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Ein Mann erwacht auf einem Feld – ohne zu wissen, wer er ist, woher er kommt und warum er dort ist. Seine Umgebung wirkt wie England im Mittelalter – doch ist es das wirklich? Seine einzige Hoffnung, zu überleben: Er muss einen Reiseführer mit dem Titel »Handbuch für den genügsamen Zauberer: Überleben im mittelalterlichen England« wieder zusammensetzen, der dummerweise bei seiner Ankunft an diesem Ort in Einzelteile zerlegt wurde. Außerdem muss er seine Erinnerung wiedererlangen und Verbündete unter den Einheimischen finden, bevor ihm mysteriöse Feinde an den Kragen gehen können …
Mit dem Crowdfunding für seine »Secret Projects« erreichte Brandon Sanderson Anfang 2022 180.000 Leser:innen weltweit und nahm eine Rekordsumme von über 40 Mio. US-Dollar ein. Das »Handbuch für den genügsamen Zauberer« ist das zweite dieser besonderen Bücher, das beim Piper Verlag in deutscher Übersetzung erscheint. Die beiden verbleibenden Bücher Nr. 3 und 4 erscheinen bei den anderen Sanderson-Verlagen Droemer Knaur und Heyne.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 426
Entdecke die Welt der Piper Fantasy!
www.Piper-Fantasy.de
Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Simon Weinert
© Dragonsteel Entertainment LLC 2023
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»The Frugal Wizard’s Handbook to Surviving Medieval England«, Dragonsteel Entertainment, American Fork 2023
© der deutschsprachigen Ausgabe:
Piper Verlag GmbH, München 2024
Redaktion: Alexander Groß
Illustrationen: Steve Argyle, © Dragonsteel, LLC, 2023
Covergestaltung: Guter Punkt, München
Coverabbildung: Steve Argyle
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Cover & Impressum
Widmung
Dank
Abbildung
Teil eins
Das weiße Zimmer
Kapitel 1
Kapitel 2
Abbildung
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Abbildung
Kapitel 10
Teil zwei
Wie man Zauberer sein kann, ohne es überhaupt erst zu versuchen
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Abbildung
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Teil drei
Bagsworth ruiniert (mal wieder) alles
Abbildung
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Teil vier
Keine Rückerstattung
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Abbildung
Kapitel 37
Epilog
Postskriptum
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Für Matt Bushman,unseren wundervollen Familien-Skopen, der immer ein Lied, nie aber ein Gelübde parat hat. Deshalb ist diese Geschichte nun für ihn.
Nicht alle Zauberei in diesem Buch ist von mir. Vielmehr haben eine Menge Leute mitgeholfen, dieses Buch Wirklichkeit werden zu lassen. Drei von ihnen möchte ich jedoch ganz besonders hervorheben. Als Erstes den fantastischen Steve Argyle – ein guter Freund und großartiger Künstler. Im Grunde habe ich Steve dieses Buch in die Hand gedrückt und gesagt: »Es gehört dir, du kannst damit spielen – mach, was immer du willst, damit es toll aussieht.« Und alle Achtung, obwohl ich ohnehin schon höchste Erwartungen hatte, hat mich sein Artwork umgehauen. Wenn ihr das Audiobook hört, dann rate ich euch, geht auf meine Website und schaut euch Steves Bilder an, die sind unglaublich.
An zweiter Stelle möchte ich Dr. Michael Livingstone besonders hervorheben. Meiner Leserschaft ist er vermutlich am ehesten aufgrund seiner wissenschaftlichen Texte über Robert Jordan und Das Rad der Zeit bekannt (schaut euch mal sein Buch Origins of The Wheel of Time an, wenn ihr einen ausführlichen Blick hinter die Geschichte der Buchserie werfen wollt), er hat aber auch selbst Fantasygeschichten geschrieben, die ich euch dringend ans Herz lege! Er ist Mediävist und Professor für Geschichte und hat mein Buch gründlich durchgelesen und mir geholfen, einige Ungenauigkeiten zu korrigieren. Und als wäre das noch nicht genug, schrieb er meine sämtlichen Versuche, angelsächsische Gedichte zu produzieren, noch einmal korrekt um, und seine Gedichte sind meinen weit überlegen. Für die Zeit, die er in dieses Projekt investiert hat, stehe ich in seiner Schuld.
An dritter Stelle muss ich natürlich meine wunderbare Frau nennen – die erste Leserin der »Secret Projects« und diejenige, für die ich sie geschrieben habe. Ihrer Ermutigung und ihrer Begeisterung habt ihr die Existenz dieser Bücher zu verdanken!
Viele andere, die an diesem Projekt mitgearbeitet haben, gehören zu meiner Firma Dragonsteel. Da haben wir in der Grafikabteilung ᛁᛋᚫᚫᚳ Stewart als künstlerischen Leiter dieses Projekts, assistiert von Rachael Lynn Buchanan und Jennifer Neal, und Bill Wearne als Experten für die Herstellung, der das alles zusammengeführt hat. Was die Grafiken und den Druck anging, waren diese Bücher um einiges aufwendiger, deshalb bin ich sehr dankbar für die Hilfe aller Beteiligten.
Das interne Lektorat wird von Peter Ahlstrom geleitet, und Kristy S. Gilbert war für dieses Projekt die Cheflektorin. Außerdem haben Karen Ahlstrom und Betsey Ahlstrom unschätzbare Lektoratsarbeit geleistet. Kristy Kugler besorgte das Korrektorat.
Die betriebswirtschaftliche Abteilung wird von Matt Hatch geleitet. Zu seinem Team zählen Emma Tan-Stoker, Jane Horne, Kathleen Dorsey Sanderson, Makena Saluone, Hazel Cummings und Becky Wilson.
Leiter des Bereichs Marketing und Öffentlichkeitsarbeit ist Adam Horne, sein Team besteht aus Jeremy Palmer, Taylor D. Hatch und Octavia Escamilla. Ihrer Arbeit ist es zu einem großen Teil zu verdanken, dass die Kickstarter-Kampagne so gut lief. Ich glaube, Taylor und Octavia tauchen hier zum ersten Mal in einer Danksagung auf! Gut gemacht, ihr beiden.
Das Versand- und Veranstaltungsteam wird von Kara Stewart geleitet. Ihre Mitarbeitenden sind damit betraut, Hunderttausende Bücher an euch zu versenden, und dieses Jahr arbeiten sie besonders viel, um das alles zu bewältigen. Ihnen herzlichen Dank für ihre harte Arbeit! Das Team besteht aus Christi Jacobsen, Lex Willhite, Kellyn Neumann, Mem Grange, Michael Bateman, Joy Allen, Katy Ives, Richard Rubert, Brett Moore, Ally Reep, Sean VanBuskirk, Isabel Chrisman, Owen Knowlton, Alex Lyon, Jacob Chrisman, Matt Hampton, Camilla Cutler und Quinton Martin.
