Hedda Gabler - Henrik Ibsen - E-Book

Hedda Gabler E-Book

Henrik Ibsen

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Beschreibung

Dieses eBook: "Hedda Gabler" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Hedda, die Tochter des Generals Gabler, und Ehemann Jørgen Tesman sind soeben von ihrer Hochzeitsreise nach Kristiania zurückgekehrt. Jørgen Tesman ist ein fleißiger, pedantischer Mann, der während der sechsmonatigen Reise hauptsächlich an einem kulturwissenschaftlichen Buch gearbeitet hat, von dem er hofft, dass dessen Veröffentlichung ihm einen Doktortitel und eine Professorenstelle an der Universität einbringen wird. Hedda liebt Jørgen nicht. Sie betrachtet ihn mit Gleichgültigkeit; er besitzt kein Gespür für Heddas Weiblichkeit. Sie hat ihn nur geheiratet, weil sie hoffte, dass ihr diese Ehe eine geachtete gesellschaftliche Stellung sichern werde. Hedda wird die Sinnlosigkeit ihrer Ehe deutlich, als sie erfährt, dass Ejlert Løvborg wieder in der Stadt ist.... Henrik Ibsen (1828-1906) war ein norwegischer Dramatiker und Lyriker, der gegen die Moral und "Lebenslüge" seiner Zeit zu Felde zog und im "Kampf der Geschlechter" im Gegensatz zu August Strindberg den Standpunkt der Frau vertrat. Seine bürgerlichen Dramen zeigten ethischen Ernst und großes psychologisches Einfühlungsvermögen.

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Henrik Ibsen

Hedda Gabler

Deutsche Ausgabe - Die Fatale Frau
Übersetzer: Marie von Borch
e-artnow, 2015 Kontakt: [email protected]
ISBN 978-80-268-5029-8

Inhaltsverzeichnis

Hedda Gabler
Biografie

Hedda Gabler

Inhaltsverzeichnis
Personen
Erster Akt
Zweiter Akt
Dritter Akt
Vierter Akt

Personen

Inhaltsverzeichnis

Jörgen Tesman, Staatsstipendiat der Kulturgeschichte Hedda, seine Frau Fräulein Juliane Tesman, seine Tante Frau Elvsted Assessor Brack Ejlert Lövborg Berte, Dienstmädchen bei Tesman

Erster Akt

Inhaltsverzeichnis

Ein geräumiges, fein und geschmackvoll eingerichtetes Gesellschaftszimmer, dekoriert in dunkeln Farben. An der Rückwand eine breite Türöffnung mit zurückgeschlagenen Portièren. Durch diese Öffnung gelangt man in ein kleineres Zimmer, das in demselben Stil gehalten ist wie das Gesellschaftszimmer. An der rechten Wand des Gesellschaftszimmers ist eine Flügeltür, durch die man ins Vorzimmer kommt. Gegenüber, zur Linken, eine Glastür, gleichfalls mit zurückgeschlagenem Vorhang. Durch die Scheiben erblickt man einen Teil der draußen liegenden, gedeckten Veranda und herbstlich gefärbte Laubbäume. Im Vordergrund steht ein ovaler Tisch mit Decke, der von Stühlen umgeben ist. Vor der rechten Wand ein breiter, dunkler Kachelofen, ein Lehnstuhl mit hohem Rücken, ein Fußschemel mit Kissen und zwei Taburetts. Hinten im Winkel rechts ein Ecksofa und ein kleiner runder Tisch. Vorn links, etwas von der Wand entfernt, ein Sofa. An der Glastür ein Pianoforte. Zu beiden Seiten der Türöffnung im Hintergrund stehen Etagèren mit Terrakotta- und Majolika-Gegenständen. – An der Rückwand des inneren Zimmers sieht man ein Sofa, einen Tisch und ein paar Stühle. Über diesem Sofa hängt das Porträt eines schönen älteren Mannes in Generalsuniform. Über dem Tisch eine Hängelampe mit Glocke von mattem Milchglas. – Ringsum im Gesellschaftszimmer eine Menge Blumensträuße in Vasen und Gläsern; andere liegen auf dem Tische. Beide Zimmer sind mit dicken Fußteppichen belegt. –

Morgenbeleuchtung. Die Sonne scheint durch die Glastür.

Juliane Tesman, mit Hut und Sonnenschirm, kommt durch das Vorzimmer; Berte, die ein mit Papier umwickeltes Bukett trägt, folgt ihr. Fräulein Tesman ist eine Dame von angenehmem und gutmütigem Aussehen; sie ist ungefähr 65 Jahre. Einfach, doch sorgfältig gekleidet; graues Straßenkostüm. Berte ist ein älteres Dienstmädchen von schlichtem, etwas ländlichem Äußern.

Fräulein Tesman bleibt innerhalb der Tür stehen, horcht und sagt mit gedämpfter Stimme: Aber nein –! Ich glaube wirklich, sie sind noch nicht auf den Beinen!

