Guignol's Band II - Louis-Ferdinand Céline - E-Book

Guignol's Band II E-Book

Louis-Ferdinand Céline

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Beschreibung

«Guignol's Band II» spielt in dem kriminellen Milieu Londons im Ersten Weltkrieg und setzt den Roman «Guignol's Band» fort, der deutsch 1985 vorgelegt wurde. «Guignol's Band II» ist eine wilde Orgie und ein frenetisches Bacchanalienfest, auf dem eine vierzehnjährige Jungfrau in einem Pub vergewaltigt wird, ein mythomanischer Derwisch und Dämonenbeschwörer auf dem Piccadilly Circus deliriert und vom Gas wahnsinnig gewordene Erfinder sich wechselseitig die Haut abziehen ­– eine wahrhaftige «Zeit in der Hölle», in der jede Episode außer Kontrolle gerät, sich ins Rasende steigert und in eine Katastrophe abstürzen muss. Aber gegen die Schrecken des Albtraums hält sich, wie in keinem anderen Roman Célines, das Lachen. Lange Sequenzen sind von einer großen Komik ­und erfüllt von Sehnsucht.

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Seitenzahl: 932

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Louis-Ferdinand Céline

Guignol's Band II

Roman

Aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel

Rowohlt E-Book

Inhaltsübersicht

Schon ein Auflauf ...Am nächsten Morgen ...So schnell ging ...Ich hab nicht ...Wir hatten kaum ...«Meister», sag ich ...Aber dann, nach ...Am nächsten Tag ...Man hörte ihre ...Genau, was ich ...Nach solchen Aufregungen ...«Au weia!», meint ...Meine Angebetete war ...Sehr gut! Sehr ...Ich fürchtete Streit ...Ich erwies mich ...Da sind wir ...Und wieder fanden ...Ich sagte mir: ...O ja! ausgezeichnet! ...Schwein gehabt. Der ...Wir machen uns ...Ah! sag ich ...Er kam auch ...AnhangEditorische NotizSynopse von «Guignol’s Band III»
[zur Inhaltsübersicht]

Schon ein Auflauf vor dem Tor … Dabei hatten wir uns beeilt … vor dem Torgitter … auf dem Bürgersteig … und alle mit der weit aufgeschlagenen Times … Sie waren sicher wegen der Anzeige gekommen … Ein schönes Haus, so von außen … Luxus … großer Garten ringsum … Rabatten, Rosen, Schniekes! … ein Lakai hielt die Leute zurück … er mahnte zur Geduld.

«The Colonel is not ready! … Der Colonel ist nicht bereit!»

Er herrschte sie von der Freitreppe herab an.

Ah! zum Teufel! das war nichts für uns! Ah! solche wie wir, die warteten doch nicht! …

Gleich kläffte Sosthène giftig über die Köpfe weg …

«Den Colonel! Den Colonel! quick! quick! War Office! Dringend! Dringend! …»

Er schwenkte seine große Rolle, entfaltete sie über der Menge … wie eine Oriflamme!

«China! China!», machte er geltend.

Klar fingen alle an zu lachen … Er nutzt es aus, er arbeitet sich durch …

«The fool! The fool!»

Sie finden, er spinnt.

Ich stürze mich mit ihm hindurch, schon sind wir im Haus, auf dem Teppichboden, in einem echten großartigen Vorzimmer! Gemessen treten wir uns die Latschen ab … Große Bilder, alte Tapeten … Da kenne ich mich aus … Hübsche Hütte das …

Weitere Angestellte kommen herbei, tauchen plötzlich auf … Sie sollen uns hinausdrängen, wie es scheint! … Sosthène quasselt auf sie ein …

«War office! Uahr Offies! Mask! Mask!»

Er zieht Grimassen, er tritt groß auf, sie sehen ihn an, trauen sich nicht recht. Stehen stramm vor diesem Chinesen. Sie umrunden seinen Rock, wollen sich ein wenig die Stickereien ansehen, das Hinterteil vor allem … Er zeigt ihnen seinen Drachen … schön blau und gelb, und Feuer spuckt er auch! Gleich hat er Erfolg!

«Speak english!», meint er zu mir, «speak english!»

Er findet, ich soll hier die Reden schwingen.

Tut aber nicht not … ein Mädchen … ein Mägdelein … so was von hübsch, allerliebst! … ein Blondchen, ein charmantes … ich bewundere sie sofort … ah! reizend! … ah! ich bin hin und weg! … Ah! es hat eingeschlagen! … Ah! Diese schönen blauen Augen! … Dies Lächeln! … das Püppchen, ich bete es an! …

Auf den Hanswurst da höre ich schon gar nicht mehr! … Auf nichts höre ich, bin völlig gefangen, bringe kein Wort mehr heraus …

Hätte ich bloß nicht diese grässlichen Klamotten an! … Beschämend ist das … Wäre ich etwas besser rasiert … säße nur nicht so in der Scheiße … gleich würde ich ihr sagen, was sie mit mir macht … die wundersame Wirkung … Nein! würde ich nicht … still würde ich bleiben, unverändert … ergriffen … sabbernd … unglücklich … Ah! welche Wonne! … ich wage es nicht mehr! … Ah! was ist sie schön! …

Die Domestiken sind baff … sie hatten wohl den Herrn des Hauses erwartet … sie gehen, lassen uns allein … wir bleiben beide mit dem Mädchen zurück … wissen nicht, was tun … Wie alt ist sie? … zwölf … dreizehn vielleicht … meiner Meinung nach … na ja, denke ich … und diese Waden! … kurzer Rock … welche Anmut … welch herrliche Beine … goldbraun muskulös alles! … sicher treibt sie Sport … das macht mich immer furchtbar an … So stelle ich mir Feen vor, nur mit kurzen Röcken! … Sie ist eine Fee! … Der grässliche Sosthène glotzt spöttisch … er zwinkert mir zu … Auf Knien nur dürfte der sie ansehen! müsste sich ihr zu Füßen werfen, um Verzeihung flehen!

«Uncle! Uncle! Onkel!» Sie spricht sogar! … sie ruft ihren Onkel! Welche Stimme! welch Kristall! … Ah! ich bin verliebt!

Sosthène zwinkert schon wieder, sie merkts! … Er ist unmöglich!

«Nana! Immer schön langsam!», flüstert er mir zu.

Der Strolch!

«The Colonel is coming!»

Er wird angekündigt.

Da ist der Colonel.

«Virginia! … Virginia! …»

Er kommt auf uns zu. Spricht mit seiner Nichte.

Ah! sie heißt Virginie … Wie hübsch, Virginie!

Ein Dickerchen ist unser Colonel, ziemlich mollig, so gedrungen, ganz und gar nicht wie mein guter des Entrayes[1]! hat einen dicken Hintern, einen kleinen Kopf, wie eine Kugel steckt er in dem Morgenrock, kleine, durchdringende Augen, eine Grimasse, einen Tick ständig, der ihm über die Nase hüpft, von der einen Wange auf die andere, er mümmelt, ein Karnickeltick … Er ist kahl … eine Spiegelglatze … sein eines Auge trieft … Er wischt es sich mit dem Finger. Er betrachtet Sosthène. Er sieht Virginie streng an.

«Warum sind sie hier?», fragt er sie. Auf Englisch, versteht sich.

Sofort greife ich ein.

«The War Office!», verkünde ich äußerst bestimmt.

Wie kühn! … Ich nehme alles auf meine Kappe.

Und füge hinzu:

«The engineer speaks only french! …»

Ich deute auf Sosthène Rodiencourt.

«Oh! Oh! but it’s a Chinaman», er ist erstaunt. Ein Chinese!

Das auf einmal findet er lustig! sieht sich den Vogel von Kopf bis Fuß an. Sosthène präsentiert gleich seine Pläne … seine Rollen … zieht noch anderen Papierkram aus seinem schönen gelben Rock … Ah! er lässt sich ablenken, der unkommode Colonel … Er lässt Sosthène plappern, bedeutet ihm gar fortzufahren. Er bittet uns in den Salon wie geladene Gäste. Er geht voraus … Ich traue mich nicht Platz zu nehmen … dann traue ich mich … Was für Sessel, potztausend! Ich versinke! Rauschhafte Monster! Polsterkolosse! trunkene Müdigkeit! …

Sosthène prahlt weiterfuchtelnd in der Mitte rum, hat sich nicht gesetzt noch innegehalten, nichts … er gestikuliert, hält seine Ansprache, speichelsprühend … Jetzt fuchtelt er mit seiner Times herum, der Anzeigenseite …

«Verstehen Sie mich, Colonel? Ihr Angebot ist einfach genau das Richtige für mich, nicht wahr! Sie sind doch meiner Meinung? Ich hundert Prozent kompetent! Ich! Ich!»

Er spricht nur von sich. Er schlägt sich auf die Brust, und zwar kräftig. Er hat Angst, dass man ihn nicht versteht! Dann geht er ans Fenster, zeigt dem Colonel die Menge! all diese Leute da draußen, die von einem Fuß auf den anderen treten … der Bürgersteig ist voll … Er hat genug von ihnen! Ah! da kennt er nichts! Konkurrenz erträgt er keine!

