Vita und Violet - Rainer Bressler - E-Book

Vita und Violet E-Book

Rainer Bressler

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Beschreibung

Im Zentrum dieser Fantasie in Form eines Theaterstücks über vergangene Zeiten steht ein Skandal, der 1919 die bessere Gesellschaft in London erschüttert hatte. Zwei in eine Liebesbeziehung eingelullte Frauen entfliehen aus ihren Ehen und wollen in Griechenland ein neues Leben beginnen. Sie werden von ihren Familien zurückgeholt und schaffen es danach dennoch, respektiert und in Würde zu überleben und weiterzuleben. Die Geschichte wird im Interesse einer intimen Anschaulichkeit jenseits der biografischen Fakten frei und offen nachempfunden, erfunden (die Nebenhandlungen, wie zum Beispiel die Person der Lizzy, die nicht der tatsächlichen Mutter von Violet, Alice Keppel, entspricht, oder die Vater-Sohn-Beziehung zwischen Harold und Nigel und die Geschichte um eine Regierungsratswahl) und erzählt. Die Liebesgeschichte basiert auf den tatsächlichen und dokumentierten (Nigel Nicolson, Portrait of a Marriage) Erlebnissen von Vita Sackville-West (1892 - 1962) und Violet Trefusis (1894 - 1972). Virginia Woolf porträtierte in ihrem Roman Orlando Vita Sackville-West und lässt Violet Trefusis darin als The Russian Princess auftreten.

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Rainer Bressler, Jurist im Ruhestand und Schriftsteller, geboren 1945, ist Schweizer und lebt in Zürich. In den Jahren 1980 bis 1993 profilierte er sich als Hörspielautor, dessen Hörspiele von Radio DRS produziert und ausgestrahlt wurden.

Bisherige Veröffentlichungen:

7 Hörspiele:

Tom Garner und Jamie Lester; Morgenkonzert; Folgen Sie mir, Madame; Aufruhr in Zürich; Nächst der Sonne; Geliebter / Geliebte; Gaukler der Nacht; Beinahe-Minuten-Krimi

Produziert und ausgestrahlt in den Jahren 1979 bis 1993

Geliebter / Geliebte. 8 Hörspiele, Karpos Verlag, Loznica 2008

Privatzeug 1856 bis 2012. Versuch einer Spurensuche, 5 Bände:

Spur 1 Reisen; Spur 2 Spielen; Spur 3 Schreiben; Spur 4

Dichten; Spur 5 Weben

BoD 2012 bis 2016

Pink Champagne, satirischer Roman, BoD 2020

Schattenkämpfe, Roman, BoD 2020

Kraut & Rüben, Kurzgeschichten, BoD 2020

Reise-Impressionen, Erzählungen, BoD 2020

Fenstersturz, Krimi-Satire, BoD 2020

Texturen, Krimi-Satire, BoD 2020

Axthieb, Krimi-Parodie, BoD 2021

Spassvogel, Krimi-Parodie, BoD 2022

Theaterstücke Band I bis …, BoD 2020/2

Im Zentrum dieser Fantasie in Form eines Theaterstücks über vergangene Zeiten steht ein Skandal, der 1919 die bessere Gesellschaft in London erschüttert hatte. Zwei in eine Liebesbeziehung eingelullte Frauen entfliehen aus ihren Ehen und wollen in Griechenland ein neues Leben beginnen. Sie werden von ihren Familien zurückgeholt und schaffen es danach dennoch, respektiert und in Würde zu überleben und weiterzuleben. Die Geschichte wird im Interesse einer intimen Anschaulichkeit jenseits der biografischen Fakten frei und offen nachempfunden, erfunden (die Nebenhandlungen, wie zum Beispiel die Person der Lizzy, die nicht der tatsächlichen Mutter von Violet, Alice Keppel, entspricht, oder die Vater-Sohn-Beziehung zwischen Harold und Nigel und die Geschichte um eine Regierungsratswahl) und erzählt. Die Liebesgeschichte basiert auf den tatsächlichen und dokumentierten (Nigel Nicolson, Portrait of a Marriage) Erlebnissen von Vita Sackville-West (1892 - 1962) und Violet Trefusis (1894 - 1972). Virginia Woolf porträtierte in ihrem Roman Orlando Vita Sackville-West und lässt Violet Trefusis darin als The Russian Princess auftreten. Dieser Stoff war bereits Gegenstand von Rainer Bresslers Hörspiel GELIEBTER / GELIEBTE, produziert und ausgestrahlt von Radio DRS 1989/90.

