Harry - Gespräche mit einem Prinzen - Angela Levin - E-Book

Harry - Gespräche mit einem Prinzen E-Book

Angela Levin

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Beschreibung

Früher Rebell, heute Vorbild: Prinz Harry ist einer der populärsten Royals und steht gemeinsam mit seiner künftigen Frau Meghan für das neue, moderne Selbstverständnis des britischen Königshauses. Die renommmierte Journalistin Angela Levin hat Harry lange eng begleitet und zahlreiche exklusive Gespräche mit ihm geführt. Hierauf und auf viele Insiderinformationen gestützt zeichnet sie ein hochinteressantes Bild des Menschen hinter der schillernden Medienfigur. Ihr Buch beleuchtet Harrys turbulente Kindheit, seine rebellische Teenagerzeit und die bis heute reichenden Auswirkungen des tragischen Verlustes seiner geliebten Mutter Diana – aber auch die Schlüsselmomente, die dem Prinzen halfen, mit seinen Ängsten und Problemen fertig zu werden. Dabei gelingt der Autorin das Porträt eines jungen Mannes, der das Charisma seiner Mutter geerbt hat und heute Menschen mit ähnlichen Problemen, wie er sie selbst hatte, hilft.

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Inhalt

Einleitung

1. Willkommen, Meghan

2. Dianas zweiter Sohn

3. In den Fußstapfen des großen Bruders

4. Eine zerrüttete Familie

5. Der Verlust der Mutter

6. Der Schulrebell

7. Überraschungen im Gap Year

8. Soldat und Prinz

9. Harrys Krieg

10. Fliegeroffizier Wales

11. Höhen und Tiefen

12. Heads Together

13. Der Meghan-Effekt

14. Harrys Vision

Dank

Für meine Familie

Einleitung

Das Erste, was Prinz Harry zu mir sagte, war: „Ich weiß, Sie verfolgen meinen Weg schon seit einiger Zeit, Angela, und ich dachte mir, Sie wollen mir vielleicht gern ein paar Fragen stellen. Übrigens“, fuhr er fort, während er mir die Hand gab, „schauen Sie The Crown? [Die Netflix-Serie schildert das Leben von Queen Elisabeth II. von 1940 bis heute.] Ich schon, aber ich wünschte, die Serie hätte nach der ersten Staffel geendet. Sie sollte auf gar keinen Fall von der jüngeren Generation handeln.“ Ein fester Händedruck, gefolgt von einer kurzen, witzigen Bemerkung – das war, wie ich bereits wusste, Harrys bewährte Methode, um das Eis zu brechen.

Es war im Frühjahr 2017, als wir uns im Besuchersalon des Kensington Palace unterhielten. Harry bot mir an, auf dem khakifarbenen Sofa Platz zu nehmen, während er selbst einen pfirsichfarbenen Cordsessel wählte. Wenn man mit einem Angehörigen der britischen Königsfamilie spricht, der die Presse nicht mag, ist es schwierig, einen Einstieg zu finden. Ich war nicht sicher, wie viel Zeit ich bekommen würde, und wollte deswegen auf Smalltalk verzichten. Ich erhoffte mir neue Erkenntnisse von unserem Gespräch und beschloss, mit einer großen Frage zu beginnen. Mir war bewusst, dass man mich eventuell hinauskomplimentieren würde, sollte ihm die Frage zu aufdringlich erscheinen. Aber falls die Frage ihn erreichte, wäre das ein guter Start für uns.

Ich hob an: „Wenn Sie auf Ihre königlichen Besuche gehen, versuchen Sie auch, Ihre eigenen Themen und Probleme mit den Menschen zu bearbeiten, die Sie treffen? Ich meine, ist das eine Art Therapie?“

Er schwieg länger als ein paar Sekunden. „Wow!“, sagte er dann. „Das ist eine Monsterfrage, die Sie mir da stellen.“ Es folgte eine lange Pause, dann lächelte er. „Sie haben natürlich recht.“ Wir waren auf einem guten Weg.

Der Prinz hielt Augenkontakt, während er redete, und steckte viel Energie in das Gespräch. Er sprach schnell und ein wenig ungeduldig, als könnten die Worte nicht rasch genug hervorsprudeln. Er war freundlich und zugewandt, aber sehr bestimmt, wenn er ein Thema nicht weiter erörtern wollte. Äußerte ich etwas, dem er zustimmte, sagte er gelegentlich: „Genau.“ Dann ging er zum nächsten Thema über, statt das vorherige zu vertiefen. Er hat es eilig, sein Profil zu schärfen, und scheint das Leben auch als Wettrennen zu betrachten: „Ich will etwas aus meinem Leben machen. Ich habe das Gefühl, es gibt nur ein kleines Zeitfenster, in dem sich die Leute für mich interessieren, bevor [Prinz] George und [Prinzessin] Charlotte [die Kinder seines Bruders William] übernehmen, und ich muss das Beste daraus machen.“

Unser Gespräch war breit gefächert und kam, wenig überraschend, bald auf seine verstorbene Mutter, Diana, Prinzessin von Wales. Das Wichtigste, das sie für ihn getan habe, so erklärte er mir, war, ihm „Sicherheit zu geben“. Es war einer der vielen ergreifenden Momente unseres Gesprächs. So etwas trifft mitten ins Herz eines jeden Kindes, ob reich oder arm. Kinder brauchen Eltern, die ihnen ein Gefühl der Sicherheit geben und für die richtige Umgebung sorgen, in der sie wachsen und gedeihen können. Sie brauchen auch das Gefühl, so akzeptiert und geliebt zu werden, wie sie sind.

Nach dem Verlust seiner Mutter, die starb, als er zwölf Jahre alt war, durchlebte Harry eine harte Zeit. Ihr Tod veränderte ihn. Aus dem bezaubernden, verschmitzten Jungen, der gerade zu verstehen begann, was es bedeutete, an dritter Stelle der Thronfolge und für immer im Schatten seines großen Bruders zu stehen, wurde ein eigensinniger, impulsiver Präpubertärer, der sich in den darauffolgenden Jahren schlecht benahm, seine Hausaufgaben selten rechtzeitig erledigte, zu viel trank und rauchte und zu viele Verbindungen mit unpassenden Mädchen einging. Zeitweilig schien er auf einer Mission in Sachen Selbstzerstörung zu sein und auf eine Katastrophe zuzusteuern, die Schande über seine gesamte Familie zu bringen drohte und sich sogar auf die Zukunft der britischen Monarchie hätte auswirken können.

Ich bin der Überzeugung, dass eine immerwährende Sehnsucht, seiner Mutter zu gefallen und in ihren Augen ein guter Junge zu bleiben, der Hauptgrund für Harrys Rückkehr aus seiner persönlichen Hölle ist. Sie wird ihm für immer als junge Frau von 36 Jahren im Gedächtnis bleiben – dasselbe Alter übrigens, in dem Meghan Markle bei ihrer Verlobung mit Harry war. Es tröstet ihn zu glauben, dass Diana immer noch irgendwie in Kontakt mit ihm ist und mitbekommt, was er tut, besonders wenn es um Angelegenheiten geht, die ihr wichtig waren. „Ich weiß instinktiv, welches Verhalten sich meine Mutter von mir wünschen würde“, sagte er. So hat er verlautbaren lassen, sie sei „auf und ab gehüpft“ bei der Nachricht von seiner Verlobung und dass sie sich „darauf freut, erneut Großmutter zu werden“.

Harry weiß um den Schmerz des Verlusts und Verlassenwerdens auf beruflicher und persönlicher Ebene. Und er nutzt dieses Wissen, um andere zu ermutigen, ihren Blick nach vorn zu richten. Er ist scharfsinnig und dringt schnell zum Kern der Dinge vor, kann Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden. Aber er kann auch gereizt und ungeduldig werden, wenn andere nicht mit seinem Tempo mithalten können.