«Ah! Colonel, was solls. Ich sags Ihnen ganz offen! All diese Leute müssen weg! So geht das nicht weiter!»

Ach tatsächlich, sonst geht er lieber! …

«Ich oder niemand, mein Freund! Los, gehen wir …»

Er zieht mich mit … Ganz Würde!

Alles lacht, sogar die Dienerschaft … alle halten ihn an den Rockschößen zurück …

«No! No! Sit Sir!»

Er hat gewonnen … Er ist auch zu drollig! …

Der Colonel will noch ein bisschen Spaß, er lässt ihn hin- und herlaufen … seinen Hut ziehen, wieder aufsetzen … Das Ganze im Salon … Eine Komödie! Die süße kleine Virginie amüsiert sich auch, wie die anderen, aber sie will nicht, dass man ihm übel mitspielt, ihn zum Hanswurst macht!

«Sit down Sir! Sit down!»

Sie bat ihn, Platz zu nehmen.

Ah! der Onkel aber wollte nicht! er verlangte die ganze Nummer, mit dem Rock, dem Drachen, allem. Sosthène merkte nichts … er erzählte seine ganze Geschichte beim Laufen, im Galopp, während er herumalberte … seine Heldentaten in Indien, die Schätze, die er entdeckt hatte … dann verloren … seinen Ärger mit der Gem Co … und was noch alles … während er da herumstolzierte … seine technischen Neuerungen, die wahrhaftigen Umwälzungen der elektrofugen Transfers … was die Wissenschaften ihm alles verdankten … seinen Pyrethrum-Oszillator eben für die Gase, seinen Millionstelmesser … was alles er sich seit 1902 in Berlin hatte patentieren lassen! was alles ihm geklaut worden war …

«Drinks!», ordert der Colonel. Ein Diener enteilt, stiefelt herbei … ein ganzer Keller von Flaschen, Flakons, Whisky, Cognac, und dann, eins zwei drei … er trinkt ganz allein … Noch einen! …

«Boah!», schüttelt er sich jedes Mal … Hartes Zeug.

Er räkelt sich in seinem tiefen Sessel, macht Oooh! … Oooh! immer wieder … seine Wampe wackelt nur so … er wiehert … er pflichtet Sosthène bei … er findet ihn drollig … Mich würde das ja umbringen, vor der Kleinen zumal! Wieder zwinkert er mir zu. Mir wäre es lieber, er wollte sich besser benehmen … Hol dich der Teufel! Er ist voll in Fahrt!

«Ich darf mir schmeicheln, Colonel, dass ich genau der Mann bin, den Sie brauchen! … Ich scheue mich nicht, das zu beweisen! Führen Sie uns ins Labor! … Sie werden staunen! …»

Ah! Ah! das ist mir ja mal echter Frohsinn, wahrer, famoser! Der Colonel ist hochzufrieden! Er schlägt sich auf die Schenkel, er frohlockt. Sosthène steht mitten im Salon und wankt nicht um Haaresbreite … er beginnt seinen Auftritt von neuem … Die Dienerschaft kapiert wahrscheinlich nichts … ein Clown ist das, nichts sonst! Alles, was er sagt, wird von Gelächter unterbrochen … er ist glücklich ob seines Erfolgs … Gut gemacht, die Nummer! … Der Colonel bietet ihm ein Glas an … er lehnt Alkoholisches völlig ab! Für ihn bitte Sodawasser! schlichtes Sodawasser!

Ich gehe einen Blick auf die Straße werfen … die Kandidaten trippeln immer noch von einem Fuß auf den anderen … Eine Menge ist es … und immer noch mehr … es kommen immer noch welche dazu … Die Anzeige hat Interesse geweckt … Sie haben alle die Times auf dem Kopf! … Jetzt regnet es, es gießt … Jemand sollte sie fortschicken, jemand müsste einen Entschluss fassen … und der Colonel entschließt sich nicht … Er prüft immer noch Sosthène … Ich frage mich, ob er Französisch versteht. Er leert noch ein Glas Whisky! Aoooh! … prustet er quer durchs Zimmer. Es scheint ihm die Gurgel verbrannt zu haben … Immerhin, er wirft uns nicht raus! Das ist das Wichtigste! Ich habe Bammel … Jämmerlich, dass Sosthène so rumkläfft … so viel Wirbel macht … Ich würde mich am liebsten winzig klein machen … für immer in Deckung gehen! …

Und jetzt regnet es noch mal so stark! … es prasselt nur so an die Fenster … Die Kandidaten kriegen mächtig was ab! … Aus der Menge steigt Geraune auf … Irgendwann stört das richtig … Aber nicht den Colonel … Er klatscht in die Hände … Die Diener sputen sich, bringen weitere Tabletts, einen ganzen gedeckten Tisch … voller Schälchen mit Futter drin! … welch eine Prachtentfaltung! … welch ein Prunk! … mir tropft der Zahn! ich schäume richtig! … Ah! mir schwindelt! … Rillettes! Anchovis! Schinkenplatte! Beef! Gorgonzola! alles en masse! in rauen Mengen! … Ah! was für eine märchenhafte Auswahl! … und das nach all dem Hunger! Butterschwemme! … in kleinen, großen Wellen! Ah! ich sehe alles doppelt! dreifach! Sosthène vor mir schwankt, richtet sich auf, stellt sich kurz auf Zehenspitzen, zwischen Himmel und Erde … und zack! macht er sich über den Tisch her! … auf allen vieren! flach auf dem Bauch! er sabbert! schluckt alles! … eine Dogge! und er grunzt! … Ein grässlicher Anblick … Ich weiß nicht, wohin mit mir! … Er sagt immer noch nichts … der Colonel ist hochzufrieden! … Er nimmt es nicht übel auf, überhaupt nicht! der hat wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank! Er jubelt richtig! … Ah! was muss er doch lachen! … Er bückt sich, um Sosthène selber zu füttern! … Stopft es ihm schier zwischen die Kiemen! … Wurst … Rillettes …! und mehr! immer mehr! den Mund voll bis zum Rand … Dem ist das nicht genug … er will noch mehr … Ah! gehört sich das denn vor dem Mädchen! … Ein Hund ist mein Chinese geworden! ein gieriger, er schleckt den Teppich ab! Was für ein Schauspiel! …

Jetzt bietet er auch mir Hühnchen an, unser Colonel O’Collogham, aber ich geh doch nicht auf alle viere! … dabei hab ich auch so Hunger! … schwindlig ist mir vor Schmacht! zum Umkippen! Aber ich kralle mich fest! Nichts rühre ich an! Im Liegen nicht, im Sitzen nicht, und nicht im Stehen! Ich will nicht mehr essen vor meiner Wunderbaren! meiner Unwirklichen! meiner Seele! meinem Traum! … Ich zittere! ich bebe! … stehe stocksteif! … vor Glut! … vor Verzückung! … bei mir hats eingeschlagen. Nein, ich esse nie wieder! Ich liebe sie! Ich liebe sie zu sehr! Hier vor ihr kauen? Wie der andere fressen? Er wagt es, das Schwein! … Und wenn ich dran sterbe! … ich sterbe für sie! … Hungers, aber meine Göttin, meine Seele! sie nun reicht mir ein Sandwich … zwei … drei … kann ich ablehnen? sie bittet mich … sie lächelt mir zu … Ich gebe nach … hab keine Kraft mehr … gebe nach! … Ah! ich bin besiegt! … ich schlucke! … sabbere meinerseits!

… Der Colonel spricht uns gut zu … ich bin ergriffen, bin besiegt … Wir futtern ihm die vier Platten leer! … machen uns alle frohen Mutes drüber her.

«Bravo boys! bravo!»

Er ist froh, dass wir nichts übrig lassen … Ah! ja, jetzt ist er ein richtiger Kumpel! wir sollen tüchtig zulangen bei seinen Sandwichs! bei der Keule! dem Kaviar! den Süßigkeiten, der Eisbombe! einer prächtigen Frutti! … wir schlingen! … Klar ist Sosthène der Gefräßigere! … Der futtert mindestens für einen Monat! … Sobald er aufhört zu fressen, schwatzt er weiter, zack! Aufschneiderei! nur immer zu mit den verrückten Geschichten! … nach jedem Mundvoll spuckt er eine aus … das Geplapper! das Geprahle! … nichts hält ihn auf bei dem Lobgesang auf sich selbst! er dichtet dazu … macht sich zum Weltwunder! … Noch eine Episode! … wie er dies erfunden hat und das! … seinen großen spektroskopischen Spiegel, der Gaslecks aufspürt … Liverpool-Patent!

