Hathor und Re II - Harry Eilenstein - E-Book

Hathor und Re II E-Book

Harry Eilenstein

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Beschreibung

Das alte Ägypten ist auch noch heute eine faszinierende Kultur – die Pyramiden, die Hieroglyphen, die Pharaonen, die blühende Niloase inmitten der Sahara ... Fast tausend Jahre lang war Ägypten das einzige Königreich auf der Erde, während es ringsum nur einige kleine Stadtstaaten gab. Aber das Alte Ägypten ist nicht nur von historischem Interesse, die ägyptische Religion beschreibt Erlebnisse, die auch noch heute jeder Mensch haben kann wie z.B. die Astralreise, bei der man mit seiner Seele seinen materiellen Körper verläßt und ihn unter sich liegen sieht. Dieses Schweben wurde im Alten Ägypten durch viele Bilder dargestellt – z.B. durch den Horusfalken, der über der Mumie schwebt. Eine solche Astralreise durch den Priester ist auch das Kernstück des ägyptischen Bestattungsrituals, bei dem der Priester die Seele des Verstorbenen zurück in seine Mumie oder Statue holt, damit sie weiterhin ihren Nachkommen mit Rat und Hilfe beisteht. Die ägyptische Religion zeigt auch, wie ein Volk kollektiv in der Geborgenheit der Muttergöttin Hathor ruhen bleibt und trotzdem die Eigenständigkeit erlangt, die der Sonnen- und Königsgott Re darstellt – sowohl ein Vorbild für die Loslösung jedes einzelnen Kindes von den Eltern ohne dabei den Halt in der Familie zu verlieren als auch eine Anregung dafür, wie wir unsere heutige Kultur heilen können, die an der Einsamkeit und dem Mangel an Geborgenheit der Menschen leidet ... Osiris, die Gottheit, mit der sich jeder Ägypter und jede Ägypterin nach ihrem Tod identifizierte, ist das Ideal der Ägypter auch während ihres Leben: auf die Muttergöttin vertrauen, in der eigenen Mitte ruhen und die "Gottheit im eigenen Herzen" kennen, in Besonnenheit und Stärke und in Harmonie leben – und ohne Furcht vor dem Tod.

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Bücher von Harry Eilenstein:

- Handbuch für Zauberlehrlinge (400 S.)

- Der Lebenskraftkörper (230 S.)

- Die Chakren (100 S.)

- Kursus der praktischen Kabbala (150 S.)

- Blüten des Lebensbaumes

Band 1: Die Struktur des kabbalistischen Lebensbaumes (370 S.)

Band 2: Der kabbalistische Lebensbaum als Forschungshilfsmittel (580 S.)

Band 3: Der kabbalistische Lebensbaum als spirituelle Landkarte (520 S.)

- Eltern der Erde (450 S.)

- Muttergöttin und Schamanen (100 S.)

- Hathor und Re

Band 1: Götter und Mythen im alten Ägypten (430 S.)

Band 2: Ursprünge, Kult und Magie

- Christus (60 S.)

- Über die Freude (100 S.)

- Von innerer Fülle zu äußerem Gedeihen (52 S.)

- Astrologie (320 S.)

für Osiris

Ich danke

Axel Büdenbender, der mich als Zauberlehrling annahm und mir auf seine abenteuerliche Weise zeigte, daß es Magie gibt,

Frater V.D., der während unseres zweijährigen gemeinsamen Forschens auf seine provokative Art meinen Horizont erweiterte,

Jörg Wichmann, mit dem mich unsere nun schon über fünfundzwanzigjährige gemeinsame Suche verbindet,

Gabi Cramer, durch ich viel über die Naturreligionen und über Wicca gelernt habe,

Frater Thot, dem ich aus der Zeit unserer gemeinsamen Suche einige wichtige Erlebnisse verdanke,

Monika Bäppler, die mir gezeigt hat, was Vertrauen ist,

und Professor Elmar Edel, ehemals Leiter des ägyptologischen Seminars der Universität Bonn - ein Professor, wie er im Buche steht.

Übersicht

Band I

I Schöpfung

II Schamanismus

III Fruchtbarkeit

IV Göttin und Gott

V Das Königtum

VI Tiergottheiten

Band II

VII Drei ägyptische Originaltexte

VIII Die Entstehung der ägyptischen Religion

IX Kult und Magie

X Rituale

Inhaltsverzeichnis

VII Drei ägyptische Originaltexte

A Die Kannibalismushymne

B Die Zauberer des Pharaos Cheops

C Das Brüdermärchen

VIII Die Entstehung der ägyptischen Religion

A Vergleich mit der Mythologie anderer Völker

B Von der Altsteinzeit zur ägyptischen Religion

1. Vom Einzeller bis zu den Primaten

2. Altsteinzeit

3. Mittelsteinzeit

4. Jungsteinzeit

5. Königtum

6. Zusammenfassung

C Heutige Bedeutung der ägyptischen Religion

- Heka: Reise in die Vergangenheit

IX Kult und Magie

A Gottesvorstellungen

- Heka: Die Quelle

B Der Tempel

- Heka: energetisches Feng-Shui

C Das Priestertum

- Heka: Die Schutzgottheit

D Die Verehrung der Götter und Göttinnen

1. Ägyptischer Kult und Christentum

E Die Ortsgottheiten

1. Unterägypten

2. Oberägypten

F Meditation

G Magie

1. allgemeiner Aufbau eines Zaubers (Rekonstruktion)

2. Liebeszauber (Rekonstruktion)

3. Zerstörungszauber (Rekonstruktion)

4. Heilungszauber (Rekonstruktion)

H Astrologie

I Orakel

J Magische Techniken

1. Astralkörper, Astralreise, Chakren

2. Ätherkörper, magisches Heilen

3. magische Kraft

4. Telepathie, Imagination, Wille

5. Reinkarnation

K Symbole

1. Farben

2. Materialien

3. Zahlen

4. Zeichen

X Rituale

A Das Tempelritual des Amun (Aufbau)

B Das Bestattungsritual (Aufbau)

C Das Mundöffnungsritual

1. teilnehmende Personen

2. Entwicklung des Rituals

3. Orte

4. Verwendung

5. Mundöffnungsritual und Mythologie

6. Entwicklung des Rituals

7. Aufbau

8. Das Mundöffnungsritual (Text)

D Osiris

- Heka: Osiris-Meditation

Literaturangaben

VII Drei ägyptische Originaltexte

Die folgenden drei Texte sind Beispiele für die umfangreiche ägyptische Literatur. Diese drei Texte wurden ausgewählt, weil sie in besonderem Maße die religiösen Anschauungen der Ägypter verdeutlichen.

Die „Kannibalismushymne“ ist der erste längere Text überhaupt, der von den Ägyptern überliefert worden ist und enthält sehr archaische Motive. Die Geschichte „Die Zauberer des Pharaos Cheops“ wurde im Mittleren Reich niedergeschrieben, ist von ihren Motiven her aber schon deutlich älter und illustriert wie kein anderer Papyrus die magischen Vorstellungen der Ägypter. Das „Brüdermärchen“, das auch „ Anubis und Bata“ genannt wird, zeigt schließlich, wie aus einer Mythe ein Märchen werden kann.

In Band I findet sich anschließend an die Beschreibung des Apophis die „Geschichte vom schiffbrüchigen Seemann“, die die älteste überlieferte Geschichte aus Ägypten ist und daher einen guten Einblick in die religiösen Vorstellungen des Alten Reiches gibt.

Die folgenden Texte sind so wörtlich wie möglich übersetzt, damit auch der Stil der ägyptischen Texte und die Feinheiten der Weltanschauung deutlich werden.

VII A Die Kannibalismushymne

Die Pyramidentexte sind die die älteste Sammlung von Texte über die religiösen Vorstellungen der Ägypter und der älteste größere religiöse Text überhaupt. Wie die ältesten Bücher anderer Völker wie z.B. der Zend-Avesta der Perser, das Rig-Veda der Inder oder das Popul Vuh der Mayas befassen sich auch die Pyramidentexte vor allem mit der Reise ins Jenseits. Daneben finden sich in den Pyramidentexten auch neue Motive, die sich vor allem auf den König und sein Verhältnis zu Re und zu Osiris beziehen. Aber auch alte Vorstellungen wie das Himmelsmeer, die Totenbarke mit dem Jenseitsfährmann (Schamanen), die Sternenseelen, die von der Himmelsgöttin geboren werden, die Symbolik der roten Farbe, die Seelenvögel und der Weltenbaum erschienen hier zum ersten mal in der menschlichen Geschichte in geschriebener Form.

Von diesen Texten ist besonders die Kannibalismushymne interessant, da sie zum einen der längste zusammenhängende Text in den Inschriften in den Pyramiden ist, und da er zum anderen ein Thema beschreibt, das zwar schon aus der Altsteinzeit her bekannt ist, aber dessen so deutliches Überleben zumindest als mythologisches Motiv bis in die späte Jungsteinzeit hinein sonst nicht faßbar gewesen wäre – zumal man die ägyptische Religion im allgemeinen nicht gerade mit Kannibalismus assoziiert.