Ich hatte das Glück, Prinz Harry in den Jahren 2016 und 2017 für Newsweek häufiger bei der Ausübung seiner diversen königlichen Pflichten begleiten zu dürfen. Ich beobachtete sein Verhalten in einer Vielzahl von Situationen und erhielt schließlich mehrmals die Gelegenheit, mich persönlich mit ihm im Kensington Palace zu unterhalten.

Harry galt anfangs zwar eher als Partylöwe, aber als engagierte Beobachterin des britischen Königshauses hatte ich bemerkt, dass seine ernsthaftere Seite allmählich zum Vorschein kam. Ich erzählte Mitgliedern seines Teams, die mir übrigens genauestens auf den Zahn fühlten, bevor sie dem Projekt zustimmten, von meinen Eindrücken. Ich vermutete, dass Harry eine Wandlung durchmachte; dass er dabei war, seine Rolle innerhalb der königlichen Familie zu finden, und zumindest von der Öffentlichkeit ernster genommen werden wollte. Glücklicherweise fanden sie, dass ich damit „goldrichtig“ lag, und versprachen, meine Anfrage an Harry weiterzuleiten. Es sei wichtig, betonten sie, den Zeitpunkt mit Bedacht zu wählen, denn er war nicht immer in der richtigen Stimmung.

Nach Monaten des Wartens, in denen ich gelegentlich höfliche E-Mails verschickte, um daran zu erinnern, dass es mich noch gab, wurde mir ein Ausflug nach Nottingham vorgeschlagen, um den Prinzen in Aktion zu erleben. Ich traf eine ganze Weile vor Harrys Ankunft ein. Er sagte nichts, schaute mich aber ein paar Sekunden lang direkt an und nickte mir mit einer minimalen Kopfbewegung zu. So weit, so gut, dachte ich.

Schließlich erhielt ich einen Termin für ein Gespräch mit ihm. Einer der wichtigsten Aspekte, die er vermitteln wollte, war seine große Sehnsucht, „jemand anderes zu sein als Prinz Harry“ – und das mag der Grund dafür sein, dass er sich manchmal nicht wohlzufühlen scheint in seiner Haut. Er möchte außerdem „normal sein“. In der Praxis kann diese „Normalität“ nur eine Pose sein, hat er doch Zugang zu diversen Palästen, wird in Limousinen mit Motorradeskorte herumkutschiert und nutzt seine unglaublichen Kontakte, um zu bekommen, was er will. Er kennt die einflussreichsten Menschen in allen Bereichen, und viele würden ihr letztes Hemd dafür geben, seine Wünsche wahr werden zu lassen. Sogar seine Großmutter, die Queen, tut so gut wie alles, um ihn glücklich zu machen.

Das Volk will auch gar nicht, dass er normal ist. Fast alle Menschen, die er in meinem Beisein traf, ganz besonders die unter 30-Jährigen, waren begeistert, einem „echten Prinz“ zu begegnen. Genau deswegen hörten sie ihm so aufmerksam zu. Auch seine Fähigkeit, mit anderen in Kontakt zu treten, ist alles andere als normal. Nur sehr wenige Menschen können jemandem, den sie gerade erst kennengelernt haben, intime Fragen nach ihrem seelischen Befinden stellen, ohne übergriffig zu wirken, aber Harry kann es, und er tut es.

Ich fragte ihn, ob er sich jemals Sorgen mache, dass zu viel „Normalität“ dem Königshaus etwas von seinem Geheimnis nehmen könnte. „Es ist ein Balanceakt“, antwortete er zustimmend. „Wir wollen den Zauber nicht schwächen.“

Sein Weg vom rebellischen Außenseiter zu einem der weltweit beliebtesten Royals hat ihm einiges an Selbstreflexion abverlangt. Die toxische Atmosphäre in seinem Elternhaus und der plötzliche Tod seiner Mutter haben Narben hinterlassen. Prinz William hat sich bemüht, seine persönlichen Probleme aufzuarbeiten, und hat über seine Frau Kate und ihre bürgerliche Herkunft den Wert eines von Zuneigung geprägten Familienlebens erkannt. Harry hat versucht, dasselbe über die wohltätigen Stiftungen zu erreichen, die er unterstützt, was viel schwieriger ist. Er ist auch emotionaler als sein Bruder.

Harry hat noch einiges vor sich, doch nun hat er Meghan Markle an seiner Seite. Die geschiedene US-amerikanische Schauspielerin und glamouröse Feministin entspricht nicht dem Klischeebild einer royalen Gemahlin, aber sie weiß, was sie will und was Harry braucht, und dazu zählt unter anderem, ein wenig bemuttert zu werden. Wie bei den besten Paaren kann auch er sich über sie definieren und verteidigt ihre Bedürfnisse entschieden. Der Historiker und Verfassungsexperte Dr. David Starkey, einer meiner Gesprächspartner während der Arbeit an diesem Buch, hält die beiden für ein gutes Paar: „Das Wesen der Philanthropie ist in beiden tief verwurzelt und wird ihnen die wunderbare Möglichkeit geben, Gefühl und Nähe auszustrahlen, wie es seine Mutter tat.“

Das Zweitwichtigste, das seine Mutter Harry zufolge für ihn getan hat, war es, ihn „vor den Medien zu beschützen und ihnen zu entkommen“. Wegen der Art, wie die Prinzessin von Wales nach ihrer Trennung von Prinz Charles behandelt wurde, und aufgrund ihrer Todesumstände haben weder Harry noch William ein entspanntes Verhältnis zu Journalisten. Aber sie wissen, dass die Medien das öffentliche Interesse auch auf die guten Zwecke lenken können, für die das Königshaus sich einsetzt. Camilla, die Duchess of Cornwall, deren Weg ich zuvor einige Monate lang verfolgt habe, unterhält sich auf ihren Reisen regelmäßig mit Journalisten und Fotografen und kennt viele beim Namen. Im Gegensatz dazu konzentriert sich Harry voll und ganz auf seinen jeweiligen Auftrag, während die mitreisende Presseschar ihm weitgehend vom Leib gehalten wird. Die leichte Frostigkeit wurde in jüngerer Zeit ein wenig temperiert. „William und Harry sehen ein, dass man nicht alle Presseleute über einen Kamm scheren kann“, verriet mir eine palastnahe Quelle.

Eine Zeit lang, so sagte mir der Prinz, ließ ihn das übergriffige Verhalten der Presse mit dem Gedanken spielen, sich von der königlichen Familie vollkommen loszusagen und sich anderswo eine Aufgabe zu suchen. Besonders für Afrika schlägt sein Herz. Die Idee „kam auf, als ich Mitte 20 war“, sagte er. „Ich musste mich meinen Fehlern stellen. Ich dachte, ich könnte mir irgendwo anders ein eigenes Leben aufbauen.“ Aber nach einer intensiven Gewissensprüfung beschloss er, stattdessen zu versuchen, sowohl „etwas zu bewirken“ als auch „eine gewisse Privatsphäre“ innerhalb der Königsfamilie zu etablieren.

Ungefähr zu diesem Zeitpunkt unseres Gesprächs hielt Harry plötzlich inne, blickte mich ernst an und sagte mir, wie erschüttert er im Nachhinein sei, dass er und William hinter dem Sarg seiner Mutter hergehen mussten. So etwas „sollte man von keinem Kind verlangen“, sagte er, „unter keinen Umständen“. Es war eine ergreifende Äußerung, die um die ganze Welt ging und deutlich macht, wie etwas, das für zwei leidgeprüfte Kinder vor 20 Jahren bei dem Begräbnis der Prinzessin angemessen schien, heute geradezu herzlos wirkt.