Den Colonel wiegt das in den Schlaf, denke ich … er hängt schlaff tief in seinem Sessel … gähnt verstohlen hinter vorgehaltener Hand … Ah! jetzt kann ich ein Auge auf die Kleine werfen, dieses taufrische Wunder … Großer Gott, was ist sie schön! … Welch ein Engel! … welch graziöse Sanftheit! … Und so niedlich schalkhaft auch … Ich geb ihr ein kleines Zeichen, von wegen Sosthène redet ja wirklich zu viel! … das ist von mir schon gewagt … Sie antwortet mit einer kleinen Bewegung … ist sehr liebenswürdig … «Lassen Sie ihn doch! … der Onkel schläft ein! …» Tatsächlich, der Onkel nickt ein … Auch mir fallen die Augen zu, wo ich das sehe … Ich kann wirklich nicht mehr! … Sosthène redet immer noch … ich möchte wach bleiben … Virginie ansehen … sie immerzu ansehen! … anbeten … aber meine Lider machen nicht mehr mit … mir sind die Augen schwer, sie brennen … Ah! Ich kann nicht mehr liebenswürdig sein … nicht einmal lebhaft … nicht einmal komisch … sie zum Lachen bringen wie der andere Hanswurst … kann nur noch innen fühlen … wie mein Herz pocht … ich bin schwer … überall wie Blei … auf den Augen, hinten im Kopf … bin bleischwer … Ah! ich gebe auf … Ganz aus Blei … der ganze Körper … Nur mein Herz ist leicht … es pocht in alle Richtungen … Ich schlafe ein, den Kopf in den Händen, die Ellbogen auf den Knien … Bin einfach zu schwach … will doch nicht vor dem Mädchen … aber ich halte nicht stand … halte nicht stand … Ah! vor allem will ich nicht schnarchen! … Virginie ist da, vor uns … Wie gemütlich hier in diesem Salon! … ich schlafe erst halb! … ich döse … sie soll mich doch nicht schlafen sehen … der andere schwaduddelt noch immer …

«Herr Colonel! … Herr Colonel! …»

Hört der denn nie auf! … seine Drecksstimme lullt mich ein … sie lullt mich ein … ich weiß nicht mehr, was er sagt.

*
[zur Inhaltsübersicht]

Am nächsten Morgen um sechs wachten wir auf … in den tiefen Sesseln … Alle waren hochgegangen, ins Bett … Uns hatten sie schlafen lassen.

Als im Haus die ersten Geräusche zu hören waren, fing Sosthène an, überall herumzuschnüffeln. Er ging ins Büro hinunter, ein bisschen heißes Wasser aufsetzen. Er wollte Kaffee machen, fand aber nichts … Da kam er wieder hoch in den Salon, wir aßen den Rest von der Keule und der Blätterteigpastete … die Reste …

Sosthène fühlte sich angegriffen … Er ging sich rasieren … wieder im Büro … Dann kam er mit einem Bügeleisen zurück … Fing an, auf dem großen Tisch des Salons seinen Rock aufzubügeln … sehr sorgfältig die Falten … endlich treibt er einen Diener auf … der nur so durch die Hütte schlendert …

«Ich würde gern Ihren Colonel sehen, Mr. Collogham! und zwar dalli … Ich möchte mit ihm sprechen! …»

Ich musste es übersetzen. Niemand kam.

Sofort schauten wir nach, ob draußen noch Leute warteten, Kandidaten in spe … Sie waren nicht schlafen gegangen! oder frühmorgens wiedergekommen … Jedenfalls waren sie ziemlich blass … man konnte sie von weitem sehen, immer noch hatten sie die Times auf dem Kopf … es regnete weiterhin … der Lakai winkte ihnen zu, es lohne nicht mehr, überhaupt nicht … Wir winkten ihnen auch … dass sie alle verduften konnten! Sie begriffen nichts … Da unterdessen kündigt sich der Colonel an … Er kommt zum Breakfast … Ganz gute Laune … Zufriedenheit …

«Shake hands! Shake hands!»

Im gestreiften Morgenrock … gut ausgeschlafen … bester Dinge …

«Boys! Boys! …» Er greift uns, ärmelt uns unter … herzlicher gehts nimmer … zieht uns mit … Ah! er hat es eilig … wir laufen … Jetzt sind wir ganz hinten im Garten … zwischen zwei Büschen … eine kleine Hütte, efeubewachsen, verdeckt … dazu Gras, Müll, das ganze Dach voll Trümmer …

«Psst, psst!», macht er … dann hustet er, kriegt einen Hustenanfall … gleich lutscht er einen dicken Bonbon, einen Lutschbonbon … lutscht fleißig unaufhörlich …

«Goodsleep?», fragt er. «Goodsleep? Gut geschlafen?»

Endlich hörte er auf zu rotzen, und wir betreten die Hütte. Sorgsam verschließt er die Tür …

«Do you know the gas? …» Schon wieder eine Frage. «Kennen Sie sich mit Gas aus?»

«Oh! yes! yes!»

Wir wollten ihn nicht verärgern … Plötzlich bückt er sich.

«There! … There! …», schreit er …

Er dreht einen kräftigen Hahn auf … und es strömt! strömt! … fssssstt! … mächtig! Eh wir’s uns versehen … Haben wir es voll ins Gesicht bekommen … hastig springen wir zur Tür … wir rennen schneller weg, als wir gekommen sind! … ein Phänomen! … Während wir galoppeln, hören wir ihn … er lacht sich hinter uns weg, prustet los! Dreimal rennen wir um den Rasen, mit so viel Schwung sind wir geflohen … hustend, keuchend … Ah! schön erwischt! … Wir plumpsen ins Gras. Können nicht mehr … Ich traute mich nicht mal mehr zu atmen, so biss es mich im Hals … Kein Wunder, dass das Arschloch hustet … Jetzt husteten wir auch! Sosthène noch mehr als ich! … Da, blutiger Auswurf … ich ersticke dran … krümme mich röchelnd! … Ah! jetzt habe ich mein Fett weg für die Streiche! Das ist mir einer! Nicht auszuhalten, was für ein Witzbold! … Ah! ich hau ab … Ich rufe es Sosthène zu …

«Sieh zu, wie du mit dem Scherzkeks klarkommst! Der mit seinem Gashahn, ich hab die Nase voll! Salut! ’pfehlung an das Blondchen! …»

«Nein! Das kannst du mir nicht antun!» Er ist völlig außer sich … wirft sich mir an den Hals … umarmt mich …

«Du bringst mich um, wenn du das tust!»

Er fleht mich an … jammert … Redet auf mich ein, schwatzt los … das war doch nur ein kleiner Scherz, ein Witz … So sind die Engländer eben, originelle Einfälle … ich begriff halt England nicht … das war doch gar nichts …

Schließlich lasse ich mich einwickeln. Der Colonel holt uns wieder zurück, sein Grundstück ist ein Luna Park[2] … Er zieht uns etwas weiter zu einer anderen Hütte, einer anderen Baracke, auch unter Efeu versteckt … Ah! ich trau der Sache nicht, weiß Gott … Dieser Streich ist der Todesstreich! … Da gehe ich nicht rein! … ich schau von draußen zu … Drinnen Gewurstel, Treibriemen, kleine Dynamos, lauter Tische, am Boden mengenweise Durcheinander … ein Berg Hämmer, Kurbelwellen, lauter mechanischer Plunder …

«Da! da arbeite ich, Gentlemen! …», verkündet er voller Stolz … «Work! Work! I and my engeneers! Ich und meine Ingenieure …»

Heute ist es jedenfalls leer … Nix von wegen Ingenieure … niemand zugegen …

Er bückt sich wieder … Pfffttt! ein gelber Strahl … hat er wieder einen Hahn gefunden! Pfft! uns an die Beine! bevor wir es sehen! … ah! blitzschnell der Trottel für seinen Unfug … es entrückt ihn, er tanzt vor Entzücken! und hustet dabei! hustet! … hüpft vor närrischem Ulk … Das ist seine Schwäche! es lässt ihn springen! Ah! Sauberer Saukerl, und noch so stolz drauf! ich geb dir deine Gashähne, dass du dran erstickst! … Ich gerate auch immer an stattliche Stinker …

«Ruhe, Sie Elender! … Das ist der Anfang unserer Experimente! …»

Sosthène krallt mich … er ächzt, er sieht, dass ich gleich abhaue, er schaut mich jämmerlich an, ich soll ihn nicht allein lassen mit seinem Schmerz.

«Ach! Anfang? … na prost, Süße! … da will ich mal das Ende sehen! … Ich krepier noch an dem Husten! …»

Wirklich, ich halte es nicht mehr aus. Mir kommt es gelb und blutig raus, aus allen Löchern … aus Nase und Ohren … Fröhliche Weihnachten!

Den Oberst freut es trotzdem, er gönnt uns keine Ruhe, er hustet, hustet, aber er lacht sich kaputt … Jetzt zieht er uns noch weiter … Sniff! Sniff! Sniff! … So führt er uns scherzend vor, wie man es loswird … Einfach rückwärts atmen! … ein Gestank, ein Gekratze im Hals … tief unten drin … das brennt vielleicht … man wird ganz wund, immer schlimmer … ich würge mir noch die Lunge aus dem Leib! … Smmüüff! Smmmüüüfff! Es hilft nichts! Scheiße! … Er lutscht immer noch seinen dicken Lakritzbonbon … Ah! wäre ich doch abgehauen! Pech für Sosthène! … Sie wären schon klargekommen miteinander, die zwei … Aber da war noch die Kleine … Wenn ich so einfach verduftete auf einmal … dann wäre ja Schluss! … ich könnte mich nicht wieder blicken lassen! … Der Onkel wäre sauer auf mich Querkopf … Ah! ich zwang mich zu bleiben … hustete … hustete … schniefte … versuchte seinen Trick von wegen sniff! sniff! ging mit, im Grunde war ich feige … Jetzt gehen wir die Treppe hoch … ein Stockwerk … zwei … da sind wir … Er lässt uns vor der Türe warten.