Das Stück ist frei zur Uraufführung.

Personen

Harold (30/60) Nigel (3) Nigel (30) Vita (Ehefrau von Harold) Denys Violet (Ehefrau von Denys) Lizzy (Mutter von Violet) Wirtin

Ort

Wohnhaus von Harold und Vita (im Laufe von 30 Jahren), öffentliche, aber auch weniger öffentliche Orte und Erinnerungsräume

Zeit

Jüngere Vergangenheit

Inhaltsverzeichnis

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

A child grows in its father’s shadow. The deepest voice in the house is law. There’s no escape from this dictatorship of the spirit. Everything is done to please one man, one demi-god, loved, feared, occasionally hated, but all for the same reason. Almost one third of the average life is spent in this colonial status, preparing painfully for an independence, which still seems quite unreal.

Peter Ustinov, Photo Finish. An Adventure in Biographie in Three Acts, Heinemann London 1962, S. 57 ff.

Erster Akt

Erstes Bild

Vita, Harold (30)

Im Haus von Harold und Vita. Harold ist am Telefon.

Harold Hoppla. Mit dieser Frage erwischst du mich unvorbereitet. Sag mal, es ist ein Witz? Nein? Wer mich liest, weiss, dass ich mit den Liberaldemokraten nichts am Hut habe. Halt, halt, ich lasse mich politisch nicht einordnen. Richtig. Die rote Baronin kommt genau so oft dran, wie deine Parteispitze. Selbstverständlich interessiert mich Politik. Nein, Berührungsängste kenne ich nicht. Selbstverständlich kenne ich das Parteiprogramm der Liberaldemokraten. Nun ja, wie ich bereits deutlich sagte … Parteiprogramme interessieren mich nicht sonderlich. Weisst du, weiss deine Parteispitze, welches Gerede es gibt, wenn ich ausgerechnet … Ach, darum geht es. Ihr wollt ins Gerede kommen. Und dafür soll ich herhalten. Wer ist bloss auf diese Schnapsidee gekommen?! Obwohl, so ganz ohne ist sie nicht. Ich soll euch helfen, aus der Schmuddelecke des Rechtspopulismus rauszukommen. Wenn möglich in drei Jahren, bei den nächsten Wahlen, die rote Baronin aus der Regierung verdrängen und so die von ihr vorangetriebene und von euch bekämpfte Familienrechtsreform auf Eis legen. Ach, nein, nein, nein. Bloss so eine Idee. Selbstverständlich habt ihr noch nicht so weit nach vorne gedacht. Klar, ich schwöre dir hoch und heilig, diese Theorie werde ich in keiner meiner Kolumnen verbreiten. Ehrenwort! War bloss eine Idee. Ich meine, wer träumt nicht davon, der roten Baronin eins auf den Deckel zu geben. Nicht wegen der Reform des Familienrechts. Sie finde ich – jetzt wirst du mich hassen – notwendig und gut. Doch gegen diese Ikone, diesen Liebling der Nation anzutreten – ich meine, das ist eine reizvolle Herausforderung. Unter uns gesagt, sie sonnt sich zwar im Ruf extrem linke Positionen zu vertreten, doch ganz so links steht sie nicht. Versprochen! Ich halte meine Klappe. Kein Sterbenswörtchen. Meine Antwort?! Du, da muss ich erst mal drüber schlafen. Ich bin höchst erfolgreich als Kolumnist, als Journalist. Vita und ich bekommen gerade unser erstes Kind. Nein, nein, nein, nichts überstürzen. Ich schlage vor, wir treffen uns in ein paar Tagen zu einem Drink und begackern das Ganze noch einmal. Wie du bestimmt weisst, die rote Baronin, Lizzy von Hoogstraal, ist die Mutter der besten Freundin von Vita, meiner