Hans Günther B. - Rainer Bressler - E-Book

Hans Günther B. E-Book

Rainer Bressler

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Beschreibung

Theater-Fantasie mit historischem Hintergrund in vier Akten mit je einem Vor- und einem Nachspiel. Im Zentrum dieser Fantasie in Form eines Theaterstücks über vergangene Zeiten stehen Hans Günther Bressler (geboren 1911 in Jauer, Schlesien, damals Deutsches Reich, gestorben 1985 in Umiken, Kanton Aargau, Schweiz), die Heil- und Pflegeanstalt Königsfelden, die Psychiatrische Klinik des Kantons Aargau, und weitere historische Personen der damaligen Zeit. Die erzählte Geschichte basiert auf tatsächlichen Ereignissen und behandelt die tatsächlichen und psychischen Schwierigkeiten eines Emigranten aus Deutschland in der Schweiz während der Zeit des Zweiten Weltkriegs und seine Gefechte mit den Gesetzen und den Vorurteilen der Leute in seinem Kampf ums Überleben. Die Geschichte wird im Interesse einer intimen Anschaulichkeit jenseits der biografischen Fakten frei und offen nachempfunden, erfunden und erzählt.

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Rainer Bressler, Jurist im Ruhestand und Schriftsteller, geboren 1945, ist Schweizer und lebt in Zürich. In den Jahren 1980 bis 1993 profilierte er sich als Hörspielautor, dessen Hörspiele von Radio DRS produziert und ausgestrahlt wurden.

Bisherige Veröffentlichungen:

7 Hörspiele:

Tom Garner und Jamie Lester; Morgenkonzert; Folgen Sie mir, Madame; Aufruhr in Zürich; Nächst der Sonne; Geliebter / Geliebte; Gaukler der Nacht; Beinahe-Minuten-Krimi

Produziert und ausgestrahlt in den Jahren 1979 bis 1993

Geliebter / Geliebte. 8 Hörspiele, Karpos Verlag, Loznica 2008

Privatzeug 1856 bis 2012. Versuch einer Spurensuche, 5 Bände:

Spur 1 Reisen; Spur 2 Spielen; Spur 3 Schreiben; Spur 4 Dichten; Spur 5 Weben

BoD 2012 bis 2016

Pink Champagne, satirischer Roman, BoD 2020

Schattenkämpfe, Roman, BoD 2020

Kraut & Rüben, Kurzgeschichten, BoD 2020

Reise-Impressionen, Erzählungen, BoD 2020

Fenstersturz, Krimi-Satire, BoD 2020

Texturen, Krimi-Satire, BoD 2020

Axthieb, Krimi-Parodie, BoD 2021

Spassvogel, Krimi-Parodie, BoD 2022

Theaterstücke Band I bis …, BoD 2020/2

Im Zentrum dieser Fantasie in Form eines Theaterstücks über vergangene Zeiten stehen Hans Günther Bressler (geboren 1911 in Jauer, Schlesien, damals Deutsches Reich, gestorben 1985 in Umiken, Kanton Aargau, Schweiz), die Heil- und Pflegeanstalt Königsfelden, die Psychiatrische Klinik des Kantons Aargau, und weitere historische Personen der damaligen Zeit.

Die in diesem Theaterstück erzählte Geschichte basiert auf tatsächlichen Ereignissen und behandelt die tatsächlichen und psychischen Schwierigkeiten eines Emigranten aus Deutschland in der Schweiz während der Zeit des Zweiten Weltkriegs und seine Gefechte mit den Gesetzen und den Vorurteilen der Leute in seinem Kampf ums Überleben. Die tatsächlichen Namen der historischen Personen werden verwendet. Die Geschichte wird im Interesse einer intimen Anschaulichkeit jenseits der biografischen Fakten frei und offen nachempfunden, erfunden und erzählt.

Das Stück ist frei zur Uraufführung.

