Handbuch Ambulante Einsatzplanung - Heiber Andreas - E-Book

Handbuch Ambulante Einsatzplanung E-Book

Heiber Andreas

4,8
52,90 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Besser planen für mehr Kundenzufriedenheit, wirtschaftlichen Erfolg, bessere Lebensqualität: Das Handbuch stellt den kompletten Prozess der Einsatzplanung vom Leistungsauftrag über die Dienstplangestaltung und Soll-Tourenplanung bis zur Soll-Ist-Korrektur aller Bereiche vor. Ganz speziell auf die Bedürfnisse der Häuslichen Pflege ausgerichtet, immer in der Verzahnung von theoretischem Basiswissen und praktischer Umsetzbarkeit im Arbeitsalltag. Unverzichtbar für jede Pflegedienstleitung! Die dritte, komplett überarbeitete Ausgabe des Buches vertieft den Einsatz digitaler Hilfsmittel, zeigt Möglichkeiten und Grenzen auf.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 395

Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
15
3
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Andreas Heiber · Gerd Nett

Handbuch Ambulante Einsatzplanung

Grundlagen, Abläufe, Optimierung

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Sämtliche Angaben und Darstellungen in diesem Buch entsprechen dem aktuellen Stand des Wissens und sind bestmöglich aufbereitet.

Der Verlag und der Autor können jedoch trotzdem keine Haftung für Schäden übernehmen, die im Zusammenhang mit Inhalten dieses Buches entstehen.

© VINCENTZ NETWORK, Hannover 2021

Besuchen Sie uns im Internet: www.haeusliche-pflege.net

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar.

Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Warenbezeichnungen und Handelsnamen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne Weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um geschützte, eingetragene Warenzeichen.

Titelfoto: AdobeStock, thanksforbuying

E-Book-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

E-Book ISBN 978-3-7486-0451-8

Andreas Heiber · Gerd Nett

Handbuch Ambulante Einsatzplanung

Grundlagen, Abläufe, Optimierung

VINCENTZ NETWORK

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Die Einsatzplanung: Struktur und Verantwortung

1.1 Der Kreislauf der Einsatzplanung

1.2 Arbeitsabläufe früher und heute

1.3 Erwartungen an die Einsatzplanung

1.4 Was bedeutet Zeit?

1.5 Die Entwicklung der professionellen Ambulanten Pflege

1.6 Die Rolle der PDL

1.7 Die Verantwortung der PDL

1.8 Zusammenfassung

2 Leistungen richtig definieren

2.1 Die Leistungen der Pflegeversicherung

2.2 Die Leistungen der Krankenversicherung

2.3 Ergänzende Leistungen der Sozialhilfe

2.4 Privatleistungen

2.5 Zusammenfassung

3 Die Auftraggeber

3.1 Der Pflegevertrag

3.2 Transparente Preislisten

3.3 Zusammenfassung

4 Grundlagen Arbeitsrecht

4.1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG)

4.2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)

4.3 Mutterschutzgesetz (MuSchG)

4.4 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)

4.5 Nachweisgesetz (NachwG)

4.6 Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz – MiLoG)

4.7 Gewerbeordnung (GewO)

4.8 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

4.9 Vierte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Vierte Pflegearbeitsbedingungenverordnung – 4. PflegeArbbV)

4.10 Zusammenfassung

5 Personalbedarf und Arbeitsverhältnisse

5.1 Kundenwünsche und Personalbedarf

5.2 Traditionelle Arbeitsmodelle der Pflege

5.3 Zusammenfassung

6 Flexibilisierungschancen der Arbeit

6.1 Direktionsrecht

6.2 Beschäftigungsverhältnis

6.3 Arbeitszeitmodelle

6.4 Arbeitszeitkonten

6.5 Zusammenfassung

7 Die Erstellung des Dienstplanes

7.1 Ziele

7.2 Formale Inhalte und Strukturen

7.3 Beispiel Dienstplanung mit Auswertung

7.4 Kriterien der Dienstplanung

7.5 Praktische Dienstplanung

7.6 Zusammenfassung

8 Definition der Planungszeiten

8.1 Leistungszeit bei Pauschalen

8.2 Umgang mit Zeitvorgaben

8.3 Definition bei Zeitabrechnung

8.4 Langsame und schnelle Mitarbeiter

8.5 Individuelle Wegezeiten

8.6 Differenzierte Organisationszeiten

8.7 Zusammenfassung

9 Bausteine der Einsatzplanung

9.1 Touren- statt Mitarbeiterzuordnung

9.2 Fachliche Anforderungen

9.3 Feste Versorgungszeiten

9.4 Weitere Wünsche der Kunden

9.5 Zusammenfassung

10 Versorgungsgebiet und Organisation der Touren

10.1 Das eigene Versorgungsgebiet

10.2 Zentral oder dezentral

10.3 Zusammenfassung

11 Die Soll-Tourenplanung

11.1 Der Grundtourenplan

11.2 Die Planung der Touren

11.3 Einsätze doppelt fahren?

11.4 Zuordnung der Mitarbeiter zu den Touren

11.5 Planungshilfe Erlösorientierung der Tour?

11.6 Weitere Planungsregeln und Werkzeuge

11.7 Pausen planen

11.8 „Pakete“ packen

11.9 Springer ja oder nein?

11.10 Hauswirtschaft anders planen

11.11 Tourenplanung dem Computer überlassen?

11.12 Zusammenfassung

12 Tourenpläne: Inhalte und Funktion

12.1 Tourenpläne sind Arbeitsanweisungen

12.2 Inhalte der Tourenpläne und richtige Erfassung

12.3 Die richtige Datenerfassung

12.4 Zusammenfassung

13 Soll-Ist-Abgleich

13.1 Das Tagesschau-Prinzip

13.2 Der zeitnahe Soll-Ist-Abgleich

13.3 Umgang mit Abweichungen

13.4 Pünktlich sein heißt auch: den Kunden ernst nehmen!

13.5 Umgang mit Heimliche Leistungen

13.6 Umgang mit Abweichungen

13.7 Problematische Mitarbeiter?

13.8 „Rechnet“ sich der Mehraufwand in der Tourenplanung?

13.9 Tourenplanung verbessern mit Hilfe der Pflegeversicherung

13.10 Zusammenfassung

14 Controlling und Tourenplanung

14.1 Kosten pro Stunde als Basiswert

14.2 Arbeitszeit zu erbrachten Leistungen

14.3 Auswertung der Tourenplanung

14.4 Leistungscontrolling im SGB XI

14.5 Was ist besser? Leistungskomplexe oder Zeitabrechnung

14.6 Zusammenfassung

Literatur und Links

Autoren

Einleitung

Die Einsatzplanung ist der zentrale Prozess im Pflegedienst: hier wird alles gesteuert und entschieden: sei es die Pünktlichkeit, die Kunden- oder Mitarbeiterzufriedenheit und vor allem die Wirtschaftlichkeit.

