nach Westen.

»Ich erwarte eine korrekte Meldung!«, brüllte der Kapitän nach oben. »Was siehst du?«

Nach kurzer Pause antwortete der Seemann ängstlich: »Ich weiß nicht, Herr. So etwas habe ich noch nie gesehen. Eine Linie, eine Art Wand, direkt im Meer.«

»Unsinn, Mann! Das ist ausgeschlossen.«

»Herr, ich schwöre, genauso sieht es aus.«

»Idiot!« Der Kapitän trat an die Reling, schwang sich in die Webeleinen und kletterte zum Ausguck hoch. »Also, du Tölpel, wo ist denn nun die Wand?«

Der Mann deutete zum Horizont, in den verblassenden Sonnenuntergang. Der Kapitän musste blinzeln und konnte zunächst kaum etwas erkennen. Doch als seine Augen sich auf die ferne Helligkeit eingestellt hatten, sah auch er es. Ein schwaches Glitzern reflektierten Sonnenlichts am Horizont, über einem dunklen Band, das sich vom Meer bis zur kretischen Küste erstreckte. Wo es auf den Strand traf, wurde Gischt aufgeworfen.

»Mutter des Zeus«, murmelte der Kapitän, von eiskalter Furcht gepackt. Der Ausguck hatte Recht gehabt. Unmittelbar vor der Horus war eine Wand, eine Wand aus Wasser. Eine gewaltige Flutwelle raste entlang der Küste direkt auf das Schiff zu, nur noch zwei oder drei Meilen entfernt und schneller als selbst die schnellsten Pferde.

kapitel 2

Eine Flutwelle?« Catos Augen weiteten sich. »Wie hoch?«

»So hoch wie eine verfluchte Klippe«, antwortete der Kapitän. »Und sie nähert sich uns parallel zur Küste.«

»Dann müssen wir den Kurs ändern«, sagte Sempronius. »Ihr ausweichen.«

»Dazu reicht die Zeit nicht mehr. Außerdem erstreckt sich die Welle, so weit das Auge reicht. Wir können ihr nicht ausweichen.«

Der Senator und die Centurionen musterten fassungslos den Kapitän, dann sagte Sempronius: »Und was nun?«

»Was wohl?« Der Kapitän lachte krächzend. »Wir sprechen unsere Gebete, nehmen voneinander Abschied und warten, bis die Welle uns erreicht.«

Cato schüttelte den Kopf. »Nein. Wir müssen etwas unternehmen, um das Schiff zu retten.«

»Glaub mir, wir können nichts tun«, sagte der Kapitän düster. »Du ahnst gar nicht, wie hoch das Ding ist. Aber bald wirst du es merken.«

Alle Blicke wandten sich zum Horizont, und nun machte auch Cato dort eine Art dunklen Schatten am Rand der Welt aus, vorerst nur eine schmale Linie, die gar nicht bedrohlich wirkte. Er musterte sie kurz, dann wandte er sich wieder an den Kapitän. »Du hast doch schon Stürme abgewettert, oder?«

»O ja. Stürme sind eine Sache. Eine Flutwelle ist was anderes. Es gibt für uns keine Hoffnung mehr.«

»Blödsinn!«, knurrte Macro, packte mit beiden Händen die Tunika des Kapitäns und zog den Griechen dicht an sich heran. »Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich habe nicht so viele beschissene Kämpfe und Verletzungen überlebt, um auf diesem Kahn zu verrecken. Ich bin kein Seemann. Das ist dein Metier. Wir sind in einer gefährlichen Lage. Also unternimm gefälligst was. Streng dich an, damit wir das hier durchstehen. Hast du mich verstanden?« Er schüttelte den Kapitän. »Na, was ist?«

Der Grieche schrumpfte vor dem durchdringenden Blick des Centurios und nickte. »Ich werde tun, was ich kann.«

»Schon besser.« Macro lächelte und ließ den Mann los. »Also, können wir dir irgendwie helfen?«

Der Kapitän schluckte nervös. »Wenn es euch recht ist, wär’s am besten, wenn ihr mir aus dem Weg gehen würdet.«

Macro machte die Augen schmal. »Ist das alles?«

»Ihr könntet euch am Mast festbinden oder an einer Klampe, dann werdet ihr nicht von Bord gespült, wenn uns die Welle erreicht.«

»Na schön.«

Der Kapitän wandte sich ab und brüllte Befehle, worauf die Seeleute eilig das Reff aus dem großen Hauptsegel ließen. Der Steuermann wendete die Horus dem Sonnenuntergang zu.

»Was macht er da?«, fragte Sempronius. »Der Idiot hält geradewegs auf die Welle zu.«

Cato nickte. »Das hat schon seinen Sinn. Der Bug ist der stabilste Teil des Rumpfes. Indem wir die Welle von vorn nehmen, können wir sie vielleicht durchbrechen, wenn es uns schon nicht gelingt, auf ihr zu reiten.«

Sempronius schaute ihn an. »Ich hoffe, du hast Recht, junger Mann. Um deinetwillen – und um unser aller willen.«

Als der Senator verstummte, fiel Cato Julia ein, und er eilte zum Niedergang. »Binde dich am Mast fest«, rief er Macro zu, »und kümmere dich um den Senator!«

»Wo willst du hin?«

»Ich hole Julia und Jesmiah. An Deck ist es für sie sicherer.«

Macro nickte und blickte zum Horizont. Jetzt war die Welle deutlicher zu erkennen, ein Riegel, der weit ins Meer hinausreichte, während das andere Ende schäumend an der Küste entlangraste. »Beeil dich, Cato!«

Cato rannte zum Niedergang und sprang zu den Bretterverschlägen hinunter, welche die zahlungskräftigen Passagiere beherbergten. Er riss den Leinwandvorhang beiseite und streckte den Kopf in Julias Kabine. Sie saß auf den Bodenplanken und wiegte Jesmiah in den Armen.

»Cato! Was ist passiert?«

»Keine Zeit für Erklärungen.« Er trat auf sie zu, bückte sich und zog sie auf die Beine. Jesmiah rappelte sich mit angstvoll aufgerissenen Augen ebenfalls hoch.

»Cato, Herr«, sagte sie mit zitternden Lippen, »ich habe gehört, dass jemand von einem Meeresungeheuer gesprochen hat.«

»Es gibt kein Ungeheuer!«, blaffte er, schob beide aus der Kabine und versetzte ihnen einen Schubs Richtung Niedergang. »Wir müssen sofort an Deck.«

Julia stolperte die Stufen hoch. »Warum? Was ist denn los?«

Mit einem Blick auf Jesmiah erwiderte Cato: »Vertrau mir und tu, was ich dir sage.«

Als sie das Deck betraten, herrschten dort Chaos und blankes Entsetzen. Macro hatte den Senator am Mast festgebunden und war im Begriff, sich ebenfalls festzuzurren. Auch die übrigen Passagiere und die Seeleute banden sich fest. Der Kapitän stand auf dem kleinen Steuerdeck neben dem Steuermann; beide Männer hatten die Hände aufs Ruder gelegt und spähten angestrengt nach vorn.