«Wait!», gebietet er uns … «Wartet! …»

Ich bin sicher, gleich geht es wieder los! ah! ich bin sicher! Ich sag zu meinem Blödmann:

«Wirst schon sehen! diesmal bringt er uns um!»

Ah! mich juckts in den Beinen, ich will weg.

«Also Sosthène, ich geh dann, ich mach mich dünne! …»

Ich höre den Verrückten durch die Tür, er wurstelt mit Werkzeug herum.

«Wait! Wait!», ruft er von drüben.

Er hatte Angst, dass wir verschwinden.

«Hörst du? … Er macht die Rohre fertig! …»

Ich war sicher, ganz sicher …

«Nein! Nein! Warte noch einen Moment!»

Gut! ich warte, lass mich noch mal rumkriegen … ich Depp, ruh ich mich also noch was aus. Da bewegt sich die Wand … ein Teppich wird beiseitegeschlagen … beiseite … geht hoch wie im Theater … und wen seh ich da … mitten auf der Bühne? … Unseren Witzbold! … in eigener Person, und rausgeputzt! komisch! in großer Montur! Epauletten! Säbeltasche und der ganze Klimbim! … Er hat sich umgezogen. Will uns mit seinem Luxus verblüffen … Jetzt macht er auf großer Herr … Ein Colonel! Tschako! Paradesäbel! na großartig! … große Gala! Rockschnüre! Stiefel! Sporen! … knappsitzend in Khaki, mit rotem Revers! … Ah! unglaublich, und zieht ein Gesicht! … Federn am Tschako, ich bitte Sie! … Ein Possenreißer ist das! … Das soll eine englische Uniform sein? oder wo hat er den ganzen Zierrat her? … Ah! Sosthène mit seinem gelben Rock ist ganz schön schäbig daneben! … mit seinem kleinen Arschloch von Drachen! … den Mimosen-Posamenten! Ah! na dass ich nicht lache! … Er lässt sich kurz bewundern … dreht sich rundum geht ab tritt wieder auf die kleine Bühne! Welch Phantasie unser Colonel! Welch Wirkung!

Er lässt uns keine Zeit zum Überlegen … Hopp! schnappt er uns wieder! … Zerrt uns wieder irgendwohin … dürfen nicht einen Augenblick verschnaufen! … ein schmaler Gang … ein Stockwerk … eine Treppe … noch eine … Uff! da wären wir! … vor uns liegt der Dachboden. Er präsentiert die Räumlichkeiten … die «Halle der experiments», wie er sie tituliert … unter dem Dach, sie ist riesengroß … so eine Art seltsamer Schuppen … Ich sehe seine experiments … noch so ein sauberer Saustall! … Mit allem drin, Schrott, Glasmurks … Häufchen wie bei Claben … Ich blicke nicht durch, Unordnung, mannshohe Scherbenhaufen, Gerümpel aller Art … Ich bin sicher, er will uns einsperren … So machen sies doch meist! Was denkt er sich wohl wieder aus? … wo hat er die Hähne? … ah! ich weiß genau, ich suche sie an den Wänden … in der Luft … überall … dicht am Boden …

«Pssst! Pssst!» Er kommt ganz geheimnisvoll … diese Geheimnisse schon wieder! … Ist uns niemand gefolgt? … er fragt, er sorgt sich … und dann bückt er sich, ruft er … schreit laut die Treppe hinab.

«Virginia! … Virginia! …»

Noch zweimal … Niemand antwortet ihm …

Er dreht sich wieder zu uns um.

«She is shrewed! Sie ist schlau! …»

Jetzt sind wir gewarnt …

Er gnatscht seinen Lutschbonbon. Er kennt sich aus mit Virginie … Oh! jawoll! und wie! … Er lauscht … Nein! Nein! nichts zu hören … Er macht ganz leis die Tür zu … Kommt vertraulich nah … fast bis ans Ohr …

«Ich! Collogham! Colonel! Royal Engeneer!»

Er grüßt sich militärisch.

«Jawoll! zweiunddreißig Jahre Dienst! India! Here! In Indien! Hier! dort! … The Empire is in danger! große Gefahr! Das Gas! Das Gas! Haben Sies gemerkt, Gentlemen?»

Das haben wir gemerkt, da kann er Gift drauf nehmen!

«The devil! Der Teufel! Gentlemen! Hier bitte Gentlemen! die Sünde! Luzifer! Schwefel! Haben Sies gemerkt? Sulfur? Verstehen Sie mich? Da hilft nur beten! Pray God! Sofort! and now! …»

Auf Befehl!

«Pray God! Und zwar auf der Stelle! …»

«Pray God? …»

Ich gucke blöd.

Er packt meine Hände, faltet sie mir, will mich zum Beten bringen … Er meint es wirklich ernst …

«Hier! Los! Auf die Knie! …»

Auch er kniet sich hin in seiner Festuniform … Da knien wir selbdritt … Er muss zufrieden sein.

«Pray God!», schnauzt er … «Pray God! …»

Da hilft nur gehorchen.

Ich kenne bloß das «Vaterunser» … ich sag es auf … Sofort rückt er her … Will sich meiner Inbrunst versichern … umarmt mich … küsst mich auf die Stirn … Steht wieder auf, zutiefst entzückt! …

«Oh! You understand! … Oh! you understand! … my dear invincible! in … vin … cibelle! allies! magnificent allaies! … China! Fraoonkreich! … Auf die Knie! … ich weihe euch! …»

Das ist jetzt wichtig. Hauptsache, keiner lacht … Er zieht sein Schwert aus der Scheide … schlägt mich … tupft es mir auf die Schulter … Geschafft! … Wir sind geweiht! …

«England rule the World[3]! …», blafft er … «England regiere die Welt! …» Er wartet, dass wirs im Chor wiederholen.

«Hip! Hip! Hurra! …»

Geschafft! … wir wiederholen, und dann noch «Vive la France!» Wir haben die rechte Gesinnung! Er frohlockt! …

«Gentlemen!», er umarmt uns … «Sie haben begriffen! Die Boches kaputt! Gas! kaputt! … Finish! …» Er hustet! …

Ich trau dem Überschwang nicht …

«Aufgepasst! …», rufe ich Sosthène zu … Diesmal hab ich es gesehen! … er ist unter die Hobelbank gerutscht! … Gleich dreht er wieder einen Hahn auf! Nein! … Diesmal nicht! Was anderes! Ah! was bin ich erschrocken! Zwei Riesendinger zieht er raus, eine Art Masken, groteske Dinger mit mordsgroßer Brille … und ringsum ringeln sich Schläuche, Schlangen … kleine und große … eine Art Taucherhelm … aber viel doller … wirklich unglaubliche Geräte … die gewaltig schwer sein müssen … wir helfen ihm, allein könnte er nicht …

«Gentlemen! Safety first!»

Was ist er nicht stolz … er führt uns seine Raritäten vor.

«Wilhelm der Conqueror 1917! Nach Berlin! Nach Berlin! Modern! … Modern! …», verkündet er. Und zieht seinen Tschako … Setzt sich einen Apparat auf … Scheint damit auf Berlin ziehen zu wollen … Na ich halt ihn nicht zurück …

Ah! wir haben Glück, wir sind an einen dollen Kerl geraten! Er erklärt uns seine Apparate … sie haben ihresgleichen nicht … nicht verwechseln … der eine mit Ventilen! … Hier der! … der andere ohne! … Da, die «Ballonflasche»! … der schwerere! … mit einem großen Bleirohr … Der andere, sozusagen das «Ventil-Modell», geht oben am Kopf halb auf … sehen Sie mal die kupferne Maske, die sich senkt und einem die Augen verhüllt, und die blaurote Brille … Jetzt soll Sosthène es ausprobieren! … na los! er soll an den Ventilen schnüffeln … Er wird sich amüsieren! … Jeder kommt mal dran, versteht sich! … Sie beginnen, über Technik zu diskutieren … Ich sehe zu, sie ärgern mich … Sosthène und sein chinesischer Fummel … der andere in seinem Operettenaufzug … Sie ereifern sich … Ich aber überlege … ich bin nicht auf dem Laufenden … Sie wollen mir das Schnüffelsystem dennoch erklären! Ah! da weigere ich mich kategorisch! Sie wollen mich überreden … Ah! was könnte ich sie zum Teufel schicken! Das ist doch alles widerwärtig, völlig … Nur ist da eben noch Virginie … Ich grübele … grübele …

Der Colonel ist absolut in Form, richtig begeistert. Er hat noch einen anderen Einfall …

«Alle drei! Wir alle drei im Krieg! War! Uahr! Uahr! …»