Vielleicht ist das ein Grund dafür, dass es bis vor einigen Jahren so aussah, als würde Harry das negativste Vorbild unter den jungen Royals werden. Er umgab sich mit den Reichen und feierte mit zu leicht bekleideten jungen Frauen. Zwar ist schlechtes Benehmen teils typisch für Teenager, doch wer sich mit Ende 20 noch immer pubertär verhält, bietet Anlass zur Sorge. Mir gegenüber gestand Harry: „Ich wollte zu viele Jahre lang einfach nicht erwachsen werden.“

Seitdem hat er sich seinen inneren Dämonen gestellt und hart daran gearbeitet, sie zu besiegen. Mittlerweile versprüht er eine außergewöhnliche Mischung aus royalem Sternenstaub, Zugänglichkeit, Selbstvertrauen und Verschmitztheit, eine Mischung, die ihn befähigt, mit Menschen aller Art in Kontakt zu treten, und die einen oftmals an die besten Seiten seiner Mutter erinnert. Manchmal sind ihm seine außergewöhnlichen natürlichen Gaben nicht genug: „Es ist sehr wichtig für mich, dass das, was ich tue, authentisch ist.“

Er sehnte sich auch danach, seine Partnerin fürs Leben zu finden, jemanden, der ihn so liebt, wie er ist. Und auch das scheint geklärt, denn er und Meghan wussten von Anfang an, dass ihre Beziehung etwas Besonderes ist. David Starkey bestätigt: „Er hat eine Frau gefunden, die der Belastung standhalten kann, im Licht der Öffentlichkeit zu stehen, und ihr Selbstvertrauen beschützt ihn. Sie bemuttert ihn ein wenig, aber er braucht das, und manche Frauen tun das liebend gern. Sie ist noch kinderlos, während er noch der Junge im Mann ist.“

Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Buchs hatte Harry drei Hauptziele: Erstens, das Erbe seiner Mutter zu würdigen und weiterzugeben – auch deswegen hat er sich entschieden, seinen Fokus auf HIV zu legen. Zweitens, die Queen zu unterstützen, die inzwischen über neunzig Jahre alt ist und ihren Enkeln mehr und mehr Pflichten überträgt. Drittens, psychischen Erkrankungen ihr Stigma zu nehmen, wovon frühere Generationen von Royals nur hätten träumen können. Zukünftig entwickeln er und Meghan möglicherweise eine ganz neue Agenda, wie er in dem Fernsehinterview anlässlich ihrer Verlobung im November 2017 andeutete. Er sagte, es gebe „eine ungeheure Menge Arbeit zu tun“, und angesichts der „vielen jungen Menschen, die im Commonwealth leben, werden wir damit hoffentlich die meiste Zeit verbringen“.

Harry sprach mit mir vor allem über die Queen – „sie ist eine außergewöhnliche Frau“ – und seine verstorbene Mutter – „sie hatte einen wunderbaren Sinn für Humor und wollte immer, dass wir Spaß haben, und uns gleichzeitig beschützen“. William und Kate erwähnte er seltener, und er sagte fast nichts über seinen Vater oder seine Stiefmutter Camilla, was auch immer das bedeuten mag.

Er deutete außerdem an, dass das Leben als Royal nicht immer ein Traum ist. „Gibt es irgendjemanden in der königlichen Familie, der unbedingt König oder Königin werden will?“, fragte er. „Ich denke nicht, aber dennoch kommen wir unseren Pflichten nach.“ Es ist ihm sehr wichtig, seinen Bruder auf seinem Weg, der künftige König zu werden, zu unterstützen. Sie sind beide „an der Modernisierung der britischen Monarchie beteiligt“, sagte er, was auch ein Anreiz dafür sein mag, die Verbindung zur Königsfamilie nicht zu lockern.

Er sprach über die Verantwortung, die damit einhergeht, Mitglied der königlichen Familie zu sein. „Ich denke, wenn man so wie wir in etwas hineingeboren wurde, ist es normal, das Gefühl zu haben, man würde das nicht wirklich wollen.“ Seiner Meinung nach ist es etwas anderes, wenn man aufgrund eines besonderen Talents berühmt wird. Er betonte: „Wir wollen nicht einfach nur ein Haufen Promis sein, sondern vielmehr unsere Rolle für etwas Gutes einsetzen.“

David Starkey sieht das eher kritisch: „Harry möchte vielleicht nicht prominent sein, aber er ist es, und er kann nichts dagegen tun. Meghan hingegen ist eine TV-Königin. Es gab schon immer eine Affinität zwischen dem Königshaus und Schauspielern, das reicht zurück bis zu Shakespeare und Thomas Morus. In der Tudorzeit war es üblich, dass die Royals den Schauspielern ihre königlichen Roben für die Bühne ausliehen. Und in den 1920er-Jahren hieß es, die Royals seien unsere größten Filmstars. Das gilt auch heute noch. In dieser Hinsicht ist Harry ein wenig wie seine Mutter. Er will alle Vorteile, die man als Prominenter genießt, aber ohne die prüfenden Blicke.“

Harry weiß, dass ich seit einiger Zeit an seiner Biografie schreibe. Ich empfinde das als großes Privileg. Was mich am meisten überrascht: Harry sagt, dass er nicht das Gefühl habe, wirklich eine Aufgabe gefunden zu haben, und sich immer noch frage, wie er „etwas bewirken“ könne – dabei hat er in Wahrheit bereits so viel erreicht. Er hätte sich für ein Leben als reicher Müßiggänger entscheiden können. Stattdessen hat er eine renommierte Stiftung gegründet, die unzähligen Kindern in Afrika das Leben gerettet hat. Er hat außerdem zahllosen verwundeten Veteraninnen und Veteranen, die im Kampf für ihr Land alles gegeben haben, neuen Lebensmut und Hoffnung geschenkt. Und gewissermaßen zur Krönung hat er Meghan getroffen. Sie werden zweifellos ein wunderbares Gespann abgeben, mit ihr kann er über Gott und die Welt reden, und sie haben beide nicht die geringste Angst, in der Öffentlichkeit Gefühle zu zeigen. Nicht schlecht für einen 33-Jährigen.

Harrys Geschichte ist auch die eines sensiblen, verschmitzten kleinen Jungen, der in dem Glauben aufgewachsen ist, er habe keine echte Aufgabe im Leben. Eine Geschichte voller Tragik, Rebellion und Enttäuschung, deren Held sich letztlich selbst retten konnte.

Kapitel 1

Willkommen, Meghan

Nur vier Tage nach der Bekanntgabe ihrer Verlobung absolvierten Meghan Markle und Harry ihren ersten offiziellen Auftritt als Paar. Harry wählte Nottingham, einen Ort, mit dem er viel verbindet, um der Nation seine künftige Ehefrau zu präsentieren. Da ich Harry ein Jahr lang bei der Ausführung seiner royalen Pflichten begleiten wollte, war auch ich bereits im Oktober 2016 in diese Stadt eingeladen worden.

Sein Besuch im Dezember 2017 mit Meghan fand am Welt-Aids-Tag statt – ein Anlass, der auch seiner Mutter am Herzen gelegen hätte. Diana veränderte in den späten 1980er-Jahren die allgemeine Wahrnehmung von Aids, indem sie einem Patienten die Hand gab, der an der Krankheit litt. Harry nutzte den Besuch außerdem, um mit dem Programm Full Effect in Verbindung zu bleiben, das Kinder und Jugendliche durch frühzeitiges Eingreifen, Mentoren- und Ausbildungsmaßnahmen davor bewahrt, in Gewalt und Kriminalität abzurutschen. Das Programm ist ein Ableger der Royal Foundation of The Duke and Duchess of Cambridge and Prince Harry, die sich wohltätigen Zwecken widmet und für die auch Meghan nach der Hochzeit tätig werden wird.