Es ist auch aus den archäologischen Funden in Ägypten kein Fall von Kannibalismus bekannt, aber diese Hymne zeigt doch deutlich, daß diese archaische Form der Erhaltung der Lebenskraft innerhalb einer Sippe offenbar zumindest als Vorstellung noch sehr lebendig sein mußte, um sich als Bild für den Pharao eignen zu können, der sich in der Kannibalismushymne durch das Verspeisen aller Götter selber zu dem wichtigsten Gott machte.

Da sich der Kannibalismus auf das Verspeisen eines sehr geschätzten verstorbenen Ahnen bezieht, zeigt dieses Motiv wieder einmal, daß die Götter aus sozusagen vergrößerten und standartisierten Ahnen entstanden sind. Der Pharao wollte offenbar dadurch, daß er alle bisherigen Ahnen (zumindest in seiner Vorstellung) verspeiste, selber der wichtigste Ahn werden. Man sieht hier auch deutlich das Streben des Königtums nach Zentralisierung auf allen Ebenen, das sich eben nicht nur in der Politik, sondern auch in der Religion zeigte. Beim Lesen dieses Textes sollte man bedenken, daß er für den Schutz des Pharaos im Jenseits verfaßt wurde, daß die magische Macht dieses Textes also den Pharao vor allen Gefahren im Jenseits schützen sollte.

Der Kannibalismus ist in gewisser Weise die älteste und archaischste Methode, um sich mit einem anderen Menschen zu identifizieren. Sie ist damit der Vorläufer der Invokationen, also der späteren Methoden, sich durch Imaginationen und Anrufungen mit einem Ahn, einem spirituellen Lehrer, einem Heiligen oder einer Gottheit zu identifizieren und dadurch auf magische Weise die Qualitäten der invozierten Person zumindest in kleinerem Maßstab zu übernehmen.

Der Pharao wird in diesem Text zu dem größten Lebewesen überhaupt, aber es gab in den Pyramidentexten auch andere Töne wie z.B. in dem 272. Pyramidenspruch, in dem der Pharao zu einem Gott spricht: „O Tor der Unterwelt, ich bin zu dir gekommen; laß dies für mich geöffnet werden.“ und in dem dem Pharao von einem Gott geantwortet wird: „Ist dieser Kleine dort der König?“ Die Anrede „dieser Kleine dort“ findet sich in den Texten des Alten Reiches des öfteren, wenn ein Gott zu dem Pharao spricht.

Interessant an diesem langen Text ist auch, daß er für die Pharaonen neu verfaßt wurde und alle zeitgenössischen religiösen Motive benutzt, um die neue Idee, daß der Pharao der größte aller Ahnen ist, zu illustrieren - und dadurch nebenher eine große Zahl an Details über die damaligen religiösen Vorstellungen verrät.

In diesem Text kann man auch die Macht der Pharaonen und die Begeisterung der Pharaonen über die Macht spüren, die in ihren Händen lag – sie regierten viele hundert Jahre lang das einzige Königreich auf der ganzen Welt, das mehr als ein oder zwei Städte umfaßte.

Pyramidentexte in der Pyramide des Teti

- - - - -

Kannibalismushymne

(Pyramidenspruch 273-274, um 2.800 v.Chr.)

Der Himmel ist bedeckt, (1)

Die Sterne sind verdunkelt,

Die Weite des Himmels bebt,

Die Knochen des Erdgottes erzittern,

Die Planeten bleiben stehen, (5)

Denn sie haben den König in seiner Macht erscheinen sehen

Als einen Gott, der seine Väter verspeist

Und seine Mutter frißt;

Der König ist der Herr der Weisheit,

Dessen Mutter nicht seinen Namen kennt. (10)

Der Ruhm des Königs ist am Himmel,

Seine Macht ist am Horizont

Wie sein Vater Atum, der ihn zeugte.

Er zeugte den König,

Aber der König ist mächtiger als er. (15)

Die Mächte des Königs sind um ihn,

Seine Hemsut sind unter seinen Füßen, Seine Götter sind über ihm,

Seine Uräusschlangen sind auf der Krone seines Kopfes,

Die Führerschlange des Königs ist an seiner Stirn, (20)

Sogar sie, die die Seele sieht,

Die zum Verbrennen geeignet ist;

Der Hals des Königs ist auf seinem Leib.

Der König ist der Stier des Himmels,

Der erobert, wie er will, (25)

Der sich von dem Wesen aller Götter ernährt,

Der ihre Eingeweide ißt,

Selbst die, die mit ihren Körpern voller Magie

von der Flammeninsel kommen.

Der König ist gerüstet, (30)

er versammelt seine Geister;

Der König ist als dieser Große erschienen,

Er besitzt Helfer;

Er sitzt mit seinem Rücken an Geb gelehnt,

Denn es ist der König, der richtet (35)

Zusammen mit dem, dessen Name verborgen ist

an jenem Tag, an dem die Ältesten geschlachtet werden.

Der König besitzt Opfergaben und er verknotet den Strick

Und er bereitet sich selbst ein Mahl;

Der König ißt Menschen und ernährt sich von Göttern, (40)

Er besitzt Läufer, die seine Botschaften eilig überbringen;

Er ist der „Ergreifer des Haarknotens“, der Kehau heißt,

Der sie mit seinem Lasso für den König einfängt;

Es ist die Schlange mit erhobenem Kopf,

Die sie für ihn bewacht (45)

Und sie für ihn gefangenhält;

Es ist der „Herr des Rotfärbens“,

Der sie für ihn bindet;

Es ist Chons, der die Herren schlachtete,

Der sie für den König erdrosselte (50)

Und für ihn herausholte, was in ihren Körpern ist,

Denn er ist ein Bote, den der König zur Gefangennahme sendet.

Es ist Schezmu, der sie für den König aufschneidet

Und für ihn einen Teil von Ihnen kocht

Auf seinen Abend-Herdsteinen; (55)

Es ist der König, der ihre Magie ißt

und ihre Seelen verschlingt;

Die großen von Ihnen sind für sein Morgenmahl,

die mittelgroßen sind für sein Abendmahl,

Die kleinen sind für sein Nachtmahl, (60)

Die alten Männer und die alten Frauen unter ihnen sind zum Verbrennen seines Weihrauchs bestimmt;

Es sind die Großen im Norden des Himmels,

Die das Feuer für ihn entzünden

Und die Glut unter den Kesseln entfachen

Mit den Schenkeln der Ältesten unter ihnen. (65)

Die, die am Himmel sind, dienen dem König,

Und die Herdsteine werden für ihn gefegt

Mit den Füßen ihrer Frauen.

Er ist um die ganze Weite der beiden Himmel gereist,

Er hat die beiden Ufer umkreist, (70)

Denn der König ist eine große Macht,

Der Macht hat über die Mächte;

Der König ist ein heiliges Bild,

Das heiligste der Heiligen Bilder des Großen,

und jeden, den er in seinem Weg findet, (75)

den zerreißt er in kleine Stücke.

Der Platz des Königs ist an der Spitze

All der Erhabenen, die am Horizont sind,

Denn der König ist ein Gott,

Älter als die Ältesten. (80)

Tausende dienen ihm,

Hunderte opfern ihm,

Es ist ihm eine Bürgschaft, eine Große Macht zu sein, gegeben worden

von Orion, dem Vater der Götter.

Der König ist wieder am Himmel erschienen, (85)

Er ist gekrönt als Herr des Horizonts;

Er hat die Wirbelsäulen der Götter zerbrochen

Und sich ihre Herzen genommen;

Er hat die Rote Krone gegessen,

Er hat die Grüne verschlungen. (90)

Der König ernährt sich von den Lungen der Weisen,

Und ist zufrieden damit, Herzen und ihre Magie zu essen;

Der König wehrt sich dagegen, an den Sebschu zu lecken,

Die in der Roten Krone sind.

Er genießt, daß ihre Magie in seinem Bauch ist; (95)

Die Würden des Königs sollen nicht von ihm genommen werden,

Denn er hat den Geist aller verschluckt.

Die Lebenszeit des Pharaos ist die Ewigkeit,

Seine Grenze ist das Immerwährende

Durch diese seine Gabe: (100)

„Wenn er will, tut er es;

Wenn er nicht will, tut er es nicht.“

- er, der an den Grenzen des Horizonts für immer und ewig ist.

Siehe, ihre Seelen sind in des Königs Bauch,

Ihre Geister sind in dem Besitz des Königs, (105)

Sie sind der Überrest von seiner Mahlzeit aus Göttern,

Die für den König aus ihren Knochen gekocht wird.

Siehe, ihre Seelen sind in dem Besitz des Königs,

Ihre Schatten wurden von ihren Besitzern fortgenommen

Während der König der ist, der für ewig erscheint und besteht, (110)

Und die Übeltäter haben keine Macht,

Um den Lieblingsort des Königs inmitten derer zu zerstören, die in diesem Land leben Für immer und ewig.

Anmerkungen zu Zeile:

(1) Wolken vor der Sonne hatten in Ägypten eine ähnliche Bedeutung wie Sonnen- und Mondfinsternisse – also die Ankündigung von großen Ereignissen.

(3) Der Himmel wird hier wohl als von Ptah geschmiedete Halbkugel aufgefaßt. Ptah war während des Alten Reiches, aus dem dieser Text stammt, der Gott der Hauptstadt Memphis. Es ist bezeichnend für die Sonnenpriester-Könige der 5. Dynastie, daß Hathor nie und Nut nur selten in den Pyramidentexten erwähnt wird.