Personen Bressler, Assistenzarzt

(Hans Günther Bressler-Kessi, 1911-1985)

Kielholz, Chefarzt

(Arthur Kielholz-Lutta, 1879 - 1962)

Mohr, Oberarzt

(Peter Mohr-Kessi, 1905 - 1974)

Berger, Assistenzärztin

(Berta Berger)

Pritzker, Assistenzarzt

(Boris Pritzker-Camer, 1908 - 1983)

Lisak, Assistenzarzt

Kessi, Laborantin / Chefsekretärin

(Gret Bressler-Kessi, 1911-1999)

Frey, Bürolist / Sohn

(Edwin Frey-Fritschi / Rainer Bressler, geboren 1945)

Ort

Heil- und Pflegeanstalt Königsfelden, Aargau, Schweiz

Zeit

1937 bis 1945 / 1965

Die kursiv gedruckten Stellen von Bresslers Sprechtext sind Zitate aus Dokumenten (Gedichte, Tagebucheinträge, Briefe) des Nachlasses Hans Günther Bressler, Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich.

Hans Günther Bressler, ca. 1935 in Deutschland

Inhaltsverzeichnis

Vorspiel

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Vierter Akt

Nachspiel

Vorspiel

Bressler

Bressler grinst ins Publikum, schliesst das schmale Büchlein, dem er zuerst noch ein Blatt entnimmt, von dem er nun vorliest.

Bressler

Nach diesen 1932 und 1934 veröffentlichten Gedichten hier noch der neuste Wurf aus meiner Dichter-Werkstadt.

Norddeutsche Legende 1937

Beim Gottesdienst im Baiernland Ein Pastor auf der Kanzel stand. Doch eh‘ die Predigt er begann, Setzt er zu strenger Mahnung an.

Er weiss in grosser Gegenwart Sich einzig nordisch edler Art, Drum flugs hinaus, wer anders sei Bei Drohung mit der Polizei!

Doch brachte dieses Machtgebot Die Gläubigen in keine Not. Sie sassen betend da und fromm Und boten Gott ihr Willkomm.

Schon in der Orgel Lobchoral Tönt der Befehl zum zweiten Mal, Und ward, weil wieder ungeacht,

Zum letzten Male vorgebracht.

Da horch, ein feines Klipp und Klapp, Herr Jesus steigt vom Kreuz herab, Streckt seine steifen Glieder frei, Geht am Altar stumm vorbei,

Führt eine Wolke voller Licht, Verneigt sein wächsern Angesicht, Verlässt, den Mittelgang gradaus Das ihm verwehrte Vaterhaus,

Fragt auf der Strasse unerkannt, Bis er die rechte Richtung fand, Und kehrt mit seinem Heiligenschein Am Ort der Leiden, Dachau, ein,

Und während stumpf und unverweilt Der Pfarrer Brot und Wein verteilt, Schwebt segnend Christi Majestät An eines Juden Sterbebett. (Hans Günther Bressler, Nachlese. Gedichte 1921 bis 1985, Privatdruck 1985, S. 90)

Bressler steckt das lose Blatt, von dem er abgelesen hat, in das Buch zurück, schneidet eine Grimasse und wirft das Buch in eine Ecke.

Bressler

Ich schreibe und schreibe. Dichte. Sei’s drum. Dem Himmel sei’s getrommelt und gepfiffen. Der Traum vom Dichterleben ist endgültig ausgeträumt. Tempi passati. Anstatt auf dem Rücken des mythischen Pegasus Lorbeerkränzen nachzujagen im Sinne von Heine und

Hölderlin, habe ich der Not gehorchend dem Hippokrates den Eid geschworen: Und wohin hat es mich verschlagen? Wohin? Ausgerechnet in die Psychiatrie. Psychiatrie! Ein Dasein in der Klapsmühle. Neben dieser realen Tatsache die Dichtung bloss noch nebenher. So ein wenig peu à peu. Verdammt dazu, in der mir durch politische Atrozitäten zugefallenen Rolle als Irrenarzt stur gewillt, bellissima figura zu machen.