Immer noch unter seiner Maske, nicht wahr …

Wollte er darauf hinaus? … Die Deutschen wollte er zurückdrängen mit seinem Ventilrüssel … Oh! bitte schön, nur zu … Scheiße! prost, auf die Seinige! Das hab ich mir gedacht! … Ich bedeute Sosthène, dass wir verduften … Aller guten sind drei! Endstation! Doch überhaupt nicht, sie sind dicke Freunde! sie findens so schön wie irgend möglich … Wollen nicht mehr auseinandergehen … Sind ganz geil auf die Instrumente … Sosthène sieht mich nicht mal mehr an. Sie gehen die Deutschen verjagen! … Sie versprechens einander, sie schwören … Sie kauderwelschen perfekt franzönglisch. Sie müssen sich doch falsch verstehen … Kurz, sie verehren einander. Also ich geh nicht unter … eine Gasglocke oder Scheißglocke! … Grüß Gott Fantasia! Sollen sie heiraten meinetwegen … Ich missgönne sie niemandem … Warum hat er den Urahn nicht mitgenommen? Achille Rodiencourt … Hatte mir genug von ihm erzählt … Außerdem, mit Helmen kannte ich mich aus … hatte im Krieg welche aufgehabt … mit dichtem Dachsfell überall … Ich dachte nach … Die waren nicht so schwer wie diese hier … dabei waren es richtige Helme beim 14. Kür … Oh! juhu! ich hatte jetzt noch Hornhaut auf dem Schädel davon … Und nun also mit Froschaugen und angeblich gegen Gas … was würden sie jetzt anstellen mit ihrem Unfug … Oje! beschissenes Schicksal! Es war noch nicht vorbei … Und das mit meinem Original von Sosthène … sie verstanden sich ausgezeichnet … Kümmerten sich gar nicht mehr um mich … Machen sich über das Material her … nehmen alles auseinander, machen es kaputt … sind sich völlig einig … sie zerpflücken alle Systeme … zerdeppern alles mit dem Hammer! … dem Schraubenzieher! … schlagen die Splinte heraus … dreschen drauflos … durch die feinen Membranen! … Sie wüten stöbern grässlich ist es … Als hätten sie Fieber auf einmal … Und sie prusten, sind glücklich … wie besoffen vor Mechanik! wenn ich was sage, tun sie mir was an … Zerstörungswut! sie scheren sich nicht um mich … sie haben es auf ihren Krempel abgesehen … Machen sich darüber her … wie die Wilden … jeder auf einer Seite! … Hau ruck! … schnappen sie sich die wunderbaren Masken … werfen sie an die Wand! und sich über die Trümmer! … Ich sehe nur noch ihre Hinterteile! beim Chinesen bestickt, beim Colonel scharlachrot … sie zerstreuen die Teile … werfen alles in die Luft! … Mit vollen Händen! … es regnet … es fällt herab … Nägel … Glimmer! … Wahrscheinlich hat das Gas sie besoffen gemacht … selten so gelacht! … kleine Spinner! … Ah! sie widerten mich an … Und Salut! Wäre ich klammheimlich verduftet … Sie hättens nicht einmal bemerkt … Gut! Auf gehts! … Ich schüttele mich! … und da, plopp!, kneife ich doch wieder! Was ist mit der Kleinen? Ich zaudere, weiß nicht recht, bin verzagt … Wie soll ich ihr auf Wiedersehen sagen? … Es würde mir Unglück bringen, gar kein Zweifel, abzuhauen wie ein Flegel … sie war doch so nett gewesen … so großherzig, besonders zu uns zwei … als wir uns so aufgeführt haben, vor allem der andere da, dieser chinesische Vogel … Ah! ich wollte sie wenigstens wiedersehen … ihr klarmachen, bevor ich gehe, dass ich kein Niemand bin … ein Wörtchen … nicht einfach so verschwinden wie ein Lümmel, Vielfraß Idiot Rüpel … stimmt schon, sie war ein junges Ding, mehr nicht, aber doch schon ernst zu nehmen wie eine Frau … man sah, dass sie Anweisungen gab … sie setzte sich durch hier im Haus … sie war der Engel des Hauses … ah! ich wartete auf sie, und außerdem, nicht wahr … die beiden Verrückten, meine Zertrümmerer würden ja doch irgendwann genug haben und auf ihren Trümmern einschlafen … Schon droschen sie viel weniger heftig drauflos. So ein Anfall dauert nicht ewig.

*
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So schnell ging es aber nicht vorbei … sie hatten einfach zu viel Spaß … mindestens drei Stunden bauten sie noch auseinander und wieder zusammen, dann bastelten sie Scherzartikel … versteckten Werkzeug voreinander … hauten es sich über die Birne … machten sich ätsch … ein Zirkus! besoffene Affen!

Sosthène hatte seinen Rock hochgekrempelt, ihn mit «Hebammennadeln» festgesteckt.

«One wealve embryoun gentlemen!»

Er führte alles vor, unser Colonel … die große Erfindung, die er sich da mit einem Klick auf den Bauch schnallte, wie trickreich! wie er das Gas «anfeuchtete», die Luft und den Stickstoff! wie er sie einfing Tropfen für Tropfen! mitsamt dem Gift! muss man gesehen haben, das System! Sosthène sperrte das Maul auf … brachte kein Wort heraus … blieb völlig regungslos …

Da springt auf einmal der Colonel auf, stellt sich hin … steht da, den Zeigefinger in der Luft …

«Piss! Piss!», schreit er … «meine Prostata! …»

Mit starren Augen, als hörte er Stimmen! … Das ist mir ja wieder eine Geschichte! Dann wühlt er in seiner Unterhose, steckt sich den Finger in den Hintern … und stürzt hinaus, verschwindet! …

Später gewöhnten wir uns dran, das hatte er eben von Zeit zu Zeit, nach Aufregungen vor allem … dann gab es keine Gnade und kein Halten mehr! Diesmal war es mir gerade recht … Ich hatte mit Sosthène ein Wörtchen zu reden. Wollte meine Dinge regeln.

«Sosthène! Sosthène!» Ich greife ihn mir … «Sosthène! wohin soll das bitte führen? Sagen Sie schon! bester Meister, damit Sie es wissen! Ich marschiere nicht mehr! … Nix da mit Zurück-in-den-Krieg! … Kommt nicht in Frage! …»

Ah! ich drücke ihm wahrhaftig die Luft ab … Er schaut mich an, ich entsetze ihn.

«Wie denn? Sie sprachen doch von Sterben? von Selbstmord! von Verzweiflung! Und nun schlottern Sie vor lauter Bammel?»

Ah! ich bringe ihn aus der Fassung.

«Ich dachte, Sie wären froh darüber! … Sie würden die Gelegenheit beim Schopf packen! …», fügt er hinzu.

Ah! das nehme ich ihm krumm, dem Sack. Er dreht mir das Wort im Mund herum!

«Und Sie seltenes Gewächs!», gebe ich zurück … die Zauberwirkung meiner Prügel! «Träumen Sie immer noch davon, nach Indien zu reisen? Reisen Sie nun oder reisen Sie nicht? … Vielleicht sollte man sich langsam mal entscheiden? … Alter Geck Hochstapler Hahnrei! …»

Ich halte nicht mit meinen Gefühlen zurück …

«Theater abgeschmacktes! … Ammenmärchen! …», sage ich noch.

Jetzt hatte ich ihn am Arsch.

«Oh! aber bitte!», meint er! … «Oh! wie ungezogen!»

Er ist verstimmt … ich habe ihn erbost.

«Was erlauben Sie sich eigentlich? …», fragt er von oben herab.

«Und Sie, alter Blender!»

Jetzt werden wir sauer … Ich rede laut und deutlich weiter.

«Ich krepier doch nicht für Ihr schönes Gesicht!»

«Aber was denn? Was fehlt Ihnen eigentlich, Sie schöner Idiot? Das ist doch eine Chance! Eine unverhoffte Gelegenheit! Eins zu tausend! Haben Sie die Bedingungen vergessen? … Wir sind schon bei 1500 Pfund!»

Als wäre er außer sich!

«Wo haben Sie jetzt die 1500 Pfund her?»

«Na der Colonel bietet sie uns!»

«Ach! er bietet sie uns! wo denn? Sehr gut, ich nehme Sie beim Wort, dann kleide ich mich neu ein, und zwar sofort! Einen Anzug will ich, einen niegelneuen! Das ist meine anständige Bedingung … ist doch kein Luxus! … Sie habens mir genug unter die Nase gerieben … ‹Haltung, junger Mann, Haltung›!»

Wirklich, er hatte mich beschämt …

«Also! Zwölf Pfund, ist das recht?»

Ich nannte meinen Preis, wollte das sagenhafte Moos sehen, einen Blick darauf werfen wenigstens … Ich verlange gar nicht 1500! zwölf! … eine kleine Vorauszahlung, mehr nicht!

«Na los schon! damit ich was zum Anziehen habe! dass ich Ihnen ein bisschen Ehre mache! … Ich hab keinen chinesischen Rock, Herr Graf!»

«Oh! was sind Sie hastig und brutal! …»

Der Schmutzfink!

«Sie werden alles verderben! Der Colonel ist einverstanden! uns sehr gewogen … Aber einfach so plötzlich! damit verschrecken wir ihn, sonst nichts! so einfach ist das!»