Das Paar reiste mit dem Zug an und wurde dann von einer königlichen Limousine zum National Justice Museum im historischen Teil der Stadt gebracht. Eine riesige Menschenmenge hatte sich hinter den Straßensperren versammelt, Tausende mehr als bei seinem Besuch im Jahr zuvor. Meghan trug einen marineblauen Mantel des kanadischen Labels Mackage für 585 Pfund und kniehohe Stiefel von Kurt Geiger für 229 Pfund. Harry trug ebenfalls einen marineblauen, langen Mantel, dazu einen cremefarbenen Schal.

Es war ein königlicher Auftritt, wie man ihn noch nie erlebt hatte. Bei keiner royalen Verlobung hatten sich die Beteiligten je so ostentativ wie Turteltauben verhalten. Es erinnerte eher an eine Szene aus einer Hollywood-Romanze als an einen protokollarischen Stadtrundgang. Das Paar hielt Händchen, die Finger ineinander verschränkt, ohne Handschuhe, vielleicht damit alle ihren diamantenen Verlobungsring sehen konnten. Sie legten ihre Arme umeinander. Meghan hakte sich auch bei Harry ein und strich ihm über den Rücken. Brauchte sie den Körperkontakt, um ihre Nerven zu beruhigen und Harry zu versichern, dass sie mit der Situation zurechtkam, oder war sie einfach so mütterlich wie schon während des BBC-Fernsehinterviews an dem Tag, als ihre Verlobung offiziell bekanntgegeben wurde?

David Starkey hält Körperkontakt in der Öffentlichkeit tendenziell für gut. „Der gefühls- und körperbetonte Ansatz ist die Zukunft, und ich glaube, Meghan wird diejenige sein, die hier die Regeln für königliches Verhalten festlegt“, sagt er. „Meghan ist eine Art Madame Macron [die sehr viel ältere Ehefrau des französischen Präsidenten Emmanuel Macron], sie sieht nur besser aus.“

Das Publikum war ebenfalls begeistert. „Harry, Harry!“- und „Meghan, Meghan!“-Rufe erfüllten die Stadt. Mit ausgestreckten Händen, Blumen, Grußkarten, Großbritannien- und USA-Flaggen jubelte die Menge den beiden zu. Mit dicken Mänteln, Fleecejacken und Wollmützen vor der bitteren Kälte geschützt, hatten die Zuschauer stundenlang gewartet, um dem Prinzen zu seiner Verlobung zu gratulieren. Harrys Charisma und ungezwungener Charme sorgen dafür, dass er von Menschen aller Art auf der ganzen Welt geliebt, ja sogar verehrt wird. Sie spüren, dass er einer von ihnen ist, verstehen, dass er eine schwere Zeit hatte, und wollen, dass er glücklich ist.

Das Paar strahlte angesichts des Jubels und warf sich unzählige liebevolle Blicke zu. Falls sie durch ihre körperliche Nähe das Protokoll verletzten, schien es ihnen nichts auszumachen. Sie wollten der ganzen Welt zeigen, dass sie einander liebten. Meghans Verhalten unterschied sich sehr von dem ihrer künftigen Schwägerin Kate, der Duchess of Cambridge, die zurückhaltender agiert und sich noch nie einen Fehltritt geleistet hat. Bei ihren gemeinsamen Auftritten mit Prinz William lächelte sie viel, aber in der Öffentlichkeit lässt sie höchstens einmal ihre Hand für einige Sekunden auf Williams Oberschenkel ruhen oder der Prinz berührt flüchtig ihren Rücken. Zweimal sind sie am Weihnachtsmorgen Hand in Hand zur Kirche gegangen. Meghan, die in Los Angeles geboren wurde, ist emotional offener, und in dieser frühen Phase ihrer königlichen Laufbahn kann man von ihr nicht erwarten, dass sie bereits bis ins Detail erfasst hat, was sich ziemt und was nicht.

Das verliebte Paar begann seinen Rundgang gemeinsam und bewegte sich langsam entlang der aufgeregten Zuschauermenge in Richtung der Kunstgalerie Nottingham Contemporary. Als Fernsehstar ist es Meghan gewöhnt, im Rampenlicht zu stehen, aber die royalen Anforderungen sind sehr viel komplexer. Rundgänge sind zeitlich genau abgepasst, und man muss immer damit rechnen, dass etwas Unerwartetes geschieht. Meghan wirkte, als hätte sie nie etwas anderes getan. Sie löste sich sogar von Harry, und das Klappern ihrer Absätze übertönte beinahe das Jubeln der Menge, als sie losging, um Gratulanten auf der anderen Straßenseite zu begrüßen – ein großer Schritt für eine Novizin. Sie und Harry bewegten sich für den Rest des Weges dann synchron, fanden zusammen und trennten sich wieder. Anders als der Prinz von Wales, der Eifersucht verspürte, wenn die Menge nach Diana rief und nicht nach ihm, sah Harry unglaublich stolz aus. Harry ist ein Profi in Sachen Rundgang: Er scannt die Menge und sucht jemanden heraus, der beispielsweise im Rollstuhl sitzt, betagt ist oder ein Charity-Maskottchen in der Hand hält, über das er reden kann.

Meghan genoss die Situation voll und ganz. Sie schüttelte Männern, Frauen und Kindern die Hand und stellte sich mit den Worten vor: „Hi, ich bin Meghan!“ Sie sagte, wie begeistert sie sei, hier zu sein, und wie glücklich. Sie redete über das Wetter, dankte den Zuschauern dafür, dass sie der „Kälte trotzten“, und zauberte sogar einen Handwärmer aus ihrer Tasche hervor, um ihn einer jungen Frau mit eiskalten Händen zu schenken. Sie bewunderte jede Menge Babys und lächelte sogar, als die Leute ihr immer wieder versicherten: „Diana hätte Sie geliebt!“ Selfies lehnte sie jedoch höflich ab: „Das ist uns nicht erlaubt“, lächelte sie.

Meghan trug eine burgunderfarbene Tote Bag des schottischen Labels Strathberry für 495 Pfund (die elf Minuten, nachdem sie in der Öffentlichkeit erschien, bereits ausverkauft war). Kate nimmt auf Rundgänge selten eine große Handtasche mit, und Meghan sollte schnell erfahren, weshalb. Mit ihrer Tasche in der einen und mehreren Blumensträußen in der anderen Hand konnte sie sehr bald keine Hände mehr schütteln. Sie schaute sich besorgt um, entdeckte einen Helfer und reichte ihm Tasche und Blumen, sodass sie die Hände wieder frei hatte. Immer wieder strich sie sich ihr langes, glänzendes Haar aus dem Gesicht. Wie eine Zuschauerin meinte, kann dies auch ein Zeichen der Nervosität gewesen sein. „Sie wirkte natürlich und herzlich. Ich wette, sie war furchtbar nervös, aber das hat sie sich nicht anmerken lassen“, sagte sie.