Dank auch an unsere Freunde bei Kickstarter, Margot Atwell und Oriana Leckert; unsere Freunde bei BackerKit, Anna Gallagher, Palmer Johnson und Antonio Rosales; und unsere stets wachsamen Freunde beim Inventor’s Guide, Matt Alexander und Mike Kannely.
Alpha-Testlesende (die sogar ein gedrucktes Vorabexemplar bekommen haben!) waren bei diesem Buch Brad Neumann, Kellyn Neumann, Lex Willhite, Jennifer Neal, Christi Jacobsen, Ally Reep und Tyson Meyer.
Die Gruppe der Beta-Lesenden bestand aus Drew McCaffrey, Brian T. Hill, João Menezes Morais, Richard Fife, Joy Allen, Glen Vogelaar, Megan Kanne, Bob Kluttz, Paige Vest, Jayden King, Deana Covel Whitney, Chana Oshira Block, Christina Goodman, Heather Clinger, Zaya Clinger und Chris Cottingham.
Die Gamma-Lesenden schließlich waren Brian T. Hill, Joshua Harkey, Tim Challener, Ross Newberry, Rob West, Jessica Ashcraft, Chris McGrath, Evgeni »Argent« Kirilov, Glen Vogelaar, Frankie Jerome, Shannon Nelson, Ted Herman, Drew McCaffrey, Kalyani Poluri, Bob Kluttz, Christina Goodman, Rosemary Williams, Jayden King, Ian McNatt, Anthony, Lyndsey Luther und Kendra Alexander.
Brandon Sanderson
Ich schreckte auf, riss die Fäuste hoch, und Adrenalin schoss wie ein Stromschlag durch meinen Körper. Leichtfüßig wirbelte ich herum und suchte nach einem Ziel für meine Faust. Schweiß lief mir übers Gesicht.
Ich befand mich auf einem Acker.
Auf einem sonnigen Acker in der Nähe eines Waldes.
Was zum Teufel?
Was zum Kuckuck, verdammt?
Mein Herz wummerte wie ein Bass Beat, und ich versuchte, mir einen Reim auf alles zu machen. Hinter mir ertönte ein Geräusch, und ich fuhr herum, die Hände schützend erhoben.
Es war nur ein Vogel. Dies war nur ein Acker. Zerfurcht und uneben lag die Erde wellenförmig da. Um mich herum befand sich eine verbrannte Stelle mit verkohlten Grashalmen und schwelender Asche. Ich suchte in meiner Erinnerung nach Hinweisen, doch ich fand nur Leere, wie in einem weißen Zimmer, das erst noch farbig gestrichen werden musste.
Leer. Ich war leer. Bis auf … eine vage Abneigung gegen Schwimmen?
Im Moment war das die Summe dessen, an was ich mich erinnern konnte. Nicht an meinen Namen. Nicht an meine Vergangenheit. Lediglich an eine latente Furcht vor großen Wassermassen.
Ich fasste mir mit einer Hand an den Kopf, schaute mich um und versuchte, aus meiner Leere schlau zu werden. Die Pflanzen, die rings um die verbrannte Stelle wuchsen, waren einige Zoll hoch. Dass es mir nicht möglich war, sie zu bestimmen, ließ darauf schließen, dass ich vermutlich kein Bauer war.
Der seltsame Brandfleck bildete einen Kreis von ungefähr zehn Fuß Durchmesser mit mir als Zentrum. Bei näherer Betrachtung stellte ich fest, dass die Pflanzen direkt unter meinen Füßen nicht verbrannt waren. Ich sah hinter mich, und dort bemerkte ich einen menschenförmigen Bereich, der ebenfalls nicht verbrannt war. Und meine Größe hatte. Meinen Umriss.
Vielleicht war ich feuerfest? Vielleicht hatte ich entsprechende Erweiterungen. Anscheinend war ich männlich, durchschnittlich groß und von muskulöser Statur. Ich trug feste Schnürstiefel, ein langes Hemd, darüber eine braune Tunika und darüber schließlich noch einen bunten Umhang. Kalt würde es mir also wahrscheinlich nicht so schnell werden. Und unter der Tunika …
Bluejeans?
Zu einer Tunika und einem Umhang? Das war eigenartig.
O Mann! War ich etwa ein Cosplayer? Und weshalb konnte ich mich an dieses Wort erinnern, nicht aber an meinen eigenen Namen?
Also gut, dann war ich wohl unterwegs gewesen, um für den hiesigen Mittelaltermarkt Bilder zu machen oder so. Ich hatte Feuerwerk für ein paar coole Fotos mitgenommen und mich aus Versehen selbst abgefackelt. Das erschien mir einigermaßen plausibel.
Aber wo war mein Fotoapparat? Mein Telefon? Mein Autoschlüssel?
Meine Taschen waren leer bis auf einen Kugelschreiber. Ich trat aus meinem Umriss auf dem Boden heraus, und die verkohlten Reste der Pflanzen knirschten unter meinen Sohlen. Es roch nach Rauch und Schwefel.
Rasch suchte ich die nähere Umgebung ab, fand aber nichts Bemerkenswertes. Erde, Pflanzen. Nirgends ein Haufen meiner Habseligkeiten. Allmählich zweifelte ich meine Foto-Theorie an. Vielleicht war ich einfach nur ein Freak, der sich gern historische Klamotten anzog, um … sich auf einer Wiese anzuzünden?
Wie man das halt so macht.
Ein Stück entfernt entdeckte ich einen Feldweg, der zu einer Gruppe antiquierter Holzhäuser mit Strohdächern und nur wenigen Fenstern führte. Dahinter erhob sich ein größeres Gebäude. Teilweise waren sie von einem Hügel verdeckt, weshalb ich keine weiteren Einzelheiten erkennen konnte. Ich schüttelte den Kopf und stieß einen langen Seufzer aus. Ich musste …
Halt mal. Was lag denn da auf dem Boden?
Ich eilte hin und zupfte ein flatterndes Stück Papier zwischen zwei größeren Halmen hervor. Wieso hatte ich das nicht schon früher gesehen? Der Rand des Blattes war verbrannt, und es stand kaum Text darauf.
Handbuch für den genügsamen Zauberer: Überleben im mittelalterlichen England
Vierte Ausgabe
Von Cecil G. Bagsworth III.