Hans Günther Bressler Auf seiner Bude in Königsfelden 1938

Erster Akt

Alle Darstellerinnen und Darsteller sind während des gesamten ersten Aktes auf der Bühne, treten jeweils für ihre Auftritte ins Rampenlicht. Bresslers Auftritte im ersten Akt sind stumm, ausser wenn er an der Rampe spricht.

Szene 1

Berger, Lisak, später Frey

Berger und Lisak je mit einer Kaffeetasse in der Hand. Lisak spielt an einem imaginierten Radioapparat herum, bis er auf ein Hörspiel stösst, von dem ein kurzer Ausschnitt zu hören ist.

Sally

Tom junior ist halt noch so klein, dass er Angst vor Gespenstern hat. Sie müssen wissen, Mister Lester, in unserer Mansion gibt es Gespenster. In der Nacht, wenn es dunkel ist, knarren die Böden und dann weiss man, jetzt kommen die Gespenster.

Garner

lacht Sally!

Sally

Nein wirklich, Daddy. Und die Gespenster machen Huuuhuuuhuuu. Da hat Tom junior Angst. Deshalb findet er die Mansion wüst und weint. Miss Menderwood hat mir gesagt: Sally, – hat sie gesagt – sei doch stolz auf die Gespenster. Nicht jedes Kind wohnt in einer Mansion, in der es Gespenster hat. Seither bleibe ich die ganze Nacht wach, um einmal ein Gespenst zu fangen. Dann sperre ich es ins Badezimmer ein und zeige es Miss

Menderwood. Wetten, sie wird staunen. Und das schreiben wir dann in der Zeitung. Bisher habe ich mich noch nie getraut aufzustehen, wenn das Gespenst im Zimmer ist. Ich habe nämlich auch ein kleines bisschen Angst.

Garner

Sally, hör auf mit diesem Blödsinn! Du wirst mir kein Wort mehr über Gespenster reden. Und nun gehe Deinen Bruder trösten. (Tom Garner und Jamie Lester. Porträt einer unmöglichen Freundschaft, 1980, Auszug aus der zweiten Phase: Der Neubeginn einer Freundschaft, Hörspiel von Rainer Bressler, produziert und ausgestrahlt von Radio SRF)

Kaum beginnt Berger zu sprechen, dreht Lisak den Radioapparat ab.

Berger

Dreh diesen Mist ab. Bloss weil der Chef für unser Ärzte-Esszimmer einen Radioapparat angeschafft hat, heisst es noch lange nicht, dass wir uns die Kaffeepause verderben lassen müssen. Am Morgen brauche ich meine Ruhe. Und Gespenstergeschichten haben wir ausreichend hier. In der Klapsmühle. Entschuldige, Kolleglein. Ob du es willst oder nicht, die Heil- und Pflegeanstalt ist nun mal eine Klapsmühle und wir stecken da mitten drin, Arzt oder Ärztin hin oder her. Das Kloster, wie alle Leute draussen die von ihnen verabscheute und verdrängte Klinik verbrämend nennen, ist für alle anständigen Leute draussen Sperrbezirk. Sie können ihn wegen der hohen Mauern und der verschlossenen Türen und Tore sowieso nicht

betreten. Und wir arbeiten und leben hier, mitten drin!

Frey geht vorüber, bleibt stehen, mustert Berger und Lisak. Er trägt eine grosse Umhängetasche, die prall gefüllt ist.

Frey

Entschuldigen sie. Störe ich? Ich möchte mich nicht aufdrängen, doch – .

Berger

Wer sind sie? Was wollen sie? Kommen sie rein oder gehen sie weiter.