Irene Hardman, 81 Jahre alt und leidenschaftliche Verehrerin des Königshauses, wurde sowohl von Harry als auch von Meghan begrüßt. Über die vergangenen Jahre hinweg hat sie Prinz Harry, Prinz William und Prinz Charles bei jedem ihrer königlichen Besuche in Nottingham eine Tüte Haribos geschenkt. „Meghan wurde mitgeteilt, ich hätte ein Tüte mit Süßigkeiten für sie“, berichtete sie. „Sie kam mit Harry zu mir, und ich gab ihr die Tüte. Sie hat mich umarmt und geküsst. Unglaublich!“

Kommentare wie „Sie sind so authentisch!“ waren wiederholt zu hören. Meghan erwies sich als geschickt, in Gesprächen auch wieder den Absprung zu finden. Sie hob außerdem einen heruntergefallenen Handschuh auf und reichte ihn über die Sicherheitsabsperrung zurück, durchaus keine gewöhnliche royale Geste. Ein Journalist nannte sie „Markle Sparkle“, während ein anderer sie als „zierlich und elegant“ beschrieb. Der halbstündige Rundgang endete am Ausstellungshaus Nottingham Contemporary, in dem eine Wohltätigkeitsveranstaltung des Terrence Higgins Trust anlässlich des Welt-Aids-Tages stattfand. Dort wurden die Mäntel abgelegt. Harry trug ein weißes Hemd und einen blauen Blazer. Meghan war zwanglos, aber einwandfrei gekleidet, zum schwarzen Rollkragenpullover trug sie einen kamelhaarfarbenen, wadenlangen Rock von Joseph für 595 Pfund. Sie lernten Ale Araphate kennen, den 21-jährigen Kapitän eines Footballteams von Champions For Change, einem Projekt, das über den Sport Kontakt aufbaut zu afrikanischen Communitys in Mittelengland und über HIV und Aids informiert. „Sie ist wunderschön“, sagte er über Meghan. „Nur ein Prinz kann mit so einer Lady zusammen sein!“ Chris O'Hanlon von Positively UK, einer Organisation zur Unterstützung von Menschen, die erst kürzlich von ihrer HIV-Erkrankung erfahren haben, sprach mit den beiden über seine eigene Diagnose und die Bedeutung von Fitness im Umgang damit. „Ich habe mich mit Meghan über meine Leidenschaft für Yoga unterhalten“, berichtete er. „Sie sagte: ‚Absolut, ich binde das auch gern in meinen Alltag ein, das habe ich schon immer getan.‘“

Obwohl Meghan ihre sozialen Fähigkeiten schnell unter Beweis stellte, konnte jeder aufmerksame Beobachter bemerken, dass sie das königliche Protokoll nicht durchgängig einhielt. Beim Besuch der Nottingham Academy, wo sie Schulleiter trafen, die am Full-Effect-Programm teilnehmen, trat sie vor Harry durch die Eingangstür und ging voraus, um mit verschiedenen Honoratioren zu sprechen. Das Protokoll schreibt vor, dass der ranghöchste Royal stets vorangeht. Es war zu früh, um zu sagen, ob Meghans Verhalten mit ihrem allseits bekannten Einsatz für die Gleichstellung der Frau zu tun hat, ob sie sich vom Moment mitreißen ließ oder ob niemand ihr die Regeln erklärt hatte. Harry, seit jeher ein rebellischer, unkonventioneller und nonkonformistischer Prinz, schien es nicht das Geringste auszumachen, hinter ihr herzugehen. David Starkey erläutert dazu: „Meghan ging vor Harry hinein, weil das heute bei normalen Paaren eben so ist, wenn der Mann der Frau den Vortritt lässt.“

Ein paar Mal verbarg er seine Hand hinter dem Rücken, wenn sie versuchte, nach seiner Hand oder seinem Arm zu greifen. Dies war wohl seine dezente Art, ihr zu sagen: Es ist in Ordnung, sich draußen vor den Menschen körper- und gefühlsbetont zu geben, aber jetzt, da wir über Aids sprechen wollen, ist es nicht ganz angemessen. Meghan verstand die Botschaft. Obwohl sie einen größeren Eindruck hinterlassen hat als andere Verlobte in der Königsfamilie, darunter die Prinzessin von Wales, die Duchess of Cambridge, die Duchess of York und die Countess of Wessex, muss Meghan noch viel über die Feinheiten der royalen Do’s und Dont’s lernen – sowohl im Vereinigten Königreich als auch auf den Besuchen im Ausland.

Ein Höhepunkt des Tages war ein kurzes Theaterstück, aufgeführt von einigen Rappern, die am Full-Effect-Programm teilnehmen. Prinz Harry verbindet eine langjährige und enge Beziehung mit Trevor Rose, der seit Jahrzehnten mit schwierigen Jugendlichen arbeitet. Auch ich wurde 2016 während Prinz Harrys Besuch in Nottingham zu einem Treffen mit Trevor eingeladen. Er ist ein außergewöhnlicher Mensch, der für das Hilfsprogramm im Community Recording Studio in St Ann’s tätig ist, einer heruntergekommenen Gegend von Nottingham mit hoher Kriminalitätsrate. Er war überwältigt von Prinz Harrys Absicht, ihm seine Verlobte bei ihrem ersten gemeinsamen Besuch vorzustellen. „Was für eine riesige Ehre“, sagte er. „Als ich vor ein paar Tagen hörte, dass sie kommen wollen, konnte ich es nicht glauben. Ich bin normalerweise nicht auf den Mund gefallen, aber da war ich wirklich sprachlos.“ Er strahlte. „Das hieß auch, dass ich nur ein paar Tage hatte, um eine Aufführung vorzubereiten.“

Das halb improvisierte Stück handelte von einem jungen Paar, das sich entscheidet, seine geheime Beziehung öffentlich zu machen – dezente Anspielung auf Harry und Meghan –, und am Schluss erhält eine Figur mit Zylinder eine Einladung zur königlichen Hochzeit. „Harry zu begegnen und ihn kennenzulernen hat uns in St Ann’s allen das Gefühl gegeben, einen großen Bruder zu haben“, erzählte Trevor lachend. „Und jetzt haben wir auch eine Schwägerin. Dass Harry heute zu uns kommt, ist das beste Beispiel dafür, wie er sich für junge Leute engagiert und sie unterstützt. Die Kids hier spüren, dass er wirklich wissen will, was sie beschäftigt, sein Interesse für sie ist echt.“

Prinz Harry und seine Verlobte lachten während der Vorstellung, und danach lobte Meghan die schauspielerischen Fähigkeiten der jungen Ensemblemitglieder. „Die Kids haben sich so gefreut, dass Meghan auf die Bühne gekommen ist und sich mit ihnen über die Schauspielerei und Improvisation unterhalten hat“, sagte Trevor. „Sie wirkte so natürlich, und Harry sah unglaublich glücklich aus. Das Schönste war definitiv, dass Harry den Blick nicht von ihr abwenden konnte. Meghan hat sich hier echt amüsiert. Ich hoffe, es dauert nicht lange, bis er Vater wird. Er ist so ein guter Kerl, ich wünsche ihm alles Glück der Welt und dass er uns bald seinen ersten Sprössling vorstellt.“

Vor wenigen Jahrzehnten wäre es noch undenkbar gewesen, dass eine geschiedene US-amerikanische Schauspielerin multiethnischer Abstammung einen Royal heiratet. In Nottingham herrschte an diesem Tag das Gefühl vor, dass Meghan eine ungekünstelte und erfrischende Ergänzung der königlichen Familie ist, im Hinblick auf die Modernisierung der Monarchie vorangeht und eine exzellente Botschafterin für jeden Zweck ist, dem sie sich mit Herz und Verstand zuwendet.

Harry wird sie dabei zweifellos unterstützen. Gemeinsam könnten sie das royale Regelwerk zerlegen, die Zwänge des Protokolls hinter sich lassen und damit in die Fußstapfen der Prinzessin von Wales treten, der größten Querdenkerin unter den Rebellen des Königshauses. Auch sie mochte viele Traditionen des königlichen Familienlebens nicht, beispielsweise dass sie sich bei Familienfeierlichkeiten nicht vor der Queen in ihre Privaträume zurückziehen durfte. Aber erst nach Harrys Geburt fand Diana den Mut und die Entschlossenheit zu zeigen, dass sie sich den Verhältnissen bei Hofe nicht unterordnen wollte.

Kapitel 2

Dianas zweiter Sohn

Samstag, der 15. September 1984 lag noch im warmen, nebligen Morgendämmer, als Diana vom Schmerz der ersten Wehen geweckt wurde. Kurz darauf verließen sie, Prinz Charles und ein stets präsenter Leibwächter Windsor Castle in Richtung London. Das Paar kam um 7.30 Uhr in der Privatstation Lindo Wing des St Mary’s Hospital in Paddington an und wurde in demselben spartanischen Zimmer für 140 Pfund pro Nacht einquartiert, in dem Diana zwei Jahre zuvor Prinz William, ihren ersten Sohn und den Thronfolger, zur Welt gebracht hatte. Das Fenster bot einen trostlosen Ausblick auf den Bahnhof Paddington.