Jesmiah schaute verängstigt und kam schutzsuchend näher.

Cato fasste sie beim Arm und zerrte sie grob zum Mast. »Mach schon, Mädchen! Es bleibt nicht mehr viel Zeit.«

Als sie bei Macro und Sempronius angelangt waren, drückte Cato Julia und deren Dienerin aufs Deck nieder und ergriff das Ende des Seils, mit dem Macro sich an den Mast gebunden hatte. Als er kurz den Blick hob, sah er, dass die Flutwelle bereits ein ganzes Stück näher gekommen war und mit hoher Geschwindigkeit an der Küste entlangwanderte. Er wirbelte zu den beiden Frauen herum.

»Hebt die Arme!«

Er zog das Seil unter ihrem Bauch hindurch, führte es um den Mast herum und befestigte das Ende an Macros Hüftschlinge.

»Und was ist mit dir, Mann?« Macro schaute besorgt zum Bug.

»Ich brauche mehr Seil.« Cato richtete sich auf und ließ den Blick suchend umherschweifen. Offenbar war jedes freie Seilstück bereits in Gebrauch. Dann fiel ihm in fünfzig Schritt Entfernung vom Schiff etwas auf: Eine nass glänzende Felsspitze war aus dem Wasser aufgetaucht, und es wurden immer mehr Felsen sichtbar. Es hatte den Anschein, als wäre das Wasser in Ufernähe von einer Gezeitenströmung fortgesaugt worden, so dass das blanke Riff und sogar die gekappten Aufbauten eines alten Wracks zum Vorschein kamen. Der Anblick verblüffte ihn, dann veranlasste ihn ein angstvoller Ruf eines Seemanns, wieder zur Flutwelle hinüberzublicken. Inzwischen konnten alle an Deck sie sehen. Ein gewaltiges dunkles Monster mit einer weißen Schaumkrone rollte wie eine Wand aus Glas geradewegs auf die Horus zu. Davor leuchteten die kleinen Flügel einer Seemöwe in der Abenddämmerung, dann verlor sich der Vogel im Schatten der Woge.

»Cato!«

Er wandte sich zu Julia um, die sich vergeblich bemühte, seine Hand zu ergreifen. Cato wusste, dass er keine Zeit mehr hatte, sich festzubinden. Für ihn war es zu spät. Er ließ sich aufs Deck sinken und zwängte sich zwischen Macro und Julia, legte die Arme um ihre Schultern. Der von achtern kommende schwache Wind legte sich, das Segel sackte zusammen wie welke Haut, dann blähte es sich auf einmal im Windschwall, den die Flutwelle vor sich herschob. Die gewaltige Wasserwand ragte unmittelbar vor dem Schiff auf, höher als der Mast, und Cato verkrampfte sich am ganzen Leib, biss die Zähne zusammen und blickte dem anrollenden Ungeheuer entgegen.

Das Deck schlingerte plötzlich, als der Bug hochstieg, und die Luft war erfüllt von Schreien und Wehgeheul und dem Tosen der an der Horus vorbeirasenden Fluten. Die am Fuße des Masts Versammelten klammerten sich aneinander, als das Deck sich nahezu hochkant stellte, während sich über dem Schiff ein Wasserberg aufbaute, der es geradezu zwergenhaft klein erscheinen ließ. Einen Moment lang war Cato wie gelähmt von Demut und Ehrfurcht angesichts dieser über dem Schiff dräuenden Erscheinung und starrte staunend zur Schaumkrone der Flutwelle hoch. Dann verlor einer der Seeleute den Halt, stürzte laut schreiend ab und prallte mit dem Kopf gegen den Lukendeckel.

In diesem Moment verlor die Horus den kurzen Kampf mit der Woge und rutschte zurück. Eine Wasserflut brach über dem Schiff und knickte den Mast zehn Fuß über den daran festgebundenen Römern. Bevor die schwarze Sintflut aufs Deck niederkrachte, brüllte Macro der Woge ein trotziges »Leck mich!« entgegen.

Dann stürzte das Meer auf sie herunter, und Cato prallte heftig mit dem Kopf gegen den Mast. Als er den Mund aufriss, um zu schreien, wurde Salzwasser hineingedrückt. Eine große Kraft zog an ihm, zerrte ihn von den anderen weg. Er klammerte sich am Seil fest, das Julia mit dem Mast verband, krallte die Finger mit aller Kraft in Macros Schulter. Als das Schiff durchkenterte, verlor er vollkommen die Orientierung, in den Ohren das Tosen und Grollen des brodelnden Wassers. Etwas prallte gegen ihn, dann wurde es herumgerissen und zerrte an ihm, offenbar einer der Seeleute. Finger krallten sich in sein Gesicht und rissen an seiner Wange. Cato, der um seine Augen fürchtete, ließ Macro los und wehrte sich, stieß den Mann von sich weg. Ein weiterer Wasserschwall brach über ihn und den Seemann herein, trennte sie vom Maststumpf und riss sie in die Dunkelheit fort. Dann war der Mann weg, und Cato, der den Mund fest geschlossen hatte und den Atem anhielt, wurde wieder und wieder herumgewirbelt. Als er das Brennen in seiner Brust nicht mehr aushielt, öffnete er den Mund. Salzwasser drang ihm in Hals und Lunge und drohte ihn zu ersticken, und da war er sicher, dass er sterben würde.

Die Flutwelle wanderte weiter und ließ einen brodelnden Malstrom hinter sich zurück. Der Rumpf des Handelsschiffs tauchte inmitten von Luftblasen und Gischt an die Oberfläche und lag einen Moment lang glitzernd im verblassenden Abendlicht da, dann drehte er sich langsam. Als erst die Reling und dann das Deck auftauchten, war von den Aufbauten nicht mehr viel übrig. Der ägyptische Gott, der als Galionsfigur gedient hatte, war abgerissen worden, zurückgeblieben war ein zersplitterter Stumpf. Der Mast, das Segel, ja die gesamte Takelage waren fortgespült worden, die Steuerruder waren verschwunden und hatten den Kapitän und den Steuermann mit sich fortgerissen. Als das Wasser sich über dem Deck teilte und durch die Speigatten abfloss, schwankte die Horus, als wollte sie erneut durchkentern. Im letzten Moment aber hielt sie inne, rollte zurück und kam tief im Wasser zu liegen, ein treibendes Wrack, das einmal ein stolzes Schiff gewesen war. Ringsumher schwammen die Überreste des zersplitterten Masts und der Takelage. Ein paar Leichen tauchten an die Oberfläche und trieben im Wasser wie alte Lumpen.

Marcos Kopf sank zur Seite. Blinzelnd öffnete er die Augen und spuckte hustend Salzwasser. Er schüttelte den Kopf und blickte sich an Deck um. Ein paar Gestalten regten sich, zerschlagen und benommen, aber dank der Seile, mit denen sie sich festgebunden hatten, noch am Leben. Macro erbrach Wasser aufs Deck.