«Na los schon! ein kleiner Vorschuss! Ich kann doch diese stinkenden Fetzen nicht behalten … Sehen Sie sich den Aufzug mal an! Ich sehe doch erbärmlich aus! Widerlich sogar in diesem Haus! … Wo denken Sie hin? Sie haben mich selber gewarnt! Sie haben gesagt ‹Das Aussehen, Ferdinand! das Aussehen›! Sehen Sie sich das Fräulein an! was soll sie denken? … Von wegen Aussehen! Penner sind das, die hier gelandet sind! Sie als Chinese, ich in Lumpen! … Ah! ist das denn hübsch? … Ich habe überall rumgelegen, das wissen Sie doch! ich bin nicht mehr vorzeigbar!»

«Ach? das Fräulein interessiert Sie? Verstehe! Verstehe!»

«Das geht Sie nichts an, Mist!»

«Ah! dem Schlingel schwillt der Kamm!»

«Mir schwillt der Kamm? … Abwarten, was mir schwillt!»

Was mischt er sich ein! …

«Aber der Minister für den Uahr! War! haben Sie nicht gehört?»

Fängt er wieder an mit dem Geschwätz.

«Die Bestellung liegt bereits vor! ich versichere Ihnen!»

Der Lügenbold! Fing der wieder an zu spinnen! Was für mich zählte, waren die zwölf Pfund, die ich brauchte, um mich in Schale zu werfen! … Ich kannte nur mein Bedürfnis, und zwar gleich! Sonst nichts! …

«Der Colonel hat Ideen! …»

«Ideen haben wir alle! Scheiß auf den alten Knacker verflucht noch mal! …»

Er machte mich rasend!

«Die Welt stinkt vor Ideen … Ich will Schuhe, fertig! und einen Tweedanzug!»

Ich konnte es nicht fassen! Zwölf Pfund! Zwölf Pfund! … Einen Vorschuss! einen kleinen Vorschuss!

So redete ich auf ihn ein.

«Hat Sie also die Liebe am Wickel? Sind Sie ins Herz getroffen, Romeo?»

Er war ganz stolz und konnte es nicht lassen.

«Scheiß auf Liebe! meine Schuhe sind hinüber! Ich habe Löcher im Hosenboden! Geht Ihnen das nicht in den Kopf, Alterchen? …»

«Was wollen Sie mit diesem Geld tun?»

«Mich einkleiden, Meister! … prachtvoll! Ihnen Ehre machen! Ihnen zur Freude!»

«Offensichtlich haben Sie Fieber! … Sie haben Fieber!»

Er erklärte alles.

«Ich habe genug von den Lumpen!»

«Also gut, gehen Sie bei mir zu Hause vorbei, bitten Sie Pépé um einen schönen Rock! … Einen von mir! … Einen schönen mit lauter Blumen! Ich leihe ihn Ihnen!»

«Ein Chinese reicht!»

«Ihre Hast stürzt uns ins Verderben! Das geht ganz schnell, ich warne Sie … Es ist ein Fehler! blanker Irrsinn! Sie machen uns unsere schönen Chancen kaputt! Gedulden Sie sich doch bis Montag … Das gibt mir Zeit … bis nächste Woche … Hören Sie! ich rede heute Abend mit ihm darüber! … mehr kann ich nicht versprechen … Es ist so heikel auf Französisch … Soll ich ihn denn derart überfallen? O herrje!»

Er war ganz krank.

«Nein! Nichts da! Ich warte nicht. Lassen Sie sich verpökeln! Ich hau in den Sack!»

Ah! mir ist nicht beizukommen!

Er mustert mich rollenden Augs … kann sich gar nicht erholen von meiner Entscheidung.

«Das mache ich wirklich! Gewiss! Ich kenne nichts! Sechs Pfund! … Sechs Pfund, kommen Sie, jetzt gleich! …»

Ich gebe ihm Rabatt. Sechs auf die Hand.

«Sechs Pfund, das geht doch, oder?»

Er knausert immer noch, sträubt sich …

«Morgen, ja? Gleich morgen früh! …»

«Nein! Nichts da! Jetzt sofort oder Schluss! …»

Er sah ein, dass er im Unrecht war. Er dreht seine Taschen um … den ganzen Rock … kein roter Heller! … das Futter … nichts, gar nichts …

Ich machte meine Rechnung auf! Ein ordentlicher Anzug? … Der käme wenigstens auf drei, vier Pfund … ein kleiner Wettermantel: zwölf Shilling! … es bräuchte nicht mal was Elegantes zu sein! nur das Nötigste, was Vorzeigbares … Über die Treter reden wir später …

«Gestern ging es Ihnen noch gut! …» Er war überrascht … «Sie klagten über nichts!»

«Ja, aber heute ist es anders! …»

«Eieiei, sieh mir einer diese Jugend an, wie ist sie launisch … unbeständig …»

Er schnaubt, grummelt, sucht sich nochmals ab … Schlägt sich an die Stirn … Überlegt … wirft einen Blick auf den Schrank … das Regal … die durcheinandergewürfelten Flaschen … Er meint …

«Geben Sie mir einmal die da! … die große, glänzende! …» Ich gebe sie ihm. Sie ist schwer …

«So, jetzt fix! Verschwinde!»

Er schiebt sie mir tief in die Tasche.

«So! So! Schau, dass du wegkommst! Jetzt kannst du ein Geschäft machen! …»

Ich sehe ihn an.

«Geh in die Petticoat Lane! Du weißt doch, wo der Flohmarkt ist?»

Wusste ich.

«Das ist Quecksilber für Thermometer! … das bringt dir sieben, acht Pfund mindestens! … und dass du dich nicht übers Ohr hauen lässt! … Es ist rein! … Extraklasse! … gib acht!»

Ah! was rät er mir da … er schickt mich los! Darauf wäre ich nicht gekommen …

«Na los, träum nicht! …» Er schubst mich. «Willst du deine Plünnen oder nicht! Du kriegst ihn, deinen Dingsbums-Regenraglan!»

Und schiebt mich hinaus! Ah, das ist ja doch gewagt!

«Cheviot für den Herrn! Nur vom Feinsten!»

Ich fass an die Flasche, weiß noch nicht recht.

«Ah! müssen schon wissen, was Sie wollen! …»

Stimmt! da hat er recht. Jetzt bin ich es, der zaudert.

«Na los schon! Scheiße! Gleich kommt er wieder hoch!»

Ah! er überredet mich, zum Teufel!

«Salut!», ruf ich ihm zu. «… auf Wiedersehen! Ich mach schnell, hörst du, ja? Ich hab nicht für lang! … Bin gleich wieder da! …»

Ich wusste schon, welchen Anzug … hatte ihn in der Auslage gesehen … Ecke Tottenham-Euston … da gab es einen schnieken … beige gewürfelt, wie es damals chic war … ich hatte ihn gesehen … hatte ihn im Auge … Ich hatte Angst, er könnte schon weg sein …

*
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Ich hab nicht getrödelt beim Einkaufen … War vor sechs Uhr zurück, absolut blendend in Schale … wirklich eine Gelegenheit … nicht wo ich dachte, in Tottenham … sondern bei Süss am Strand, so gut wie neu … Ich hatte sein Quecksilber gut versilbert … Drei Pfund fifty ganz genau … das war die Mühe wert … Ohne unangenehme Begegnungen … hatte mich beeilt … war vom einen Schneider zum anderen gehechelt … Draußen fühlte ich mich nicht sicher, so weit weg von meinen Freunden … sie waren zu allem fähig, während ich weg war! … Ich hatte heimlich den Mirror gekauft … nichts mehr von Greenwich … man schien uns zu vergessen … Trotzdem fühlte ich mich nicht sicher … Ah! nichts als Sorgen! … Ich bummelte nicht auf der Straße … schön wie ein Stern, das ist schon wahr … Ein Pfund fifty der Anzug, und mit Besatz! … ein Cheviot, echt homespun! … Seht euch den Clubman an! Galopp! … ich renne! … Willesden! … Da ist das Haus, ich sehs … das Tor … Kein Konkurrent mehr davor … keine Menschenseele … Hatten sie es doch noch gemerkt … Ich nehm das kleine Gartentor … schon bin ich in dem großen Flur … springe die Treppe hoch … ein Lakai hält mich an … lenkt mich in den Salon um …

Ich sage mir: «Jetzt ists passiert! …»

Kaum sitze ich, geht eine andere Tür auf … Der Colonel und das Mädchen … Braucht keine Worte … ich wusste es! …

«Oh there you are? …»

Was waren sie froh, mich wiederzusehen … ganz Liebenswürdigkeit, die zwei! Er lutscht seinen Lutschbonbon … ein Stück Nougat … Mustert mich von oben bis unten … Er hat seinen goldenen Zierrat abgelegt, ist angezogen wie ein normaler Mensch.

«O isn’t he smart? Wie elegant! Welch hübscher junger Mann!»

Das ist alles. Doch dann kommt das dicke Ende.

«Und das mercury?»

Da! … Wusste ichs doch! … Er knöpft sich mich vor! Und zugleich lacht … prustet er … Ah! hihi, wie lustig! … Ah! ein gelungener Streich! die Kleine auch … Sind beide ganz entzückt … Gar nicht schwierig! … Ah! mir ist das gleich klar! … Sosthène … Ah! der saubere Saukerl! Wenn ich den! …

Natürlich ist er nicht da …

Ich werde rot … grün … stottere … Was werden sie mit mir tun? … Ich werd doch nicht um Entschuldigung bitten? … Ihnen zu Füßen fallen! … sie anflehen! … Scheiße! Passiert! Was solls!