Die Prinzessin von Wales hatte sich dem verweigert, was Generationen von Königsmüttern hingenommen hatten: eine Geburt im Palast. Jahrhundertelang war es Brauch, dass der Innenminister als Mitglied des Kabinetts bei den Geburten zugegen war, um sicherzustellen, dass das Neugeborene auch tatsächlich ein Nachkomme des Königs war und nicht etwa ein Kuckuckskind.

Nachdem Prinz Charles 1948 im Buckingham Palace zur Welt gekommen war, wurde diese Praxis nicht weiter fortgesetzt. Diana befolgte den Rat von Mr. George Pinker, damals der Gynäkologe der Queen und Chefarzt am St Mary’s. Er war der Auffassung, dass man bei der Geburt keinerlei Risiko eingehen solle und das Krankenhaus der beste Ort für Mutter und Kind sei.

Charles wurde zunächst gebeten, einen Krankenhauskittel überzuziehen. Er blieb während der neunstündigen Geburt bei seiner Frau und fütterte sie gelegentlich mit Eiswürfeln. Seine Entscheidung, bei Williams Geburt dabei zu sein, war ebenfalls ein bedeutender Bruch mit dem königlichen Protokoll gewesen und machte den neugeborenen Prinzen zum ersten Nachkommen eines Thronfolgers, der bei der Geburt zugegen war. Dies stand in deutlichem Gegensatz zu Charles’ eigener Geburt. Sein Vater, Prinz Philip, spielte mit einem Freund eine Runde Squash, während die Queen den Geburtsprozess durchlief, und verließ den Court erst, als ihm mitgeteilt wurde, dass sein Sohn auf der Welt war. Ein Palastbediensteter sagte damals: „Es ist an sich Tradition, dass royale Väter mit ihren Freunden Portwein trinken, während sie auf gute Nachricht warten.“

Prinz Charles hatte da andere Vorstellungen. Er sagte zu einem Freund: „Ich bin schließlich der Vater, und nachdem ich das Ganze ins Rollen gebracht habe, will ich auch dabei sein, wenn alles passiert.“

Diana war vor Williams Geburt sehr krank gewesen, was nur teilweise mit der Schwangerschaft zu tun hatte. Sie litt an Bulimie, einer Essstörung, bei der Betroffene übermäßig viel essen und sich anschließend absichtlich erbrechen. Obwohl sie immer noch bulimisch war, war ihre morgendliche Übelkeit bei der zweiten Schwangerschaft weniger intensiv ausgeprägt.

Harry wurde um 16.20 Uhr geboren und wog 3120 Gramm, etwas weniger als William, der 3220 Gramm gewogen hatte. Man vermutete, dass er eine Woche zu früh zur Welt gekommen war, was der Buckingham Palace weder bestätigte noch dementierte. Man kann jedoch davon ausgehen, dass Charles und Diana sich zum erwarteten Geburtstermin eher im Kensington Palace als in Windsor Castle aufgehalten hätten.

Seine Mutter entschied über den Namen. „Ich wählte die Namen William und Henry, weil die Alternativen Arthur und Albert gelautet hätten“, erklärte sie. „Nein, danke. Es wurde nicht darüber gestritten. Es war ein Fait accompli.“

Unmittelbar nach der Ankunft des königlichen Babys benachrichtigte Prinz Charles über ein eigens auf ihrem Zimmer installiertes Telefon die Queen. Ihre Majestät hielt sich mit der Königinmutter in Balmoral auf, dem schottischen Landsitz der Königsfamilie, auf dem sie traditionellerweise ihren Sommerurlaub verbringt. Danach rief Charles Dianas Vater an, Lord Spencer, der auf Althorp Estate weilte, seinem Domizil in Northamptonshire. Er war hocherfreut und ordnete sogleich an, dass der Union Jack auf dem Dach durch die Spencer-Flagge in Rot, Gelb und Schwarz ersetzt wurde.

Anschließend trat er aufgeregt aus der Tür und erzählte jedem Besucher: „Wir haben einen Jungen bekommen. Diana hat ihren zweiten Sohn geboren. Sie ist wohlauf und das Baby auch. Ich freue mich so, besonders für Prinz William. Er wird begeistert sein. Es wird schön für ihn sein, einen Gefährten zu haben, zum Spielen und zum Streiten. Es ist wunderbar, zwei Jungs zu haben. Ich hoffe, er wird eines Tages Cricket für Gloucestershire spielen. Er ist ein glücklicher kleiner Junge, denn er hat wundervolle Eltern. Er wird einen sehr guten Start ins Leben haben.“ Dann seufzte er. „Ich bin so erleichtert, dass alles gut gegangen ist, ohne Komplikationen.“ Diana hingegen war besorgt, denn sie wusste, dass Charles lieber eine Tochter gehabt hätte. Sie erzählte dem Autor Andrew Morton während seiner Recherche zu dem 1992 erschienenen internationalen Bestseller Diana:Ihre wahre Geschichte, sie habe in der Schwangerschaft auf einem Ultraschallbild gesehen, dass sie einen Jungen erwartete, dies ihrem Mann aber verschwiegen aus Angst, er könnte enttäuscht von ihr sein. Der Stress, den es bedeutet haben muss, eine solche Information monatelang geheim zu halten, sagt viel über ihre bröckelnde, dysfunktionale Beziehung aus. Die „Diana Tapes“, Aufnahmen, die über einige ihrer intimsten Gefühle während jener Zeit Auskunft geben, wurden im Juni 2017 anlässlich des 25. Jahrestages des Erscheinens von Mortons Buch veröffentlicht. „Charles wollte immer ein Mädchen“, sagt sie in einem der Mitschnitte. Als er das Baby das erste Mal sah, habe er gerufen: „Oh Gott, es ist ein Junge … und er hat auch noch rote Haare!“

Diese Darstellung der Dinge darf angezweifelt werden. Zwei Monate nach Harrys Geburt gab Prinz Charles eines seiner seltenen Interviews im amerikanischen Fernsehen und beschrieb Harry als „absolut bezaubernd“. Er fügte hinzu: „Es ist interessant mit dem zweiten Kind. Sehr oft – und viele Menschen haben mir das gesagt – ist man als Eltern mit dem Zweiten viel entspannter und deswegen in der Lage, dem Kind eine Atmosphäre größerer Gelassenheit zu vermitteln.“ Als Beweis seiner Theorie führte er an, Harry sei „außerordentlich brav, schläft hervorragend und isst sehr gut“. Dennoch verletzte seine angebliche Reaktion die junge Mutter zutiefst. „Innerlich riegelte ich mich ab“, sagte Diana zu Morton. „Damals wusste ich, dass Charles zu seiner Lady [Camilla Parker Bowles] zurückgekehrt war, aber irgendwie war es uns gelungen, Harry zu bekommen.“

Diana beschrieb die Zeit zwischen den Geburten ihrer beiden Söhne als „totale Dunkelheit. Ich kann mich nicht an viel erinnern. Ich habe es ausgelöscht. Es war eine schmerzhafte Zeit. Harry erschien wie durch ein Wunder. Charles und ich waren einander in den sechs Wochen vor seiner Geburt sehr nah, näher, als wir einander jemals waren und jemals wieder sein werden. Dann, als Harry geboren wurde, ging plötzlich etwas kaputt in unserer Ehe. Das Ganze ging den Bach runter.“ Sie sagte, Charles habe ihr das Gefühl gegeben, „in jeder Hinsicht“ ungenügend zu sein. Sie war froh um Harry, denn durch ihn bekam sie zum zweiten Mal die Chance, bedingungslos geliebt zu werden.