Frau, Violet. Ich fass es nicht! Und dein Vorschlag ist kein Witz?! Wir hören voneinander. (hängt auf und bekommt einen neuen Anruf) Ja. Hallo. Ein Sohn! Uhhh. So toll! Und Vita? Ich bin so glücklich. Der glücklichste Mensch auf Erden. Danke für die Mitteilung. Ich fliege, ich fliege. Mit ihrem Verbot, bei der Geburt dabei zu sein, hat Vita mich ganz schön nervös gemacht. Ich bin beinahe verzwatzelt. Gib Vita einen Kuss von mir. Ich werde gleich da sein. (Hängt auf und ruft jemanden an) Gratuliere! Du bist soeben Grossvater geworden. Dein Enkel heisst Nigel. Nigel. Nein. Mutter und Kind sind putzmunter. (Ruft nochmals jemanden an) Oliver, ich habe einen Sohn! Nigel. Mein Glück ist perfekt. Du, Oliver, bist der Erste, der es erfahren soll. Nein, nein, wo wäre ich ohne dich?! Ich bin ein Glückspilz: Vita, ein Sohn, das tolle Haus, das der Schwiegerpapa uns geschenkt hat, Erfolg im Beruf. Du solltest uns endlich besuchen. Ich möchte, dass du siehst, dass und wie ich es geschafft habe. Hättest du nie gedacht, wie?! Widerspruch, Widerspruch! Erstens habe ich immer Zeit für dich. Nein, nein, Vita steckt nicht dahinter. Erstens, ich habe viel zu tun. Das gefällt mir. Mein Erfolg kommt nicht aus dem Nichts. Dass ich dich nicht ständig anrufen und sehen kann, sollte selbst dir einleuchten. Zweitens hat Vita nichts gegen dich. Sie weiss, wie sehr ich dir verbunden bin. Dass ich ohne dich … Und drittens, Vita ist anders, als du denkst. Sie ist nicht die arrogant-herablassende Zicke, als die sie in der Presse dargestellt wird. Man kann ihr nicht vorwerfen, dass sie eine Komtess ist und ihre Bücher dennoch an der Spitze der Bestsellerlisten stehen. Der Herr Schwiegerpapa ist rührend. Öffnet mir viele Türen. Lässt mich nicht spüren, dass ich von unten komme und ein Habenichts war. Nein, ich staple nicht tief. Es gibt nun mal Unterschiede in der Herkunft. Nimmst du es mir übel, dass ich nicht, wie du es dir ausgedacht hast, ein züchtiges Spiessertöchterlein geehelicht habe?! Ja, und stell dir vor. Nein, das musst du dir anhören. Derant hat mich angerufen. Ja, DER Derant. Von den Linksliberalen. Er will mich für die Liberaldemokraten keilen. Echt. Na, es macht Sinn. Sie wollen sich aus der Schmuddelecke des Nationalpopulismus rausschmuggeln. Was liegt da näher, als im Hinblick auf die nächsten Regierungswahlen sich den „berühmtesten“ Kolumnisten und Freidenker des Landes unter den Nagel zu reissen. Ich soll als frischgebackener, strammer Liberaldemokrat in drei Jahren die rote Baronin aus der Regierung verdrängen und ihre Reform des Familienrechts torpedieren!

Am Horizont taucht Vita auf. Harold ist ausser sich vor Freude. Beendet das Telefongespräch. Stürzt auf sie zu, umarmt sie überschwänglich. Vita ist sehr schön, zeitlos sportlich und elegant gekleidet, mit Hut und Handschuhen. Sie ist eine unterkühlt scheinende Person. Entsprechend freut sie sich ebenfalls über Harold, ist aber von seinem Überschwang geniert. Wie von Zauberhand gesteuert fährt ein Kinderwagen mit dem neugeborenen Nigel vor. Beide beugen sich über den Kinderwagen.

Harold Mein Sohn! Unser Sohn! Vita, wir haben einen Sohn! Nigel. Hallo Nigel! Nigel, ich bin so stolz auf dich. Du wirst ein heldenhafter Kämpfer werden.