Ich las mir das dreimal durch, bevor ich erneut zu den altertümlichen Gebäuden hinübersah. Ich war kein Cosplayer. Sondern ich besuchte eine Art Themenpark. War das weniger nerdig oder noch schlimmer?
Nachdem ich nun wusste, nach was ich Ausschau halten musste, entdeckte ich Richtung Waldrand noch ein Blatt. Vielleicht war darauf eine Karte – oder wenigstens ein Hinweis darauf, wo ich eine Unfallstation finden konnte. Ich hatte mir ganz offensichtlich den Kopf angestoßen.
Dieses Blatt war noch stärker verkohlt als das erste. Zwei Textbrocken ließen sich noch entziffern: einer auf der Vorder-, der andere auf der Rückseite.
kann zwar traumatisch sein, aber keine Sorge! Denn im Paketpreis inbegriffen ist ein von uns speziell für dich ausgewählter passender Ort, an dem du dich nach deiner Ankunft erholen kannst. Außerdem empfehlen wir, die leeren Seiten am Ende des Buches für Notizen zu nutzen, um relevante Informationen aus deinem Leben festzuhalten.
Der Transfer kann den Verstand etwas vernebeln – manche Fakten des eigenen Lebens können andere Einzelheiten ins Rollen bringen. Mach dir keine Sorgen wegen der anfänglichen Verwirrtheit. Sie ist eine häufige Nebenwirkung, und du musst nur …
Wie absolut ätzend, dass der Text ausgerechnet an dieser Stelle abbrach. Ich drehte das Blatt um.
es so erscheinen, dass die teureren Pauschalangebote, die sogenannte Premiumdienstleister verkaufen, den Erholungsprozess erleichtern. Gesinde, ein luxuriöses Anwesen, medizinisches Personal. Solche Wünsche können wir zwar erfüllen, aber keine Sorge, falls du dir das nicht leisten kannst! Frugal Wizards™ brauchen derlei Extravaganzen nicht. Vielmehr könnten solche Leistungen das Ganze zu einfach machen! (Siehe die Studie von Bagsworth et al., Seite 87.)
Jawohl, Frugal Wizards™ sind fähig und selbstbewusst und müssen nicht verhätschelt werden. Lies weiter und erfahre Tipps und Geheimnisse, die du brauchen wirst, um
Also gut, ich hatte wohl ein Reisepauschalangebot gekauft. Eines, das … dem Körper aus irgendeinem Grund ziemlich schwer zusetzte? Am Rand meines Bewusstseins flackerte ein Gedanke.
Ich hatte mir das ausgesucht. Ich wollte hier sein.
Einen Moment dachte ich, ich wäre der Antwort auf die wichtigeren Fragen nahe. Doch dann war sie wieder weg, und ich starrte erneut in das weiße Zimmer meines Verstandes.
Wie dem auch sein mochte, jedenfalls war ich nicht an einem »passenden Ort« gelandet, an dem ich mich erholen konnte. Ich war in der Mitte eines brennenden Ackers aufgewacht. Die Bewertung schrieb sich fast von selbst: Der optimale Trip, falls du zufällig eine pyromanische Kuh bist. Ein Stern.
Halt.
Stimmen in der Ferne.
Mein Körper bewegte sich, ehe ich das Geräusch registriert hatte. Innerhalb von Sekunden war ich in den Wald gehuscht und drückte mich mit dem Rücken gegen einen Baumstamm. Reflexartig fasste ich an meine Seite …
Krass. Griff ich etwa nach einer Pistole? Ich hatte nichts dergleichen bei mir. Was mir ebenfalls Unbehagen bereitete, war die Tatsache, dass ich so schnell – und lautlos – in Deckung gegangen war.
Okay, das hatte nicht notwendigerweise etwas Schlimmes zu bedeuten. Vielleicht war ich nur ein meisterlicher Verstecken-Spieler. Paintball-Verstecken?
Aber da ich Hilfe hatte suchen wollen, hätte es mich freuen sollen, wenn ich bemerkt wurde. Aus irgendeinem Instinkt heraus blieb ich jedoch hinter dem Baum versteckt und atmete langsam und kontrolliert. Wer immer ich sein mochte, mit derlei Situationen hatte ich anscheinend Erfahrung.
Als die Leute ankamen, war ich nahe genug, um sie zu verstehen.
»Was war das, Ealstan?«, sagte ein ängstlich klingender Mann – in perfektem modernem Englisch, wenn auch mit einem vage kontinentalen Akzent. »Ein Landwicht?«
»Das war kein Wicht«, antwortete eine kräftigere Männerstimme.
»Vielleicht Lognas Flamme?«, meldete sich eine Frauenstimme. »Seht euch den Umriss an. Und hier lagen überall diese Zaubersprüche verstreut …«
»Es sieht so aus, als wäre jemand lebendig verbrannt worden«, meinte die erste Stimme. »Der Donner an einem heiteren Sonnentag … Vielleicht wurde er von himmlischem Feuer verzehrt.«
Die tiefere Stimme brummte. Ich widerstand dem Drang hinüberzuspähen. Noch nicht, raunten mir meine Instinkte zu.
»Ruft alle zusammen«, verkündete die feste Stimme schließlich. »Heute Nacht legen wir Opfer aus. Hild … die Skopin. Ist sie gegangen?«
»Heute früh, glaube ich«, antwortete die Frau.
»Schickt ihr einen Jungen hinterher, der sie anflehen soll umzukehren. Vielleicht brauchen wir eine Bindung. Oder schlimmer noch, eine Loslösung.«
»Das wird ihr gefallen«, erwiderte die Frau.
Noch ein Brummen. Das Gras raschelte, als die Leute sich zurückzogen. Schließlich spähte ich hinter dem Baum hervor und konnte die drei Gestalten erkennen, die in Richtung der Gebäude gingen. Zwei Männer und eine Frau in archaischen Kleidern. Tuniken und weite, geblähte Hosen bei den Männern – sollten sie nicht eigentlich Beinlinge tragen? Ich hätte schwören können, dass ich das in einem Museum gesehen hatte. Ihre Kleider waren in verblassten Erdtönen gehalten, wobei einer der beiden Männer einen orangefarbenen Umhang trug, der so leuchtete, dass ich seine historische Korrektheit stark bezweifelte.
Die Frau trug ein ärmelloses braunes Kleid über einem etwas längeren weißen Kleid mit langen Ärmeln. Abgesehen von dem farbenprächtigen Umhang wirkten sie ganz so wie als altmodische Bauern verkleidet – zumindest besser als ich in meiner Jeans. Ein weiterer Punkt, der dafürsprach, dass dies hier ein Themenpark war?