Frey

Ich bin seit heute, dem 1. Dezember diesen Jahres, 1937, der neue Bürolist in der Verwaltung der Klinik Bin jedoch bereits am Montag, am 29. November, hier angetreten, um mich einzuarbeiten. Mein Name ist Edwin Frei. Ich habe unter anderem die auf der Verwaltung für die Klinik eingehende amtliche und auch die für Patienten und für auf dem Klinikareal wohnende Angestellte Privatpost zu verteilen. Sind sie nicht Fräulein Doktor Berger? Ich habe sie gestern und vorgestern bereits in ihrem Büro gesehen.

Berger

Tatsächlich? Wie unaufmerksam von mir. Ich hatte sie wohl nicht bemerkt gehabt. Ich hoffe sie sind mit ihrer Arbeit gut gestartet. Auf jeden Fall, gutes Einleben hier in unserer verschworenen Gemeinschaft. Übrigens, er ist Doktor Lisak. Und ich bin Doktor Berta Berger. Wie sie richtig bemerkt haben.

Frey

Ich habe einen Brief für sie, Fräulein Doktor Berger.

Frey wühlt in seiner Tasche, entnimmt ihr dann einen Brief, den er Berger überreicht. Berger nimmt den Brief entgegen, reisst den Umschlag auf und liest den Brief, während Lisak Frey beobachtet.

Durch eine ungeschickte Manipulation entleert sich versehentlich die Umhängetasche Freys und deren Inhalt ergiesst sich über den Boden. Frey kniet nieder und füllt seine Tasche wieder ordentlich ein.

Frey

Wie ungeschickt von mir. Ich bin mich an das Ding noch nicht gewöhnt. Entschuldigung, Entschuldigung, Fräulein Doktor Berger, Herr Doktor Lisak.

Lisak

Mit diesem Unding hätte auch ich meine liebe Mühe. Keine Sorge, wir fressen sie nicht, Herr Frey.

Bei einem kleinen Stapel Briefen stutzt Frey und denkt laut.

Frey

Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs … acht! Acht Briefe. In der Post für die Klinik, die der Briefträger von Windisch heute früh von der Post Windisch bei mir abgegeben hat, sind geschlagene acht Briefe für den Neuen. Der Neue ist noch nicht mal richtig angekommen, hat seinen Arbeitsplatz noch nicht in Beschlag genommen – und schon hagelt es Briefe, Briefe, Briefe und nochmals Briefe für ihn rein! Briefe aus Deutschland. (

er erschrickt, als er realisiert, dass er laut denkt

) Vermutlich ist der Neue Deutscher, bei dieser Flut von Briefen aus Deutschland.

Berger

Deutscher?! Dann werden wir neu einen DEUTSCHEN Kollegen haben. Das hat der Chef uns bisher wohlweislich verschwiegen. Er verkündete bloss freudig, dass die so lange Zeit vakant gebliebene Assistentenstelle nun endlich mit einem valablen jungen Doktor habe

besetzt werden können, der sich mit grossem Interesse in die Psychiatrie einarbeiten wolle. Kein Wort davon, dass er ein Deutscher ist.

Lisak

Hast du etwas gegen Ausländer?

Berger

Ich wundere mich bloss, dass der Chef in diesen Zeiten mir nichts dir nichts ausgerechnet einen Deutschen anzustellen wagt. Wer heute die richtige Gesinnung hat, muss jedem Deutschen misstrauen.

Lisak

Könnte auch Flüchtling oder Jude sein.

Berger

(

die Zwischenbemerkung Lisaks nicht beachtend

) Und ich frage mich, wie er das bei der kantonalen Gesundheitsdirektion und bei den Ausländerbehörden in Aarau und Bern durchgebracht hat.

Lisak

Kunststück. Die meisten jungen Schweizer Ärzte sind nicht erpicht darauf, ausgerechnet in einer Irrenanstalt zu arbeiten. Daher die lange Sucherei. Vielleicht ist er, obwohl Deutscher, ein hübsches Kerlchen. Und mehr nach deinem Gusto, als ich es bin.