Trotzdem gilt auch im Jahr 2020 immer noch, was wir bereits in den vorherigen Auflagen dieses Handbuches 2006 und 2014 im Vorwort geschrieben haben: die allermeisten Fort- und Weiterbildungen zur verantwortlichen Pflegefachkraft streifen zwar das Thema Dienstplanung, aber ambulante Einsatzplanung ist nur in wenigen Angeboten Bestandteil der Aus- oder Weiterbildung oder eines Studiums.

Trotzdem müssen die Pflegedienstleitungen diese Aufgabe nicht nur übernehmen, sondern auch verantworten. Denn beispielsweise bei Qualitätsprüfungen geht es in erster Linie um die Frage, ob die Pflegedienstleitung die Einrichtung so strukturiert hat und steuert, dass die Mitarbeiter die übertragenen Leistungen vertragskonform erbringen können und ob bei entdeckten Fehlern es sich um Ausnahmetatbestände handelt (mit der Durchführungsverantwortung des Mitarbeiters) oder um Organisationsfehler der Pflegedienstleitung.

Und es kommen ständig neue Veränderungen dazu, die sich auf die Einsatzplanung auswirken: von Bestrebungen zur Vereinheitlichung der Entlohnung (Stichwort: Pflegemindestlohn, allgemeinverbindlicher Tarif), der konkreten Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie auch über das Jahr 2020 hinaus, der Weiterentwicklung der Pflegeversicherung bis hin zum immer spürbarer werdenden Personalmangel, aber auch Möglichkeiten und Chancen oder Probleme der Digitalisierung.

Pflegedienste sowie Abgrenzung

Pflegedienste sind im Regelfall Einrichtungen mit verschiedenen Versorgungsverträgen. Normalerweise gibt es jeweils einen Vertrag mit den Landesverbänden der Pflegekassen sowie mit den Krankenkassen im Bundesland, darüber hinaus erbringen sie Privatleistungen wie die Kostenerstattungsleistungen nach §§ 39/45b oder privat finanzierte andere Leistungen.

Für die weitere Abgrenzung sind insbesondere die Strukturen bei Erbringung von Pflegeversicherungsleistungen (SGB XI) interessant:

– Pflegedienste (mit Versorgungsvertrag nach § 71/72) können alle Sachleistungen nach § 36 sowie Kostenerstattungsleistungen nach § 39 (Verhinderungspflege) oder § 45b (Entlastungsbetrag1) erbringen.

– Ambulante Betreuungsdienste sind Pflegedienste mit eingeschränktem Versorgungsvertrag nach §§ 71a/72, die keine Leistungen der körperbezogenen Pflegemaßnahmen erbringen dürfen, aber ebenso die Kostenerstattungsleistungen. Ambulante Betreuungsdienste haben auch keine Zulassung der Krankenversicherung, vor allem weil sie in der Regel keine Pflegefachkräfte in ausreichender Zahl haben.

– Angebote zur Unterstützung im Alltag nach (§ 45a) haben eine Zulassung nach Landesrecht (§ 45a Abs. 3) und dürfen deshalb diese Leistungen über den Entlastungsbetrag nach § 45b abrechnen.

Sollten Pflegedienste oder Träger mehrere (also verschiedene) Zulassungen haben, so sind diese Betriebsteile jeweils getrennt zu betrachten und abzugrenzen: sowohl in praktischer Hinsicht bei der Einsatzplanung wie auch in finanzieller Hinsicht bezüglich Kostenrechnung und Vergütungsverhandlungen. Daher muss auch die Einsatzplanung getrennt werden, wenn man verschiedene Zulassungen hat.

Praktisch stellt sich sogar die Frage, warum ein Pflegedienst überhaupt neben seinem umfassenden Versorgungsvertrag eine zweite ‚Einrichtung‘ mit einem anderen Versorgungsvertrag ‚betreiben‘ sollte? Innerhalb des Pflegedienstes gibt es mehr Freiheiten und Möglichkeiten als mit getrennten Verträgen. So sind die Personalvoraussetzungen im SGB XI für den Pflegedienst sehr offen geregelt, außer verbindlicher Leitung gibt es keine weiteren direkten Vorgaben (siehe auch Kap. 1). Ein Betreuungsdienst nach § 71a hat aber besondere Personalvoraussetzungen für sein Betreuungspersonal (aktuell ein Ausbildungsniveau wie für Betreuungskräfte im vollstationären Bereich2). Zugelassene Dienste nach Landesrecht müssen für ihre Mitarbeiter ebenfalls mindestens 30 bis 40 Stunden (je nach Land unterschiedlich definiert) Schulung nachweisen.

Dieses Buch beschreibt die Strukturen, Abläufe und Einsatzplanung für einen Pflegedienst, der sowohl die Zulassung nach § 71 SGB XI als auch nach § 132a SGB V hat und als Volldienstleister alles rund um die ambulante Pflege erbringen kann.

Begriffe

Wir sprechen hier in der Regel von der Einsatzplanung, obwohl die meisten Einsätze in Touren geplant werden und daher der Begriff „Tourenplanung“ genauso treffend ist. Mit „Einsatzsatzplanung“ sollen alle Arten von Einsätzen beschrieben werden, also alles, was ambulant außerhalb des Büros stattfindet.

Was verändert die Digitalisierung?

Unter diesem Modestichwort werden oftmals Verwaltungsvereinfachungen erwartet, aber auch reduzierte Abläufe etc. Wer sich die Realität ansieht, der stößt auf eine ganze Reihe von Praxisproblemen:

Seit Jahrzehnten steht im Pflegeversicherungsgesetz, dass „vom 1. Januar 1996 an maschinenlesbare Abrechnungsunterlagen zu verwenden sind“ (§ 105 Abs. 1 letzter Satz). Die Realität sieht immer noch anders aus: Zu den Abrechnungsunterlagen gehörten immer schon, neben der eigentlichen Rechnung zusätzlich der Leistungsnachweis, der je nach vertraglicher Regelung monatlich oder öfter vom Pflegebedürftigen zu unterschreiben ist. Dieser Leistungsnachweis wird auch 2020 in der Masse der Fälle immer noch analog, also in Papierform den Pflegekassen zugeschickt. Zwar gibt es seit 2015 die jährliche stichprobenhafte Abrechnungsprüfung, die eine detaillierte Prüfung von Einzelfällen vorsieht. Damit könnten die Pflegekassen auf die monatliche Übersendung verzichten und die vergleichende Prüfung allein der Stichprobe überlassen. Trotzdem müssen immer noch weiterhin Papierberge an die Pflegekassen geschickt werden. Absprachen, dass diese digital übersandt werden können, gibt es noch nicht oder nicht flächendeckend.