«Kann ich gehen?», frage ich … «Go out?», als wäre nichts …

«Sit down! Sit down! Nehmen Sie doch bitte Platz!»

Herzlicher freundlicher netter gehts nicht … Sie wollen mitnichten, dass ich gehe … Sie sehen mich viel zu gern an … Sie scheinen überhaupt nicht verärgert … Aber das hat nichts zu sagen … diese Engländer sind von Heimtücker und Söhne! … die gebens einem mit Unschuldsmiene … ich durchschaute ihr abgekartetes Spiel, es hatte geklappt wie geschmiert … Eine Falle, zack! … Beim Arsch hatten sie mich gekriegt! … gleich würden die Flics angezittert kommen … Pfoten hoch, Madame, auf frischer Tat! sie würden sich ein bisschen vergnügen … «So gestehen Sie schon, junger Mann! Woher haben Sie diesen Anzug? Fix! … In den Käfig, Junge! sechs Monate für dies! drei für das!» Dazu noch meine Schulden! Owehoweh! ich sahs kommen! Sie hatten mich am Wickel, jetzt wurde es ernst! … Ah! das hatte ja wunderbar hingehauen! Jetzt hatten sie mich genagelt … So ein Schaf! Elf … zwölf Monate garantiert! … Und wo mochte der andere Schlingel sein? Sicher oben auf dem Dachboden … Sollte ich hochgehen, ihm einen erzählen? … Sollte ich denen hier was erklären? … In Zivil jetzt der alte Knacker! … Ob der ein Colonel war? Vielleicht war er nur ein Flic? … Ach Scheiße! Mir tat es überall weh … Ah! schon wieder sabbern! … hoppeln! … fuchteln! … Märchen erzählen! … Ah! sie machen mich dumm und dusslig, das ist alles! … nee, Nase voll! gestrichen voll! … Sollen sie denken, was sie wollen! … «Verzichte! Bleib sitzen» … Das war die Stimme der Vernunft … Ich würde mir mitspielen lassen, aber trotzdem, ich habe Mordsgewissensbisse … Bin doch nicht der Obertrottel …

«Also, kommt jetzt Matthew?»

Frage ich sie ganz offen. Ich kenn ja das Lied.

«Matthew der Inspektor? … Inspector? Heh? der Flic vom Yard?»

«Matthew? Matthew?», sie verstehen mich nicht … sie wissen nichts! … Was für eine Welt! …

«Tea? Tea?», bieten sie mir stattdessen an.

«Bleib mir bloß weg mit Tee! zum Donner! …»

Sind wirklich dreckige Heuchler … Gefällt ihnen wohl, mich so zu sehen … in der Falle, gefesselt, durcheinander … Eine Zerstreuung. So sind diese Leute eben … Reich, englisch, aasig … ohne Ansehen des Alters noch Geschlechtes …

«Nun gut! ich nehme Tee! … Gern …»

Wo wir auf die Polizei warten … bin ich eben auch gelassen … Ich will nicht nervöser sein als sie! … Was kann mir das Ganze schon anhaben im Grunde! … Na los! … Nur immer zu! … Ich hab nicht mehr viel zu verlieren! … Der Tanz geht weiter! Die Kleine schnattert … tänzelt … um mich herum! aufgekratzter gehts nicht … hüpft die ganze Zeit … welch hübsche Muskeln! … Sie führt das Gespräch! Was eine Schwatztante! Ganz schön kess für ihr Alter … Redet über Kino … Kricket … Sport … die contests! … und macht dabei ihre Luftsprünge … Keine Rede mehr von meinem Quecksilber … Der Colonel wischt sich den Mund ab … er will aufstehen … Die Prostata mal wieder? Nein. Er verkündets, es ist was anderes … er geht arbeiten … Er lässt mich allein mit der Süßen … Ah! seltsame Sitten … Geht ab mit seinem Lutschbonbon … Ah! er ist ja doch erstaunlich … Entschuldigt sich vollendet höflich … Geht hoch zu den Experimenten … Wird Sosthène bei den Masken treffen … Gut! … Sehr gut! … Mehr will ich nicht verlangen!

Ich beruhige mich unterdessen … ist schließlich Mode so! … Ich riskiere nichts einerseits, andererseits … Warum mich aufregen? Sie machen sich nichts draus … ich bleibe sitzen … nehme noch Tee … der gibt Haltung … die Kleine schenkt mir ein … Ah! wie schön sie ist! … wie wunderbar! ich kann mich nicht fassen … dieses Lächeln! … All das für mich! … wir zwei hier allein! … Drollig, der Onkel … ich denke nach … Ah! diese kleine schalkhafte Schelmin … sie ist eine Spitzbübin, weiß ganz sicher, was hier gespielt wird … Gern würde ich mit ihr über das Quecksilber reden … es quält mich … macht mich fickrig … Doch nein! sie bleibt nicht am Platz … Bewegung ist ihre Natur … sie macht mich sogar benommen, zugegeben … sie hüpft, dreht koboldhaft Pirouetten … im ganzen Zimmer um mich herum … Was für hübsches Haar! … Gold! … diese Lausbübin! Beim geringsten Wort sieht sie mich an … sie nimmt mich nicht tragisch … ich möchte tragisch sein … ich sehe ein scherzhaft böses Funkeln in ihrem Blick! … Sie soll weiterlächeln! … und sei es über meine Dummheit … Ich bin ein Idiot mit meinem Anzug! … Dass ich extra für den rausgegangen bin! … ich mache mich lächerlich … und dann noch mit dem Quecksilber! wie das auch wirken muss! Dieb! Ich schäme mich so … sitze auf glühenden Kohlen … Erröte … könnte nichts sagen … höre jetzt ihr zu … ihrem Geschwatze … englischem Getschilpe … alles verstehe ich nicht … Sie redet ein bisschen schnell … neckisch ist das Englische, verspielt, eulenspiegelhaft, wenn die Mädchen es reden … es hüpft seinerseits … klingt … lacht über ein Nichts … purzelbaumt … pocht … Was für eine Fröhlichkeit! … Was für ein schönes blaues, dann malvenfarbenes Glänzen … ihre Augen nehmen mich völlig gefangen … Schnell passiert! ich vergesse … sehe nichts mehr … sie ist eine allzu wohltuende Blume! ja, Blume … ich schnuppere … Kornblume … Vogel, habe ich gesagt … Vogel gefällt mir besser … was solls! ich bin verzaubert … Kornblumen ihre Augen … ein Mägdelein … und dieser kurze Rock! … Ah! das ist zu viel Verlockung, Schwein! das offene blonde Haar … wenn sie springt, leuchtet die Luft auf … Ah! es ist zu schön … gleich werde ich schwach … Es ist zu schön! … Ah ich beruhige mich! … Scheiße, was solls … Ich sollte nicht … Dass er uns auch allein lässt, dieser Kauz! … Wo wir schon mal allein sind, wir zwei … Ah! ich sitze zu gut in dem Sessel … es ist mir schrecklich wohl … Ich bebe! bebe … Ah! was ist sie hübsch, diese kleine Göre … ah! was bete ich sie an! … Anbeißen könnte ich sie … Wie alt mag sie sein? Ob ich sie wohl mal frage ganz kess? … Doch nein! ich trau mich nicht mehr! … nehme noch Tee … esse ein wenig … immer noch von wegen gute Sitten … ich erinnere mich an gestern. Scheußlich, vor ihren Augen zu kauen … hier mampfen, schlucken, vor ihren schönen verehrungswürdigen Augen … das könnte ich nie … es würde mich umbringen ah! … ein Taktgefühl, das mich verzehrt … ich will nicht mehr, und wenn man mich schlägt, ich esse nicht! … ich wäre taktvoll gestorben, bitte sehr! … alles aus Glut für Virginie! … Ist doch ihr Name, Virginie? … Ich muss sie fragen, wenn ich mich traue? …

«Virginia? … You Virginia?»

«Yes! Yes! …»

Ah! zu schön … alles ist zu schön! ihr Blick! ihr Lächeln! ihre Schenkel! Ich kann sie sehen, wenn sie hüpft, kann ich ihre Schenkel sehen … sie ist ungeniert … schau: muskulös, rosig, gebräunt … ihr Rock ist zu kurz … Ah! was für eine köstliche Gesellschaft sie mir ist … oder sie bewacht mich schlicht … Darf ich trotz allem nicht vergessen … Heuchler sind das … hab aber keine Lust zu gehen … ich bin gefangen! … sie hat mich gefangen! … Ah! ich wage überhaupt nicht mehr, mich zu rühren … Am Ende würde sie ‹zu Hilfe› rufen, wenn ich mich rühre? … welch ein Tête-à-Tête! Ich bleibe ganz brav … Ich lass mich bezaubern, höre ihr zu, kleine, lustige Sätze, ihre kleinen, wundersamen Bemerkungen über alles und nichts … Ich lehne die Kekse dankend ab … es ist ihr nicht recht … sie schmollt … ich würde alles futtern für ein Lächeln … alle Kekse, das Tablett, und den Tisch dazu … ich bin schon ihr Gefangener … im schönsten Gefängnis der Welt! … Ach, gern bliebe ich hier sitzen … Ich sage:

«Ja! Ja! Yes! … Yes! …»

Ich will gern alles, was sie will. Sie will, dass ich noch Tee nehme … Ich schenke mir nach, ich stopfe mich voll … doch dann soll ich aufstehen … soll zum Fensterladen treten … Sie will mir etwas zeigen … dort im Fensterladen … im Efeu … Ah! ja! ich sehs im Lichtschein … in der Ritze … das winzige Auge des Spatzes … Ah! hat er uns auch beobachtet! … Piiep! … Piep … ja gewiss sieht er sie! dass ist wirklich außerordentlich! ein dicker, aufgeplusterter, frecher Spatz eben! wie sie! … er wartete … er spähte … äugte nach uns mit seinem kleinen, runden Auge durch den Spalt … winzigem Auge Stecknadelkopf … ganz schwarz glänzend und Piep! piep! piep! …

«Er wartet auch …»

Sie klärt mich auf … Es war, damit ich begreife … ich soll genauso geduldig sein wie der Spatz. Sie lacht.