Vor dem Krankenhaus hatten sich mit der Weltpresse rund 300 geduldige und treue Fans des Königshauses versammelt, die jubelten, als ihnen die gute Nachricht überbracht wurde. Anlässlich der Geburt wurden 41 Salutschüsse vom Hyde Park und vom Tower of London abgefeuert. Am nächsten Tag erklang ein feierliches dreistündiges Glockengeläut von der Pfarrkirche St Mary’s in Tetbury, Gloucestershire, nahe Highgrove House, dem Landsitz von Charles und Diana, den Prinz Charles 1980 erworben hatte. Auch in der Kirche des königlichen Anwesens in Sandringham, Norfolk, dem Geburtsort von Prinzessin Diana, läuteten die Glocken. Premierministerin Margaret Thatcher, die das Wochenende in Chequers verbrachte, sandte dem Paar ihre Glückwünsche.

Baby Harry stand an dritter Stelle der Thronfolge und war das vierte Enkelkind der Queen, aber das war für sie kein Grund, ihre Pläne zu ändern. Sie wurde erst am Freitag der folgenden Woche in London zurückerwartet, kurz vor ihrer offiziellen Reise nach Kanada.

Am Tag nach Harrys Geburt besuchten sie, Prinz Philip, die Königinmutter und Prinz Edward jedoch einen Gottesdienst in der Crathie Kirk nahe Balmoral, wo ein Gebet für das Neugeborene abgehalten wurde. Wegen anderweitiger Verpflichtungen in Japan und der Schweiz sah Prinz Philip seinen Enkel erst im Alter von fast vier Wochen zum ersten Mal, als er Highgrove House einen kurzen Besuch abstattete. Damals munkelte man, sein mangelndes Interesse am jüngsten Spross der Königsfamilie habe bereits eine Kluft zwischen ihm und Prinz Charles verursacht.

Die offizielle Bekanntgabe der Geburt von Prinz Henry Charles Albert David wurde um 17.55 Uhr am Tor des Buckingham Palace ausgehängt und erntete großen Applaus. Auch am Tor von Balmoral wurde eine offizielle Mitteilung platziert. Ein Sprecher des Königshauses gab bekannt, das Baby solle zwar auf den Namen „Henry“ getauft, aber „Harry“ genannt werden. Prinz Charles sagte später, Harry sei als Kind nur dann mit Henry angesprochen worden, wenn er „sehr, sehr unartig“ war.

Zwei Stunden nach der Geburt trat Charles mit einem breiten Lächeln durch die Krankenhaustür. Er schüttelte die Hände der Gratulanten, die tapfer hinter der Absperrung ausgeharrt hatten, und verkündete: „Meiner Frau geht es sehr gut. Die Geburt hätte nicht besser verlaufen können. Es ging dieses Mal viel schneller.“ Er fügte hinzu, die Geburt sei eine „wunderbare Erfahrung“ gewesen. Dann fur er nach Hause in den Kensington Palace.

Um 9 Uhr am nächsten Morgen kehrte er mit Prinz William und dessen Nanny Barbara Barnes zurück. William trug rote Shorts, ein weißes, mit roten Stickereien verziertes Hemd und kurze weiße Socken. An der Hand seines Vaters erklomm er voller Begeisterung die Stufen zum Krankenhaus. Die etwa 1000 jubelnden Zuschauer blieben mit der Frage zurück, ob er sich wohl mehr darauf freute, seine Mutter zu sehen oder seinen kleinen Bruder. Diana wusste, dass William auf dem Weg zu ihr war, steckte den Kopf aus der Tür und rief seinen Namen. William warf sich ihr in die Arme. Diana erlaubte ihm dann, die Hand seines kleinen Bruders zu halten. Die Familie verbrachte ein wenig ungestörte Zeit miteinander, bevor die Nanny den Raum betrat, der bereits voller Blumensträuße von der Familie und Freunden war. Sie schaute sich ihren neuen Schützling genau an, und um 10 Uhr verließ sie mit William das Krankenhaus. Sie hielt ihn an der Hand, während er die schwierige Aufgabe meisterte, der Menge zuzuwinken und gleichzeitig die Krankenhausstufen hinunterzugehen, bevor er in den bereitstehenden Daimler kletterte, um zum Kensington Palace zurückzukehren.

Diana und Charles hatten sich über die Erziehung ihrer Kinder auseinandergesetzt. Charles wollte seine ehemalige Nanny Mabel Anderson engagieren, an der er sehr gehangen hatte. Diana hielt Mabel für zu alt und zu traditionell. Stattdessen hatte sie Barbara Barnes ausgewählt, die Tochter eines Försters, obwohl sie beinahe doppelt so alt war wie Diana. Sie pflegte einen liebevollen, entspannten Umgang mit ihren Schützlingen und umarmte sie häufig. Barbara hatte keine formelle Ausbildung als Kindermädchen und weigerte sich, eine Uniform zu tragen, aber sie hatte jahrelange Erfahrung und die besten Referenzen. Es dauerte nicht lange, bis der moderne Ansatz, den Diana anfangs noch für ideal gehalten hatte, für Unmut bei ihr sorgte.

Charles verließ das Krankenhaus um 12.35 Uhr zum Mittagessen und kehrte um 14.27 Uhr zurück. Vier Minuten darauf erschienen er und Diana, die ihren neugeborenen Sohn in den Armen hielt, auf den Stufen zum Krankenhaus. Die Zuschauer wedelten begeistert die Nationalflagge und jubelten. Sie wurden jedoch nicht mit dem Anblick von Harrys Köpfchen belohnt, denn er war zum Schutz vor der kühlen Herbstluft in eine Spitzendecke gehüllt. Mehrere lächelnde Krankenschwestern schauten aus den Fenstern der oberen Stockwerke und versuchten, einen Blick auf das royale Dreiergespann zu erhaschen. Diana trug einen scharlachroten, wadenlangen Mantel mit breiten Schulterpolstern und Schuhe in der gleichen Farbe mit niedrigem Absatz. Mit ihrem bauschig gebürsteten Haar sah sie so frisch und glamourös aus wie ein Star aus der US-amerikanischen Fernsehserie Der Denver-Clan, die damals sehr erfolgreich im britischen Fernsehen lief.

Auf den Stufen stehend wandte sie sich ihrem Mann zu, der Ausdruck auf ihrem Gesicht zeigte eine Mischung aus Liebe, Verletzlichkeit und Verlangen. Charles jedoch stand mit den Händen hinter dem Rücken da, eine Haltung, die man bereits von Prinz Philip kannte, und erwiderte den Blick seiner Frau nicht. Selbst an diesem Freudentag schien das Paar seine Differenzen nicht verbergen zu können. Diana nahm auf der Rückbank des blauen Daimler Platz und wurde mit Harry im Arm zum Kensington Palace gefahren. Die Zeiten haben sich geändert. Als die Duchess of Cambridge St Mary’s 2013 mit ihrem Baby Prinz George verließ, stand für ihn eine sicherheitsgeprüfte Babyschale bereit.