Auch im Rahmen der Krankenversicherung sollen die Rechnungen digital eingereicht werden, aber die Leistungsnachweise natürlich auch nur in Papier hinterher. Wer im Bereich der Behandlungspflege nicht digital abrechnet, muss mit 5 % Abrechnungskürzung rechnen. Aber wenn eine der 105 Krankenkassen3 technisch Probleme hat und deshalb die Rechnungen in Papier oder zusätzlich in Papier erwartet, kann der Pflegedienst nicht seinerseits die Rechnung um 5 % erhöhen!

Wer als Pflegedienst hofft, es könnte alles einfacher werden, sollte jedoch aufpassen, dass er nicht zur ausgelagerten Erfassungsstelle für andere wird: die BARMER Krankenkasse bietet Pflegediensten eine schnelle Bearbeitung ihrer Verordnungen an, wenn diese über ihr Portal „oscare“ erfasst werden4. Dann würden die Pflegedienste innerhalb von 48 Stunden die Entscheidung über die Verordnung bekommen. Mal abgesehen davon, dass die Pflegedienste bis zum Eingang der Verordnung das Geld für die bis dahin erbrachten Leistungen erhalten und es gar nicht im Interesse der Pflegedienste sein muss, schnell informiert zu werden, soll hier der Pflegedienst offensichtlich der BARMER die Erfassungsarbeit abnehmen und die Papierformulare in das Programm eintippen, damit die BARMER Verwaltungskapazitäten spart. Allerdings ist die BARMER nur eine von zur Zeit 105 gesetzlichen Krankenkassen, und die anderen machen andere Sachen! Pflegedienste sollten auf solche Arbeitsverschiebungen nur eingehen, wenn diese Arbeit auch finanziell vergütet wird. Denn bis alle Arztpraxen an die digitale Welt angeschlossen sind, wird es wohl noch lange dauern, selbst wenn der Gesetzgeber mit dem PDSG mal wieder versucht, hier schneller weiterzukommen.

Das Patientendatenschutzgesetz (PDSG)

Nun ist der Gesetzgeber mit dem Patientendatenschutzgesetz5, das im Kern die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) und des E-Rezeptes zum Ziel hat, auch beim Leistungsnachweis der Pflege weiter gegangen und hat sowohl im SGB XI als auch im SGB V neu geregelt, dass ab dem 01.03.2021 (allerdings vorbehaltlich der Erstellung der technischen Voraussetzungen insbesondere einer Telematikinfrastruktur) ausschließlich elektronische Verfahren zur Übermittlung der Abrechnungsunterlagen einschließlich des Leistungsnachweises zu nutzen seien. Und ab dem 01.01.2023 müssen auch eindeutige Beschäftigtennummern der Mitarbeiter, die die konkreten Leistungen erbringen, mit den Abrechnungsunterlagen übermittelt werden (was – nebenbei bemerkt – dann auch die Verfolgung von falschen Abrechnungen (falsche Qualifikation, zu lange oder doppelte Arbeitszeiten) automatisiert ermöglicht.

Vergleichbares ist im SGB V mit der Änderung der Paragrafen 302 erfolgt. Wir wollen nicht spekulieren, wann die technischen Voraussetzungen bei den Kassen vorhanden sind (siehe Pflicht zur maschinenlesbaren Abrechnung seit 1996!).

Faktisch kann ein Pflegedienst diese Vorgaben nur erfüllen, wenn er nicht nur ein entsprechendes Abrechnungsprogramm nutzt, sondern die Leistungsdaten auch mit Datenerfassungsgeräten – in der Regel über Smartphones mit entsprechender Software – direkt vor Ort erfasst werden können. Denn eine spätere händische Nacherfassung oder Nachkorrektur dürfte in keinem Verhältnis zu den Kosten der direkten Erfassung stehen.

Spätestens damit wird jeder Pflegedienst mit mobiler Datenerfassung arbeiten müssen, es sei denn, er hat sich auf zeitintensive Spezialpflegen wie Intensivpflege spezialisiert: Hier können die Eintragungen der Dienstplanung direkt auf den Leistungsnachweis übertragen werden, weil jeder Einsatz dann 8 Stunden dauert und deshalb die Einsatzmenge begrenzt ist.

Zusammenfassend bleibt: Pflegedienste werden mittelfristig gezwungen sein, neben einem Steuerungs- und Abrechnungsprogramm auch standardmäßig mobile Datenerfassung zu nutzen, ansonsten werden sie die technischen Anforderungen an die Abrechnung nicht mehr erfüllen können, was zumindest im SGB V dann zu einem Vergütungsabschlag von 5 % des Rechnungsbetrags führt (§ 303, Abs. 3 SGB V).

Wir werden daher bei der Beschreibung der Abläufe der Einsatzplanung grundsätzlich vom Einsatz eines Steuerungs- und Abrechnungsprogrammes ausgehen, dass dauerhaft die gesetzlichen Anforderungen erfüllt oder erfüllen kann, alles andere wäre weder zeitgemäß noch ratsam.

Da die Datenerfassung heute im Regelfall nicht mehr mit reinen Erfassungsgeräten wie Scannern etc. erfolgt, sondern mit Smartphones und entsprechenden Programmen, werden wir im Buch immer von Smartphones sprechen, wenn es um Datenerfassungsgeräte für die Einsatzplanung geht.

Das Handbuch für die ambulante Einsatzplanung

Wir blicken inzwischen auf über 25 Jahre der Begleitung, Beratung und Schulung von ambulanten Pflegeeinrichtungen zurück. Das Handbuch ambulante Einsatzplanung erschien in der ersten Auflage 2006, im Jahr 2014 erschien dann die zweite überarbeitete Auflage. Seit dieser Zeit hat sich wieder einiges verändert. Die Pflege und die Organisation hat sich weiter professionalisiert, Tourenplanungsprogramme sind heute die Norm und nicht mehr eine mögliche Variante der technischen Umsetzung (wie es noch 2006 der Fall war). Nur helfen Computerprogramme erst dann weiter, wenn man das theoretische Rüstzeug hat, was die Basis darstellt. Denn nicht immer sind die programmierten Abläufe oder Lösungsvorschläge der Software sinnvoll und vertragskonform, wie z. B. die Konzeption der erlösorientierten Einsatzplanung.

Das Buch stellt den Gesetzes- und Wissensstand im November 2020 dar. Alle Details und Grundlagen wurden nach bestem Wissen recherchiert und sind soweit notwendig mit Fundstellen versehen, sollten aber in der konkreten Situation mit den entsprechenden Experten individuell abgeklärt werden, insbesondere was arbeitsrechtliche, steuerrechtliche oder leistungsrechte Fragen betrifft. Vor allem, weil wir in der Pandemiezeit noch nicht überblicken können, welche Änderungen darüber hinaus dauerhaft zu berücksichtigen sind. Dies betrifft insbesondere die Ideen zu verbindlichen Tarifwerken bzw. die weitere Entwicklung im Bereich des Pflegemindestlohns.