Vita Hauptsache, er ist gesund. Ein gesunder Nigel.

Der Kinderwagen rollt davon.

Vita Die Nanny wird ihn wickeln.

Harold Ja.

Zweites Bild

Vita, Harold (30), Nigel (3)

Im Haus von Harold und Vita. Nigel, als kleiner Junge von drei Jahren, sitzt in der Mitte eines grossen Raumes und spielt mit Hingabe mit seinem Spielzeughund. Von Zeit zu Zeit steht er auf und geht zum Kinderbettchen, in dem ein Baby schläft. Er streichelt das Baby, das wohlig gurrt. Nigel redet mit seinem Spielzeughund Kauderwelsch. Gleichzeitigt öffnen sich je links und rechts Türen. Vita und Harold bleiben je in einem Türrahmen stehen, offensichtlich leicht verlegen, dass sie gleichzeitig die gleiche Idee gehabt hatten.

Vita Wir müssen zusammen reden.

Harold Ja.

Vita Komm schon.

Harold Komm du her.

Vita Schiss, mein Reich zu betreten?! (wütend) Ich habe keine Zeit zu verplempern. Du hast ein Problem mit meinem Erfolg als Autorin!

Harold (giftig) Ja. Jedes Mal, wenn du dich abschottest und die GROSSE AUTORIN spielst.

Vita Das, ausgerechnet das wirft mir der Shooting-Star-Politiker an den Kopf, der ausser für seinen Wahlkampf für nichts mehr Zeit hat!!! Dieser STRAHLEMANN DER NATION!

Harold Pas devant les enfants!

Vita Wenn du deinen lahmen Arsch endlich rüberbewegst, können wir das Gespräch in Ruhe in meinem Studierzimmer weiterführen!

Harold Du, ich muss in zwei Stunden meine Rede …!

Vita (hämisch grinsend) Du kneifst. Ekelst dich vor der Scheisse deiner Kinder. Magst den kleinen Beni nicht wickeln. Das ist die Wahrheit. Tu dir keinen Zwang an. Zieh dich an deinen Schreibtisch zurück. Vergiss nicht, die Türe hinter dir tüchtig zuzuknallen.

Harold Deine Dichtung ist fabelhaft. Weshalb muss es wegen dieser Lappalie gleich einen Aufstand geben?! Jenny hatte gesagt, …

Vita Dir gesagt!

Harold … dass sie eine dringende Besorgung machen muss. Die Kinder hier bleiben. Und wir auf …

Vita Du!

Harold … die Kinder aufpassen sollen.

Vita Aufpassen sollst!

Harold Ist es meine Schuld, dass Nigel – braver Junge Nigel – feststellt, wie sein kleiner Bruder Beni fürchterlich stinkt und die Windeln voll hat?! Dich hat er gebeten, Beni zu wickeln.

Vita Nachdem du ihm gesagt hattest, geh zu Mami, Papi hat keine Zeit. Wo du genau weisst, die geschlossene Türe bedeutet, ich darf unter keinen Umständen gestört werden. Du hintertreibst meine Erziehungsbemühungen. Wenn ich etwas hasse, dann sind es chaotische Zustände, wo jeder jedem jederzeit ins Zimmer latscht. Bei diesen permanenten Störungen kann ich nicht schreiben. Kann ich mich nicht konzentrieren.

Harold Und mich, mich sollen sie jederzeit stören dürfen, wie??!!! Weil deine Schriftstellerei so viel wertvoller ist, als meine Politik! Okay, ich gestehe: mich ekelt die Scheisse der Kinder. Und ich drücke mich gerne ums Wechseln der Windeln.

Vita Endlich ein ehrliches Wort! Zum Glück ist Jenny im richtigen Moment zurückgekommen hat die Windeln gewechselt. (Vita und Harold schauen sich an und prusten dann los vor Lachen) Wir sind Rabeneltern. – Abhauen! Eine Flucht!

Harold (erschreckt) Weg von hier?!

Vita Weg von hier!

Harold Solange du nicht ohne mich fliehst, okay. Versprich mir, wenn Flucht, dann nur gemeinsam.