Berte gleichfalls mit gedämpfter Stimme. Das habe ich doch gesagt, Fräulein. Denken Sie doch bloß, wie spät in der Nacht das Dampfschiff angekommen ist! Und dann nachher! Herrjeh, – was die junge Frau nicht alles noch auszupacken hatte, bis sie zu Bett kam!

Fräulein Tesman. Ja, ja – mögen sie sich nur recht ausschlafen! Aber frische Morgenluft, die sollen sie im Zimmer haben, wenn sie kommen. Sie geht zur Glastür und macht sie weit auf.

Berte am Tisch, ratlos, mit dem Bukett in der Hand. Wahrhaftigen Gott ja, – ob hier wohl noch ein anständiger Platz ist! – Ich meine, ich setz' es dahin, Fräulein! Stellt das Bukett aufs Piano.

Fräulein Tesman. Na, jetzt hast Du also eine neue Herrschaft, meine liebe Berte. Der Himmel weiß, wie furchtbar schwer es mir geworden ist, mich von Dir zu trennen.

Berte weinerlich. Und mir erst, Fräulein! Was soll ich erst sagen? Ich habe doch nun schon so manches liebe Jahr in der Fräuleins Lohn und Brod gestanden.

Fräulein Tesman. Wir müssen uns drein schicken, Berte. Es bleibt uns weiß Gott nichts anderes übrig. Sieh mal, Jörgen muß Dich in der Wirtschaft haben. Er muß. Von Kindesbeinen an war er ja doch gewöhnt, daß Du für ihn sorgst.

Berte. Ja Fräulein, aber die kommt mir doch gar nicht aus dem Sinn, die zu Hause liegt. Die Arme, die so ganz hilflos ist! Und nun gar das neue Mädchen! In ihrem ganzen Leben lernt die nicht, es der Kranken recht zu machen.

Fräulein Tesman. Ach, ich werde sie schon noch dazu anlernen. Und die Hauptsache nehme ich selbst auf mich, verstehst Du. Wegen meiner armen Schwester, da brauchst Du Dir keine Sorge zu machen, meine liebe Berte.

Berte. Ja, aber es ist auch noch etwas andres, Fräulein. Ich bin nämlich ordentlich bange, ich mache es der jungen Frau nicht recht.

Fräulein Tesman. Na, lieber Gott, – im Anfang kann vielleicht wohl dies oder das –

Berte. Ach, die ist gewiß sehr heiklich.

Fräulein Tesman. Das kannst Du Dir doch denken. Die Tochter des Generals Gabler. Freilich, wie die es gewohnt war, solange der General noch lebte! Weißt Du noch, wenn sie mit ihrem Vater ausgeritten ist? In dem langen schwarzen Tuchrock? Und mit Federn auf dem Hut?

Berte. I ja – das sollt' ich meinen! – Nein, wahrhaftigen Gott, wer hätte damals gedacht, daß aus ihr und dem Herrn Kandidaten ein Paar werden sollte!

Fräulein Tesman. Ich hätte es auch nicht gedacht. Aber ist ja wahr, – Du, Berte, ehe ich es vergesse: Du darfst Jörgen nicht mehr Kandidat nennen. Du mußt sagen: Herr Doktor.

Berte. Ja, das hat die junge Frau auch gesagt – die Nacht, – gleich, wie sie zur Tür hereingekommen sind. Ist denn das richtig, Fräulein?

Fräulein Tesman. Freilich ist das richtig. Denk nur, – sie haben ihn zum Doktor gemacht, im Ausland. Jetzt, auf der Reise, verstehst Du. Ich wußte kein Sterbenswörtchen davon – bis er mir es unten auf der Dampfschiffsbrücke erzählte.

Berte. I ja, aus dem kann noch alles Mögliche werden. So flink, wie der ist. Aber das hätte ich doch nun und nimmer gedacht, daß er sich auch damit abgeben würde, die Leute zu kurieren.

Fräulein Tesman. Nein, solch ein Doktor ist er nicht geworden. – Nickt bedeutungsvoll. Übrigens ist es vielleicht bald so weit, daß Du ihn noch stattlicher titulieren kannst.

Berte. Was Sie sagen! Und wie denn, Fräulein?

Fräulein Tesman lächelt. Hm, – ja, das möchtest Du wohl wissen! Bewegt. Ach, lieber Gott ja, – wenn Jochum selig aus seinem Grabe aufstehen und schauen könnte, was aus seinem kleinen Jungen geworden ist! Sieht sich um. Aber hör' mal, Berte, – warum hast Du das getan und die Überzüge von allen Möbeln weggenommen.

Berte. Die gnädige Frau sagte, ich sollt' es tun. Sie kann keine Überzüge an den Stühlen leiden, sagte sie.

Fräulein Tesman. Also wollen sie sich hier drin aufhalten – so für alle Tage?

Berte. Ja, es scheint so. Wenigstens die junge Frau. Denn er – der Herr Doktor, – der hat nichts gesagt.