Wir wollen mit diesem Handbuch weiterhin das theoretische und praktische Rüstzeug liefern, damit die Umsetzung der Einsatzplanung gelingt und für den Erfolg des Pflegedienstes die Basis liefert.

Ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit haben wir auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Damit soll in keiner Weise eine Diskriminierung zum Ausdruck kommen.

Bielefeld und Wershofen, November 2020

Andreas Heiber und Gerd Nett

1 Hinweis: Der Gesetzgeber hat die Leistung nach § 45b „ Entlastungsbetrag“ genannt, auch wenn in der ambulanten Pflege der Begriff „Entlastungsleistung“ den Inhalt genauer beschreibt. Aber der Entlastungsbetrag kann eben auch für die Finanzierung der privaten Kosten im Rahmen der Tages- und Kurzzeitpflege genutzt werden. Wir verwenden die Begriffe „Entlastungsleistung“ oder „Entlastungsbetrag“ nach § 45b synonym.

2 geregelt in den Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes nach § 112a SGB XI zu den Anforderungen an das Qualitätsmanagement und die Qualitätsscherung für ambulante Betreuungsdienste vom 17.07.2019

3 Stand 01.01.2020 - GKV-Spitzenverband

4 CAREkonkret vom 22.05.2020

5 Beschlossen am 14.10.2020

1 Die Einsatzplanung: Struktur und Verantwortung

1.1 Der Kreislauf der Einsatzplanung

In der Einsatzplanung (Abb. 1) geht es, verkürzt gesprochen, darum, zwei verschiedene Bereiche möglichst ideal zu kombinieren: die Kunden mit ihren Aufträgen und die Mitarbeiter mit ihrer Arbeitszeit. Dabei kann man sich das bildhaft wie zwei Zahnräder vorstellen, die idealerweise reibungslos ineinandergreifen sollten. Genau hier liegt das Problem der guten Einsatzplanung: Wie schafft man es, die Kundenaufträge mit ihren unterschiedlichen Profilen, einschließlich der evtl. damit verbundenen organisatorischen Schwierigkeiten, ideal zu kombinieren mit den Mitarbeitern sowie ihren Dienstzeiten?

Betrachtet man es differenziert, gibt es zwei verschiedene Bereiche, die sich in der Einsatzplanung verknüpfen und damit ständig gegenseitig beeinflussen.

Auf der Kundenseite stehen zunächst die

– Kundenaufträge: Sie sind in Pflegeverträgen und/oder in Verordnungen oder Bewilligungen (der Sozialhilfeträger) fixiert. Dazu kommen im Einzelfall weitere – Organisationsleistungen rund um die Aufträge: Hier verursacht die Verordnungsverwaltung der Behandlungspflegen mehr Aufwand als die Pflegeverträge für Pflegesachleistungen oder Privatleistungen. Zu den Organisationsleistungen gehören genauso die Qualitätssicherungspflichten und Schulungen der Mitarbeiter. Alle diese Leistungen fließen in die

– Soll-Tourenplanung ein: Im ersten Schritt werden hier zunächst die Kunden einer (abstrakten) Tour zugeordnet. Erst im zweiten Schritt erfolgt die Zuordnung der Mitarbeiter zu der konkreten Tour. Durch die

– Leistungserbringung entsteht der

– Ist-Tourenplan: Dieser spiegelt die reale Leistungserbringung wider. Aus dem Ist-Tourenplan ergeben sich einerseits Veränderungen zum nächsten/neuen Soll-Tourenplan, andererseits über den

– Leistungsnachweis die nötigen Informationen für die Leistungsabrechnung.

Abbildung 1:

Aus Sicht der Mitarbeiter sieht der Ablauf folgendermaßen aus:

– Im Dienstplan wird zunächst die Kapazität der Mitarbeiter definiert und grob geplant. Dabei sind die (notwendigen) Kapazitäten abhängig von der Anzahl der Kunden/Aufträge. Nur vorhandene Arbeitsstunden können für Kundenaufträge verplant werden. Im

– Soll-Tourenplan werden hier im zweiten Schritt die Mitarbeiter zu den zuvor definierten Touren zugeordnet. Nach der

– Leistungserbringung erfolgt durch den

– Ist-Tourenplan die Konkretisierung der erbrachten Arbeitszeiten. Diese haben unter Umständen Auswirkungen auf den nächsten Soll-Tourenplan (wenn Leistungen länger oder kürzer gedauert haben etc.) und sind die Grundlage für den

– Ist-Dienstplan: dieser ist dann die Basis für die

– Personalabrechnung.

Weil durch die Realität sich permanent der Ist-Tourenplan ändert, ist der zentrale Arbeitsschritt der Umgang mit der Ist-Tourenplanung. Weiterhin wird hier deutlich, dass die Abrechnungen (Leistungs- und Personalabrechnungen) damit nur ein „Abfallprodukt“ der Ist-Tourenplanung sind. Denn die Änderungen, die darin vorgenommen wurden, sind für beide Bereiche abrechnungsrelevant. Und die Kontrolle dieser Änderungen (Soll-/Ist-Abgleich) bereitet damit die jeweilige Abrechnung vor.

1.2 Arbeitsabläufe früher und heute

Die Verwaltungsabläufe und Strukturen waren vor Einführung einer elektronischen Einsatzplanung anders organisiert oder besser formuliert: in zwei getrennte Einheiten organisiert (siehe Abb. 2):

– Die Pflege in Person der Pflegedienstleitung war zuständig für die praktische Durchführung von der Verordnungsverwaltung über die Planung bis zur Leistungserbringung.

– Die Verwaltung war auf Basis der Leistungsnachweise für die Abrechnung zuständig, oft auch für die Stundenabrechnung der Mitarbeiter.

Durch die elektronische Tourenplanung und wegen der gesetzlichen Anforderungen der maschinenlesbaren Abrechnung (detaillierte Inhalte auf der Rechnung) hat sich diese Struktur verändert, wie oben mit dem „Kreislauf der Einsatzplanung“ dargestellt. Die Abrechnungsdaten und die Personalabrechnung sind ein Produkt des Soll-Ist-Abgleiches.