»Entzückend …«

Er wandte den Kopf und bemerkte, dass Sempronius schwach lächelte, dann begann auch er zu husten und erbrach sich. Als er eine Bewegung an der anderen Seite spürte, wandte Macro den Kopf und erblickte Julias schmerzverzerrtes Gesicht.

»Alles in Ordnung, junge Herrin?«

»Ja, wunderbar, danke der Nachfrage«, murmelte sie und erstarrte. »Cato! Wo ist Cato?«

Macro ließ den Blick übers Deck schweifen, doch sein Freund war nirgends zu sehen. Er versuchte, sich die grässliche Dunkelheit des Meeres zu vergegenwärtigen, die ihn eingehüllt hatte. »Als die Flutwelle über uns hereinbrach, hat er sich an mir festgeklammert. Was dann passierte … weiß ich nicht mehr.«

»Cato!«, rief Julia in die Düsternis und befreite sich von dem Seil, mit dem sie noch immer an den Maststumpf gefesselt war. »Cato! Wo bist du?«

Auch Macro machte sich los und richtete sich neben ihr auf. Er blickte sich an Deck um, doch Cato sah er nicht.

»Cato ist verschwunden, Herrin.«

»Verschwunden?« Julia wandte sich ihm zu. »Nein. Das kann nicht sein.«

Macro blickte sie hilflos an, dann schwenkte er weit ausholend den Arm. »Er ist weg.«

Julia schüttelte den Kopf, wich vor dem Centurio zurück und schrie mit heiserer Stimme: »Cato! Cato! Wo bist du?«

Macro schaute ihr einen Moment zu, dann half er dem Senator auf die Beine.

»Danke«, murmelte Sempronius. »Kümmere dich besser um Jesmiah.«

Macro nickte und sah auf die Dienerin nieder. Sie saß zusammengesunken am Mastfuß, ihr Kopf pendelte im Rhythmus des in der Dünung heftig schwankenden Schiffes hin und her. Er kniete nieder und hob behutsam ihr Kinn an. Das Mädchen starrte ins Leere. Dann bemerkte er den dunklen Bluterguss an ihrem Nacken, der im Dämmerlicht gerade so eben erkennbar war. Er ließ ihr Kinn sinken und richtete sich mit schwerem Herzen auf. »Das war’s. Gebrochenes Genick.«

»Die Arme«, flüsterte Sempronius.

»Tot?« Julia wandte den Kopf. »Das kann nicht sein. Sie war neben mir angebunden.«

»Sie ist tot, Herrin«, sagte Macro sanft. »Offenbar ist etwas gegen sie geprallt, als die Welle gebrochen ist. Ein loser Beschlag, ein Teil des Masts. Hätte alles Mögliche sein können.«

Julia ging vor ihrer Dienerin in die Hocke und fasste sie bei den Schultern. »Jesmiah! Wach auf. Du sollst aufwachen! Ich befehle dir, wach auf!« Sie schüttelte Jesmiah heftig, wobei der Kopf des toten Mädchens bedenklich wackelte.

Macro kniete neben ihr nieder und ergriff Julias Hände. »Herrin, sie ist tot. Sie kann dich nicht mehr hören. Du kannst nichts mehr für sie tun.« Er atmete tief durch, um seiner Gefühle Herr zu werden. »Und für Cato auch nicht.«

Julia funkelte ihn zornig an, dann erschlafften ihre Gesichtszüge, sie wurde von Schluchzern geschüttelt und schlug die Hände vors Gesicht. Macro legte ihr zögernd den Arm um die Schultern und überlegte, wie er sie trösten sollte. Doch er wusste nicht, was er sagen sollte, und so saßen sie einfach nur da, während das aufgewühlte Meer sich allmählich wieder beruhigte. Schließlich richtete Macro sich auf und zupfte Sempronius am Ärmel.

»Du solltest dich um sie kümmern, Herr.«

»Was?« Der Senator runzelte kurz die Stirn, von der Flutwelle und der Erkenntnis, dass er mit dem Leben davongekommen war, noch immer ganz benommen. Dann sah er auf seine Tochter nieder und nickte. »Ja, du hast Recht. Ich kümmere mich um sie. Was nun, Macro?«

»Herr?«

»Was sollen wir jetzt tun?«

Macro kratzte sich am Kinn. »Ich schätze, wir versuchen erst mal, das Schiff über Wasser zu halten. Morgen sehen wir dann weiter.«

»Das ist alles?«

Macro atmete tief durch. »Ich bin kein beschissener Seemann, Herr. Ich bin Soldat. Aber ich werde tun, was ich kann. In Ordnung?«

Als der Senator sich setzte und seiner Tochter den Arm um die Schulter legte, straffte sich Macro und brüllte: »Auf die Beine, ihr faulen Säcke! Alle her zu mir, und zwar fix. Wir müssen das verdammte Schiff retten!«

Als die Gestalten sich um ihn scharten, blickte Macro ihnen entgegen, unwillkürlich darauf gefasst, Cato wohlauf aus dem Halbdunkel auftauchen zu sehen. Dessen Gesicht aber fehlte unter den mitgenommenen Überlebenden, die sich am Maststumpf versammelten.

kapitel 3

Euer Kapitän ist über Bord gegangen«, erklärte Macro. »Und der Steuermann auch. Wer ist jetzt der Ranghöchste?«

Die Seeleute wechselten Blicke, dann schlurfte ein älterer Mann nach vorn. »Das bin ich, Herr. Der Erste Maat.«

»Kennst du dich aus mit dem Schiff?«

»Schätze ja, Herr. Ich bin mit dem Kapitän zusammen auf Wache eingeteilt. Also, jedenfalls war ich das, bevor …«

Der Mann zeigte achselzuckend zum Heck. Offenbar stand er noch unter Schock und war kaum in der Lage, der Herausforderung gerecht zu werden.

»Also gut, einstweilen übernehme ich den Befehl. Sobald das Schiff wieder seegängig ist, löst du mich als Kapitän ab. Einverstanden?«

Der Maat hob resigniert die Schultern. Als eine kleine Welle gegen das mit Wasser vollgelaufene Schiff schlug und der Gischt über die Reling flog, schaute Macro sich um. »Als Erstes müssen wir Ballast loswerden. Ich möchte, dass die Passagiere und Seeleute Fracht über Bord werfen. Sobald wir höher im Wasser liegen, können wir mit dem Leerschöpfen beginnen.«

»Herr, mit welcher Fracht sollen wir anfangen?«, fragte der Maat.

»Mit dem, was gerade zur Hand ist. Und jetzt öffnet die Decksluke und fangt an.«

Die Luke war gesplittert, und die Fracht war beim Kentern des Schiffes in ein heilloses Durcheinander verwandelt worden. Als die Befestigungen gelöst waren, rissen Macro und die anderen die zerschmetterten Planken ab und warfen sie über Bord. Das letzte Tageslicht verblasste, als Macro sich über die Lukenkimmung beugte und in den Frachtraum hinunterblickte. Von der Ordnung, die nach der Beladung geherrscht haben mochte, war nichts mehr zu sehen, stattdessen ein Durcheinander von zerbrochenen Amphoren, Getreidesäcken und Stoffballen. Dazwischen schwappte Wasser.