Aber würden Angestellte in einem Themenpark nicht übertrieben altertümelnd sprechen? »Wisset« und »edler Recke« und »wohlfeil« und so weiter. Aber würden sie auch noch so sprechen, wenn niemand von außerhalb in der Nähe war?
Ich musste mehr erfahren. Mir fiel eine weitere Person auf, die zu ihnen lief und etwas bei sich trug. Lauter verkohlte Zettel. Der Großteil der Seiten meines Buches musste in Richtung Dorf geweht worden sein, und jemand hatte sie aufgesammelt.
Na gut. Mission angenommen.
Ich brauchte diese Seiten.
Einerseits wollte ich zu ihnen marschieren und Antworten verlangen. Den wütenden Kunden spielen, sie dazu zwingen, aus ihrer Rolle zu fallen.
Aber … das Ganze hatte etwas …
Ein Teil von mir war überzeugt, dass sie keine Schauspieler waren. Dass das alles – irrsinnigerweise – echt war und ich in meinem Versteck bleiben sollte.
Verdammt! Das hörte sich lächerlich an, oder?
Nichtsdestotrotz sagte mir mein Bauchgefühl, dass ich jemand war, der auf sein Bauchgefühl hörte. Deshalb blieb ich in Deckung und beobachtete, verborgen im Schatten des abnehmenden Tageslichts. Ich wartete allerdings ein wenig zu lange, denn am Ende war es dunkel.
So dunkel wie im Keller eines Horrorfilms. Wolken trieben heran und verdeckten die Sterne – und heute Nacht schien offenbar kein Mond. Dazu kam, dass ich kein einziges Licht im Dorf ausmachen konnte. Ich hätte mit Fackeln oder Lagerfeuern gerechnet.
Ich tätschelte den Baum, hinter dem ich mich versteckt hatte. »Danke für die Deckung«, flüsterte ich. »Du bist ein guter Baum. Groß, dick und – vor allem – aus Holz. Viereinhalb Sterne. Würde mich jederzeit wieder hinter dir verstecken. Einen halben Stern Abzug, weil du keine Erfrischungen anbietest.«
Dann hielt ich inne.
Es war das zweite Mal, dass ich etwas Ähnliches getan hatte, und es juckte mich in den Fingern, dieses Ereignis und meine Gedanken dazu aufzuschreiben. War das ein Hinweis darauf, wer ich war? Irgendein … Kritiker?
Ich schlüpfte hinter dem gut bewerteten Baum hervor und stellte fest, dass mein Geschick als Schleicher außergewöhnlich war. Trotz der Dunkelheit bewegte ich mich durch die Reihen im Wachsen begriffener Pflanzen, ohne einen Laut zu verursachen. Fantastisch. Vielleicht war ich ein Ninja.
Am anderen Ende des Ackers stieß ich auf den ungepflasterten Feldweg. Auf ihm hielt ich auf das Dorf zu, froh, dass die Wolken sich gelichtet hatten und ein wenig Sternenlicht durchließen. Das Dorf lag nun nicht mehr in der Finsternis eines Horrorfilmkellers, sondern nur noch in der Finsternis eines Horrorfilmwaldes. Vielleicht schon eine Verbesserung?
An eine derart umfassende Dunkelheit war ich nicht gewöhnt. Die Schatten waren finsterer als alles, was ich je erlebt hatte, als würden sie durch das Wissen ermutigt, dass ich sie nicht durch das Umlegen eines Schalters kontrollieren konnte.
Ich erreichte das Dorf und ging zwischen den stillen Häusern hindurch. Es konnten höchstens zwanzig Gebäude sein. Alle aus Holz und mit strohgedeckten Giebeldächern. (Zwei Sterne. Vermutlich gab es hier nur katastrophales WLAN.)
Nicht allzu weit entfernt hörte ich einen Fluss, und weiter vorn befand sich ein großer Klumpen aus Finsternis. Am anderen Ende des Dorfes stieß ich auf den breiten, aber nicht tiefen Fluss. Hier kniete ich mich hin und schöpfte mit den Händen Wasser, um zu trinken. Meine medizinischen Nanobots würden Bakterien neutralisieren, ehe sie mir allzu großen Ärger machen konnten.
Ich erstarrte in der Bewegung, die Hände halb zum Mund erhoben.
Medizinische … Nanobots?
Ja, winzige Maschinen im Körper, die elementare gesundheitliche Versorgung bereitstellten. Sie neutralisierten Gifte, verhinderten Krankheiten und zerlegten meine Nahrung, um Nährstoffe und Kalorien optimal zu verwerten. In Notfällen konnten sie Wundheilungsfunktionen übernehmen. Als ich das letzte Mal angeschossen worden war, war ich innerhalb einer Stunde wieder auf den Beinen gewesen – aber meine Nanobots waren für gute zwei Tage komplett ausgeknockt gewesen.
Heilige Scheiße! Ein Puzzleteil. Hatte ich sonst noch Erweiterungen? Ich konnte mich nicht erinnern, aber ich wusste, dass ich mehr Nahrung brauchte als ein durchschnittlicher Mensch. Ganz besonders brauchte ich viele Kalorien oder … Kohlenstoff? Im Prinzip konnte es irgendetwas Organisches sein. Aber manche Sachen waren ergiebiger als andere.
Ich sah zum Dorf zurück. Ein Kind hatte angefangen zu schreien, und das einsame Greinen jagte mir einen Schauer über den Rücken.
Ich riss mich zusammen und schlich am Fluss entlang, bis ich zu einer hölzernen Brücke gelangte, auf der ich den Strom überquerte. Der große Klumpen Finsternis stellte sich als Festung aus aufrechten, in die Erde gerammten Pfählen heraus, deren Spitzen ungefähr acht Fuß hoch in den Himmel ragten.
Die Wand wirkte sehr robust, auch wenn ich eine größere Befestigung aus Stein erwartet hätte. Etwas Burgartiges. Die Holzpalisade enttäuschte mich ein wenig. Ich schickte meine Bewertung allerdings noch nicht ab. Denn vielleicht entsprach das ja den wahren historischen Gegebenheiten.
Hier müssten die wichtigeren Leute des Dorfes zu finden sein – zum Beispiel der Mann mit der tiefen, gebieterischen Stimme.