Berger

Indem er diesen Deutschen durchgeboxt hat, exponiert er sich bei den Behörden in Aarau. Chef, o Chef, wenn das nur gut geht.

Frey hat seine Tasche wieder gepackt. Steht auf und nickt Berger und Lisak zum Abschied zu.

Frey

Fräulein Doktor Berger, Herr Doktor Lisak, sie wissen auch nicht zufällig, in welchem Büro der Neue, dieser Doktor Hans Günther Bressler seinen Arbeitsplatz hat. Damit ich ihm seine Briefe auf seinen Schreibtisch – .

Berger und Lisak schütteln ihre Köpfe. Frey ab.

Szene 2

Kielholz, Bressler, Mohr, Kessi

Kielholz

Willkommen in Königsfelden, in der Heil- und Pflegeanstalt des Kantons Aargau, Herr Doktor Bressler. Wir freuen uns so sehr, dass sie sich entschlossen haben, bei uns und mit uns zusammen zu arbeiten. Doktor Peter Mohr wird ihr Oberarzt sein. Schwester Marga, Gret Kessi, ist unsere Laborantin und gleichzeitig auch mein Vorzimmerdrachen. Keine Sorge. Sie speit kein Feuer. Sie ist als meine Sekretärin die Freundlichkeit in Person. Sie hat ebenfalls, wie sie, heute angefangen, hier zu arbeiten. Ich hatte sie zeitlich etwas früher einbestellt als sie. Sie ist übrigens die Schwägerin von Doktor Mohr. Die Schwester der Frau Doktor Mohr. Kaum haben sie das Areal des ehemaligen Klosters, heute der Heil- und Pflegeanstalt Königsfelden betreten, fällt das Tor hinter ihnen ins Schloss. .Für das ärztliche Personal ist Wohnsitzpflicht auf dem Klinikareal. Haben die Ärzte Familie, wird ihnen angemessene Wohnung für sie und ihre Familie geboten. Doch nicht nur die Ärzte wohnen hier. Auch die leitenden Angestellten aus dem Pflegebereich und der Landwirtschaft. Die Scheunen und Stallungen samt Tieren der Letzteren befinden sich ja im Klinikareal. Die auf dem Areal wohnenden rund 600 Patienten und die Angestellten mit ihren Familien, inklusive Kindern sind wie eine buntgewürfelte Dorfgemeinschaft von über 800 Menschen. Hinzu kommen alle die

Mitarbeitenden, die auswärts wohnen und zur Arbeit hierher kommen. Das Klinikareal, das ehemalige Kloster, ist von hohen Mauern umgeben. Zutritt für Unberechtigte verboten. Das schweisst zusammen. Sie werden sich daran gewöhnen müssen, dass Königsfelden ihr Lebensmittelpunkt sein wird. Nicht etwa das Dörfchen Windisch oder das historische Städtchen Brugg, zwischen denen beiden unsere Klinik liegt. Sie werden bald sehen, Königsfelden ist ein sehr spezieller Ort. Ist man erst einmal hier angekommen, kann man sich dieser Besonderheit nicht mehr entziehen.

Frey tritt zögernd ein, entschuldigt sich mit Bücklingen für die Störung.

Frey

Entschuldigen sie die Störung. Ich will nicht stören.

Kielholz

Sie stören nie, Herr Frey. Herr Doktor Bressler, nun lernen sie auch den wichtigsten Mann der Klink kennen, den Bürolisten Edwin Frey. Er hat seine Arbeit vor zwei Tagen erst in der Verwaltung der Klinik angetreten. Herr Frey, das ist unser neuer Assistenzarzt, Herr Doktor Bressler.

Frey

Ihre Post, Herr Direktor. Wo, wenn ich fragen darf, ist der Arbeitsplatz von Herrn Doktor Bressler? Es sind heute bereits ein paar Briefe für sie, Herr Doktor, eingetroffen.