(4) Die Knochen der Erdgötter sind die Berge und das Erz, aus dem der Himmel geschmiedet ist. Die Götter (vergöttlichte Tote und somit die Ahnen des Königs) zittern sicher auch vor Angst vor dem bevorstehenden Festmahl des Königs.

(5) Möglicherweise bedeutet diese Zeile auch, daß sich keine Sterne mehr bewegen, da sie vor Schreck erstarren über die Größe des Königs. Nebenbei zeigt diese Zeile, daß man damals offensichtlich schon den Lauf der Planeten beobachtet hat.

(7) Durch das Verspeisen wird die Kraft des Toten erhalten, der Thronfolger wird durch das Verspeisen seines Vaters identisch mit seinem Vater und somit König; noch heute werden bei Krönung die oft jahrhundertealte Königsinsignien (Krone, Szepter, Reichsapfel u.ä.) überreicht. Der Horusfalke, der den toten Pharao-Vater bei dessen Tod verläßt und sich in dem Pharao-Sohn bei dessen Krönung niederläßt, ist letztlich genausdieselbe Symbolik: Der Sohn wird durch Horus mit seinem Vater identisch.

(8) Dies ist wohl einer der vielen Versuche, die Sonne und somit den König über seine Mutter Hathor zu stellen.

(11) Der König ist als Re, Stern und Horusfalke emporgestiegen.

(12) Der Pharao erscheint als Götterkönig Re.

(19) Uräussschlangen: die Landesgöttinnen Nechbet und Uto

(20) Uräus als die Schlange „Ringler“, die die Sonnenbarke führt

(21-22) Uräus als feuerspeiende, seelenverbrennende Schlange

(23) Der König will nicht geköpft werden. Diese Aussage bezieht sich auf den früheren Schädelkult, bei dem die Schädel der Ahnen in Nischen in den Wänden der Wohnhäuser aufbewahrt wurden. Da hier offenbar die weitere Selbständigkeit der Seele des Pharaos betont werden soll, könnte es sein, daß man die früher die Seelen der Toten, die in ihren Schädeln wohnten, als von den Lebenden beeinflußbar angesehen hat, d.h. das die Toten zumindest zum Teil auch dem Willen ihrer Nachkommen oder der Schamanen unterlagen und nicht nur freiwillig ihren Nachkommen helfen. Das wäre natürlich für den Pharao eine unakzeptable Vorstellung gewesen.

(26) der König wird göttlich durch das Verspeisen der Götter

(28-29) Der König (Sohn der Sonne) verschlingt die Sonnengötter, die seine Väter sind (Re, Atum, Geb), vielleicht auch die Sternenseelen.

(30) gerüstet mit Zaubersprüchen und Amuletten, die man seiner Mumie mitgab

(31) Die Götter und der König haben nach einigen Darstellungen bis zu 7 Kas und 14 Bas.

(32) Re oder der auferstandene Osiris

(33) der Hofstaat des Königs im Jenseits

(34) Er sitzt vor Geb auf dessen Thron.

(35) Der König richtet nicht nur im Diesseits, sondern auch im Jenseits selber (anstelle des Geb oder des Osiris)

(39) Der König ist unabhängig von den Opfern; er beschafft sich sein Mahl selber.

(40) Der Hofstaat des Königs im Jenseits

(56-57) Magie – Ka; Seele – Ba

(66) Es sind die Sternseelen der normalen Toten gemeint.

(69) Tag- und Nachthimmel, d.h. der Himmel im Diesseits und der des Jenseits

(71-74) Der König als mächtigste der Gottheiten, der König als treffendste Darstellung des Göttlichen überhaupt

(77-78) der König als Herr der Götter und der Totenseelen

(85) Der König als Re

(86) der König als Re-Harachte, als Flügelsonne, als aufgehende Sonne

(87) Wirbelsäule als Analogie zum Weltenbaum

(88) Das Herz ist der Sitz der Lebenskraft und der Seele. Die Seele ruht im lebenden Menschen in dessen Herzchakra und nimmt erst nach dem Tod in ihrem beständigsten Überbleibsel, eben in ihrem Schädel, der während der Alt- und Jungsteinzeit von den Nachkommen des Betreffenden aufbewahrt wurde, Platz.

(89) Rote Krone von Unterägypten

(96-97) d.h., es gibt niemanden mehr, der dem König gefährlich werden könnte, denn er hat alle Gottheiten verschlungen – er ist nun vollkommen selbstbestimmt

(103) Der König als Re

(112) Des Königs Lieblingsort ist das Grab in seiner Pyramide, auf deren Gängen die Pyramidentexte standen.

VII A Die Zauberer des Pharaos Cheops

Dieser Bericht über die Zauberer des Pharaos Cheops, der die große Pyramide in Gizeh erbauen ließ, findet sich in dem „Papyrus Westcar“. Der Papyrus wurde während der Herrschaft der Hyksos verfaßt, aber er enthält ziemlich sicher sehr viel ältere Motive. Diese Geschichte besteht aus vier Erzählungen - der Anfang und das Ende der Geschichte fehlt leider.

Cheops erbaute die rechte und höchste Pyramide, sein Sohn Chephren die mittlere, zweithöchste Pyramide, und sein Enkel Mykerinos die linke, kleinste Pyramide.

a) Ende der ersten Geschichte

Die Majestät des Königs von Ober- und Unterägypten, Cheops, die gerechtfertigt ist, sprach: „Man gebe tausend Opfergaben, hundert Krüge Bier, einen Ochsen und zwei Kegel Räucherwerk dem König von Ober- und Unterägypten, Djoser, der gerechtfertigt ist. Und man gebe einen Laib Brot, einen Krug Bier, eine Portion Fleisch und einen Kegel Räucherwerk dem Hauptvorlesepriester Imhotep, denn ich habe seine Taten der Weisheit gesehen.“

Und man tat wie es seine Majestät befohlen hatte.

Anmerkungen:

1. Die in diesem Papyrus erwähnten Pharaonen sind Pharonen der 3. und der 4. Dynastie aus dem Alten Reich. Diese Pharaonen sind alle direkte Nachkommen des Djoser. Ihre Namen und ihre Regierungszeiten sind wie folgt, wobei die Reihenfolge von Nebka I und Chaba unsicher sind:

3.Dynastie

Djoser

2.721 – 2.701 v.Chr

Nebka I.

2.701 – 2.694 v.Chr

Chaba

2.694 – 2.686 v.Chr

Huni

2.686 – 2.670 v.Chr

4. Dynastie

Snofru

2.670 – 2.650 v.Chr.

Cheops (große Pyramide von Gizeh)

2.650 – 2.580 v.Chr

Djedefre

2.580 – 2.570 v.Chr

Chephren (zweitgrößte Pyramide)

2.570 – 2.540 v.Chr

Bafre

2.540 – 2.530 v.Chr.

Mykerinos (kleine Pyramide von Gizeh)

2.530 – 2.510 v.Chr

Schebseskaf

2.510 – 2.500 v.Chr

5. Dynastie

User-ka-ef

2.500 – 2490 v.Chr.

2. Die Stelle in dem Papyrus, an dem der Name des Hauptvorlesepriesters des Djosers gestanden hat, ist zwar beschädigt und der Name daher nicht lesbar, aber es ist sehr wahrscheinlich, daß hier Imhotep, der berühmte Ratgeber und Architekt des Pharaos Djoser gemeint ist. Djoser und Imhotep entsprechen in den ägyptischen Vorstellungen in etwa König Artus und dem Zauberer Merlin.

b) Die Geschichte des Weba-iner

Da erhob sich Prinz Chephren und sprach; und er sagte folgendes: „Ich will Eure Majestät die Wunder hören lassen, die sich während der Lebenszeit eures Ahnen Nebka, der gerechtfertig ist, ereigneten.“

„Nebka ging zu dem Tempel des Ptah, dem Herrn von Ankh-taui. Seine Berater und Diener begleiteten ihn. Es geschah, daß er dem Hauptvorlesepriester Weba-iner in seiner Villa, hinter der ein ansehnlicher Garten mit einem Sommerhaus und einem großen künstlichen See lag, einen Besuch abstatte.

Im Gefolge des Pharaos war ein hübscher junger Mann, und die Frau des Schreibers Weba-iner verliebte sich in ihn. Wenig später sandte sie ihm schöne Kleider als Geschenke und die Dienerin der Frau führte ihn zu ihr und sie trafen sich heimlich. Nachdem drei Tage vergangen waren, sagte der junge Mann zu der Frau von Weba-iner: „Laß uns in dem Sommerhaus von Weba-iner Zeit zusammen verbringen.“ Sie verbrachten einen Tag in dem Sommerhaus und feierten dort und am Abend badete der junge Mann in dem See.

Einige Zeit später sandte Weba-iners Frau dem Hauptdiener, der für den See zuständig war, eine Nachricht: „Laß das Sommerhaus am See für mich bereiten.“ Dann verbrachte sie dort eine Zeit gemeinsam mit dem jungen Mann und sie tranken zusammen. Als nun die Nacht kam, ging er in dem See baden und danach führte ihn die Dienerin wieder heimlich aus dem Garten heraus.

Nach dem Sonnenaufgang, als ein neuer Tag begonnen hatte, ging der Hauptdiener zu seinem Herrn und erzählte ihm, was geschehen war.