»Also, an die Arbeit«, befahl Macro. »Nehmt, was gerade zur Hand ist, und weg damit.« Er zeigte auf eine Gruppe von Seeleuten. »Ihr vier, rein in den Frachtraum. Die anderen nehmen entgegen, was ihr ihnen anreicht, und werfen es über Bord.«

Die Männer schwangen die Beine über die Kimmung, ließen sich in den Frachtraum hinunter und suchten auf der verrutschten Ladung einen sicheren Stand. Macros Blick fiel auf eine kleine Holztruhe. »Damit fangen wir an.«

Als die erste Truhe auf dem Deck stand, glotzte der Maat sie an und schluckte nervös. »Herr, die können wir nicht über Bord werfen.«

»Ach. Warum nicht?«

»Diese wie auch weitere Truhen sind Eigentum eines römischen Adligen. Da sind seltene Gewürze drin. Die sind kostbar, Herr.«

»Wirklich schade«, entgegnete Macro. »Und jetzt nimm die Truhe, und weg damit.«

Der Maat schüttelte den Kopf. »Nein, Herr. Dafür will ich nicht verantwortlich sein.«

Seufzend bückte sich Macro, hob die Truhe hoch, ging zur Reling und schleuderte sie ins Meer. Dann drehte er sich wieder um und musterte nicht ohne Belustigung den Maat, der ihm entsetzt zugesehen hatte.

»So macht man das. Verstanden? Gar nicht so schwer, man muss es nur versuchen. An die Arbeit, Leute. Es ist mir scheißegal, was die Sachen wert sind. Alles geht über Bord. Habt ihr mich verstanden?«

Die Seeleute im Frachtraum machten sich nun ernsthaft an die Arbeit und wuchteten die losen Frachtgegenstände an Deck, wo ihre Kameraden sie in Empfang nahmen. Macro wandte sich an den Maat und sagte leise: »Also, wenn’s dir nichts ausmacht, solltest du jetzt mithelfen, dein verfluchtes Schiff zu retten.«

Als der Maat sah, dass es dem Centurio ernst war, nickte er rasch, dann verschwand auch er unter Deck, um seinen Leuten zur Hand zu gehen.

»Schon besser«, brummte Macro und nickte.

Während immer mehr Truhen und durchweichte Stoffballen hochgereicht wurden, näherten sich Sempronius und dessen Tochter.

Der Senator räusperte sich. »Können wir helfen?«

»Natürlich, Herr. Je mehr Leute zupacken, desto besser. Wenn die Seeleute müde werden, trittst du sie in den Hintern. Wir müssen das Schiff so schnell wie möglich leichter machen.«

»Ich kümmere mich darum.«

»Danke, Herr.« Macro wandte sich an Julia. »Wenn du möchtest, kannst du dich ans Heck zurückziehen, Herrin.«

Julia reckte trotzig das Kinn vor. »Nein. Ich will helfen.«

Macro wölbte eine Braue. »Ich weiß, was Cato dir bedeutet hat, junge Dame. Aber ich sollte dich vielleicht besser in Ruhe lassen, damit du mit dem Verlust fertigwerden kannst. Außerdem ist das Männerarbeit. Nichts für ungut, aber du wärst nur im Weg.«

»Ach, wirklich?« Julia kniff die Augen zusammen. Sie ließ den nassen Umhang von den Schultern gleiten und auf die Decksplanken fallen. Dann ging sie in die Hocke, ließ sich in den Frachtraum hinuntergleiten, hob ächzend eine Truhe hoch und wuchtete sie aufs Deck. Macro zuckte mit den Schultern.

»Wie du willst, Herrin.« Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. »Ich kümmere mich jetzt mal besser um die Toten.«

»Die Toten?« Sempronius musterte ihn fragend. »Für die kommt doch wohl jede Hilfe zu spät, oder?«

»Wir müssen Ballast abwerfen. Auch die Toten müssen über Bord, Herr«, erklärte Macro geduldig. »Der Tod ist für mich kein Fremder, also überlass das mir.«

»Über Bord?« Sempronius blickte zum Maststumpf, wo Jesmiahs Leichnam lag. »Sie auch?«

»Ja, Herr.« Macro nickte betrübt. »Sie auch.«

»Was für eine Schande«, murmelte Sempronius mit Blick auf das tote Mädchen. »Sie hat nicht viel vom Leben gehabt.«

»Mehr als manch andere, Herr. Außerdem gibt es hässlichere Tode.« Macro dachte an die Belagerung der Zitadelle von Palmyra, bei der er Jesmiah kennengelernt hatte. Wäre die Zitadelle gefallen, hätte man sie wie alle anderen Frauen erst gefoltert oder vergewaltigt und dann erschlagen. Aber der Senator hatte Recht: Jesmiahs Leben hatte vorzeitig geendet, gerade in dem Moment, als es eine Wendung zum Besseren genommen hatte. Seufzend ging Macro zum Maststumpf hinüber und bückte sich. Jesmiah war noch immer mit einem Seil festgebunden. Macro zog seinen Dolch, trennte das raue Tau durch und warf es beiseite. Er schob die Waffe in die Scheide, schob die Hände unter die Tote und hob sie hoch. Jesmiahs Kopf sank auf die Schulter, als ob sie nur ein Nickerchen machte, und Macro trug sie zur Bordkante und hob sie über die Reling.

Er warf einen letzten Blick auf ihr junges Gesicht, dann senkte er sie Richtung Meer hinab und ließ sie fallen. Ihr Haar und ihre Kleidung bauschten sich im Wasser, dann stieß sie gegen den Rumpf und wurde von der Strömung fortgetragen. Seufzend wandte Macro sich dem nächsten Leichnam zu. Es gab nur drei weitere Tote; die anderen waren wie Cato über Bord gespült worden, als die Riesenwelle die Horus getroffen hatte. Bei dem Gedanken an seinen Freund hielt Macro inne. Cato war für ihn eine Art Familienersatz. Nachdem sie jahrelang Seite an Seite gedient hatten, betrachtete er ihn als seinen Bruder. Jetzt war Cato tot. Macro verspürte eine bedrückende Leere in seinem Herzen, doch die Trauer würde erst später einsetzen, wenn er Zeit zum Grübeln hatte.

»Armer Cato, das Wasser hat er noch nie gemocht …«

Er schüttelte betrübt den Kopf und wandte sich dem letzten Toten zu, einem kleinen, mageren Kaufmann, der in Cäsarea an Bord gekommen war. Ächzend hob er ihn hoch und schleuderte ihn so weit wie möglich ins Wasser, dann ging er zur Decksluke, um den Seeleuten dabei zu helfen, Ballast über Bord zu werfen.