Daher sollten sich die Rollen der Verwaltungskräfte verändern: Die Verwaltungskräfte unterstützen die Leitung durch die Erfassung der Rohdaten einschließlich der Pflegeaufträge, die Leitung ist verantwortlich für die konkrete Tourenplanung (wobei auch hier die Verwaltung unterstützend tätig sein kann), über den permanenten Soll-Ist-Abgleich werden nicht nur die Leistungen kontrolliert, sondern auch schrittweise die Rechnungsdaten aktualisiert und damit die Abrechnung beschleunigt. Im Grunde entwickelt sich die früher eigenständige Verwaltungsabteilung zu einem konkreten „Dienstleister“ rund um den Tourenplan. Folglich ist es sinnvoll, auch die Bezeichnung zu modernisieren: Verwaltungsmitarbeiter im Pflegedienst sind viel eher Leitungsassistenten. Sie arbeiten den Leitungskräften zu, halten ihnen den Rücken von formalen Sachen frei und erstellen im Zweifelsfall soweit die Tourenplanung, dass die PDL nur noch die Feinabstimmung vornehmen oder bestimmte Punkte entscheiden muss. Damit hat diese dann Zeit für ihre weiteren wichtigen Aufgaben wie Kundengespräche, Qualitätssicherung, Vernetzung etc.

In der Praxis sollte immer wieder überprüft werden, wie weit die eigenen Arbeitsabläufe und Arbeitsverteilung noch aus der Vergangenheit stammen und nicht auf die Möglichkeiten und Strukturen der Einsatzplanungssoftware abgestellt sind. Insbesondere vor dem Hintergrund der Belastung der PDL könnte und sollte diese soweit wie möglich von den administrativen Aufgaben entlastet werden, die auch andere Mitarbeiter wie die Leitungsassistenten übernehmen können, so dass die PDL Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben hat.

Abbildung 2

1.3 Erwartungen an die Einsatzplanung

Je nach Interessengruppe sind die Erwartungen an die Einsatzplanung sehr unterschiedlich definiert oder teilweise gegensätzlich. Deshalb ist es sinnvoll, die verschiedenen Erwartungshaltungen je nach Interessengruppe genauer zu betrachten:

Kundensicht

Die Kunden erwarten zunächst, dass die mit dem Pflegedienst abgeschlossenen Pflegeaufträge erfüllt werden. Allerdings werden viele weitere Erwartungen und konkrete Forderungen im Regelfall nicht im Pflegevertrag oder anders schriftlich fixiert: Die Kunden erwarten eine bestimmte, gleichbleibende Versorgungszeit (Pünktlichkeit), eine hohe Kontinuität (immer gleicher Mitarbeiter) und möglichst eine hohe Flexibilität (Zeit, auch mal mehr zu machen). Dabei kann es sein, dass die im Pflegevertrag (oder über Verordnungen) definierten Leistungen nicht identisch sind mit den Erwartungen der Kunden. Die Kunden sind in einer für sie unangenehmen Situation, sie können sich teilweise nicht mehr allein helfen und benötigen fremde Hilfe. Die nächstliegende Hilfeperson, die das sonst macht (machen sollte), ist normalerweise die Tochter/Schwiegertochter oder andere eigene Kinder. Sie können oder wollen es nicht (oder sind nicht da), daher muss ein Fremder einspringen. Je näher man diese neue „Pflegeperson“ (also die Pflegekräfte) kennenlernt, umso mehr Nähe entsteht und umso größer sind dann die Erwartungen, die über die beauftragten Leistungen hinausgehen. So entstehen oft „Heimliche Leistungen6“. Wegen der eigenen Hilflosigkeit spielen Faktoren wie Pünktlichkeit eine sehr große Rolle: Wer beispielsweise im Bett wartet, bis die „Schwester“ endlich kommt, bewertet deren Pünktlichkeit ganz anders als jemand, der in Ruhe am Frühstückstisch die Zeitung lesen kann, während er auf die Mitarbeiterin wartet, die ihn beim Baden unterstützt.

Daher spielt die Pünktlichkeit für die subjektive Zufriedenheit eine zentrale Rolle!

Formale Sicht

Die Einsatzplanung muss die Einhaltung der gesetzlichen und/oder vertraglich vereinbarten Vorschriften garantieren. Das gilt nicht nur für die Vorgaben im Rahmen des SGB XI, sondern auch aus dem SGB V, evtl. SGB XII sowie den privat vereinbarten Leistungen. Darüber hinaus sind die weiteren Vorschriften aus dem Arbeitsrecht wie Arbeitszeitgesetz, Teilzeit- und Befristungsgesetz, Mutterschutzgesetz etc. sowie die tarifvertraglich vereinbarten Regelungen einzuhalten, genauso wie die Vorschriften der Unfallversicherung.

Mitarbeitersicht

Die Mitarbeiter erwarten von der Einsatzplanung eine möglichst langfristige und verlässliche Planung ihrer Arbeitszeit. Die definierten Einsatzzeiten vor Ort, aber auch die Fahrtzeiten etc. müssen so bemessen sein, dass sie zeitlich zu schaffen sind und die Mitarbeiter für sich zufrieden sein können (dabei hängt das stark davon ab, welche Erwartungen die Mitarbeiter haben). Auch hier ist die Zuverlässigkeit, vor allem in Bezug auf freie Tage, ein wichtiger Faktor. Daher ist der Dienstplan mit seiner langfristigen Vorplanung für die Mitarbeiter wichtiger (an welchen Tagen muss man nicht arbeiten?) als der konkrete Tourenplan und die Frage, wie lange eine Tour dauert.

Wirtschaftliche Sicht

Ein Pflegedienst muss sich wirtschaftlich rechnen: Wenn man mit der eingesetzten Arbeitszeit nicht die verursachten Kosten decken kann, wird der Pflegedienst nicht dauerhaft überleben. Daher soll die Einsatzplanung auch sicherstellen, dass die Aufwendungen von den Erträgen gedeckt sind, dass der Pflegedienst also wirtschaftlich arbeitet. Die wirtschaftliche Betriebsführung ist explizit Basis des Versorgungsvertrages nach SGB XI: In § 72 SGB XI Abs. 3 Satz 2 steht: „Versorgungsverträge dürfen nur mit den Pflegediensten geschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten …“

Ein Blick in die Betriebswirtschaftslehre hilft, zu verstehen, was gemeint ist: Hier ist das sogenannte „Minimalprinzip“ formuliert, das bedeutet, mit möglichst geringen Mitteln ein gegebenes festes Ziel zu erreichen. Anders ausgedrückt: Eine Leistung gilt als „wirtschaftlich, wenn der durch die Leistungserbringung erwartete Erfolg nicht auf einem weniger aufwendigen Weg erzielt werden kann“7.

Mit einem praktischen Beispiel soll verdeutlicht werden, was wirtschaftlich in diesem Sinne bedeutet:

Ein Beispielleistungskomplex „Kleine Morgentoilette“ wird dem Pflegedienst mit durchschnittlich 16 Minuten vergütet.