Ich ging einmal um die Befestigung herum – sie war gerade groß genug, um ein paar Gebäude einzuschließen –, doch das Tor war zu, und ringsum befand sich ein tiefer Graben. An einer Ecke war innerhalb der Palisade eine hölzerne Plattform errichtet worden. Ein Wachtposten. Würde ich versuchen, über den Graben zu springen und an den Pfählen hochzuklettern, würde ich dessen Aufmerksamkeit erregen.
Deshalb schöpfte ich aus meiner gesamten Lebenserfahrung – die bisher grob einen halben Tag umfasste –, um mir einen Plan zurechtzulegen. Ich versteckte mich hinter einem Baum, von dem aus ich das Tor sehen konnte, und wartete darauf, dass es sich öffnete.
(Baumwertung: drei Sterne. Unbequemes Wurzelwerk. Für unerfahrene Verstecksuchende ungeeignet. Schaut euch auch meine anderen Baumbewertungen in der Gegend an, um weitere Optionen zu erhalten.)
Ich erwog gerade ernsthaft, dem Baum noch einmal einen halben Stern abzuziehen, als ich etwas auf der Straße näher kommen hörte, und zwar schnell. Einen kurzen Augenblick hüpfte mir das Herz. Ein Auto?
Nein. Hufschlag. Zwei Pferde mit Reitern schälten sich aus der Dunkelheit ins Sternenlicht, und sie bewegten sich um einiges schneller, als ich es nachts für sicher gehalten hätte. Die Reiter hielten am Tor an und riefen den Insassen etwas zu. Ich war zu weit weg, um den Austausch verstehen zu können, aber kurz darauf wurden die beiden Torflügel wackelnd aufgezogen.
Von den beiden Reitern, die durchs Tor trabten, konnte ich nicht viel erkennen. Aber dank der Lichter in der Festung sah ich die beiden größeren Gebäude – eines aus Stein, das andere aus Holz und strohgedeckt wie die Häuser im Dorf.
Anscheinend hatte es mit den Besuchenden etwas Sonderbares auf sich, denn die meisten Leute in der Festung – die Wachen eingeschlossen – versammelten sich um sie. Sodass niemand mehr das Tor bewachte.
Ich ergriff die Gelegenheit und schlich mich in der Dunkelheit heran. Dank meiner Schleichfähigkeit gelangte ich durchs Tor, ohne dass mich jemand bemerkte. Der Instinkt, der mir sagte, wie man sich am besten in den Schatten hielt, um von den Leuten nicht gesehen zu werden, und wie man sich lautlos bewegte, warf die beunruhigende Frage auf, wo ich mir diese Fähigkeiten angeeignet hatte. Das und die Tatsache, dass ich ständig die Hand auf eine Pistole legen wollte, die nicht da war. Dies schienen nicht die Fähigkeiten eines gesetzestreuen Bürgers zu sein, der sein Leben damit zubrachte, Bäume zu bewerten.
Ich kauerte mich neben ein paar Fässer und verschaffte mir einen Überblick. In der Mitte des Hofes stand ein großer schwarzer Stein mit einer schartigen Spitze. Er war höher als breit und sah wie eine kleinere, abgebrochene Version des Washington Monument aus. Auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes befand sich ein kleiner Stall. Dort waren die beiden Reiter abgestiegen und übergaben ihre Tiere einem Stallknecht.
Ein Junge lief zu dem Steingebäude. Es schien weitaus stabiler gebaut zu sein als die anderen. War es vielleicht das Herrenhaus? Und das aus Holz war die Versammlungshalle?
Seltsamerweise wurden einige Schalen vor dem Steinhaus abgestellt, an denen seitlich brennende Kerzen angebracht waren. Schüsseln mit Obst, Näpfe mit Sahne und …
Und ein einzelnes, angesengtes Blatt Papier.
Der Junge kam bald zurück und bedeutete den beiden Reitern, dass sie ihm folgen sollten. Zu dritt betraten sie das Holzgebäude, das ich für eine Versammlungshalle hielt, und ich meinte, das Wort »Erfrischungen« zu verstehen, als sie hineingingen. Vielleicht hätte ich mich für diese beiden Leute interessieren sollen, aber meine Aufmerksamkeit war ganz auf das Blatt Papier gerichtet. War es aus meinem Buch? Warum wurde es auf diese Weise vor das Gebäude gestellt?
Das alles war völlig bizarr. War ich Teil eines lächerlichen Gesellschaftsexperiments? Einer Reality-TV-Spielshow?
Ich zwang mich, ein paar angespannte Minuten lang abzuwarten, bis, wie ich erwartet hatte, ein Mann mit einem orangefarbenen Umhang aus dem Herrenhaus kam, begleitet von zwei Männern, die langstielige Einhandäxte und runde Holzschilde trugen. Eine Rüstung konnte ich jedoch nicht erkennen. Sie sahen vage wie Wikinger aus.
»Oswald«, rief einer von ihnen in Richtung des hölzernen Wachturms. »Schließ das Tor!«
Während der Burgherr mit seinen beiden Männern die Halle betrat, stieg ein jüngerer Soldat vom Turm herunter. Er grinste den anderen zu und verbeugte sich leicht vor seinem Herrn, bevor er beidrehte und die Torflügel zuschob.
Für mich war nun der Zeitpunkt zum Handeln gekommen. Getreu dem alten Spruch: Karpfe diem. Nutze den Fisch. Ehe ich noch darüber nachdenken konnte, war ich losgegangen und huschte über den Hof. Mein Körper schien zu wissen, dass ich die Gelegenheit zwar nicht versäumen, gleichzeitig aber auch nicht rennen durfte. Das würde zu viel Lärm verursachen. Mit einem Gefühl der Verwundbarkeit eilte ich an dem großen schwarzen Stein vorbei, dann zu den Schalen und den Kerzen, wo ich mir das Papier schnappte.
Sekunden später war ich wieder in Deckung neben der Versammlungshalle. Mein Herz wummerte. Ich holte ein paarmal tief und ruhig Luft, um mich zu beruhigen. Dann sah ich mir die Seite an.
Richtig. Es war ja dunkel. Horrorfilme. Und so. Nun ja, ein Stück weiter war ein Fenster. Zwar war der Fensterladen geschlossen, aber es sickerte etwas Licht heraus. Ich schlich mich hinüber und hielt die Seite an die Schlitze.
Wie die anderen Seiten, die ich gefunden hatte, war auch diese bedruckt. Die hier war jedoch kaum verkohlt. Darauf stand:
DEINE EIGENE DIMENSION
Die Feinheiten des Dimensionsreisens sind nicht weiter wichtig, und wir empfehlen dir, dich nicht mit ihnen zu belasten. Wir von Frugal Wizard Inc.® haben dir diese schwierige Aufgabe abgenommen. Du brauchst dir nur das Angebot aussuchen, das du möchtest, und wir liefern dir eine unberührte Earth-lite™-Dimension.