Tesman kommt trällernd von der rechten Seite des Hinterzimmers, einen offenen leeren Handkoffer tragend. Er ist ein mittelgroßer Mann von jugendlichem Aussehen, 33 Jahre alt, etwas korpulent, mit einem offenen, runden, vergnügten Gesicht, blondem Haar und Bart. Er trägt eine Brille und hat einen bequemen, etwas nachlässigen Hausanzug an.

Fräulein Tesman. Guten Morgen, guten Morgen, Jörgen!

Tesman in der Türöffnung. Tante Julle! Liebe Tante Julle! Geht auf sie zu und schüttelt ihr die Hand. Den weiten Weg hier heraus – und so früh am Tage! Was?

Fräulein Tesman. Du kannst Dir doch denken, ich mußte auf ein Weilchen bei Euch vorsprechen.

Tesman. Und dabei hast Du noch nicht einmal Deine ordentliche Nachtruhe gehabt!

Fräulein Tesman. Ach, das macht mir gar nichts!

Tesman. Na, Du bist doch gut nach Haus gekommen von der Landungsbrücke? Was?

Fräulein Tesman. Ja natürlich – Gott sei Dank! Der Herr Assessor war so freundlich, mich bis an die Haustür zu begleiten.

Tesman. Es hat uns leid getan, daß wir Dich nicht im Wagen mitnehmen konnten. Aber, Du hast ja selbst gesehen –. Hedda hatte so viele Schachteln, die mitmußten.

Fräulein Tesman. Ja, sie hatte wirklich die schwere Menge Schachteln mit.

Berte zu Tesman. Soll ich vielleicht hineingehen und die gnädige Frau fragen, ob ich ihr mit was helfen kann?

Tesman. Nein, – danke, Berte, – laß das lieber sein. Sie sagte, sie wird schon klingeln, wenn sie etwas von Dir will.

Berte geht nach rechts. So so, ja.

Tesman. Da sieh mal, Du, – nimm den Koffer da mit!

Berte nimmt ihn. Den bring' ich auf den Boden rauf. Sie geht durch die Vorzimmertür hinaus.

Tesman. Du, Tante, denke Dir, – den ganzen Koffer hatte ich gestopft voll nur mit Abschriften. Du, es ist geradezu unglaublich, was ich da alles in den Archiven herum gesammelt habe. Alte, merkwürdige Sachen, mit denen kein Mensch etwas anzufangen wußte –

Fräulein Tesman. Ja, ja, – Du hast Deine Zeit auf der Hochzeitsreise nicht verschwendet, Jörgen.

Tesman. Ja, das darf ich wohl sagen. Aber so nimm doch Deinen Hut ab, Tante! So! Komm, ich will Dir die Schleife aufbinden. Was?

Fräulein Tesman, während er es tut. Ach, lieber Gott, – das ist ja gerade so, als ob Du noch bei uns zu Hause wärst.

Tesman dreht und wendet den Hut in der Hand. Aber, was Du Dir für einen schönen eleganten Hut zugelegt hast!

Fräulein Tesman. Den habe ich mir wegen Hedda angeschafft.

Tesman. Wegen Hedda? Was?

Fräulein Tesman. Ja, damit Hedda sich meiner nicht zu schämen braucht, wenn wir einmal zusammen auf der Straße gehen.

Tesman klopft sie auf die Backe. Du denkst aber auch an alles, Du gute Tante Julle! Legt den Hut auf einen Stuhl beim Tische. Und nun, – siehst Du, – nun lassen wir uns auf dem Sofa hier häuslich nieder – und schwätzen ein bißchen, bis Hedda kommt.

Sie setzen sich, Fräulein Tesman stellt ihren Sonnenschirm in die Sofaecke.

Fräulein Tesman ergreift Tesmans beide Hände und sieht ihn an. Ach, wie wunderbar wohl das tut, Dich wieder vor Augen zu haben, wie Du leibst und lebst, Jörgen! O, Du, – Du lieber Junge unseres seligen Jochum!

Tesman. Und mir erst! Dich wiederzusehen, Tante Julle! Du, die Vater- und Mutterstelle an mir vertreten hat.

Fräulein Tesman. Ja, ich weiß wohl, Du wirst Deine alten Tanten immer lieb haben.

Tesman. Und mit Tante Rina geht es also noch gar nicht besser? Was?

Fräulein Tesman. Ach nein, Du, – für die Ärmste ist keine Besserung zu erwarten. Die liegt noch immer da, wie sie in den ganzen Jahren dagelegen hat. Aber der Himmel gebe, daß ich sie noch eine Zeit behalte! Denn sonst weiß ich wirklich nicht, was ich mit dem Leben anfangen soll. Besonders jetzt, sieh mal, wo ich nicht mehr für Dich zu sorgen habe.

Tesman klopft sie auf den Rücken. Na, na, na –!

Fräulein Tesman fällt unversehens in einen anderen Ton. Nein, wenn man bedenkt, daß Du jetzt ein Ehemann bist, Jörgen! Und daß von allen Du Hedda Gabler heimgeführt hast. Denk einer an! Die reizende Hedda Gabler, – die so viele Kurmacher um sich hatte!