Der Schreiber Weba-iner befahl seinen Hauptdiener, ihm eine bestimmte Schachtel zu bringen, die mit Elfenbein eingelegt und mit Gold überzogen war. Als er sie erhalten hatte, formte er ein kleines Wachskrokodil, über dem er einen Zauberspruch murmelte: „... ein sieben Ellen langes Krokodil ... wenn der Mann baden geht ...“ Er legte das Wachskrokodil in die Hände des Hauptdieners und sprach zu ihm: „Wirf diese Statuette hinter dem jungen Mann in den See, wenn er, wie es seine tägliche Gewohnheit ist, das nächste Mal baden geht.“ Und der Hauptdiener ging davon und nahm das Wachskrokodil mit sich.

An einem der nächsten Tage, als der Schreiber bei dem Pharao war, sprach die Frau von Webainer zu dem Hauptdiener, der für den See zuständig war: „Laß mir das Sommerhaus am See für mich bereiten, denn ich werde dorthin gehen, um eine Weile dort zu bleiben.“ Als das Sommerhaus mit allen guten Dingen versehen worden war, ging sie zu ihm und verbrachte dort einen schönen Tag mit dem Mann. Nachdem die Nacht hereingebrochen war, ging der Mann in dem See baden, so wie es sein tägliche Gewohnheit war. Der Hauptdiener warf das Wachskrokodil hinter dem Mann her in den See und es wurde ein sieben Ellen langes Krokodil. Es schnappte den jungen Mann und nahm ihn mit sich.

Weba-iner war sieben Tage lang bei seiner Majestät dem König von Ober- und Unterägypten, Nebka, der gerechtfertigt ist, gewesen, während der junge Mann bei dem Krokodil war. Nun, nach sieben Tagen, als der König von Ober- und Unterägypten, Nebka, der gerechtfertigt ist, aufbrechen wollte, stellte sich der Hauptvorlesepriester Weba-iner vor ihn. Dann sprach Weba-iner: „Ich will Dir etwas erzählen. Möge eure Majestät kommen und die Wunder sehen, die sich während eurer Regierungszeit ereignet haben.“ Und der Pharao ging mit Weba-iner zu dessen Haus und in den Garten an den Teich.

Dann rief Weba-iner das Krokodil und sprach: „Bringe mir den Mann!“ Und das Krokodil kam. Der Hauptvorlesepriester Weba-iner befahl dem Krokodil: „Hole denn Mann!“ Und das Krokodil holte den Mann, der noch lebte und Weba-iner stellte ihn vor den König von Ober- und Unterägypten, Nebka, der gerechtfertigt ist. Da sprach der König von Ober- und Unterägypten, Nebka, der gerechtfertigt ist: „Das Krokodil ist möglicherweise gefährlich!“ Aber Weba-iner beugte sich nieder, ergriff es und hielt es in seiner Hand als ein Wachskrokodil. Als der Hauptvorlesepriester Weba-iner seiner Majestät, dem König von Ober- und Unterägypten, Nebka, der gerechtfertigt ist, die Geschichte darüber erzählte, was dieser Mann mit der Frau des Weba-iner getan hatte, sprach seine Majestät zu dem Krokodil: „Nimm ihn mit Dir!“ Das Krokodil verschwand mit dem Mann in dem See und niemand weiß, wohin es ging.

Dann befahl seine Majestät, der König von Ober- und Unterägypten, Nebka, der gerechtfertigt ist, daß Weba-iners Frau ergriffen und zu einem Stück Land im Norden der Residenz gebracht und dort verbrannt werde. Ihre Asche wurde in den Nil gestreut.

Siehe, dies sind die Wunder, die während der Lebenszeit eures Ahnen, dem König von Ober-und Unterägypten, Nebka, der gerechtfertigt ist, von dem Hauptvorleseprietser Weba-iner vollbracht wurden.“

Die Majestät des Königs von Ober- und Unterägypten, Cheops, die gerechtfertigt ist, sprach: „Man gebe tausend Opfergaben, hundert Krüge Bier, einen Ochsen und zwei Kegel Räucherwerk dem König von Ober- und Unterägypten, Djoser, der gerechtfertigt ist. Und man gebe einen Laib Brot, einen Krug Bier, eine Portion Fleisch und einen Kegel Räucherwerk dem Hauptvorlesepriester Weba-iner, denn ich habe seine Taten der Weisheit gesehen.“

Und man tat wie es seine Majestät befohlen hatte.

Anmerkungen:

1. Das Verbrennen als Strafe tritt sonst in keinem einzigen ägyptischen Text auf und ist auch eine extrem drastische Strafe für jeden Ägypter und jede Ägypterin, da sie alle hofften, aufgrund einer vorschriftsmäßigen Mumifizierung ins Jenseits zu gelangen. Zudem ist Ehebruch in Ägypten kein strafrechtlicher, sondern nur ein zivilrechtlicher Tatbestand gewesen, der üblicherweise zwischen den betroffenden Eheleuten geregelt wurde und bei dem nur die Eigentumsverteilung von einem Richter geregelt wurde, wenn die Eheleute zu keiner Einigung kamen. Daher ist anzunehmen, daß diese Szene keinen ägyptischen Ur-sprung hat und eine Einfügung von Vorstellungen der Hyksos aus Kleinasien ist, die während der Niederschrift dieses Papyrus in Ägypten herrschten und bei denen die Frauen deutlich weniger Rechte hatten und das Verbrennen eine übliche Strafe war, wenn man einen Menschen mitsamt seiner Seele vernichten wollte. Die Geschichte selber war zu dieser Zeit schon fast 1.000 Jahre alt und ist immer wieder kopiert und dabei auch verändert worden – zum Schluß wurde sie offenbar dem Rechtsverständnis der Hyksos angepaßt.

2. Der Titelzusatz des Königs „der gerechtfertigt ist“ bedeutet, daß er verstorben ist, das Jenseitsgericht bestanden hat und mit Osiris identisch geworden ist.

3. In dieser Geschichte erzählen die Söhne und Enkel des Pharaos Cheops, die später selber alle ebenfalls Pharaonen geworden sind, ihrem Vater bzw. Großvater Geschichten.

Diese zweite Geschichte wird von Chephren erzählt, die nächste von Bafre, die letzte von Hor-djed-ef. Es würde zu dem Aufbau der Gesamtgeschichte passen, wenn die erste von Djedefre erzählt worden wäre. Djedefre folgte als erster Cheops auf dem Thron, dann Chephren, dann Bafre, dann Mykerinos und schließlich Schepseskaf.

Da diese Geschichten überzeugend sein sollten und deshalb Cheops der Zuhörer und zwei auf ihn folgende Pharaonen die Erzähler waren, ist anzunehmen, daß auch der unbekannte Erzähler der ersten Geschichte ein Sohn oder Enkel des Cheops war und daß auch Hordjedef einer der folgenden Pharaonen ist, wobei für ihn nur noch Mykerinos in Frage käme, von dem der Name Hor-djed-ef allerdings nicht bekannt ist – immerhin sind sich die Bedeutungen der beiden Namen Mykerinos (Men-kau-Re: „Dauerhaft sind die Kas des Re“) und Hor-djed-ef („Beständigkeit des Horus“) ähnlich.

Wenn diese Annahmen zutreffen, würden die Söhne und Enkel des Cheops ihre Geschichten in der Reihenfolge erzählt haben, in der sie Cheops auf den Thron folgten. Anhand der Regierungszeiten kann man vermuten, daß die (sicherlich fiktive) Geschichte am Ende der Regierungszeit des Cheops spielt, als dieser ca. 70 Jahre alt war – Djedefre und Chephren müßten zu dieser Zeit ca. 50 Jahre alt gewesen sein und Bafre und Mykerinos ca. 20 Jahre alt.

Es scheint so, als ob in dieser Geschichte nicht nur alle drei Erbauer der drei großen Pyramiden von Gizeh auftreten würden, sondern daß hier alle Nachkommen von Cheops versammelt waren, die noch nach ihm Pharao geworden sind:

Folge der Pharaonen in der 4. DynastieNameVerwandtschaftsartErzähler von:AlterSnofruSohn des Huni totCheopsSohn des Snofru(Zuhörer)ca. 70DjedefreSohn von Cheops1. Geschichteca. 50ChephrenSohn von Cheops2. Geschichteca. 50Bafre (Bakare)Sohn des Djedefre, Enkel von Cheops3. Geschichteca. 20MykerinosSohn des Chephren, Enkel von Cheops4. Geschichteca. 20Schepseskafevtl. Sohn von Mykerinos (unsicher) ungeboren

5. In dem elfenbeinernen Kistchen, das mit Gold überzogen war, befand sich offenbar das Wachs, mit dem der Hauptvorlesepriester das magische Krokodil formte. Möglicherweise ist diese Information bei einer Abschrift des Textes übersehen worden und so verloren gegangen.

Ebenso müßte in dem Text oben statt „Bringe mir den Mann!“ eigentlich „Komme herbei!“ stehen – vermutlich ist auch dies ein Fehler, der sich bei einer Abschrift dieser Geschichte durch einen unkonzentrierten ägyptischen Schreiber irgendwann zwischen dem Verfassen dieser Geschichte um 2.600 v.Chr. und der uns erhalten Kopie aus der Zeit von ca. 1.500 v.Chr. eingeschlichen hat.