Ich hörte auf zu lesen, denn die Worte verschwammen mir vor den Augen. Ein weiteres winziges Puzzlestück fand seinen Platz.
Das hier war kein Themenpark, kein seltsames Gesellschaftsexperiment oder ein Spiel.
Es war eine andere Dimension.
Und sie gehörte mir.
Deine eigene Dimension
Die Feinheiten des Dimensionsreisens sind nicht weiter wichtig, und wir empfehlen dir, dich nicht mit ihnen zu belasten. Wir von Frugal Wizard Inc.® haben dir diese schwierige Aufgabe abgenommen. Du brauchst dir nur das Angebot aussuchen, das du möchtest, und wir liefern dir eine unberührte Earth-lite™-Dimension.
Nichtsdestotrotz hat ein wenig Geschichte noch niemandem geschadet. Es sei denn, du lässt dich von einem Ritter aufspießen! (Das ist interdimensionaler Humor. Deine Dimension ist vollkommen sicher.[1])
Interdimensionales Reisen wurde zwar bereits 2084 entdeckt, aber die Technologie wurde erst kürzlich vom Gesetzgeber freigegeben. Damit war nicht nur dem dimensionalen Freizeittourismus der Weg geebnet, sondern es bot sich die Chance schlechthin! Als Interdimensional Wizard™ bist du Teil eines wagemutigen Zirkels von Forschungsreisenden. Wie die Siedler von einst, die auszogen, um im amerikanischen Westen Land urbar zu machen, kannst du in einer einzigartigen Dimension deinen Claim abstecken!
Frugal Wizard Inc.® hat sich ein Band des 305ten Spektrums von aus dem Mittelalter abgeleiteten Kategorie-Zwei-Dimensionen gesichert. Diese extravaganten Begriffe bedeuten schlicht, dass unsere Dimensionen einander gleichen und zwei Kategorien von der Erde entfernt sind. Dort trifft man auf Vertrautes, aber nicht zu Vertrautes! Schließlich wollen wir, dass es aufregend bleibt.
Wir durchsuchen unablässig Dimensionen, um diejenigen auszuwählen, die als Wohnstätten für Zaubernde am geeignetsten sind. Entscheide dich schnell, bevor die guten Dimensionen alle vergeben sind![2]
Ja, sie gehörte mir.
Mir gehörte England. Mir gehörte dieser Planet. Mir gehörte dieses ganze Universum. Zumindest auf dem Papier.
Die Einzelheiten waren mir nicht wirklich klar – mein Gedächtnis arbeitete noch entschieden auf einem Null-von-fünf-Sternen-Niveau. Aber immerhin wusste ich, dass man Dimensionen kaufen konnte. Nun, eigentlich kaufte man lediglich exklusiven Zutritt – gewährleistet durch ein nicht zu knackendes Quantenpasswort, das man nur selbst freischalten konnte – und das Recht, in dieser Dimension zu tun, was immer man wollte. Ich meine, in manchen dieser Dimensionen galten die Naturgesetze (wie wir sie in unserer Dimension verstehen) nicht. Warum also sollte dann die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte gelten?
Was immer ich mir dabei gedacht hatte, das hier war mein Spielplatz von der Größe eines Planeten.
Aber … was machte das aus mir? Einen Touristen? Einen Geschichtsexperten? Einen Möchtegernweltherrscher? Was waren meine Beweggründe gewesen hierherzukommen? Und warum war ich auf einem Acker aufgewacht und nicht in einer dafür vorgesehenen Festung oder irgendeinem … ich weiß nicht … Wissenschaftsdingens?
Tja, ich war definitiv kein Akademiker. Trotzdem wusste ich, dass etwas schiefgegangen war.
Während ich über die Folgen nachdachte, gemahnten mich Stimmen aus der Halle, besser auf meine Umgebung zu achten. Ich war unbewaffnet und etwas verwirrt. Wenn ich zu ihnen hineinspazieren und ihnen erklären würde, dass mir das praktisch alles gehörte, und sie anschließend bitten würde, mir freundlicherweise zu gehorchen … vermutlich würden sie dann auf mich zuspazieren, mir erklären, dass es dem Schwert, das sie mir in die Eingeweide gestoßen hatten, egal war, was ich behauptete, und mich bitten, freundlicherweise nicht auf den Teppich zu bluten.
Würde ich sie mit meinem fantastischen, futuristischen Wissen beeindrucken können? Verfügte ich überhaupt über ein solches? Ich zermarterte mir den Kopf, aber mein futuristisches Wissen schien sich in einer Handvoll Filmzitate zu erschöpfen. Ich wusste auch, dass irgendwann Computer existieren würden. Die hatten Schaltkreise. Und, äh, Prozessoren.
Ich besaß medizinische Nanobots, aber es wäre schwierig, diese so zur Schau zu stellen, dass sie auf beeindruckende Weise verkündeten: »Schaut her, ich bin ein Gott.« Meine verlässlichste »Superkraft« war, dass ich mich heftig anhusten lassen konnte, ohne krank zu werden. Ich konnte von einer schweren Wunde genesen, aber während die Nanobots sich wieder aufbauten, wäre ich schutzlos, sollte jemand beschließen, dass ich das Kunststück noch einmal zeigen sollte. All das erschien mir nicht geeignet, Bauern zu bezwingen.
Vielleicht könnte ich mich von einer Schlange beißen lassen und nicht sterben? Aber woher eine Schlange nehmen?
Ich musste den Rest des Buches finden. Vielleicht enthielt es eine Hilfeseite.
Vorsichtig ging ich hinten um das Gebäude herum zu einem Fenster, das näher an den Sprechenden war.
»… ich möchte den Grafen ganz bestimmt nicht beleidigen«, sagte eine tiefe Stimme. Ich erkannte sie – es war Mister Orangeumhang, der hiesige Hausherr. »Aber das ist äußerst ungewöhnlich. In unserem Dorf haben wir eine Skopin. Vielleicht könnte sie …«
Eine andere Stimme sagte etwas, leiser, aber bedrohlich.
»Jetzt?«, erwiderte Orangeumhang. »Ihr wollt die Stätte … jetzt anschauen?«
Darauf erklangen Schritte, und sie verließen das Gebäude. Toll. Ich hatte das gesamte Gespräch verpasst.
Ich pirschte mich wieder ums Haus herum in der Hoffnung, noch etwas Bedeutsames aufzuschnappen, bevor sie gingen.