Seltsam, das ist nun Ewigkeiten her, ein Jahrhundert sozusagen, und ich denke immer noch an diesen Spatz … Sie hat ihn mir gezeigt … Wenn ich einen Fensterladen sehe, Efeu, denk ich immer an sein kleines Auge … Ah! es bleibt einem nicht viel, recht bedacht, von einem ganzen Leben voller Machenschaften, Saufgelagen und Versprechen, woran man sich erinnern mag, also Angenehmes meine ich … verschwindend wenig insgesamt … wimmelt nicht gerade davon … Kann sich jeder vorstellen … Und ich, an diesen kleinen Spatz da, das ist was, woran ich immer glücklich zurückdenke … ich möchte nicht, dass er wegfliegt … er wird fortgehen, wenn ich nicht mehr bin …

Sie war ein feines Mädchen, das Mägdelein … sie machte sich geschickt an mich ran … sah, dass ich empfänglich, bezaubert war … ihrem Geschwatze aufmerksam zuhöre … also erzählt sie von ihrem großen Hund, ihrem Spaniel … da ist er … fettwanstig … er hustet, tapst wie der Colonel … wie der Onkel … Ein ziemlich täppisches Tier, recht alt schon, kurzatmig, sabbernd, sie denkt für es, wunderbar, wie sie denkt, wie sie anstelle des Hundes redet … für ihn … es macht ihn ganz glücklich … er wedelt mit dem Schwanz … ein bisschen blöd ist es, aber zauberhaft … ich würde auch gern so den Hund verstehen, den Spatz und sie auch … ah! und alle Tiere … Pferde auch verflucht … ich möchte sie mitnehmen … eine Fee … Welch fröhliche Macht. Das ist die Freude. Ich bin baff … bin glücklich, hier neben ihr … ich vergöttere sie! … es macht mir einen Knoten in der Brust, wenn sie mich anschaut … es kitzelt mich innerlich überall … wenn ich ihr Englisch höre, so lebhaft und verspielt, eine Schwatzgirlande in der Luft … verstohlener Schalk … Ach ich wusste nichts … was ein Schlingel, dieser Hund … Ah! ich will noch mehr! … sie soll mir mehr erzählen über Slam, den Tolpatsch … ah! mehr! … es ist köstlich! göttlich! … Aber das ist doch eine echte Fee! mehr als ein Kind! … Der Hund versteht sie auch … beide reden sie über mich, meinen Anzug, mein Gebaren … er antwortet mit seinem Schwanz, wedelt, klopft den Teppich … Es stimmt … man sieht, dass sie sich einig sind … Mich versteht sie sicher auch … Ah! die Welt ist verwandelt auf einmal! … Jetzt will sie, dass wir spazieren gehen … wir spazieren um den Tisch … das ist der Garten der Wonnen … mit dem alten Spaniel … wir drei einfach so völlig einig … ich gehe im Traum … sie führt mich an der Hand … geht uns in die Wunder voraus … von einem kleinen Wort zum anderen … über das Zuckerstück … die Pastete auf ihrem Teller … die Schwalbe, die bald kommt … Ah! die zaubrische Komödie … Ah! wie liebe ich das! … Ah! wie liebe ich sie! … wir spazieren bei den Feen! … Jetzt sind wir da! … Der ganze Salon ringsum ist eine Märchenwelt! … das wusste ich nicht … sie lehrt es mich … Ah! wie ich sie verehre! … alles belebt sich … spricht … lacht … das große dicke Kissen, der Wauwau ebenso … und der Sessel auch! … die Teekanne mit ihrem langen Hals! … der ganze Haushalt kommt in Bewegung! … Pantomime ringsum … jeder tanzt nach seiner Art … die Komödie des Wunders … der große dreibeinige Tisch … durchquert trällernd den Raum … fast wie Boro … all das auf ein kleines Wort hin, ein kleines Wort meiner Fee … und ich verstehe alles! es braucht keine Phrasen mehr … Ein Lächeln, und ich verstehe! … und der enorme Kronleuchter in der Luft … eine gewaltige Kerzenkrinoline! … Seine Kristalltränen rinnen … strömen überallhin! … Schaukel Riesenfaltenwurf! … Ah! wie ist es lustig! Mir trübt sich der Blick! … ich sehe alle Kerzen, Sterne! Funkenflug! Bin tränenüberströmt! … kronleuchtertränenfeucht! Ein großer Kater springt auf mich … er kommt aus dem Keller gemiaut … ganz samtig und wohlig warm ist er … Miau! Miau! … er schnurrrrt … schnurrrrt an mir … seine eigene Kammermusik … und dann ins Ohr, auch er ist ein Vertrauter! … Wir verstehen einander sofort … Ah! ich bin nicht mehr bei ihr … Ah! ich sehe in mein Herz! … mein eigenes Herz! … ganz rot ist es … Ah! ich schnurre mit Miau … frrr! … frrr! … selbstvergessen jetzt wie er! Er wetzt sich die Krallen an meiner Schulter … Ach! Wie zufrieden ist jetzt Virginie! Wie wunderbar das alles! … Süße Virginie! … Im Himmel bin ich! schlicht und einfach! … es ist sanft ganz von selbst gekommen … einfach durch ihr Lächeln! … sie ist wirklich völlig hinreißend … immer doller … ich schnurrrre … schnurrrre! Ich bin ihr Herz! … mein Herz … ihr Herz! … Ah! ich stottere … Ah ich verehre sie zu sehr! … Vollendete Verzückung ist es so … ich brauche nur noch zu schlafen … einzuschlafen … ganz sanft … schnurrrr! schnurrrr! … schnurrrr! … sabbernd … wehrlos ihrem Charme erlegen … wurde auch Zeit! seit Monaten tut mir alles weh … der Kopf … die Hüfte … jetzt spüre ich nichts mehr … nur noch eine sanfte Wärme … Ich lasse mich gehen … soll man mich hinrichten! … Wenn sie es wagen! Wenn sie es wagen! ich werde gewiegt, in ein Nickerchen gewiegt … ich vergesse … Doch da wirft jemand einen Stein nach mir! … ich bekomme ihn in die Seite … schrecke hoch … stehe schnurstracks auf! … Welch ein Erwachen! … Die Mistkerle sind da! Ich setze mich wieder … Wenn sie Wert drauf legen, bitte! Ich ergebe mich dem Henker … Ihre Augen! … ihr Haar! … Mädchen! erst noch! Ah ich würde sie küssen hellwach vorm Schafott … bevor Schluss ist! … Ah! die wunderbare Zauberin! mit offenen Augen … doch Vorsicht! auf einmal, mein Gott! … ich ersticke … ein Messer hat mich getroffen … der Dolch der Eifersucht! Sollte sie die Tochter des Colonels sein? zufällig alles andere als seine Nichte! … seine Mätresse vielleicht? … seine Puppe? … Ah! die quälende Frage … Wieder Lügen? … seine Mätresse? … was weiß ich? … Ein Lüstling? … Ich sehe rot! erglühe vor Eifersucht! Stehe in Flammen! Ich frage sie rasend …

«Ihr Vater? der Colonel? … Your father?»

Ah! alles wissen! Sofort!

«Oh! No! Not father! Uncle! Mein Onkel!»

Wie brutal ich bin! Was für Fragen!

«Father no more! … Vater ist nicht mehr!»

Ihr zartes, so graziles Gesicht … die kleine Spitze ihres Kinns zittert, zittert vor Weinen … oh! ich habe ihr weh getan! … Tölpel! Dummkopf! Ah! Schluss mit dem Feenmärchen … Ah! ich habe sie verletzt! … ah! welch Kummer! … Ich bitte sie um Verzeihung! vielmals um Verzeihung! … ich bin zutiefst betrübt! … zerschmettert! … ich sterbe, wenn sie weint … Sofort sage ich es ihr! … Drohe ihr damit … Ah! sie soll mir verzeihen! … sie zuckt ein bisschen mit den Schultern … ich möchte ihr Mitleid wecken … Hund, der ich bin! … ein Hund! genau! ein dreckiger Hund! …

«Ich dog! dog!»