Tesman trällert leicht und lächelt zufrieden. Ja, ich glaube schon, hier in der Stadt laufen nicht wenige gute Freunde von mir herum und beneiden mich. Was?

Fräulein Tesman. Und daß Du eine so lange Hochzeitsreise machen konntest! Über fünf – fast sechs Monate –

Tesman. Na, – für mich ist es ja doch auch eine Art Studienreise gewesen. Wie viele Archive mußte ich nicht durchforschen –! Und Du, – die Masse Bücher, die ich zu lesen hatte!

Fräulein Tesman. I freilich, ja. Vertraulicher und mit etwas gedämpfter Stimme. Aber hör' mal, Jörgen – hast Du mir nicht was – was Extraes zu erzählen?

Tesman. Von der Reise?

Fräulein Tesman. Ja.

Tesman. Nein, mehr, als was ich in meinen Briefen geschrieben habe, weiß ich nicht. Daß ich den Doktor gemacht habe da unten, – das habe ich Dir doch gestern erzählt.

Fräulein Tesman. Ja, das schon. Aber ich meine, – ob Du nicht – nicht – Aussichten hast –?

Tesman. Aussichten?

Fräulein Tesman. Mein Gott, Jörgen, – ich bin doch Deine alte Tante!

Tesman. Freilich habe ich Aussichten, jawohl.

Fräulein Tesman. Na also!

Tesman. Ich habe sogar die allerbesten Aussichten, in nächster Zeit Professor zu werden.

Fräulein Tesman. Ja, Professor, ja –

Tesman. Oder, – ich darf schon sagen, ich habe die Gewißheit, daß ich es werde. Aber, beste Tante Julle, das weißt Du doch selbst recht gut.

Fräulein Tesman schmunzelnd. Ja, allerdings. Da hast Du recht. Wechselt den Ton. Aber wir wollten ja von der Reise reden. – Sie hat Dich wohl eine schwere Menge Geld gekostet, Jörgen?

Tesman. Na, lieber Gott, – das große Stipendium hat ja ein schönes Stück vorwärts geholfen.

Fräulein Tesman. Ich verstehe nur nicht, wie Du es angefangen hast, daß es für zwei langte.

Tesman. Ja, ja, das ist auch nicht so ohne weiteres zu verstehen. Was?

Fräulein Tesman. Und noch dazu, wenn man mit einer Dame reist. Denn das soll schrecklich viel teurer kommen, habe ich mir sagen lassen.

Tesman. Versteht sich – ja, ein bißchen teurer kommt es freilich. Aber Hedda mußte die Reise haben, Tante! Sie mußte es wirklich. Anders hätte es sich nicht gepaßt.

Fräulein Tesman. Nein, nein, allerdings wohl nicht. Denn eine Hochzeitsreise gehört ja heutzutage mit dazu. – Doch, sag' mal: hast Du Dich hier bei Dir zu Haus auch schon ordentlich umgesehen?

Tesman. Das sollte ich meinen! Ich bin schon vom frühen Morgen an auf den Beinen.

Fräulein Tesman. Und wie findest Du alles?

Tesman. Ausgezeichnet! Ganz ausgezeichnet! Nur das ist mir unklar, was wir mit den zwei leeren Zimmern tun sollen, die zwischen der Hinterstube und Heddas Schlafzimmer liegen.

Fräulein Tesman schmunzelt. Ach, mein lieber Jörgen, dafür wird sich schon Verwendung finden – so mit der Zeit.

Tesman. Da hast Du wirklich recht, Tante! Jawohl! Für den Fall, daß ich allmählich meine Bibliothek vermehre –. Was?

Fräulein Tesman. Ja eben, mein lieber Junge! An die Bibliothek, an die habe ich gedacht.

Tesman. Am meisten freue ich mich aber für Hedda. Ehe wir uns verlobten, sagte sie doch so oft: sie möchte nirgends anders wohnen als in der Villa der Staatsrätin Falk.

Fräulein Tesman. Ja, nicht wahr, – und da mußte es sich so treffen, daß die Villa zu verkaufen war. Als Ihr eben abgereist wart.

Tesman. Ja, Tante Julle, wir hatten wirklich Glück. Was?

Fräulein Tesman. Aber teuer, mein lieber Jörgen, teuer wird es Dich kommen, – die ganze Geschichte.

Tesman sieht sie ein wenig verzagt an. Ja, das wird es am Ende wohl, Tante?

Fräulein Tesman. Ja, du großer Gott!

Tesman. Wie viel, glaubst Du? So ungefähr? Was?

Fräulein Tesman. Das kann ich unmöglich wissen, bis alle Rechnungen da sind.

Tesman. Na, glücklicherweise hat Assessor Brack so erträgliche Bedingungen für mich ausgemacht. Das hat er selbst an Hedda geschrieben.

Fräulein Tesman. Ja, hab' deswegen nur gar keine Angst, mein Junge! – Für die Möbel und Teppiche habe ich überdies Sicherheit gegeben.