Der brennende Schmerz in Catos Lunge schien gar kein Ende mehr zu nehmen, doch als sich ihm die Sicht bereits trübte, nahm er im finsteren Wasser einen Lichtschimmer wahr. Mit letzter Kraft machte er Schwimmbewegungen mit den Beinen und fasste neue Hoffnung, als der Lichtfleck größer wurde. Offenbar kam er der Wasseroberfläche näher. Dann, als der Schmerz schier unerträglich wurde und Cato Angst bekam, er könnte das Bewusstsein verlieren, knackte es laut in seinen Ohren, und er tauchte auf. Sogleich begann er Wasser auszuhusten und saugte unter Schmerzen Luft in die Lunge, während er kraftlos Wasser trat, um nicht gleich wieder unterzugehen.

Eine Zeit lang japste er nach Luft. Wellen schlugen ihm ins Gesicht und in den Mund, was neuerliches Würgen und Spucken zur Folge hatte. Die Augen brannten ihm so sehr, dass er sie schließen musste, während er sich bemühte, an der Oberfläche zu bleiben. Die Tunika und die klobigen Militärstiefel erschwerten es ihm, sich über Wasser zu halten. Hätte er noch mehr am Leib gehabt, wäre er bestimmt schon ertrunken. Allmählich kam er wieder zu Atem, das Dröhnen des Herzschlags in seinen Ohren verstummte. Blinzelnd schlug er die Augen auf und ließ den Blick über die bewegte See streifen.

Zunächst sah er nichts als Wasser, dann wandte er den Kopf und machte die kretische Küste aus. Sie schien meilenweit entfernt zu sein, und Cato bezweifelte, dass es ihm gelingen würde, so weit zu schwimmen. Als etwas gegen ihn stieß, wandte er sich in panischer Angst herum. Ein Stück Rah, komplett mit einem Segelfetzen und Leinen, tanzte neben ihm auf dem Wasser. Er ließ die angehaltene Luft erleichtert entweichen und legte die Arme auf das Holz. Während er von der Dünung gewiegt wurde, blickte er sich abermals um. Ringsumher schwammen alle möglichen Trümmerteile der Horus und auch ein paar Leichen.

Cato kam der entsetzliche Gedanke, er könnte der einzige Überlebende sein. Alle anderen waren bestimmt untergegangen, als die Riesenwoge das Handelsschiff überrollt hatte. Macro … Julia, ihr Vater und Jesmiah, alle tot, dachte er in blinder Verzweiflung, und ein Stöhnen entrang sich seiner Brust.

Als Cato von einer Woge hochgehoben wurde, sah er das Schiff – oder vielmehr das, was davon noch übrig war. Der Mast und der Heckbalken waren verschwunden, und im Zwielicht der Abenddämmerung konnte Cato gerade so eben eine Handvoll Gestalten erkennen, die an Deck umherstolperten. Er wollte ihnen zurufen, brachte aber nur ein gequältes Krächzen zustande, dann klatschte ihm eine kleine Welle ins Gesicht und in den Mund. Er hustete, versuchte abermals zu rufen, dann trat er weiter Wasser und wehrte sich gegen die Niedergeschlagenheit, die ihn zu überwältigen drohte, als das letzte Tageslicht verblasste. Die Leute auf dem Schiff konnten ihn nicht sehen. Außerdem waren sie zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, um nach Überlebenden Ausschau zu halten. Cato zitterte. Das Wasser war kalt, und er bezweifelte, dass er die Nacht überstehen würde.

Sich an die Holzspiere klammernd schwamm er auf das Schiff zu. Es würde nicht leicht werden, doch die Aussicht, sein Leben zu retten, verlieh ihm neue Kraft. Entschlossen machte er Schwimmbewegungen mit den Beinen und arbeitete sich durch die Dünung auf die Horus zu. Dabei kam er nur quälend langsam voran und fürchtete, in der Dunkelheit den Sichtkontakt zum Schiff zu verlieren.

Nach und nach aber schrumpfte der Abstand, und obwohl die Nacht übers Meer hereinbrach, zeichneten sich vor dem Hintergrund des schwarzen Wassers noch immer die Umrisse des Schiffes ab. Als er näher herangekommen war, versuchte Cato erneut zu rufen, doch seine kraftlose Stimme ging im Rauschen der Wellen und dem Klatschen unter, mit dem sie an die Bordwand schwappten. Nicht weit von der Horus stieß er gegen einen tief im Wasser treibenden Holzkasten. Er drückte ihn beiseite und näherte sich weiter dem Schiff. Zwei Gestalten tauchten über ihm auf und mühten sich ächzend mit einer großen Amphore ab.

»Bei drei«, knurrte der eine, dann schwenkten sie die Amphore hin und her. Cato kannte die Stimme gut, doch ehe er sich bemerkbar machen konnte, blieb ihm der Ruf im Halse stecken, da ihm klarwurde, dass das große Gefäß unmittelbar auf ihm landen würde.

»Wartet!«, krächzte er, hob die Hand und winkte hektisch. »Stellt den verdammten Krug ab!«

»Zum Henker, was war denn das? Cato? Bist du das?«

»Ja … ja. Und jetzt setzt das verdammte Ding ab, bevor’s mir auf den Kopf fällt!«

»Was? Ja, natürlich.« Macro wandte sich zu dem anderen Mann an Deck um. »Ganz ruhig. Setz die Amphore ab, vorsichtig. Cato, warte einen Moment. Ich hole ein Seil.«

»Was bleibt mir anderes übrig?«, knurrte Cato.

Im nächsten Moment beugte Macro sich über die Reling, und ein Seilende klatschte ins Wasser.

Cato tastete mit seinen unterkühlten Fingern nach dem Seilende. Als er es gefunden hatte, klammerte er sich daran fest und murmelte mit zusammengebissenen Zähnen: »Fertig.«

Ächzend zog Macro seinen Freund ein Stück hoch, dann beugte er sich vor, packte mit einer Hand dessen Tunika und wuchtete ihn an Bord. Cato plumpste aufs Deck, von der Anstrengung des Schwimmens außer Atem und heftig zitternd, da ein kühler Wind wehte. Macro konnte sich ein grimmiges Lächeln nicht verkneifen.

»Also, du siehst vielleicht aus. Wie eine nasse Ratte, jawohl.«

Cato runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, was daran so lustig sein soll.«

»Dann überleg mal.«

Cato schüttelte den Kopf. Als er sich an Deck umsah, die Schäden und die Handvoll Gestalten an der Frachtluke bemerkte, versetzte es ihm einen Stich.

»Julia … Wo ist Julia?«

»Sie ist wohlauf. Und ihr Vater auch.« Macro räusperte sich. »Aber Jesmiah …«

»Was ist mit ihr?«

»Tot. Hat sich den Hals gebrochen, als das Schiff durchgekentert ist. Wir haben ein paar Seeleute und Passagiere verloren. Die meisten wurden über Bord gespült. Die anderen wurden getötet oder verletzt, als der Mast gebrochen ist.«

»Dann hat Julia also überlebt«, murmelte Cato, von Erleichterung überwältigt. Er atmete tief durch, um sein klopfendes Herz zu beruhigen, und schaute zu Macro hoch. »Sie glaubt, ich wäre tot?«

Macro nickte. »Hat sich natürlich am Riemen gerissen, schließlich ist sie ja die Tochter eines Senators. Aber du solltest sie langsam mal von ihrer Trauer erlösen. Und dann müssen wir diesen Kahn wieder seegängig machen, sonst sind wir alle geliefert.«

Cato rappelte sich hoch. »Wo ist sie?«

»Im Frachtraum. Hilft mit, die Ladung über Bord zu werfen. Bevor du fragst, das war ihre Idee, nicht meine.« Macro wandte sich an einen Seemann. »Hilf mir mal.«

Während Macro und der andere Mann die unhandliche Amphore hochhoben, ging Cato zur offenen Luke hinüber. Sempronius blickte ihm entgegen, und als er ihn bemerkte, lächelte er breit.