– Wenn bei Kunde A die Kleine Morgentoilette (Transfer ins Bad, Teilwaschen, Mund- und Zahnpflege sowie Ankleiden) tatsächlich 30 Minuten dauert, sie aufgrund des gesundheitlichen Zustandes von Kunde A jedoch nicht schneller erbracht werden kann, dann ist die Leistung wirtschaftlich erbracht worden (denn es ging nicht schneller). Auch wenn sie nur mit durchschnittlich 16 Minuten vergütet war, was für diesen Einzelfall betrachtet zu wenig ist.

– Wenn bei Kunde B die Kleine Morgentoilette nur 10 Minuten dauert, weil er schon im Badezimmer war und auch keine Mund- und Zahnpflege möchte, muss der Mitarbeiter nach 10 Minuten (für die Teilwaschung und Ankleiden) gehen. Bleibt er weitere 2 Minuten, handelt er unwirtschaftlich, denn die beauftragte/bestellte Leistung war nach 10 Minuten beendet (er hat sich also mehr Zeit als nötig gelassen). Selbst wenn die Leistung auch hier mit 16 Minuten finanziert war, was auf den Einzelfall betrachtet mehr als ausreichend gewesen ist.

Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Betriebsführung kommt es nicht darauf an, dass sich der konkrete Einsatz rechnet, sondern nur, ob die „Mittel“, also hier die konkrete Arbeitszeit, möglichst zielgerichtet (effektiv) und effizient (nur für die vereinbarten Leistungsinhalte) eingesetzt wurde und ob nach Erreichung des Ziels (der notwendig zu erbringenden Leistungsinhalte) der Mitarbeiter umgehend geht. Das heißt aber in der Konsequenz: Es kann von der Einzelvergütung einer Leistung nicht auf die Leistungszeit im Einzelfall geschlossen werden; dieser Ansatz der sogenannten „erlösorientieren Einsatzplanung“ widerspricht dem hier dargestellten Wirtschaftlichkeitsprinzip (mehr dazu in Kapitel 8.1), das die Grundlage der Vergütungsvereinbarung aller Pauschalleistungen darstellt.

Bei Leistungen, die nach Zeit oder konkreten Zeiteinheiten vereinbart sind, spielt es keine Rolle, ob eine konkrete Leistung ‚fertig‘ ist, sondern nur, welche Zeit vereinbart wurde. Ist beispielsweise eine Stunde Zeit vereinbart, dann muss der Mitarbeiter nach Ablauf der Stunde gehen, weil dies so vereinbart ist. Nur wenn der Kunde wünscht (und damit auch bezahlt), dass der Mitarbeiter noch länger bleiben soll, kann er ‚bleiben‘. Bleibt er jedoch länger, ohne mehr abzurechnen, ist dies unwirtschaftlich und auch vertragswidrig. Vor allem kann diese Mehrzeit nicht mehr anders ‚ausgeglichen‘ werden, weil es bei der Zeitabrechnung keinen ‚Ausgleich‘ gibt durch Einsätze, die schneller als geplant durchgeführt werden können. Denn bei der Zeitabrechnung kann dann auch nur entsprechend weniger Zeit abgerechnet werden!

Dazu kommt noch ein weiterer zentraler Aspekt, der wesentlichen Anteil daran hat, wie wirtschaftlich der Pflegedienst sein kann: Ob der Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung ein ausgeglichenes oder positives Betriebsergebnis erzielt, hängt auch stark davon ab, ob die gezahlte durchschnittliche Leistungsvergütung wirklich leistungsgerecht ist. Die Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI formuliert dies so: „Die Vergütung muss einem Pflegedienst bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seine Aufwendungen zu finanzieren und seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen unter Berücksichtigung einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos.“8 Voraussetzung für ein ausgeglichenes und positives Betriebsergebnis ist demnach eine leistungsgerechte Vergütung. Durch die Unterschrift auf der Vergütungsvereinbarung bestätigt jede Einrichtung, dass der damit abgeschlossene Preis „leistungsgerecht“ im oben genannten Sinne ist. Sollte dies nicht der Fall sein, kann der Pflegedienst keine Kostendeckung erreichen, hätte aber auch nicht die Vergütungsvereinbarung unterschreiben dürfen. Das gilt vergleichbar auch für die anderen Bereiche der Krankenversicherung, Sozialhilfe oder Privatleistungen. In Bezug auf die Zeitabrechnung ist die leistungsgerechte Vergütung noch wichtiger: weil es kein Mischpreis ist, müssen die tatsächlichen Stundenkosten refinanziert sein, ansonsten wird mit jeder Zeiteinheit ein nicht mehr auszugleichendes Defizit erzielt.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Zuordnung der Aufgaben und die Verantwortung: Die Einsatzplanung, die die PDL zu verantworten hat, kann nur die gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben einhalten und umsetzen. In diesem Sinne (und unter Beachtung der oben genannten Definition der Wirtschaftlichkeit) ist sie auch verantwortlich für eine wirtschaftliche Betriebsführung. Ob dann das Betriebsergebnis positiv ist oder nicht, hängt zusätzlich davon ab, das die vereinbarten Vergütungen leistungsgerecht waren und sind. Sollte dies nicht der Fall sein, kann man dies nicht durch eine „andere“ Einsatzplanung oder Konzepte wie „erlösorientierte Einsatzplanung“ (siehe siehe Kap. 8.1) ausgleichen. Denn nur wenn man gegen die Qualitätsvorgaben verstoßen würde (z. B. keine aktivierende Pflege, die zeitaufwendiger ist), könnte man so eine mangelhafte Vergütung ausgleichen. Damit würde man aber gegen die Versorgungsverträge verstoßen, die als Bedingung die Einhaltung der definierten Qualität haben. Und Verstöße gegen die Qualitätsmaßstäbe können bei den jährlichen Qualitätsprüfungen auffallen und zum Verlust des Versorgungsvertrages führen.

1.4 Was bedeutet Zeit?

In der Einsatzplanung dreht sich alles um Zeit und Zeiteinheiten. Und eine Kernfrage ist, wie genau die Zeit zu planen ist. Muss alles minutengenau sein oder kann man nicht die Zeit im 5-Minuten-Takt aufrunden (zumindest wenn es nicht um Zeitabrechnung geht)?

Die Zeit ist ein kostbares Gut, dass jedoch sehr fließend ist und vor allem sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Die Zeit wird von jedem Menschen je nach Situation unterschiedlich lang oder intensiv erlebt: Sieht man ein spannendes Theaterstück, ist mit einem lieben Menschen zusammen oder erlebt etwas Positives, vergeht die Zeit wie im Flug. Wartet man dagegen auf einen wichtigen Menschen oder hat Angst vor einer Prüfung, vergeht die Zeit gar nicht, sie schleppt sich von Sekunde zu Sekunde. Das Erleben der Zeit ist also immer situationsabhängig. Trotzdem vergeht die objektive Zeit immer im gleichen Rhythmus, die Minuten werden tatsächlich nicht länger oder kürzer. Selbst wenn man denkt, dass etwas doch nicht lange gedauert hat, vergeht die Zeit genau so schnell wie immer.