Tesman. Sicherheit? Du? Liebe Tante Julle, – was für eine Sicherheit konntest Du denn geben?

Fräulein Tesman. Ich habe die Renten verpfändet.

Tesman. Was? Deine – und Tante Rinas Renten?

Fräulein Tesman. Ja, sieh mal, ich wußte doch keinen andern Ausweg.

Tesman stellt sich vor sie hin. Aber, Tante, bist Du denn ganz von Sinnen! Die Renten, – das ist ja doch das einzige, wovon Ihr lebt.

Fräulein Tesman. Na, na, – reg' Dich nur deswegen nicht so auf! Das Ganze ist doch eine bloße Formsache, verstehst Du. Das hat Assessor Brack auch gesagt. Denn er war so liebenswürdig, die ganze Sache für mich zu ordnen. Eine bloße Formsache, hat er gesagt.

Tesman. Ja, mag schon sein. Trotzdem aber –

Fräulein Tesman. Und jetzt bekommst Du ja Dein eigenes Gehalt, womit Du abbezahlen kannst. Herrgott, und wenn wir wirklich ein bißchen was herausrücken müssen –? Nur so ein ganz kleines Bißchen im Anfang –? Das würde ja für uns nur ein Glück sein, sozusagen.

Tesman. Ach, Tante, –,Du wirst doch nie müde, Dich für mich aufzuopfern!

Fräulein Tesman steht auf und legt die Hände auf seine Schultern. Habe ich denn sonst eine Freude auf dieser Welt, als Dir den Weg zu ebnen, mein lieber Junge? Du hast doch weder Vater noch Mutter gehabt, an die Du Dich hättest halten können. Und jetzt stehen wir am Ziel, Du! Manches Mal freilich sah es etwas düster aus. Aber, Gottlob, jetzt bist Du schön heraus, Jörgen!

Tesman. Ja, es ist im Grunde merkwürdig, wie alles sich gefügt hat.

Fräulein Tesman. Ja, – und alle, die sich Dir entgegengestellt haben und Dir die Bahn versperren wollten, – siehst Du, die sind nun unterlegen. Die sind gestürzt, Jörgen. Der Dir am gefährlichsten war, – der tat den tiefsten Sturz. Jetzt liegt er, wie er sich selbst gebettet hat, – der arme verwahrloste Mensch.

Tesman. Hast Du etwas von Ejlert gehört? Seit meiner Abreise, meine ich.

Fräulein Tesman. Nur, daß er ein neues Buch herausgegeben haben soll.

Tesman. Was sagst Du! Ejlert Lövborg? Erst kürzlich? Was?

Fräulein Tesman. Ja, so heißt es. Ach Gott, da kann doch nicht viel dran sein, Du! Aber wenn Dein neues Buch erst erscheint, – das wird eine andere Sache sein, Jörgen! Wovon wird es denn handeln?

Tesman. Es soll handeln von der Brabanter Hausindustrie im Mittelalter.

Fräulein Tesman. Nein, aber – daß Du auch über so etwas schreiben kannst!

Tesman. Übrigens kann es noch eine Weile mit dem Buch dauern. Ich habe ja doch zuerst einmal diese weitschichtigen Sammlungen zu ordnen, weißt Du.

Fräulein Tesman. Jawohl, ordnen und sammeln, – das verstehst Du. Du bist nicht umsonst der Sohn von Jochum selig.

Tesman. Ich freue mich auch redlich darauf, ans Werk zu gehen. Besonders jetzt, da ich meine eigne, gemütliche Häuslichkeit habe, wo ich arbeiten kann.

Fräulein Tesman. Und vor allen Dingen, – da Du sie hast, die Dein Herz begehrte, lieber Jörgen.

Tesman umarmt sie. Ach ja, ja, Tante Julle! Hedda – ist doch das Allerschönste! Nach der Türöffnung sehend. Ich glaube, da kommt sie. Was?

Hedda kommt von der linken Seite durch das Hinterzimmer. Sie ist eine Dame von 29 Jahren. Gesicht und Gestalt von edler, vornehmer Bildung. Die Hautfarbe ist von einer matten Blässe. Die Augen sind stahlgrau und haben den Ausdruck einer kalten, klaren Ruhe. Das Haar hat eine schöne mittelbraune Farbe, ist aber nicht sonderlich stark. Sie trägt ein geschmackvolles, etwas lose sitzendes Morgenkostüm.

Fräulein Tesman geht Hedda entgegen. Guten Morgen, liebe Hedda! Einen herzlichen guten Morgen!

Hedda reicht ihr die Hand. Guten Morgen, liebes Fräulein Tesman! Ein so früher Besuch? Wie freundlich von Ihnen.

Fräulein Tesman scheint etwas verlegen. Na, – wie hat denn die junge Frau in ihrem neuen Heim geschlafen?

Hedda. Ach, danke! So leidlich.

Tesman lacht. Leidlich! Du bist aber gut, Hedda! Du hast ja wie ein Bär geschlafen, als ich aufstand.