»Na so was! Ich dachte schon, du wärst tot, Centurio.«

Cato ergriff die ausgestreckte Hand und fasste den Senator beim Arm. Der Ältere musterte ihn einen Moment, dann sagte er leise: »Schön, dich wiederzusehen, mein Junge. Ich habe mit dem Schlimmsten gerechnet.«

»Ich auch«, entgegnete Cato schuldbewusst. »Aber die Götter waren anscheinend noch nicht fertig mit mir.«

»So ist es. Sobald wir wieder festen Boden unter den Füßen haben, werde ich Fortuna opfern.«

»Danke, Herr.« Cato nickte und spähte am Senator vorbei in den Frachtraum. Trotz der Dunkelheit entdeckte er Julia auf den ersten Blick. Sie beugte sich gerade über einen durchweichten Ballen feinen Webstoffs und schulterte ihn mühsam.

»Entschuldige mich, Herr.« Cato ließ die Hand des Senators los, sprang durch die Luke und kam hinter Julia auf. Er beugte sich vor, um ihr zu helfen, und streifte dabei ihren Arm. Sie zuckte zusammen und fauchte:

»Das kann ich allein!«

»Lass dir doch helfen, Julia.«

Sie stutzte und flüsterte, ohne den Kopf zu wenden: »Cato?«

»Ja, ich bin’s.«

Julia ließ den Stoffballen fallen, richtete sich auf und drehte sich um, dann umarmte sie ihn. »Cato! Ach, Cato … Ich habe gedacht …« Sie sah ihm in die Augen, ihre Lippen bebten. Dann barg sie das Gesicht an seiner triefnassen Brust und krampfte die Hände in seine Tunika. Er spürte, wie sie zitterte, dann begann sie zu schluchzen. Er schob sie behutsam zurück, damit er ihr ins Gesicht sehen konnte.

»Ist ja gut, Julia. Beruhig dich, Liebste. Du brauchst nicht zu weinen, ich bin am Leben und wohlauf.«

»Ich weiß, ich weiß, aber ich habe geglaubt, ich hätte dich verloren.«

»Tatsächlich?« Cato wölbte die Brauen. Er konnte wirklich von Glück sagen, dass er die Flutwelle überlebt hatte. Er rang sich ein Lächeln ab. »Um mich zu erledigen, braucht es mehr als eine verfluchte Welle.«

Julia ließ ihn los und stupste ihn gegen die Brust. »Tu mir das nie wieder an.«

»Versprochen. Es sei denn, wir werden noch einmal von einer solchen Welle getroffen.«

»Cato!«, schalt sie. »Sag nicht so was!«

Oben an Deck wurde laut gehustet. Macro stand dort, die Arme in die Hüfte gestemmt, und blickte belustigt in den Frachtraum hinunter. »Wenn ihr beide fertig seid, könntet ihr dann wieder an die Arbeit gehen?«

In den ersten Nachtstunden waren sie immer noch damit beschäftigt, möglichst viel Ballast über Bord zu werfen. Je weiter sie sich in den Frachtraum vorarbeiteten, desto beschwerlicher wurde die Arbeit, denn die schwersten Frachtgüter waren hinten gelagert. Ein Großteil der Ladung war verrutscht und gegen den Rumpf oder die Unterseite der Frachtluke gekracht. Allmählich aber verringerte sich zur Erleichterung aller der Tiefgang der Horus. Als sie weiter in den Frachtraum vordrangen, wurde jedoch alsbald klar, dass das Schiff eine Menge Wasser abbekommen hatte.

»Sobald wir mehr Platz haben, sollten wir mit dem Ausschöpfen beginnen«, sagte Macro. »Damit halten wir uns über Wasser.«

Der Maat kratzte sich am Kinn. »Ja, das hoffe ich auch.«

Macro drehte sich gereizt zu ihm um. »Irgendwelche Probleme?«

»Natürlich.« Der Maat klang erstaunt. »Die Ladung wurde durcheinandergeworfen, und die Horus ist durchgekentert. Wir hatten Glück, dass sie sich von selbst wieder aufgerichtet hat. Und sie schwimmt noch, daran sieht man, wie stabil sie gebaut ist. Aber es gibt zahlreiche Schäden. Einige der Fugen wurden überstrapaziert und sind vermutlich leck geworden.«

Macro zuckte mit den Schultern. »Dann müssen wir eben schneller schöpfen, als das Wasser nachläuft.«

»Das können wir versuchen.«

»Verdammt, das werden wir«, erklärte Macro entschlossen.

Der Maat nickte. »Wenn du das sagst. Aber sobald es einigermaßen sicher ist, werde ich erst mal in den Frachtraum klettern und den Rumpf auf Lecks untersuchen. Vielleicht kann man sie ja abdichten.«

»Und was spricht dagegen, es jetzt gleich zu tun?«

»Da unten schwappt immer noch lose Fracht herum, Centurio. Die Dünung wird stärker, und ich möchte nicht eingequetscht werden, wenn sich die Horus zu stark auf die Seite legt. Erst mal müssen wir möglichst viel von der Fracht rausschaffen.«

»Wohl wahr. Sobald es sicher ist, helfe ich dir.« Macro schaute sich an Deck um, dann fiel sein Blick auf den gesplitterten Maststumpf. »Da fällt mir noch was ein.«

»Herr?«

»Uns über Wasser zu halten, ist eine Sache, aber wie setzen wir das Schiff wieder in Bewegung?«

Der Maat zeigte auf ein Rundholz, das an der einen Bordseite befestigt war. »Wir richten einen neuen Mast auf und setzen ein Notsegel. Wir haben noch ein paar Leinen und ein altes Segel. Damit dürften wir wieder manövrierfähig werden, aber das Schiff wird langsam sein, und ich bezweifle, dass wir einen Sturm abwettern könnten.« Er schauderte. »Oder auch nur eine halb so große Flutwelle wie die von heute.«

»Daran lässt sich nichts ändern. Sobald wir so weit sind, laufen wir den nächsten kretischen Hafen an.«

Der Maat überlegte einen Moment, dann nickte er. »Matala käme in Frage.«

»Also nach Matala. Und jetzt wieder an die Arbeit.«

Als er den Eindruck hatte, im Frachtraum wäre es sicher, kletterte der Maat vorsichtig über die restliche Ladung hinweg und watete zur Bordwand. Macro ließ sich ebenfalls hinunter und folgte dem Maat mit einem Sack voller geteerter Streifen Segeltuch. Im Frachtraum war es stockdunkel, und das stetige Knarren der Holzplanken und das Wasserrauschen an beiden Seiten des Rumpfes waren beunruhigend.