Anne Wallace, eine Krankenschwester, die Diana schon nach Williams Geburt zur Seite gestanden hatte, wartete im Kensington Palace. Sie war für die ersten fünf Wochen in Harrys Leben engagiert worden, um Diana zu helfen und die tägliche Entwicklung des Babys zu überwachen. Prinz Charles blieb nicht lange. Er wurde zum Smith’s Lawn in Windsor gefahren, um für das Team von Windsor Park Polo zu spielen. Dort vertraute er dem Platzwart an: „William war mit dem Baby gleich ganz in seinem Element. Es ist ein unbezahlbarer Anblick, wie viel Freude ihm das Baby macht. Ständig klettert er zu ihm ins Bettchen.“ Eine Zuschauerin äußerte sich kritisch über seine Anwesenheit. „Er sollte bei seiner Frau sein“, sagte sie. „Warum muss er jetzt Polo spielen?“ Die Antwort ihres Gatten lautete: „Er hat seinen Teil getan.“ Ein Teenager stellte Prinz Charles eine Frage, die vielen Zuschauern durch den Kopf ging: „Was hält Prinzessin Diana davon, dass Sie heute Polo spielen?“ Charles lachte und sagte: „Oh, das macht ihr nichts aus.“ Nach dem Spiel wurde spontan mit Champagner auf Harrys Geburt angestoßen, äußerst unköniglich kamen hierfür Plastikbecher aus dem Kofferraum eines Land Rover zum Einsatz.

Zu den ersten Besuchern des neugeborenen Prinzen zählten Prinz Andrew, Lady Sarah Armstrong-Jones sowie Dianas Vater mit seiner zweiten Frau Raine, geborene McCorquodale, der quirligen, extravaganten Tochter der Romanautorin Barbara Cartland. Sie tauchten nach einer Stunde wieder auf und verkündeten mit einem breiten Lächeln: „Das Baby ist ganz entzückend!“ Als Harry zehn Tage alt war, brach die Familie nach Highgrove auf, wo sie Hunderte Glückwunschkarten, Blumensträuße und Geschenke erwarteten. Einige Wochen später unternahmen sie auch einen Wochenendausflug zu den Großeltern in Althorp.

Diana war völlig in Harry vernarrt und stillte ihn elf Wochen lang, acht Wochen länger als William. Sie war als Mutter keine Anfängerin mehr, ging sicherer mit dem Baby um und verstand es, ihm ihre Liebe zu zeigen. Von Anfang an war ihr äußerst bewusst, dass die Wege ihrer zwei Söhne sich sehr voneinander unterscheiden würden. William würde einmal König werden, und sein Leben war stark darauf ausgerichtet. Harry konnte experimentieren und seinen eigenen Weg finden. Sie liebte beide Kinder gleichermaßen und war sich mit Prinz Charles darüber einig, dass Harry nie das Gefühl haben sollte, an zweiter Stelle zu stehen.

Der Altersabstand zwischen den beiden betrug 27 Monate, und William, ein freimütiges, ungestümes Kind, war wie viele Erstgeborene mächtig verärgert, dass ein Neuankömmling in sein Hoheitsgebiet eindrang. Er zeigte sein Missfallen anfangs, indem er brüllte, mit den Füßen stampfte und mit dem Essen um sich warf, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Er ließ seinen Ärger jedoch nicht an Harry aus. Stattdessen zeigte er sich instinktiv beschützerisch und wachsam seinem kleinen Bruder gegenüber, der anfangs ein leises, sanftmütiges Baby war – Eigenschaften, die sich bald verlieren sollten.

Diana war stolz darauf, wie liebevoll William mit seinem Bruder umging. Am 20. September 1984, nur fünf Tage nach Harrys Geburt, schrieb sie an Cyril Dickman, einen Butler, der über 50 Jahre lang im Buckingham Palace gearbeitet hatte. Der Brief gelangte im Dezember 2016 an die Öffentlichkeit und zeigt, wie vernarrt William in Harry war. Sie schrieb: „William betet seinen kleinen Bruder an und verbringt die gesamte Zeit damit, Harry mit einem endlosen Vorrat an Umarmungen und Küssen zu versorgen, er lässt die Eltern kaum an ihn heran!“ Sie fügte hinzu, sie und Prinz Charles seien „völlig überwältigt von der Reaktion auf Harrys Geburt“, und dass sie „unter der Masse an Blumen“ schier erstickten. Diana lobte sogar Charles’ Haltung gegenüber Harry. „Charles liebt das Babyalter“, schrieb sie, „und konnte es kaum erwarten, wieder das Fläschchen zu wärmen und all das.“

Tatsache war, dass Diana nun ihre Pflicht getan hatte. Sie hatte die Zukunft der Monarchie zügig und erfolgreich gesichert, indem sie sowohl einen Thronerben als auch einen Reservisten bereitgestellt hatte. Aber verständlicherweise hasste sie es, wenn Harry als „Ersatz“ bezeichnet wurde. Ihr ausgeprägter Mutterinstinkt und angeborener Sinn für Gerechtigkeit führten zu der Entscheidung, dass die Prinzen gleich behandelt werden und beide Platz im Rampenlicht haben sollten. „Auf die königlichen Erstgeborenen fällt vielleicht mehr Ruhm ab“, sagte sie. „Aber die Zweitgeborenen genießen größere Freiheit. Harry wird später schon noch begreifen, wie froh er sein kann, nicht der Ältere zu sein.“ Sie sorgte dafür, dass ihre Söhne so oft wie möglich gemeinsam fotografiert wurden. Dies war ein weiterer der wenigen Punkte, in denen sie und Prinz Charles übereinstimmten.

Es ist für gewöhnlich so, dass ein zweites Kind um die Aufmerksamkeit seiner Eltern wetteifern muss, und der Druck auf Harry, besonders hervorzustechen, war groß und wurde größer, als ihm langsam bewusst wurde, dass William ein zukünftiger König war. Das war schwer zu überbieten. Michael Lewis, ehemaliger Vorsitzender der psychiatrischen Klinik Bowden House, schrieb kurz nach Harrys Geburt darüber, womit Harry seiner Meinung nach konfrontiert war: „Während der entscheidenden fünf Jahre seines Lebens wird Prinz William immer da sein, älter, größer und stärker. Er wird laufen, wenn der jüngere Prinz erst krabbeln kann. Er wird im Kreis um den Jüngeren herumrennen, während der seine ersten Schritte macht. Um seinen großen Bruder einzuholen und seiner überlegenen Haltung etwas entgegenzusetzen, wird Prinz Harry seinen Verstand schärfen, beträchtlichen Charme entwickeln und an seiner Persönlichkeit feilen. Oder sich dem Kampf verweigern und sanfter und zurückhaltender werden. Während der ältere Sohn zu einer Persönlichkeit des Establishments heranwächst und tut, was von ihm erwartet wird, wird sich der jüngere Sohn stets wünschen, ein Nonkonformist und eher ein Spaßvogel zu sein, in dem Wissen, dass es nichts zu gewinnen gibt, wenn er mit seinem Bruder konkurriert. Denn dies ist ein Kampf, den er nicht gewinnen kann. Brüder haben den allergrößten Einfluss aufeinander, mehr noch als die Eltern, denn sie verbringen während der entscheidenden Jahre der Kindheit mehr Zeit miteinander.“

Harry war schon immer emotional verwundbarer und dünnhäutiger als William und gab 2017 an, dass er wegen psychischer Probleme Hilfe in Anspruch genommen hatte. Es wäre unfair, dies nur darauf zurückzuführen, dass er als Zweitgeborener in der britischen Königsfamilie aufgewachsen ist. Aber nimmt man sein dysfunktionales Elternhaus, den Ehekrieg zwischen seinen Eltern und den tragischen und traumatischen Verlust seiner Mutter hinzu, hat dieser Aspekt sein Leben wohl auch nicht gerade einfacher gemacht.

Harrys Taufe fand am 21. Dezember 1984 in der St George’s Chapel in Windsor statt. Der drei Monate alte Prinz sah in seinem 143 Jahre alten königlichen Taufkleid bezaubernd aus und lag zufrieden in den Armen seiner Mutter. Diana war in ihrem marineblauen Kleid mit dem gleichfarbigen, breitkrempigen Hut der Inbegriff von Eleganz und Raffinesse. Sie und Prinz Charles wechselten kaum ein Wort, nur einmal sagte er barsch: „Er tropft“, und sie wischte Prinz Harry schnell das Kinn ab.