Hedda. Glücklicherweise. Übrigens muß man sich an alles Neue ja doch erst gewöhnen, Fräulein Tesman. So nach und nach. Sieht nach links. Uh, – da hat das Mädchen die Altantüre aufgemacht. Hier drin ist ja ein ganzes Meer von Sonne.

Fräulein Tesman geht nach der Tür. Nun, so werden wir die Tür schließen.

Hedda. Nein, nein, das nicht! Lieber Tesman, zieh doch die Vorhänge zusammen. Das gibt ein milderes Licht.

Tesman an der Tür. Jawohl, – jawohl. – So, Hedda, – jetzt hast Du Schatten und zugleich frische Luft.

Hedda. Ja, frische Luft kann man wirklich hier brauchen. Dieser Blumensegen –. Aber meine Liebe, – wollen Sie nicht Platz nehmen, Fräulein Tesman?

Fräulein Tesman. Nein, ich danke vielmals. Jetzt weiß ich ja, daß es hier gut geht, – Gottlob! Ich muß nun auch sehen, daß ich wieder nach Hause komme – zu der Ärmsten, die daliegt und so sehnsüchtig wartet!

Tesman. Du, grüß' sie nur viele, viele Male von mir! Und sag' ihr, ich komme nachher und besuche sie.

Fräulein Tesman. Ja, das will ich tun. Ach richtig, Jörgen – langt suchend in ihre Kleidertasche – das hätte ich fast vergessen. Hier habe ich etwas für Dich.

Tesman. Was ist denn das, Tante? Was?

Fräulein Tesman zieht ein kleines Päckchen in Zeitungspapier hervor und reicht es ihm. Da, mein lieber Junge.

Tesman öffnet. Herrjeh, nein, – die hast Du für mich aufgehoben, Tante Julle! Hedda! Du, das ist wirklich rührend. Was?

Hedda bei den Etagèren rechts. Was ist es denn, mein Lieber?

Tesman. Meine alten Morgenschuhe! Die Pantoffeln, Du!

Hedda. Ach so! Ja, ich erinnere mich, Du hast auf der Reise oft von ihnen gesprochen.

Tesman. Ja, ich habe sie auch recht sehr vermißt. Geht zu ihr hin. Nun sollst Du sie sehen, Hedda!

Hedda geht nach dem Ofen. Nein, danke – das interessiert mich wirklich nicht.

Tesman folgt ihr. Du, denk Dir, – die hat mir Tante Rina gestickt – auf ihrem schweren Krankenlager. Ach, Du glaubst nicht, wie viele Erinnerungen sich für mich an die Pantoffeln knüpfen.

Hedda am Tisch. Für mich aber kaum.

Fräulein Tesman. Da hat Hedda nicht so unrecht, Jörgen.

Tesman. Ja, aber ich meine, jetzt, wo sie zur Familie gehört –

Hedda abbrechend. Mit dem Mädchen wird sicher kein Auskommen sein, Tesman!

Fräulein Tesman. Kein Auskommen mit Berte.

Tesman. Schatz, – wie kommst Du denn darauf? Was?

Hedda zeigt hin. Sieh mal! Da hat sie ihren alten Hut auf dem Stuhl liegen lassen.

Tesman erschrocken, läßt die Schuhe zu Boden fallen. Aber Hedda –!

Hedda. Denk bloß, – wenn jemand käme und das sähe.

Tesman. Aber Hedda, – das ist ja Tante Julles Hut!

Hedda. So?

Fräulein Tesman nimmt den Hut. Ja freilich ist es meiner. Und alt ist er übrigens gar nicht, kleine Frau Hedda.

Hedda. Ich habe ihn wirklich nicht so genau angesehen, Fräulein Tesman.

Fräulein Tesman setzt den Hut auf und bindet die Hutbänder zu. Es ist wahrhaftig das erste Mal, daß ich ihn aufhabe. Ja, weiß der liebe Gott, das ist es.

Tesman. Und elegant ist er auch. Ganz prachtvoll!

Fräulein Tesman. Ach, das geht an, mein lieber Jörgen. Sieht sich um. Mein Sonnenschirm –? So, hier! Nimmt ihn. Denn das ist auch meiner. Murmelt: Nicht Berte ihrer.

Tesman. Einen neuen Hut und einen neuen Sonnenschirm! Denk nur, Hedda!

Hedda. Hübsch und niedlich ist er.

Tesman. Ja, nicht wahr? Was? – Aber Tante, sieh Dir doch Hedda einmal ordentlich an, ehe Du gehst. Sieh nur, wie hübsch und niedlich sie ist!

Fräulein Tesman. Ach, mein Junge, das ist doch nichts Neues. Hedda war ja von jeher reizend. Sie nickt und geht nach rechts.

Tesman folgt ihr. Hast Du auch bemerkt, wie voll und üppig sie geworden ist? Wie sie in die Breite gegangen ist auf der Reise?

Hedda geht auf und ab. Ach, laß doch das –!

Fräulein Tesman ist stehen geblieben und wendet sich um. In die Breite gegangen?