Solche Fehler treten in den Papyri durchaus des öfteren auf. So finden sich sogar in einem mathematisch-geometrischen Lehrbuch Rechenfehler – was das Verstehen und Übersetzen solcher Texte manchmal recht schwierig werden läßt ...

6. Die Opfergaben, die der Pharao Cheops spendet, werden zu den Gräbern bzw. Totentempeln vor den Pyramiden der Betreffenden gebracht und dort dann vor die Statue des Toten gelegt, damit er die Lebenskraft der Opfergaben aufnehmen kann.

7. Der Name Weba-iner bedeutet vermutlich „Weißer Stein des Tempelvorhofes“.

c) Die Geschichte von Djadja-em-ankh

Dann erhob sich Prinz Bafre, um zu sprechen und er sagte: „Ich will eure Majestät die Wunder hören lassen, die sich während der Lebenszeit eures Ahnen Snofru, der gerechtfertigt ist, ereignet haben und die von dem Hauptvorlesepriester Djadja-em-ankh vollbracht worden sind.“

„Eines Tages ging der König von Ober- und Unterägypten, Snofru, der gerechtfertigt ist – möge er leben, gesund und stark sein – durch jeden Raum seines Palastes, und suchte nach einem kühlen, angenehmen Ort, aber er konnte keinen finden. Da sprach er: „Geht und holt mir meinen Hauptvorlesepriester und Schreiber der Papyrusrollen Djadja-em-ankh“.

Er wurde zu ihm gebracht und seine Majestät – möge sie leben, gesund und stark sein – sprach zu ihm: „Ich bin durch jeden Raum meines Palastes gegangen und habe nach nach einem kühlen, angenehmen Ort gesucht, aber ich habe keinen gefunden.“ Da sprach Djadja-em-ankh zu ihm: „Möge eure Majestät – möge sie leben, gesund und stark sein – zu dem See eures Großen Hauses gehen, und mögt ihr eine Barke mit jedem schönen Mädchen besetzen, das in eurem Palast ist. Das Herz Eurer Majestät wird sich erfrischen, wenn es sie den See hinauf- und hinabrudern sieht. Während Eure Majestät die schönen Schilfdickichte an eurem See sieht und Eure Majestät die schöne Ufer betrachtet, wird sich euer Herz bei diesem Anblick erfrischen!“

Dann sprach der König: „So soll es sein. Ich werde rudern gehen. Laßt mir zwanzig kräftige Ruder aus Ebenholz bringen, die mit Gold eingelegt sind und deren Griffe aus Holz sind und die ebenfalls mit guten Dingen eingelegt sind. Bringt zwanzig Frauen mit schönen Leibern zu mir, mit fülligen Brüsten und geflochtenem Haar, die noch nicht durch die Geburt eines Kindes geöffnet worden sind. Und laßt mir zwanzig Netze bringen und laßt die Frauen sich in diese Netze kleiden, nachdem sie ihre Kleider abgelegt haben.“ Und man tat, wie es seine Majestät angeordnet hatte.

Sie ruderten auf dem See hin und her und das Herz seiner Majestät erfreute sich an dem Anblick der rudernden jungen Frauen. Nun geschah es, daß sich das Haar einer von ihnen, die den Rudertakt angab, an dem Ruder verfing und ihr deshalb ein Anhänger, den sie in ihrem Haar trug und der aus Türkies gefertigt war und die Gestalt eines Fisches hatte, ins Wasser fiel. Sie hielt an und und ruderte nicht mehr weiter. Alle zwanzig Ruderinnen hörten auf zu rudern. Seine Majestät frug: „Warum habt ihr aufgehört zu rudern?“

Und sie sagten: „Unsere Anführerin hat aufgehört zu rudern.“ So sprach seine Majestät zu ihr: „Warum hast Du aufgehört zu rudern?“ Und sie sprach: „Mein Türkies-Anhänger, der die Form eines Fisches hat, ist mir ins Wasser gefallen.“ Da sprach er: „Rudere weiter, ich gebe Dir einen Ersatz für deinen Türkies-Anhänger in der Form eines Fisches.“ Aber sie sprach: „Ich ziehe meinen eigenen Anhänger einem Ersatz vor.“ Da sprach seine Majestät: „Holt mir den Hauptvorlesepriester Djadja-em-ankh!“ Und man holte ihn sofort.

Seinen Majestät sprach: „Djadja-em-ankh, mein Bruder, ich habe getan wie Du mir geraten hast und das Herz meiner Majestät erfrischte sich als ich sie rudern sah. Aber der Türkies-Anhänger in der Gestalt eines Fisches einer der Ruderinnen ist ins Wasser gefallen und nun hat sie aufgehört zu rudern, weshalb nun die ganzen Ruderinnen aufgehört haben zu rudern. Als ich zu ihr sagte „Warum hörst Du auf zu rudern?“ sagte sie „Mein Türkies-Anhänger in der Gestalt eines Fisches ist ins Wasser gefallen.“ Und als ich sagte „Rudere weiter, ich werde ihn Dir ersetzen.“, sagte sie „Ich ziehe meinen eigenen einem Ersatz vor.“ “

Da sagte der Hauptvorlesepriester Djadja-em-ankh einen Zauberspruch und legte eine halbe Seite des Wassers des Sees auf die andere und fand den Anhänger, der auf einer Tonscherbe lag. Er nahm ihn und gab ihn seiner Besitzerin wieder. Als er nun das Wasser, daß 12 Ellen tief war, zusammengefaltet hatte, war es 24 Ellen tief. Nun sprach er wieder einen Zauberspruch und brachte dadurch das Wasser wieder an seinen Platz zurück. Seine Majestät verbrachte einen erfreulichen Tag mit dem ganzen Palast und er sandte Diener aus, um den Hauptvorlesepriester Djadja-em-ankh mit allen guten Dingen zu belohnen.“

So erzählte Prinz Bahfre und er sagte: „Siehe, dies sind die Wunder, die während der Lebenszeit Deines Vaters, des Königs von Ober- und Unterägypten, Snofru, der gerechtfertigt ist, ereigneten und die von dem Hauptvorlesepriester und Schreiber der Papyrusrollen Djadja-em-ankh vollbracht wurden.“

Seine Majestät, der König von Ober- und Unterägypten, Cheops, der gerechtfertigt ist, sprach: „Man gebe tausend Opfergaben, hundert Krüge Bier, einen Ochsen und zwei Kegel Räucherwerk dem König von Ober- und Unterägypten, Snofru, der gerechtfertigt ist. Und man gebe einen Laib Brot, einen Krug Bier, eine Portion Fleisch und einen Kegel Räucherwerk dem Hauptvorlesepriester Djadja-em-ankh, denn ich habe seine Taten der Weisheit gesehen.“

Und man tat wie es seine Majestät befohlen hatte.

Anmerkungen:

1. Das Große Haus ist der Palast. Auf ägyptisch hieß „Großes Haus“ „per-aa“, was die Griechen dann „Pharao“ aussprachen. Mit diesem Wort bezeichnete man den König, wenn man seinen Namen aus Ehrfurcht nicht aussprechen wollte – so ähnlich wie man heute bisweilen die russische und amerikanische Regierung „Kreml“ bzw. „Weißes Haus“ nennt.

2. Die üppige „Harems-Szene“ mit den 20 jungen Frauen steht in der ägyptischen Literatur alleine da, auch wenn es durchaus üblich war, daß Frauen auch nackt tanzten oder musizierten. Daher könnte man auch hier vermuten, daß die Ausschmückung dieser Szene wahrscheinlich den Wünschen der Hyksos-Könige entspringt, die während der Niederschrift dieses Papyrus über Ägypten herrschten.

Die Tatsache, das der Verlust des Türkies-Anhänger so ernst genommen wurde, ist zwar auch für den Verlauf der Geschichte unbedingt notwendig, aber er paßt gut zu dem sonstigen gleichberechtigten Verhältnis zwischen Männern und Frauen in Ägypten.

3. Offenbar hat Moses auch den Zauberspruch, den Djadja-em-ankh benutzte, von den Ägyptern gelernt und ihn beim Durchqueren des Roten Meeres verwendet. Seine mythologische Bedeutung ist, da er einen „Weg durch das Wasser“ darstellt, wie die Taufe und das Ausgesetztwerden des Mose in einem Weidenkorb, die Jenseitsreise, durch die der Betreffende bzw. durch die bei der Durchquerung des Roten Meeres das ganze jüdische Volk den Kontakt zu den Ahnen und zu Göttern bzw. zu Gott erhielt. Durch die Wasser-Jenseitsreise-Symbolik wurde man zum Schamanen, zum König oder zum „von Gott erwählten Volk“. Der Zauberspruch stammt also aus der schamanischen Tradition.

4. In diesen drei ersten Geschichten hat offenbar der Hauptvorlesepriester die früheren Aufgaben und Fähigkeiten des Sem-Priesters übernommen, der ja auch im Bestattungsritual zwar weiterhin durch seine Jenseitsreise die wesentlichste Aufgabe übernimmt, aber ansonsten deutlich dem Vorlesepriester untergeordnet ist.