Kielholz

Herr Doktor Bressler wird im vorderen, teilweise durch eine Trennwand abgeschlossenen Teil des Büros von Doktor Pritzker seinen Arbeitsplatz haben.

Bressler schert aus der Szene aus und tritt zur Rampe. Dabei mutiert er vom charmant einnehmenden Frohnatur, die sich anscheinend gerne feiern lässt, zu einem Grübler.

Bressler .

Da bin ich. Horrido! Psychiatrie! Zur Not, vorübergehend mag es stimmen. Immer nur lächeln. Hans Günther, reiss dich gefälligst zusammen. Ist es denn so schwierig, ein Lächeln aufzusetzen! Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass ich meinen alten Herrn, Vatel, nicht enttäusche. Er stolz auf mich sein kann. Ich muss für ihn durchhalten. Härte zeigen. Unbeirrt meinen Weg gehen. Gegen aussen hin fröhlich gute Miene zum bösen Spiel machen. Dinge und Leute, die mich verunsichern und die mich am Dranbleiben stören und hindern, mir unbedingt mit unverbindlicher Fröhlichkeit vom Leibe halten.

Szene 3

Berger, Lisak

Berger

Und? Hast du bereits etwas rausgefunden?

Lisak

Ich? Rausgefunden?

Berger

Kolleglein, stell dich nicht dümmer, als du bist. Du hast mit ihm gesprochen. Bereits mehrmals.

Lisak

Aha! Auch du hast mehrmals mit ihm gesprochen. Schliesslich arbeiten wir eine Woche, schon über eine Woche zusammen mit ihm. Hast du ihn bereits vernascht?

Berger

Bloss oberflächlich. Er ist ein hübsches Kerlchen, charmant, doch bei aller Freundlichkeit so distanziert. Du, Kolleglein, als Mann hast es leichter, ihn über private Dinge auszuquetschen.

Lisak

Du bist gut. Ich kann ihn doch nicht direkt fragen, sind sie Flüchtling? Jude? Oder gar Nazi?

Berger

Wenn du ihn schon nicht zu fragen wagst, was, denkst du, ist er tatsächlich? Hat er Dinge erzählt, aus denen du schliessen kannst, weshalb er ausgerechnet hier und nicht in seinem Deutschland geblieben ist?

Lisak

Ach, Bergerin! Es gibt auch Menschen, die ganz normal hier sind. Selbst heutzutags sind nicht alle Ausländer Flüchtlinge, Juden oder Nazi. Unsere Klinik hat einen sehr guten Ruf. Anscheinend bis ins Ausland. Neulich haben wir sogar bei ihm, dem Bressler auf der Bude gesoffen, Pritzker, Bressler und ich. Was wir gesoffen haben, das geht auf keine Kuhhaut. Und der Bressler, du, er ist eine Stimmungskanone. Überhaupt keiner, der mit Herablassung den Zak-Zak-Deutschen gibt. Er ist ein ganz normaler – nun, das schleckt keine Geiss weg – Preusse, der hier ganz normal einer Arbeit nachgeht. Genau wie wir.

Berger

Frag ihn doch mal so nebenher, wie er aus Breslau, Berlin oder Heidelberg, oder weiss der Kuckuck woher, ausgerechnet auf Königsfelden gekommen ist.

Lisak

Er hat in der Waldau in Bern beim berühmten Psychiater Professor Klaesi, ein befristetes

Praktikum gemacht. Und jetzt ist er hier. An einer regulären Stelle. Phu, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er sich als patenter Kollege entpuppt, wie man sich einen nur wünschen kann. Obacht, wir müssen darauf acht, dass er nicht uns alle unter den Tisch säuft.

Szene 4

Bressler

Vermittels Pausen zwischen den einzelnen Tagebucheinträgen ist der Zeitenlauf anzudeuten.

Bressler

(Tagebuch)