Tesman. Ja, Tante Julle, Du kannst das nicht so recht sehen, wenn sie das Kleid da anhat. Aber ich, der Gelegenheit hat –

Hedda an der Glastür, ungeduldig. Ach, zu gar nichts hast Du Gelegenheit!

Tesman. Es muß wohl die Gebirgsluft in Tirol unten gewesen sein –

Hedda kurz, abbrechend. Ich bin noch genau dieselbe, wie vor der Reise.

Tesman. Ja, das behauptest Du! Aber ob Du es auch wirklich bist?! Was meinst Du, Tante?

Fräulein Tesman hat die Hände gefaltet und starrt Hedda an. Reizend – reizend – reizend ist Hedda. Geht auf sie zu, beugt mit beiden Händen Heddas Kopf herab und küßt sie aufs Haar. Gott segne und behüte Hedda Tesman! Um Jörgens willen.

Hedda macht sich sanft los. Ach –! Lassen Sie mich doch!

Fräulein Tesman in stiller Bewegung. Jeden Tag, den Gott werden läßt, komme ich zu Euch beiden.

Tesman. Ja, Tante, das tu aber auch! Was?

Fräulein Tesman. Adieu, – adieu!

Sie geht durch die Vorzimmertür ab. Tesman begleitet sie hinaus. Die Tür bleibt halb offen. Man hört, wie Tesman seine Grüße an Tante Rina und seinen Dank für die Morgenschuhe wiederholt.

Gleichzeitig geht Hedda im Zimmer auf und ab, hebt die Arme empor und ballt die Hände wie in Wut. Dann schlägt sie die Vorhänge von der Glastür zurück, bleibt stehen und sieht hinaus.

Nach einer Weile kommt Tesman zurück und schließt die Tür hinter sich.

Tesman hebt die Schuhe vom Boden auf. Nach was siehst Du denn, Hedda?

Hedda wieder ruhig und sich beherrschend. Ich sehe mir nur das Laub an. Es ist so gelb. Und so welk.

Tesman packt die Schuhe ein und legt sie auf den Tisch. Wir sind ja doch auch schon stark im September.

Hedda wieder unruhig. Freilich ja, – jetzt sind wir schon im – im September.

Tesman. Sag' mal, kam Dir Tante Julle nicht sonderbar vor? Beinah feierlich? Begreifst Du, was mit ihr los war? Was?

Hedda. Ich kenne sie doch kaum. Pflegt sie nicht öfters so zu sein?

Tesman. Nein, nicht so wie heute.

Hedda entfernt sich von der Glastür. Meinst Du, sie hat die Geschichte mit dem Hut übelgenommen?

Tesman. Ach, nicht sonderlich. Vielleicht ein klein bißchen im ersten Augenblick –

Hedda. Was ist das aber auch für eine Manier, den Hut hier im Salon abzutun. So etwas macht man doch nicht.

Tesman. Na, Du kannst überzeugt sein, Tante Julle tut es nicht wieder.

Hedda. Übrigens will ich es schon wieder gutmachen.

Tesman. Ach liebe, gute Hedda, wenn Du das wolltest!

Hedda. Wenn Du nachher hingehst, so kannst Du sie ja für den Abend einladen.

Tesman. Ja, das werde ich wirklich! Und dann weiß ich noch etwas, womit Du ihr eine riesige Freude machen könntest.

Hedda. Nun?

Tesman. Wenn Du es über Dich bringen könntest, du zu ihr zu sagen. Mir zuliebe, Hedda! Was?

Hedda. Nein, nein, Tesman, – das mußt Du wirklich nicht von mir verlangen. Ich habe es Dir schon einmal gesagt. Ich will versuchen, sie Tante zu nennen. Und dabei mag es sein Bewenden haben.

Tesman. Na ja denn. Ich meine nur, jetzt, wo Du zur Familie gehörst –

Hedda. Hm, – ich weiß nun freilich nicht – sie geht nach dem Hintergrunde zur Türöffnung.

Tesman folgt ihr ein paar Schritte. Ist Dir etwas, Hedda? Was?

Hedda. Ich sehe mir nur mein altes Piano an. Das paßt nicht so recht zu den andern Sachen.

Tesman. Wenn ich mein erstes Gehalt erhebe, dann wollen wir es umtauschen.

Hedda. Nein, nein, – nicht umtauschen! Ich will es nicht hergeben. Wir wollen es lieber ins Hinterzimmer stellen. Und hier für den Salon, da können wir uns ja ein neues anschaffen. Bei Gelegenheit, meine ich.

Tesman etwas verzagt. Ja, – das können wir ja auch tun.

Hedda nimmt das auf dem Piano stehende Bukett in die Hand. Diese Blumen standen gestern bei unserer Ankunft nicht hier.

Tesman. Die hat Dir gewiß Tante Julle gebracht.

Hedda sieht ins Bukett. Eine Visitenkarte. Nimmt sie und liest: »Kommt im Laufe des Tages wieder.« Errätst Du, von wem das ist?