5. Der Name Djadja-em-ankh bedeutet „Kopf des Lebens“.

d) Djedi der Magier

Da erhob sich der Prinz Hor-djed-ef um zu sprechen und er sagte: „Wir haben nun von Dingen gehört, die sich früher ereignet haben, wir haben von der Weisheit derer gehört, die lange verstorben sind, und man weiß nicht, wie man Wahrheit und Phantasie unterscheiden soll. Aber es lebt jemand unter der Herrschaft eurer Majestät, während eurer eigenen Regierungszeit, den eure Majestät nicht kennt und der selber Wunder vollbringen kann.“ Seine Majestät sprach: „Wer ist es, mein Sohn?“

Und der Prinz Hor-Djed-ef sprach: „Es ist ein Mann mit dem Namen Djedi, der in Djed-Snofru lebt. Er ist 110 Jahre alt, aber er ißt jeden Tag 500 Leibe Brot und er trinkt jeden Tag 100 Krüge Bier. Er kann einen abgeschlagenen Kopf wieder ansetzen, er kann einen Löwen hinter sich her laufen lassen und dabei die Leine des Löwen am Boden schleifen lassen und er kennt die Zahl der geheimen Räume in dem Heiligtum des Thot.“

Seine Majestät der König von Ober- und Unterägypten, Cheops, der gerechtfertig ist, hatte viele Tage damit verbracht, diese geheimen Kammern des Thot zu suchen, um sich ein Grabmal in derselben Weise wie diese Kammern zu errichten, und so sprach er: „Du selber, mein Sohn Hor-djedef, sollst ihn mir holen.“

Das Schiff des Prinzen Hor-djed-ef wurde bereitet und er reiste nach Süden nach Djed-Snofru. Nachdem die Schiffe an Land angelegt hatten, reiste er zu Land in seiner Sänfte weiter, die aus Elfenbein gemacht war und deren Tragestangen aus kostbarem Holz waren und deren Füße aus Gold waren.

Als sie das Haus von Djedi erreichten, wurde die Sänfte abgesetzt und Hor-djed-ef erkundigte sich nach Djedi. Er fand ihn auf seiner Türschwelle sitzend und sich ausruhend, während ein Diener neben ihm ihn salbte und ein anderer ihm die Füße massierte. Prinz Hor-djed-ef sprach: „Deine Gesundheit ist wie die eines Menschen, der schon weit über über das hohe Alter hinaus ist, denn das hohe Alter ist ist der Ort des Todes, der Ort des in-einen-Sarg-gelegt-werdens“ und der Ort der Bestattung; Deine Gesundheit ist wie die eines Menschen, der bis zum Morgengrauen schläft, der frei von Krankheit ist, ohne das Hacken des Hustens. So sei gegrüßt, Verehrenswürdiger. Ich bin gekommen, um Dich mit einer Botschaft meines Vaters, Cheops, der gerechtfertigt ist, zu ihm zu rufen. Du sollst die Delikatessen essen, die der König verteilt; Du sollst die Speisen derer essen, die in seinem Gefolge sind; und er wird Dich, wenn die Zeit gekommen ist, zu Deinen Ahnen senden, die in der Totenstadt sind.“

Und Djedi antwortete dies: „In Frieden, in Frieden Hor-djed-ef, Sohn des Königs, geliebt von seinem Vater. Möge Dein Vater Cheops, der gerechtfertigt ist, Dich preisen. Möge er Deinen Rang erhöhen und Dich unter die Ältesten befördern. Möge Dein Ka über Deine Feinde siegen. Möge Dein Ba die Wege kennen, die zu dem Tor führen, durch das man nicht hindurchblicken kann. So sei gegrüßt, Prinz.“

Prinz Hor-djed-ef streckte Djedi seinen Arm entgegen, um ihm aufzuhelfen. Der Prinz ging mit Djedi zum Ufer des Nils und reichte ihm dabei seinen Arm, damit sich Djedi auf ihn stützen konnte. Djedi sprach: „Gib mir eine dieser Reisebarken, damit ich meine Kinder und meine Schriften mit mir nehmen kann.“ Und es wurden ihm zwei Barken mitsamt ihren Mannschaften zur Verfügung gestellt. Dann reiste Djedi in der Barke, in der auch Prinz Hor-djed-ef war, nach Norden.

Schließlich erreichten sie die Residenz und Prinz Hor-djed-ef ging hinein, um seiner Majestät, dem König von Ober- und Unterägypten, Cheops, der gerechtfertigt ist, Bericht zu erstatten. Prinz Hor-djed-ef sprach: „Herrscher, mein Gebieter, ich habe Djedi gebracht.“ Und seine Majestät sprach: „Geh und bring ihn zu mir.“ Seine Majestät ging in die Säulenhalle, die der Vorhof des Palastes war, und Djedi wurde zu ihm gebracht. Seine Majestät sprach: „Wie kommt es, Djedi, daß man Dich mir nie bekannt gemacht hat?“ Und Djedi antwortet: Es kommt der, der gerufen wird, mein Gebieter. Ich bin gerufen worden und siehe, ich bin gekommen.“

Dann sprach seine Majestät: „Ist es wahr, was man sagt? Daß Du einen abgeschlagenen Kopf wieder anfügen kannst?“ Und Djedi sprach: „Ja, mein Gebieter, mein Herr, ich kann es.“ Da sagte seine Majestät: „Bringt einen Gefangenen zu mir aus dem Gefängnis, damit er hingerichtet wird.“ Aber Djedi sprach: „Nein, ich bitte Dich, mein Gebieter, mein Herr! Siehe, es ist nicht gut zu befehlen, daß dies mit einem Menschen getan wird!“

So brachte man eine Gans zu ihm. Ihr Kopf wurde abgeschlagen und die Gans wurde auf die Ostseite der Säulenhalle gelegt, während der Kopf auf die Westseite gelegt wurde. Dann sprach Djedi seinen Zauberspruch und die Gans stand auf und watschelte los und der Kopf tat dasselbe. Schließlich erreichten sie sich in der Mitte der Halle und die Gans stand auf und quakte.

Dann brachte man weinen langbeinigen Vogel zu Djedi und er tat dasselbe mit ihm. Dann ließ seine Majestät einen Stier zu ihm bringen. Seine Kopf wurde abgeschlagen und fiel zu Boden. Djedi sprach seinen Zauberspruch und der Stier erhob sich und sein Kopf, der zu Boden gefallen war, setzte sich wieder auf auf seinen Hals.

Dann sprach der König Cheops, der gerechtfertigt ist, „Ist es auch wahr, daß Du die Anzahl der geheimen Kammern in dem Heiligtum des Thot kennst?“ Djedi sprach: „Ich bitte Dich, mein Gebieter, mein Herr, ich kenne nicht ihre Anzahl, aber ich kenne den Ort, wo sie sind.“ Seine Majestät sprach: „Wo sind sie dann?“ Darauf antwortete Djedi dies: „Es gibt ein Kästchen aus Flintstein in dem Raum, den man „Untersuchung“ nennt, in Heliopolis. Siehe, sie sind in diesem Kästchen.“

Dann sprach Djedi: „Mein Gebieter, mein Herr. Siehe, ich bin es nicht, der Dir dieses Kästchen bringen wird.“ Und seine Majestät sprach: „Wer wird ihn mir denn dann bringen?“ Djedi sprach: „Es ist der älteste Sohn unter den Kindern, die noch alle in dem Bauch von Red-djed-ed sind, der es zu Dir bringen wird.“ Seine Majestät sprach: „Ich will das Kästchen haben – würdest Du daher bitte sagen, wer diese Red-djed-ed ist?“ Und Djedi sprach: „Sie ist die Frau eines Reinen Priesters des Re, des Herrn des Ortes der Seelensterne. Sie ist schwanger mit den Kindern des Re, des Herrn des Ortes der Seelensterne, und er sagte über sie, daß sie das allervornehmste Amt im ganzen Land einnehmen werden und daß der Älteste von Ihnen der Große Seher von Heliopolis werden wird.“

Da versank das Herz seiner Majestät wegen dieser Nachrichten in Traurigkeit und so sprach Djedi: „Was ist geschehen mit Deinem Herz, mein Gebieter, mein Herr? Ist es wegen diesen Kindern? Ich sage, erst Dein Sohn, dann dessen Sohn und dann einer von diesen.“ Seine Majestät sprach: „Wann wird Re-djed-et gebären?“ Und Djedi sprach: „“Sie wird im ersten Monat der Peret-Jahreszeit am 15. Tag gebären.“ Seine Majestät sprach: „Gerade dann, wenn die Sandbänke des Zwei-Fische-Kanals trockenliegen. Ich würde gerne selber zu ihr gehen, denn ich habe vor, den Tempel des Re, des Herrn des Ortes der Seelensterne, zu besuchen.“

Djedi sprach: „Dann werde ich vier Ellen Wasser auf den Sandbänken des Zwei-Fische-Kanals erschaffen.“ Seine Majestät ging in den Palast zurück und seine Majestät sprach: „Laßt Djedi zu dem Haus des Prinzen Hor-djed-ef bringen, sodaß er dort zusammen mit ihm wohnen kann. Laßt ihn mit tausend Broten, hundert Krügen Bier, einem Stier und hundert Bündeln Gemüse versorgen.“ Und man tat, wie es eine Majestät befohlen hatte.