»Wenn der Mann, den ihr sucht, in der Nähe ist, dann werden wir ihn finden«, sagte der Hofherr. »Aber ich muss euch warnen … es sah ganz so aus, als wäre er von Gottes Hand gefällt worden.«
Die Besucher gaben keine Antwort. Gemeinsam stapften sie durch das erneut geöffnete Tor, und der Hofherr – merklich wütend – folgte ihnen mit langen Schritten und kopfschüttelnd.
Halt.
Sie suchten nach mir?
Sie suchten nach mir.
Mich durchlief ein Schauer der Erleichterung. Während des Transfers zu dieser Dimension war wohl etwas schiefgegangen, und nun hatten die Betreiber offensichtlich ein Rettungsteam ausgesandt. Ich war doch nicht der Einzige, der in diese Dimension gelangen konnte. Vielleicht hatte ich ihnen den Schlüssel und die Zugangserlaubnis überlassen, falls ich Hilfe brauchen sollte.
Ich hob die Hand und wollte mich bemerkbar machen, als ich etwas hörte.
Erneut griff ich zu der Pistole, die nicht existierte, während ich herumwirbelte und hinter mir zwei Leute kauern sah. Sie hatten sich im Dunkeln angeschlichen. Die hintere Person – eine Frau Mitte zwanzig – zeigte mit panischem Gesichtsausdruck auf mich.
Sofort nahm ich Kampfhaltung an. Die Hände nach vorn, die Beine fest auf dem Boden. Hm.
Der Vordere, ein jüngerer Mann, hatte ein Messer und stieß damit nach mir – instinktiv blockte ich den Hieb mit dem Unterarm ab.
Und … tat mir dabei nicht weh.
Warum um alles in der Welt tat das nicht weh?
Die Klinge des jungen Mannes hatte mich mit voller Wucht erwischt, und ich steckte das weg wie ein echter Champion, ohne auch nur einen Schnitt davonzutragen. Dann hatte ich also doch noch andere Erweiterungen! Plattierung unter der Haut? Ich war ein Kämpfer! Ich konnte …
Ich erinnerte mich an Schreie.
Lichtblitze. Aus einer Zeit davor.
Ich empfand Schmerz, tiefe Scham. Sie würgte mich wie eine schwarze Schlingpflanze, die sich um meine Lunge wand.
Ich fasste mir an den Kopf und versuchte, diese Erinnerungsphantome zu verbannen, während ich mich gleichzeitig an sie klammerte, weil sie echt waren und zu dem gehörten, der ich gewesen war. Was war nur los mit mir?
Der Mann holte erneut aus. Mich erfasste eine heftige, beinahe unkontrollierbare Panik, weshalb ich langsamer abblockte.
Ich war zu Boden gegangen … ich war …
Die Klinge des Mannes traf auf mein unbedecktes Handgelenk, und seine Augen weiteten sich, als er erkannte, dass sein Messer mich nicht schnitt. Er wich einen Schritt zurück. Ich stolperte, von Erinnerungsbruchstücken übermannt.
Lichtblitze. Wütende Stimmen. Ich …
Blinzelnd sah ich zur Seite. Die Frau hatte irgendwo ein Holzbrett gefunden. Sie holte damit aus, und diesmal reagierte ich nicht darauf. Ich war zu verstört. Theoretisch müsste die Plattierung mich schützen …
Das Brett traf mein Gesicht, und kurz blitzten höllische Qualen auf, ehe meine Nanobots meine Schmerzrezeptoren lahmlegten. Für einen Moment sah ich Sterne, aber immerhin war ich nicht mehr bei Bewusstsein, als ich auf den Boden plumpste, sodass die furchtbaren Erinnerungen mich nicht weiter bestürmen konnten.
FAQ:
Bin ich in der Zeit gereist?
Antwort:
Nein, bist du nicht. Das erscheint zwar kontraintuitiv, da du momentan wahrscheinlich in deinem eigenen Schloss lebst, über Legionen von Bauern herrschst und ein Better than True Life™ Erlebnis genießt, indem du zum Beispiel die Elektrizität erfindest, Shakespeares Theaterstücke schreibst oder versuchst, die Eroberung Frankreichs im Schnelldurchlauf zu schaffen.
Auch wenn deine Umgebung mittelalterlich aussieht, hat deine Personal Wizard Dimension™ doch grob dieselbe Anzahl von Jahrhunderten auf dem Buckel wie die unsere. Unsere sorgfältig kultivierten Dimensionen durchliefen ihre technologische und gesellschaftliche Entwicklung jedoch langsamer. Deshalb erlebst du zwar ein halb akkurates mittelalterliches England, du bist deswegen aber nicht in der Zeit gereist.
Noch immer verwirrt? Nimm Nebraska. Nebraska ist ein Bundesstaat der Vereinigten Staaten von Amerika, der auf allen Seiten von Land umschlossen ist. Wegen seines allgemeinen Mangels an Bedeutsamkeit – und seiner von trendigen Bevölkerungszentren entfernten Lage – hinkt es den Küstenregionen ein paar Jahre hinterher, was Mode, Musik und die Verfügbarkeit von Sammelkarten angeht.
Wenn du nach Nebraska reist, könnte es dir so vorkommen, als wärst du in der Zeit gereist, aber akribische wissenschaftliche Experimente, bei denen synchronisierte Zeitmessgeräte benutzt wurden, haben erwiesen, dass es keine zeitliche Abweichung gibt. (Siehe: Luddow, Sing und Coffman, »Nebraska ist einfach so« in: Journal of Relativistic Studies, Volume 57, Juni 2072.)
Genauso wie Nebraska dem Rest der Welt ein paar Jahre hinterherhinkt, hinkt deine Personal Wizard Dimension™ der unseren um ungefähr ein halbes Jahrtausend hinterher. Im Prinzip hast du dir dein ganz eigenes Super-Nebraska™ gekauft.
Als ich erwachte, standen die junge Frau und der Mann auf der Decke.
Oder … halt, ich stand kopf. Ja, so ergab es mehr Sinn.
Ich spürte ein leichtes Pulsieren am Schädelansatz – ohne Nanobots wäre es ein gehöriges Pochen gewesen, da der Kontakt zwischen meinem Gesicht und dem Brett so rasch zustande gekommen war –, und meine Hände und Beine waren straff zusammengebunden. War ich an die Wand gefesselt? Ja, sie hatten mich an einen Deckenbalken gehängt und mir dann die Hände auf den Rücken gefesselt. Ich fragte mich, um was sie das Seil geschlungen hatten.