»Mir nach!«, rief der Maat. »Bleib dicht bei mir.«

»Mach ich, keine Sorge.«

Der Maat wandte sich erst zum Bug und kletterte über die Holzrippen der Horus hinweg. Dann arbeitete er sich nach hinten vor und untersuchte den Rumpf auf Lecks und Beschädigungen. Hin und wieder hielt er an und bat Macro um ein Stück Segeltuch. Dann hockten sie sich ins kalte Wasser und versuchten, das dicke Material in die kleinen Fugen zu stopfen, die sich im Rumpf aufgetan hatten. Vom Heck aus tasteten sie sich wieder zur Frachtluke vor. Macro kletterte die Leiter hoch und ließ sich durchfroren und erschöpft auf die Decksplanken sinken.

»Ist der Wassereinbruch damit behoben?«, fragte er den Maat.

»So einigermaßen. Mehr lässt sich im Moment nicht tun. Sobald wir den Notmast aufgerichtet haben, müssen wir zum Wasserschöpfen zwei Wachen einteilen, die einander abwechseln.«

»Gut. Ich übernehme die eine Wache. Cato kann die andere übernehmen. Ich möchte, dass du dich darum kümmerst, das Schiff wieder flottzumachen und in den Hafen zu bringen.«

Der Maat seufzte. »Ich werde tun, was ich kann, Centurio.«

»Das glaub ich dir sogar. Denn wenn das Schiff sinkt und wir alle ertrinken, mache ich Hackfleisch aus dir.« Er klopfte dem Maat auf den Rücken. »Und jetzt richten wir den Mast auf.«

Mit Hilfe der römischen Offiziere lösten die Seeleute das Rundholz von der Bordwand und legten es an den Maststumpf. Nachdem sie vier Leinen am anderen Ende befestigt hatten, richteten Macro und fünf weitere Männer den Notmast auf. Der Maat hielt ihn mit zwei starken Seeleuten in Position, während Cato die an den Leinen ziehenden beiden Gruppen beaufsichtigte. Langsam richtete das Rundholz sich am Maststumpf auf. Macro und dessen Leute sicherten es mit den beiden anderen Leinen. Der Maat und dessen Helfer banden nun das Rundholz am Maststumpf fest, dann wickelten sie weitere Taue darum, bis der Ersatzmast festgezurrt war. Auch jetzt gab es für die Besatzung keine Ruhepause, denn sie mussten eine Rah aus den Rudern anfertigen und Wanten und Leinen daran befestigen. Schließlich holten sie das alte Segel aus einer Kiste und befestigten es an der neuen Rah. Das Notruder wurde ins Wasser abgesenkt und ein Steuermann bestimmt, dann wurde vorsichtig das Segel gesetzt.

Unter dem wohlgefälligen Blick des Maats blähte sich knatternd das Segel. Er gab Befehl, es dichtzuholen, dann nahm die Horus in der schwachen Dünung Fahrt auf, während am Horizont bereits der Morgen dämmerte. Diejenigen, die nichts zu tun hatten, legten sich erschöpft nieder. Senator Sempronius bettete Kopf und Schultern seiner Tochter auf seinen Schoß und deckte sie mit seinem Umhang zu. Als der Maat sich vergewissert hatte, dass das Schiff so gut auf Kurs war, wie es in Anbetracht der provisorischen Ausbesserungsarbeiten möglich war, erstattete er Macro und Cato Meldung.

»Wir halten Kurs parallel zur Küste, Herr. Wir sollten Matala bis zum Abend erreichen. Dort können wir das Schiff instandsetzen.«

»Sehr schön.« Macro lächelte. »Du hast deine Sache gut gemacht.«

Der Maat war zu müde, um sich für das Lob zu bedanken, daher nickte er nur wortlos und ging nach achtern, erteilte dem Steuermann ein paar Anweisungen und beugte sich dann über die Reling. Macro rieb die Hände aneinander und blickte in die Morgendämmerung. »Hast du das gehört? Bis zum Abend sind wir in Sicherheit.«

Cato blickte wortlos zur fernen kretischen Küste. Nach einer Weile bewegte er die Schultern und massierte sich den Nacken. »In Sicherheit? Na, hoffentlich.«

Macro runzelte die Stirn. »Was hast du? Reicht dir die Aussicht nicht, von diesem Wassergrab erlöst zu werden?«

»Oh, da hab ich nichts dagegen.« Cato rang sich ein flüchtiges Lächeln ab. »Die Sache ist nur die: Wenn die Flutwelle um ein Haar das Schiff zerstört hätte, wird sie auch auf der Insel Kreta eine Menge Unheil angerichtet haben …«

kapitel 4

Als die Horus um die Landspitze bog, sahen die Menschen an Bord zum ersten Mal das Ausmaß der Verwüstungen, welche die Riesenwelle im Hafen von Matala angerichtet hatte. Die Lager und Werften waren zerschmettert worden, die Trümmer hatte das Wasser den dahinter befindlichen Hang hochgespült, wo die dichtgedrängten Häuser unter der Gewalt der anbrandenden Wassermassen eingestürzt waren. Fischerboote und Schiffe lagen an beiden Seiten der Bucht zertrümmert auf Felsen und Klippen. Oberhalb der normalen Hochwassermarke setzten sich die Zerstörungen fort. Große und kleine Gebäude waren in sich zusammengestürzt, als wären sie vom Fuß eines Titanen zerschmettert worden. Weiter landeinwärts loderten Brände, Rauchsäulen stiegen in den Abendhimmel. Nur eine Handvoll Menschen war zwischen den Ruinen zu sehen, einige wühlten in den Trümmern verzweifelt nach ihren Angehörigen oder Wertsachen. Andere saßen einfach nur da und starrten ins Leere.

Macro schluckte. »Was zum Hades ist hier passiert?«

»Die Flutwelle«, sagte Julia. »Sie muss den Hafen zerstört haben, bevor sie uns erreicht hat.«

»Das war nicht die Welle allein.« Cato schüttelte den Kopf. »Die Welle ist zwar ein Stück weit landeinwärts vorgedrungen, aber auch weit von der Küste gibt es zahlreiche Schäden. Er wandte sich an den Senator. »Sieht so aus wie bei dem Erdbeben in Bithynien, von dem du uns erzählt hast.«

Sempronius musterte einen Moment lang die Stätte der Verwüstung, ehe er antwortete: »Hier ist’s schlimmer, viel schlimmer. So etwas habe ich noch nicht gesehen.«

Langsam fuhr die Horus in die Bucht ein. Trotz der im Verlauf der Nacht durchgeführten Reparaturen leckte das Schiff noch immer, und die regulären Wachen der überlebenden Seeleute und Passagiere wechselten sich mit Wasserschöpfen ab. Den ganzen Tag über war das Wasser im Frachtraum langsam gestiegen, und der Tiefgang hatte stetig zugenommen, so dass sich die Geschwindigkeit der Horus noch weiter verringert hatte.