Eines Tages bekam Re-djed-et Wehen und es war sehr mühsam für sie. Seine Majestät Re, der Herr des Ortes der Seelensterne, sprach zu Isis, Nephthys, Meschenet, Heket und Chnum: „ Ich wünsche, daß ihr zu Re-djed-et geht und ihr helft, ihre Kinder zu bekommen, die sie in ihrem Bauch trägt und die die vornehmsten Ämter in dem ganzen Land einnehmen werden, denn sie werden für euch Tempel errichten, sie werden eure Altäre mit Opfergaben füllen und sie werden eure Opfertafeln im ganzen Land gedeihen lassen und eure Opfergaben vermehren.“

Da machten sich diese Gottheiten auf den Weg und nahmen die Gestalt von Musikanten an, während Chnum die Gestalt des Gepäckträgers dieser Gottheiten annahm. Als sie an dem Haus des User-re ankamen, fanden sie ihn dort mit seinem Schurz umgekrempelt. Sie hielten ihm ihr Menat und ihr Sistrum hin und er sagte zu ihnen: „Seht, meine Frau, sie leidet gerade in schweren Geburtswehen.“ Sie sprachen: „Führe uns zu ihr, denn siehe, wir kennen uns mit den Geburten von Kindern gut aus.“ Und so sprach er zu ihnen: „Dann kommt.“

Sie traten bei Re-djed-et ein und verschlossen den Raum hinter ihr und ihnen selber. Isis stellte sich vor sie, Nephthys hinter sie und Heket half bei der Geburt. Da sprach Isis: „Bewege Dich nicht so mächtig in ihrem Bauch, denn Dein Name ist der „Der Mächtige“.“ Das Kind kam heraus in ihre Arme, ein Kind mit einer Elle Länge, mit starken Knochen, seine Glieder mit Gold bedeckt und seine Kopfbedeckung aus echtem Lapis-lazuli. Sie wuschen ihn, durchtrennten seine Nabelschnur und legten ihn auf ein Tuch auf einigen Ziegeln. Dann näherte sich Meschenet dem Kind und sprach zu ihm: „Ein König, der die Herrschaft über das ganze Land ergreifen wird.“ Und Chnum erfüllte den Körper des Kindes mit Gesundheit.

Isis stellte sich vor sie, Nephthys hinter sie und Hekat half bei der Geburt. Isis sprach: „Tritt nicht ihren Bauch, denn Dein Name ist „Der für Re tritt“.“ Das Kind kam heraus in ihre Arme, ein Kind mit einer Elle Länge, mit starken Knochen, seine Glieder mit Gold bedeckt und seine Kopfbedeckung aus echtem Lapis-lazuli. Sie wuschen ihn, durchtrennten seine Nabelschnur und legten ihn auf ein Tuch auf einigen Ziegeln. Dann näherte sich Meschenet dem Kind und sprach zu ihm: „Ein König, der die Herrschaft über das ganze Land ergreifen wird.“ Und Chnum erfüllte den Körper des Kindes mit Gesundheit.

Isis stellte sich vor sie, Nephthys hinter sie und Heket half bei der Geburt. Isis sprach: „Sei nicht so dunkel in ihrem Bauch, denn Dein Name ist „Der Dunkle“.“ Das Kind kam heraus in ihre Arme, ein Kind mit einer Elle Länge, mit starken Knochen, seine Glieder mit Gold bedeckt und seine Kopfbedeckung aus echtem Lapis-lazuli. Sie wuschen ihn, durchtrennten seine Nabelschnur und legten ihn auf ein Tuch auf einigen Ziegeln. Dann näherte sich Meschenet dem Kind und sprach zu ihm: „Ein König, der die Herrschaft über das ganze Land ergreifen wird.“ Und Chnum erfüllte den Körper des Kindes mit Gesundheit.

Nun, nachdem sie Re-djed-et bei der Geburt ihrer Kinder geholfen hatten, kamen die Götter heraus und sprachen: „Möge Dein Herz sich freuen User-re, denn Dir wurden drei Kinder geboren.“ Und er sprach zu ihnen: „Meine Herrinnen, was kann ich für euch tun? Bitte gebt diesen Sack Gerste eurem Träger und nehmt ihn anstelle von Bier.“ Chnum lud den Sack Gerste auf seine Schulter und dann machten sich die Götter auf den Weg dahin zurück, woher sie gekommen waren.

Da sprach Isis zu den anderen dieser Götter: „Warum sind wir hierhergekommen, wenn nicht um ein paar Wunder für diese Kinder zu tun und um ihrem Vater zu berichten, wer uns gesandt hat?“ Daher machten sie drei Kronen passend für Pharaonen und legten sie in den Sack mit Gerste. Dann ließen sie den Himmel sich mit Sturm und Regen bedecken, sodaß sie zu dem Haus des User-re zurückkehren konnten. Dort sprachen sie: „Bitte erlaubt uns diesen Sack Gerste hier in einem versiegelten Raum aufzubewahren bis wir von unseren Tänzen im Norden zurückkehren.“ Und so legten sie den Sack Gerste in einen versiegelten Raum.

Während Re-djed-et sich in der vierzehntägigen Reinigung reinigte, sprach sie zu ihrer Dienerin: „Ist das Haus gut bereitet?“ Und die Dienerin sprach: „Es ist mit allen guten Dingen versehen außer mit Krügen mit Bier, die noch nicht gebracht worden sind.“ Re-djed-et sprach: „Und warum sind die Krüge mit Bier noch nicht gebracht worden?“ Die Dienerin sprach: „Das ist hier nicht möglich, denn es gibt nur diesen einen Sack Gerste, der den Musikanten gehört und der in dem Raum ist, der mit ihrem Siegel verschlossen ist.“ Da sprach Re-djed-et: „Geh hinunter und bring etwas von der Gerste. User-re wird ihnen später Ersatz geben.“

Die Dienerin ging hinab, aber als sie den Raum öffnete, hörte sie den Klang von Singen, von Musik, von Rufen und von allem, was für einen König getan wird, in dem Raum. Sie ging und erzählte alles Re-djed-et. Da ging sie in den Raum und ging in dem Raum hin und her, aber sie konnte nicht herausfinden, woher die Musik und das Singen kamen. Dann legte sie die Stirn ihres Kopfes an den Sack und erkannte, daß die Musik und das Singen aus dem Sack kamen. Sie legte den Sack in eine Kiste, legte diese dann in eine weitere Kiste, verschnürte sie mit Lederriemen, legte sie in einen Raum, in dem sie ihren Besitz aufbewahrte und versiegelte ihn. Als User-re von seinen Feldern heimkam, erzählte ihm Re-djed-et, was geschehen war und sein Herz war glücklicher als je zuvor. Sie saßen einen ganzen Tag lang zusammen und feierten.

Einige Tage nachdem dies geschehen war, hatte Re-djed-et einen Streit mit ihrer Dienerin und sie ließ sie mit Schlägen bestrafen. Da sprach die Dienerin zu den Menschen in dem Haus: „Warum tut sie mir das an, wo sie doch drei Könige geboren hat? Ich werde zu seiner Majestät, dem König von Ober- und Unterägypten, Cheops, der gerechtfertigt ist, gehen und es ihm erzählen.“ Sie ging und traf den älteren Bruder ihrer Mutter auf der Tenne, wo er Flachsbündel zusammenschnürte. Er sprach zu ihr: „Wohin, kleines Mädchen?“ Sie erzählte ihm die Geschichte und ihr Mutterbruder sprach zu ihr: „Ist es wirklich dies, was geschehen ist? Du kommst damit zu mir und hoffst, daß ich mit diesem Verrat einverstanden bin?“ Er ergriff ein Bündel Flachs und schlug sie heftig damit. Die Dienerin ging zum Nil, um etwas Wasser zu holen, als ein Krokodil sie ergriff und verschlang.

Da ging ihr Mutterbruder zu Re-djed-et, um ihr alles zu erzählen. Er fand Re-djed-et mit ihrem Kopf auf ihren Knien sitzen und voller Trauer wegen dem, was geschehen war. So sprach er zu ihr: „Meine Herrin, warum ist Euer Herz so?“ Und sie sprach: „Es ist wegen dieser Kleinen, die in unserem Haus aufgewachsen ist, denn siehe, sie ging fort und sagte: „Ich werde gehen und es erzählen.“.“ Da ließ er seinen Kopf hängen und sprach: „Meine Herrin, sie kam zu mir, um es mir zu erzählen. Ich schlug sie und sie ging zum Nil, um etwas Wasser zu holen, als ein Krokodil sie verschlang.“

(an dieser Stelle bricht der Papyrus leider ab)

Anmerkungen:

1. Der Name Djedi bedeutet „der, der ewig ist“ oder „ich bin ewig“ und bezeichnet daher einen der wichtigen Götter, vermutlich Ptah oder Osiris.

2. Der Name Hor-djed-ef bedeutet „Horus, seine Ewigkeit“, also etwas freier übersetzt „Horus der Ewige“oder „der unsterbliche Horus“.

3. Der Ortsname Djed-Snofru bedeutet „Ewigkeit des Snofru“ und bezeichnet daher vermutlich den Ort, an dem der Pharao Snofru bestattet ist, also Meidum, wo Snofru die erste der typisch ägyptischen Pyramiden errichten ließ, die also nicht wie die mesopotamischen Pyramiden aus mehreren stufenförmigen Ebenen bestanden, sondern deren Seiten glatt waren.