Es war eine innovative Befragungstechnik, weshalb ich ihr einen Punkt für Originalität gab, aber … wäre ein Stuhl nicht effektiver? Er war aus gutem Grund ein altbewährtes Hilfsmittel. (Drei Sterne. Schaut mehr Agentenfilme und versucht’s dann noch einmal.)
Sobald ich die Augen öffnete, trat die Frau nach vorn. Sie hatte blonde krause Locken, die ihr kaum bis zum Kragen reichten, und trug ein schwarzes, ärmelloses Kleid über einem weißen Kleid, dessen Ärmel und Saum länger waren. Am Hals war es mit hübschen kastanienbraunen Stickereien verziert, doch die weißen Schnüre, die sie sich um die Hüfte gebunden hatte, waren ausgefranst und verliehen ihm wie absichtlich etwas Selbstgemachtes.
Sie kniff die Augen zusammen.
Also gut. Wie kam man da wieder raus? Meine anfängliche Scham und Angst waren gänzlich verschwunden, und an ihre Stelle trat Betretenheit. Ganz offensichtlich hatte ich körperliche Erweiterungen, und doch hatte ich zugelassen, dass eine Frau mir ein Brett auf die Nase haut. Unprofessionell.
»Sie haben einen furchtbaren Fehler gemacht«, erklärte ich ihr.
Sie gab keine Antwort, sondern hielt den Kopf schief.
»Ich bin ein äußerst mächtiges Wesen«, klärte ich sie auf. »Sie haben mich wütend gemacht.«
Der junge Mann versteckte sich hinter ihr und spähte von dort zu mir herüber. Er schien nicht weiter bemerkenswert – ein eher kleiner Mensch mit ähnlichen blonden Locken und schlanker Figur. Bei näherer Betrachtung sah er jünger aus, als ich zunächst angenommen hatte. Vielleicht gerade mal fünfzehn oder sechzehn.
»Sefawynn«, zischte er, »ich glaube nicht, dass es etwas bringt, ihn kopfüber aufzuhängen. Er hat seine Kräfte immer noch!«
»Hat er dich etwa schon gefressen, Wyrm?«, fragte die Frau.
»Nein.«
»Dann bringt es was«, erklärte ihm die Frau.
»Tut es nicht«, sagte ich. »Während ihr noch redet, beschwöre ich meine Kräfte. Bindet mich jetzt los, oder ich rufe Feuer und Zerstörung auf euer Haus herab.«
Die Frau kniff die Augen noch mehr zusammen, hob beide Hände, die Finger nach oben gestreckt und die Daumen zueinander gebogen. Dann sprach sie.
»Ich lebe letztes Licht längst verlorner Lieben.
Wächterin bin ich des Wissens wahrer Sippe.«
Als sie zu Ende gesprochen hatte, neigten die beiden sich heran, als wollten sie prüfen, ob es eine Wirkung auf mich gehabt hatte.
»Ein Gedicht?«, sagte ich. »Das war schön.«
Der Junge drückte der Frau den Arm. »Versuche es mit einem stärkeren Gelübde.«
Sie nickte und machte mit den Händen noch einmal dieses Zeichen, ehe sie deklamierte:
»Ich bannte die Bestie von Bollwerks Hügel.
Lied-Lauterin bin ich, laut schallt mein Lied.«
Ich runzelte die Stirn, und sie schreckten beide zurück.
»Er ist nicht einmal zusammengezuckt«, flüsterte der Junge. »Das ist ein schlechtes Zeichen, oder, Sefawynn?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete sie und verschränkte die Arme. »Ich habe noch nie zuvor einen Aelv gelöst.« Sie tippte mit dem Zeigefinger auf ihren Arm. »Bring mir den Kleinen Vater, aber leise, damit die Besucher dich nicht hören.«
Der Junge nickte, zögerte dann jedoch.
»Mach dir keine Sorgen um mich«, erklärte die Frau, ohne ihn anzuschauen. »Kopfüber ist er wehrlos.«
»Aber er hat gesagt …«
»Noch einmal, Wyrm«, unterbrach sie ihn, »bist du gefressen worden?«
Er blickte an sich hinab, als müsste er nachsehen.
»Wären die Kräfte des Aelvs nicht gebannt«, sagte sie, »würden wir nicht hier stehen. Entweder würden wir von ihm beherrscht werden, oder wir wären eine am Boden zermatschte Pfütze aus menschlichen Säften. Geh den Kleinen Vater holen. Mir passiert schon nichts.«
Der Junge nickte und eilte zur Tür hinaus. Ich korrigierte meine Schätzung seines Alters nach unten. Vielleicht war er nur groß für sein Alter.
»Könnten Sie mich wenigstens richtig herum aufhängen?«, fragte ich die Frau. »Mir wird etwas schwindlig.«
Sie sah mich forschend an, gab aber keine Antwort.
»Also …«, sagte ich. »Sie nennen mich ständig einen … Älef? Mir ist nicht so wirklich bewusst, was das sein soll. Vielleicht könnten Sie mir auf die Sprünge helfen?«
Keine Antwort.
»Der junge Mann da, ist das Ihr Bruder?«, fragte ich. »Und Sie sind die Tochter des Burgherrn?« Es musste so sein, denn sowohl sie als auch der Junge waren besser gekleidet als die anderen Leute im Dorf. Aber warum nannte sie den Burgherrn »kleinen« Vater?
Klar, sie sagte natürlich nichts.
»Sie haben gesehen, dass die Waffe des Jungen an meinem Arm abgeprallt ist«, erklärte ich. »Ich warne Sie. Ich bin machtvoll, und allmählich rege ich mich auf.«
Ihre Augen waren kalt wie Stahl, ihr Gesicht vollkommen ausdruckslos. Null Sterne. Ich hätte mich lieber mit einer Leiche unterhalten. Die würde mich wenigstens nicht die ganze Zeit finster anstarren. Würde mir vermutlich auch besser zuhören.
Ich richtete meine Aufmerksamkeit auf meine Erweiterungen. Offensichtlich hatte ich optimierte Unterarme. Das nannte man … Plattierungen. Das war es. Ich hatte ein Mikrodrahtnetz unter der Haut, verstärkt durch Stütznanobots und Knochenarmierungen. Um durch meine Haut zu dringen, brauchte es praktisch einen Industrielaser oder schwere Geschütze – solange meine Nanobots funktionierten. Eine andere Person mit Erweiterungen konnte mich mit ausreichend Zeit bewusstlos schlagen, aber gegenüber einem Haufen mittelalterlicher Bauern war ich unverwundbar.