Immer wieder kommen Pflegefachkräfte und Pflegekräfte vor Ort in die Situation, dass sie noch um eine Kleinigkeit gebeten werden: Ob sie nicht noch dies oder das einmal schnell mitmachen könnten. Die Kunden leben oft allein, scheinbar ist auch kein anderer da, der das gerade oder später machen kann und die „Schwester“ ist doch jetzt „eh da“ und kann das einfach schnell mitmachen. Aus Kundensicht ist das auch kein großes „Ding“, denn für den Einzelnen ist das ja auch nur ein wenig mehr Zeit. Aber auf alle Kunden bezogen, hat das bedeutende Auswirkungen.

Abbildung 3

Um einmal deutlich zu machen, dass auch sehr kleine Zeiteinheiten sehr große Folgen haben, hat Heiber 1997 das Mülleimerbeispiel (Abb. 3.) veröffentlicht9:

Das Beispiel in Abb. 3 soll zeigen, dass sich eine einzelne, sehr kurze Zeiteinheit auf das Jahr gesehen zu einem hohen Berg auftürmt. Dabei dauert es im Einzelfall nicht lange, den Müll schnell runter zu bringen. Aber auf das Jahr gesehen, addiert sich die Summe der kleinen „Eh da“-Leistungen zu stolzen 80 Stunden, das entspricht einem halben Monatsgehalt einer Fachkraft, das nicht refinanziert ist.

Es geht mit diesem Beispiel nicht darum, zukünftig alle „Gefallen“ oder „Eh-da“-Leistungen etc. zu verbieten. („Müll mitnehmen verboten.“). Vielmehr geht es darum, alle in der Pflege und Betreuung Tätigen dafür zu sensibilisieren, dass auch ganz kleine Zeiteinheiten auf das Jahr gesehen große Wirkungen und Folgen haben. Es macht daher durchaus Sinn, in dem einen oder anderen Fall, mit dem Kunden zu besprechen, warum der Feiertagsmüll von gestern nicht zur Leistung „Behandlungspflege“ gehört und warum man diese Leistung dauerhaft nur als Privatleistung oder in anderer Form abrechenbar erbringen kann. Selbst wenn dieses einmalige Gespräch dann einmal 20 Minuten dauern würde, hätte sich diese Zeitinvestition schnell gerechnet (siehe Kap. 2,4).

Das Mülleimerbeispiel kann man exemplarisch auf andere kurze zu planende Zeiteinheiten übertragen: Wenn man beispielsweise durch eine Umstellung der Einsatzreihenfolge die Wegezeit pro Einsatz nur um 1 Minute reduzieren kann, dann wären das auf das Jahr gesehen immer noch (in diesem Beispiel bei 5 Einsätzen pro Tag) 20 Stunden!

Deshalb geht es bei der Einsatzplanung nicht nur um die großen Zeitblöcke wie die Einsatzzeiten vor Ort, sondern auch um die kleineren Zeiten wie die Wege- oder Organisationszeiten. Sie spielen wirtschaftlich eine große Rolle. Wird die komplette Zeit (Einsätze, Wege-, und Organisationszeit) nicht geplant und/oder nach der Leistungserbringung kritisch hinterfragt/überprüft, erfolgt keine vollständige Steuerung bzw. Einsatzplanung. Die Folgen können sowohl wirtschaftlich als auch in Bezug auf die Versorgungsqualität gravierend sein. Deshalb ist die wesentliche Aufgabe der Einsatzplanung nicht nur die Planung der Einsatz- und sonstigen Zeiten, sondern auch die Überprüfung der Ist-Zeiten und selbst der kleinen Zeiteinheiten.

1.5 Die Entwicklung der professionellen Ambulanten Pflege

Es ist sinnvoll, sich einmal kurz an die Entwicklung der letzten 30 Jahre zu erinnern, um zu sehen, was sich durch die Einführung der Pflegeversicherung 1995 alles geändert hat.

Die Entwicklung der ambulanten Pflegestrukturen hat durch die Pflegeversicherung eine Revolution erlebt. Vor deren Einführung 1995 gab es in den westlichen Bundesländern eine unterschiedlich stark entwickelte ambulante pflegerische Infrastruktur. Die Finanzierung erfolgte teilweise über die direkte Leistungsfinanzierung (SGB V, Sozialhilfe [früher BSHG, jetzt SGB XII] und Privat), teilweise über Landeszuschüsse oder Eigenmittel (z. B. auch Kirchensteuermittel). In vielen westlichen Bundesländern gab es vor allem kirchlich organisierte Gemeindeschwestern oder Gemeindeschwesternstationen. Diese übernahmen im Rahmen ihrer Kapazitäten und Möglichkeiten eine notwendige Versorgung. In den östlichen Bundesländern gab es zu Zeiten der DDR im Prinzip vergleichbare Strukturen, nur dass die dortigen Gemeindeschwestern bei den Polikliniken angesiedelt waren. In beiden Systemen bestimmten vor allem die „Schwestern“, wann sie kommen und was sie tun. Der Pflegebedürftige war hier klassisch der „Patient“, der das zu machen hatte, was die „Schwester“ sagte. Einen „Kundenbegriff“, wie mit der Pflegeversicherung eingeführt, gab es nicht.

Im Bereich der Grundpflege gab es seit dem 01.01.199110 bis zur Einführung der Pflegeversicherung 1995 die §§ 55 bis 57 SGB V (alte Fassung), die Grundpflegeleistungen im Umfang von bis zu 25 Einsätzen mit bis zu 1 Stunde Versorgung zum Preis von 383 € (750 DM) vorsahen. Alternativ gab es ein Pflegegeld von 205 € (400 DM). Die Einstufungsvoraussetzung war eine sogenannte „Schwerpflegebedürftigkeit“ (entspricht in etwa der alten Pflegestufe 2), die aber mindestens schon 6 Monate andauern musste. Kundenrechte, wie das Recht auf Pflege zu jeder Tageszeit (24 Stunden an 7 Tagen), wie sie die Pflegeversicherung festgeschrieben hat, gab es so nicht. Eine Pflegefachkraft hat einmal über diese vergangene Zeit gesagt: „Früher war alles besser, da hatten wir keinen Wochenenddienst!“ In der Tat war im Bereich der Grundpflege von der Finanzierung her gar keine Wochenendversorgung möglich, höchstens auf der Basis von Privatleistungen. Die angebotenen Leistungen waren sprichwörtlich ein „Tropfen auf den heißen Stein“, denn dieses Leistungsvolumen konnte in keinem Fall der Pflegesituation mindestens der alten Pflegestufe 2 gerecht werden. Dazu kam, dass die Leistung „Grundpflege“ inhaltlich nicht definiert war: Die Pflegekraft konnte zwar recht frei situationsbedingt handeln, ein klarer, für beide Seiten bekannter Auftrag (wie bei den Leistungskomplexen heute) war damit jedoch nicht definiert. Es war Zeitabrechnung mit allen Vor- und Nachteilen.