Der Maat sah aufs Wasser hinunter und bemerkte unter dem Bug einen dunklen Flecken überfluteter Felsen. Er richtete sich auf und zeigte zu einem schmalen Kiesstreifen am Fuß der Klippen an der anderen Seite der Bucht. »Dort will ich das Schiff auf den Strand setzen. Die Horus wird’s nicht mehr lange machen, Herr«, erklärte er. »Wenn sie auf Grund liegt, können wir wenigstens den Rest der Ladung bergen.«

»Klingt vernünftig«, meinte Cato. »Allerdings bezweifle ich, dass man das Schiff in der nächsten Zeit wird instandsetzen können. Und woanders wird es ganz ähnlich aussehen.«

»Glaubst du wirklich?«, fragte Julia überrascht.

»Du hast die Welle mit eigenen Augen gesehen. Was hätte sie auf ihrem Weg entlang der Küste und hinaus auf die hohe See aufhalten sollen? Es würde mich gar nicht wundern, wenn sie bis nach Syrien gelangt wäre und sich dort erst verlaufen hätte.« Cato zeigte zum Strand. »Die Welle und das Erdbeben haben fast alles zerstört.« Er dachte an die Sklavenunterkünfte, deren Zerstörung sie am Vortag beigewohnt hatten. »Es gibt bestimmt Hunderte von Toten. Vielleicht sogar Tausende. Und anscheinend ist kaum ein Haus unversehrt geblieben. Wer weiß, was wir vorfinden werden, wenn wir an Land gehen. Dort herrscht jetzt Chaos. Totales Chaos.«

»Aber wir müssen das Schiff instandsetzen«, beharrte Julia. »Damit wir nach Rom zurückkehren können. Wenn alle anderen Schiffe zerstört sind, müssen wir dieses hier reparieren.«

»Und wer soll das machen?«, fragte Cato. »Die Werften sind zerstört, und die meisten Zimmerleute werden von der Flutwelle erfasst worden sein und sind vermutlich ertrunken.«

Julia überlegte einen Moment. »Was sollen wir dann tun?«

Cato raufte sich das salzverkrustete Haar. »Wir gehen an Land und stellen fest, ob es hier noch staatliche Autoritäten gibt. Wenn sie hören, dass dein Vater bei uns ist, werden sie uns vielleicht helfen und uns Obdach geben.«

»Obdach?« Macro lachte trocken auf. »Das ist ein guter Witz. Was für ein Obdach? Soweit ich sehen kann, stehen nur noch eine Handvoll Häuser, und die meisten davon sind armselige Hütten.«

»Wohl wahr«, sagte Cato. »Aber ich habe eher an Obdach im weiteren Sinn gedacht.«

»Hä?«

»Überleg mal, Macro. Auf der Insel geht es drunter und drüber. Du hast gesehen, was gestern auf dem Sklavengelände los war. Die Sklaven laufen jetzt frei herum. Ich könnte mir vorstellen, dass es auf allen Besitzungen ähnlich aussieht. Alle suchen nach Nahrung und nach einem sicheren Ort, um die Katastrophe abzuwettern. Bald werden sie gegeneinander kämpfen. Wir müssen irgendwo Schutz finden oder uns selbst schützen. Zumindest so lange, bis Hilfe eintrifft und die Ordnung wiederhergestellt wird.«

Macro musterte ihn verdrießlich. »Bei den Göttern, du hast wirklich ein sonniges Gemüt, Cato. Wir sind eben mit knapper Not dem Tod durch Ertrinken entronnen, und du machst dir schon die nächsten Sorgen.«

»Tut mir leid.«

Macro sah Julia an. »Bist du dir auch ganz sicher, dass der Bursche der Richtige für dich ist, Herrin? Ausgerechnet der Mann, für den die Amphore immer halbleer ist?«

Julia rückte wortlos näher an Cato heran und fasste ihn beim Arm.

Unter dem Kommando des Maats näherte sich die Horus langsam dem Strand, wo sich auf dem Kies eine dünne Schicht Treibgut abzeichnete. Eine Handvoll Leichen lag zwischen zersplitterten Planken und Pflanzenresten. Das Schiff hielt geradewegs auf den Strand zu, während der Maat ständig über die Reling schaute und die Wassertiefe im Auge behielt. Als die Klippen immer höher aufragten, ruckte auf einmal das Deck unter Catos Füßen, dann kam das Schiff zum Stillstand.

»Segel los!«, befahl der Maat. Als das Segel in der schwachen Brise flatterte, sog er scharf den Atem ein. »Segel bergen!«

Die Männer lösten die Leinen, mit denen die provisorische Rah befestigt war, und ließen sie mitsamt dem angeschlagenen Segel vorsichtig aufs Deck herab. Dann, überwältigt von der Anspannung der vergangenen Nacht und ausgelaugt vom anstrengenden Wasserschöpfen, ließen sich die Seeleute auf den Planken nieder und ruhten sich aus.

»Was sollen wir jetzt tun?«, fragte Julia.

»Wir? Macro wandte sich ihr zu. »Ich möchte, dass du hier bleibst, Herrin. Zusammen mit den Seeleuten und den anderen Passagieren. Cato, dein Vater und ich gehen nach Matala und machen uns ein Bild von der Lage.«

»Ich komme mit.«

»Bei allem Respekt, aber das geht nicht. Erst wenn sich herausgestellt hat, dass es dort sicher ist.«

Stirnrunzelnd schaute Julia Cato an. »Nimm mich mit.«

»Das kann ich nicht machen«, entgegnete Cato. »Macro ist mein Vorgesetzter. Wenn er sagt, du bleibst hier, dann bleibst du auch.«

»Aber Cato …«

»Er hat Recht, meine Liebe«, schaltete Sempronius sich ein. »Du musst hierbleiben. Einstweilen jedenfalls. Wir sind bald wieder da, versprochen.«

Julia erwiderte den Blick ihres Vaters, dann nickte sie. »Also gut. Aber geht keine unnötigen Risiken ein.«

»Das werden wir nicht«, sagte Macro. »Komm jetzt, Cato, lass uns die Ausrüstung aus der Kabine holen.«

»Ausrüstung?«

»Das meiste ist noch da, ich habe nachgesehen«, erklärte Macro. »Wenn du mit deinen Vermutungen Recht behalten solltest, wär’s mir lieber, wenn wir bewaffnet sind.«

Kurze Zeit später sprangen die beiden Centurionen und der Senator von einer Planke, die sie zuvor vom Bug hinabgelassen hatten, ins flache Wasser. Der Maat der Horus hatte zwei Männern befohlen, den Hauptanker ein Stück weit an Land zu schleppen und die Flügel in den Kies zu drücken. Er vergewisserte sich gerade, ob der Anker auch hielt, als die Römer festen Boden erreichten.

»Alles in Ordnung?«, fragte Macro.

Der Maat nickte. »Das Schiff ist so gut es geht gesichert. Wenigstens kann es jetzt nicht mehr sinken.«