Daß Snofru insgesamt drei verschiedene, ca. 100m hohe Pyramiden errichten ließ, bis er die typische rein geometrische Form der ägyptischen Pyramiden gefunden hatte und mit ihr zufrieden war, paßt gut zu der Stelle in der Geschichte, an der Cheops (anstelle von Snofru) überlegt, in welcher Form er seine Grabstätte errichten soll.

4. Der Name Snofru bedeutet in etwa „der gute Mann“.

5. Das Wiederansetzen des Kopf ist unter anderem eine Anspielung auf den alten Bestattungsbrauch, bei dem man nur den abgetrennten Schädel aufbewahrt – eine Vorstellung, die den Ägyptern in der dynastischen Zeit ein Greuel war. Im Bestattungsritual gibt es viele Anspielung auf das Wiederansetzen des Kopfes, das dort dem Zurückholen der Seele durch den Sem-Priester gleichgesetzt wird. Die Erinnerung an diesen alten Brauch hat sich offenbar sehr lange lebendig erhalten können.

6. Die Analogie des Besuches der Götter bei der schwangeren Mutter zu den heiligen drei Königen, die Maria besuchen kommen, ist nicht zu übersehen. Diese biblische Szene wird wie viele andere Biblische Motive ihren Ursprung in den religiösen Vorstellungen der Ägypter haben.

7. Auch Hatschepsut wurde von den Göttern legitimiert: Sie wurde im Bauch ihrer Mutter durch den Gott Amun gezeugt – eines der Vorbilder für die Zeugung des Jesus durch den Heiligen Geist in Marias Bauch.

8. Die Einleitung durch den Prinzen, der ganz realistisch anmerkt, daß man bei diesen alten Geschichten nie weiß, was wahr und was erfunden ist, soll die nun folgende Geschichte nur noch glaubhafter machen, da sie in der Gegenwart, d.h. zu der Zeit des Pharaos Cheops stattgefunden haben soll. Die Einleitung soll also eventuelle Zweifel bei den Zuhörern ausräumen.

9. Der Satz „Möge Dein Ka über Deine Feinde siegen.“ zeigt, daß die Ägypter alle Bewegungen und alle Stärke in der Lebenskraft des Ka begründet sahen. Darin stimmen sie ganz mit den heutigen fernöstlichen Kampfsportarten überein, deren Effektivität ebenfalls auf der Beherrschung der Lebenskraft aufbaut.

10. „Das Tor, durch das man nicht sehen kann“ ist das Jenseitstor, das nur die Schamanen d.h. der Sem-Priester durchschreiten kann.

11. Der Name „Re-djed-et“ bedeutet „die Ewigkeit des Sonnengottes“, wobei an die dieser Bedeutung entsprechenden zwei Worte „Re-djet“ noch die Femininendung „-et“ angehängt ist, weile es sich um einen Frauennamen handelt.

12. Mit dem „Ort der Seelensterne“, der auf Ägyptisch „Sakh-bu“ lautet, ist der Ort Giszeh, an dem die drei großen Pyramiden stehen, gemeint.

13. Das Priesteramt des „Großen Sehers von Heliopolis (On)“ war offenbar ein Amt, das der Pharao selber als der Sohn des Sonnengottes innehatte. Der älteste Sohn und auch die übrigen Kinder der Re-djed-et werden hier als Kinder des Re proklamiert. Der Name „Großer Seher von Heliopolis“ bezeichnete den Hohenpriester des Sonnengottes.

14. Die Geschichte ist unter anderem auch eine Begründung für die Richtigkeit der neuen, durch User-ka-ef begründeten 5. Dynastie, die eben von den Göttern, d.h. von Re, genau so angeordnet worden ist. Diese Geschichte ist auch also ein politisches Dokument.

Zwischen Cheops (4. Dynastie) und der Niederschrift des uns erhaltenen Papyrus unter den Hyksoskönigen sind allerdings schon 1.000 Jahre vergangen. Vermutlich ist sie ursprünglich zur Zeit von User-ka-ef auf dessen Veranlassung hin verfaßt und verbreitet worden. Um glaubhaft zu sein, werden in dieser Geschichte alte, vertraute Motive benutzt worden sein, die somit in der 3. und 4. Dynastie und wohl auch schon vorher geläufig gewesen sein müssen und vermutlich noch älter sind: schamanische Motive, der Göttersegen auf dem Pharao u.ä.

Es gibt in dieser Geschichte also wenigstens drei Ebenen:

1. die alten mythologischen Motive (Kopf abtrennen, Reise durch die Wasserunterwelt, Götter zeugen bzw. segnen den Pharao u.a.),

2. die Verwendung dieser Motive unter User-ka-ef zur politischen Rechtfertigung der neuen 5. Dynastie (die Vorfahren und die Söhne des Cheops treten auf; die zukünftigen Pharaonen der 5. Dynastie werden geboren), und

3. die Ergänzung um kleinasiatische Motive unter der Herrschaft der Hyksos, als die alte Geschichte von dem Schreiber des uns erhaltenen Papyrus in der Hyksos- Zeit abgeschrieben wurde.

15. Nicht nur die Erzähler, sondern auch die Pharaonen, aus deren Zeit die erzählten Geschichten stammen, sind chronologisch geordnet. Die Erzähler gehen chronologisch auf den Dynastiewechsel zur 5. Dynastie zu und die erzählten Geschichten kommen aus der Vergangenheit vom Gründer der 3. Dynastie und somit des Alten Reiches chronologisch auf die Zeit des Pharaos Cheops zu.

Diese beiden Reihenfolgen geben der ganzen Erzählung eine gewisse Dramatik: Die Geschichten nähern sich der Gegenwart des Cheops und die Erzähler, die ja die zukünftigen Pharaonen der 4. Dynastie sind, nähern sich in der Reihenfolge, in der sie den Thron besteigen, dem Gründer der 5. Dynastie, also der Geburtsgeschichte der drei ersten Pharaonen der 5. Dynastie. Für einen heutigen Leser ist dieser dramatische Effekt zunächst verborgen, aber für die damaligen Ägypter war er offensichtlich, da die Pharaonen der 3. Dynastie, die das Alte Reich begründeten und die ersten Pyramiden erbauten, sowie die Pharaonen der 4. Dynastie, die die großen Pyramiden von Gizeh erbauten, gut bekannt waren.

Daneben ist auch noch zu bedenken, daß die Geschichte vermutlich aus der 5. Dynastie stammt, da sie eben deren „Gottgewolltheit“ und somit die religiös-politische Legitimität der5. Dynastie beschreibt – und zu dieser Zeit waren die Pharaonen der 3. und 4. Dynastie noch gut bekannt, da es sich bei ihnen ja um die „jüngere Vergangenheit“ handelte und die Geschichte sich somit mit aktuellen politischen Ereignisse beschäftigte. Da die Pharaonen der 3., 4. und 5. Dynastie auch bei den Ägyptern berühmt waren und es solche Geschichte bei vielen Pharaonen und Dynastiewechseln gab, hat sich diese Geschichte über 1.000 Jahre lang erhalten.

Möglicherweise war diese Geschichte auch die erste ihrer Art – womit User-ka-ef dann der Erfinder der politisch-religiösen Propaganda gewesen wäre.

In der Geschichte wird Hor-djed-ef von Cheops „mein Sohn“ genannt, was aber kann durchaus auch eine Ungenauigkeit in den Abschriften oder ein Ausdruck der Verbundenheit des Pharaos mit seinem Enkel sein kann – sofern die Annahme zutrifft, daß Hor-djedef mit Mykerinos, dem Enkel von Cheops, identisch ist.

3. DynastieDjoserDynastiegründer1. GeschichteNebka Iälterer Bruder von Djoser2. GeschichteChabaSchwiegersohn von Djoser HuniVerwandter des Djoser (?) 4. DynastieSnofruSohn des Huni3. GeschichteCheopsSohn des Snofru4. Geschichte; ZuhörerDjedefreSohn des CheopsErzähler der 1. GeschichteChephrenSohn des CheopsErzähler der 2. GeschichteBafreSohn des DjedefreErzähler der 3. GeschichteMykerinosSohn des ChephrenErzähler der 4. GeschichteSchepseskafSohn des Mykerinos (?) 5. DynastieUserkaefEnkel des Mykerinos SahureBruder des Userkaef NeferirkareBruder des Userkaef 

16. Der prophezeite neue Pharao, der die 5. Dynastie begründet und der in der Geschichte von Isis den Namen „der Mächtige“ erhält, ist User-ka-ef, was „Stark/mächtig ist sein Ka“ bedeutet. Diese Dynastie stammte von den Hohenpriestern des Re in Heliopolis ab – daher findet sich in der Geschichte auch Re als oberste Gottheit, die die anderen Gottheiten zu der zukünftigen Mutter der ersten drei Pharaonen der 5. Dynastie aussendet. User-ka-ef hat, wie sich aus der Geschichte ergibt, einen ähnlichen Namen wie sein Vater User-Re („Mächtig ist Re“) gewählt – was in Ägypten durchaus üblich war.

Es gab am Anfang der 5. Dynastie keine Pharaonen mit dem Namen „Der für Re tritt“ oder dem Namen „der Dunkle“, aber diese beiden Namen können sich nur auf den zweiten und den dritten Pharao dieser Dynastie, also auf Sahure und Neferirkare beziehen, da sie direkt auf User-ka-ef folgten und zudem dessen Brüder waren.