Die Einführung der Pflegeversicherung hat 1995 die bisherigen Ausgaben für Grundpflege und Hauswirtschaft mehr als verdreifacht, von ca. 2 Mrd. € für Leistungen der Häuslichen Pflegehilfe SGB V (ohne Grundpflege und Hauswirtschaft bei Häuslicher Krankenpflege) sowie ambulante Pflegeleistungen der Sozialhilfe von ca. 0,6 Mrd. € auf ca. 7 Mrd. € allein für die Ambulante Pflege11.

Durch die Regelungen der Pflegeversicherung hat der Pflegekunde nun erstmals das Recht, auch spätabends ins Bett gebracht zu werden, denn nun sind Pflegedienste verpflichtet, die Leistungen rund um die Uhr an 7 Tagen in der Woche anzubieten (geregelt in den Rahmenverträgen nach § 75 SGB XI). Er kann als Kunde bestimmen, wann er welche Leistungen abruft. Der Leistungsrahmen (Definition und verfügbare Gelder) stimmt zwar weiterhin nicht mit dem tatsächlichen Bedarf überein (es ist nur ein Zuschuss, eine Teilkasko-Finanzierung), aber die Versorgungsmöglichkeiten sind gegenüber früher deutlich besser geworden, auch das finanzielle Volumen ist deutlich erhöht.

Damit stiegen und steigen auch die Ansprüche an die Pflegeorganisation. Versorgungswünsche zu jeder Zeit, auch in der Nacht und am Wochenende, sind nun in der Grundpflege normal, Zeitzusagen werden immer wichtiger, aus dem Patienten wird immer stärker ein Kunde (siehe Kap. 2.6). Dazu kommt, dass das Finanzierungssystem der Pflegedienste völlig losgelöst wurde von Zuschüssen und Defizitfinanzierungen (Selbstkostenfinanzierung). Das Prinzip der „Leistungsgerechten Vergütung“, ausgehandelt mit den Pflegekassen auf der Basis eines angeblichen „Marktpreises“, soll jedem Pflegedienst – bei wirtschaftlicher Betriebsführung – die Erfüllung seines Versorgungsauftrages ermöglichen (§ 89 Abs. 1 SGB XI).

Nach inzwischen 25 Jahren müssen wir feststellen, dass der Gesetzesauftrag („leistungsgerechte Vergütung“) so nicht immer in die Praxis umgesetzt wurde; zudem gibt es zurzeit mindestens 19 verschiedene Wege der Leistungsdefinition und der Vergütungsfindung. Denn jedes Bundesland geht in der Pflegeversicherung seine eigenen Wege, manche haben zwei verschiedene Leistungskataloge.12 Trotzdem und gerade deshalb erhöht sich der wirtschaftliche Druck auf die Pflegeeinrichtungen, gekoppelt mit einer stärker werdenden externen Qualitätssicherung (jährliche Prüfung, Pflegenoten, Expertenstandards). Das ist durch die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs mit dem PSG II 2017 nicht anders geworden. Zwar gibt es inzwischen ein verbrieftes Recht auf Refinanzierung der „Gehälter bis zur Höhe tariflich vereinbarter Vergütungen oder entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen“13, aber die Aushandlung von leistungsgerechten Vergütungen für jeden Pflegedienst wird nicht in dem Maße umgesetzt, wie der Gesetzgeber es gedacht hat14.

Von der „Zeitpflege“ zur „Leistungspflege“

War vor Einführung der Pflegeversicherung die Grundpflege im Rahmen der Leistungen nach §§ 55 ff. SGB V (alte Fassung, von 1991 bis 1995) nur durch den Zeitrahmen definiert (max. 25 Einsätze bis zu 1 Stunde), hat die Pflegeversicherung für die Grundpflege (und Hauswirtschaft) völlig neue Leistungsdefinitionen geschaffen: Nun werden hier konkrete Leistungen benannt und einzeln über Pauschalen verpreist (wie auch schon in der Behandlungspflege!). Dabei basiert der Definitionsrahmen (mögliche Leistungsbereiche) nicht auf einem Modell der Pflegewissenschaft, sondern im Wesentlichen auf der (inzwischen alten) gesetzlichen Definition der sogenannten „gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens“ nach § 14 SGB XI15. Die Grundpflege wird in einzelne Leistungsbestandteile zerlegt und als „Leistungskomplexe“ oder „Module“ sind sie wählbar. Auch hier sorgt der bundesdeutsche Föderalismus dafür, dass es nach unserem Kenntnisstand zurzeit 19 verschiedene Leistungskataloge gibt, zeitweise gab es auch fast 30 Kataloge. (Jedes Bundesland geht seinen eigenen Weg, trotz Empfehlungen der Spitzenverbände der Pflegekassen; siehe auch Kap. 2.1)

Der Kunde kauft nun statt einer Versorgungszeit eine konkrete Leistung ein, unabhängig vom tatsächlich benötigten Zeitaufwand. Diese Veränderung (von der Zeitpflege zur Leistungskomplexpflege) wurde in der Praxis jedoch nicht so (radikal) umgesetzt, sondern oftmals wurde versucht, die Leistungskomplexe weiterhin in Zeit umzurechnen, um dann nach Zeit weiterzupflegen. Die Umsetzung der Leistungskomplexe erfolgte dabei oft nach folgendem Muster: Im Rahmen der ersten Ideen zur Umsetzung gab es die gedankliche „Umrechnungsformel“: 10 Punkte entsprechen 1 Minute Grundpflege. Die Leistungskomplexe/Module wurden dann mit einer Punktmenge bewertet. Diese Umrechnungsformel fand und findet sich so in keiner Vergütungsvereinbarung, sie war eher als anfängliche Übersetzungshilfe zu verstehen16. Trotzdem wurden in vielen Pflegediensten die zu erbringenden Leistungskomplexe nach dieser Formel wieder in Zeiten umgerechnet und diese Zeit dann vor Ort beim Kunden verbracht, meist unabhängig von den Leistungsinhalten. Die Denkweise lautete in etwa: „Ich habe ja diese Zeit und soll sie hier verbringen.“ Oft glaubte der Kunde auch, er hätte den Anspruch auf diese Zeit. Dabei gab es dafür keinerlei vertragliche