Tesman. Nein. Von wem denn? Was?

Hedda. Da steht: »Frau Schultheiß Elvsted«.

Tesman. Ist's möglich! Frau Elvsted! Fräulein Rysing, wie sie früher hieß.

Hedda. Allerdings. Die herumlief und Aufsehen erregte mit einem Haar, das einen nervös machen konnte. Deine alte Flamme, wie ich mir habe sagen lassen.

Tesman lacht. Na, das war bald wieder aus. Und dann war es doch auch, bevor ich Dich kannte, Hedda. Aber denk nur – die ist in der Stadt!

Hedda. Merkwürdig, daß sie bei uns Besuch macht. Ich kenne sie ja doch nicht weiter als vom Institut her.

Tesman. Ich habe sie auch nicht mehr gesehen – Gott weiß wie lange. Daß sie es da oben aushält in solch einem abgelegenen Nest. Was?

Hedda überlegt und sagt plötzlich: Sag' mal, Tesman, – hält er sich nicht da oben irgendwo auf, – er – der Ejlert Lövborg?

Tesman. Ja freilich, da oben in der Gegend muß er sein.

Berte erscheint in der Vorzimmertür.

Berte. Gnädige Frau, jetzt ist sie wieder da, – die Dame, die vor einer Weile hier war und die Blumen abgegeben hat. Zeigt hin. Die gnädige Frau da in der Hand haben.

Hedda. So, so? Lassen Sie sie nur eintreten.

Berte öffnet Frau Elvsted die Tür und geht selbst hinaus. – Frau Elvsted ist eine zarte Erscheinung mit schönen, weichen Gesichtsformen. Die Augen sind hellblau, groß und rund, treten etwas hervor und haben einen verschüchtert fragenden Ausdruck. Das Haar ist auffallend hell, fast weißlich-blond, und ungewöhnlich stark und wellig. Sie ist ein paar Jahre jünger als Hedda. Sie trägt ein dunkles Besuchskostüm, das geschmackvoll, aber nicht ganz nach der neuesten Mode ist.

Hedda geht ihr freundlich entgegen. Guten Tag, beste Frau Elvsted. Das ist ja reizend, daß Sie sich wieder einmal sehen lassen.

Frau Elvsted nervös, sucht sich zu beherrschen. Ja, es ist furchtbar lange her, daß wir uns nicht gesehen haben.

Tesman reicht ihr die Hand. Und wir beide auch. Was?

Hedda. Schönen Dank für Ihre herrlichen Blumen –

Frau Elvsted. Ach bitte –. Ich wollte gleich gestern nachmittag kommen. Aber ich hörte, Sie wären noch nicht von der Reise zurück –

Tesman. Sie sind wohl noch nicht lange in der Stadt? Was?

Frau Elvsted. Ich bin gestern gegen Mittag angekommen. Ach, ich bin in helle Verzweiflung geraten, als ich hörte, Sie wären nicht da.

Hedda. Verzweiflung! Warum das?

Tesman. Meine liebste, beste Frau Rysing – Frau Elvsted wollte ich sagen –

Hedda. Es ist doch wohl nicht etwas Schlimmes los?

Frau Elvsted. Allerdings. Und ich weiß keine Menschenseele hier, an die ich mich sonst wenden könnte.

Hedda legt das Bukett auf den Tisch. Kommen Sie, – wir wollen uns aufs Sofa setzen –

Frau Elvsted. Ach, ich habe zum Sitzen nicht Rast noch Ruh'.

Hedda. Ach, das werden Sie schon haben. Kommen Sie nur.

Sie nötigt Frau Elvsted aufs Sofa und setzt sich neben sie.

Tesman. Na? Also, gnädige Frau –?

Hedda. Ist etwas Besonderes da oben bei Ihnen vorgefallen?

Frau Elvsted. Ja – und auch wieder nicht. Ach – ich wünschte von Herzen, Sie möchten mich nicht mißverstehen –

Hedda. Aber, dann wäre es wirklich das richtigste, wenn Sie mit der Sprache herauskämen, Frau Elvsted.

Tesman. Denn deswegen sind Sie doch wohl gekommen. Was?

Frau Elvsted. Ja, ja, – freilich. Und so will ich Ihnen denn sagen, – wenn Sie es nicht schon wissen, – Ejlert Lövborg ist auch in der Stadt.

Hedda. Lövborg –!

Tesman. Was! Ejlert Lövborg ist wieder da! Denk nur, Hedda!

Hedda. Mein Gott, ich hör' es ja.

Frau Elvsted. Er ist schon seit einer ganzen Woche hier. Der Gedanke – eine ganze Woche! In dieser gefährlichen Stadt. Allein! Wo es hier so viele schlechte Gesellschaft gibt.

Hedda. Aber beste Frau Elvsted, – was geht er Sie eigentlich an?

Frau Elvsted sieht sie verschüchtert an und sagt schnell: Er ist der Lehrer von den Kindern gewesen.

Hedda. Von Ihren Kindern?

Frau Elvsted. Von meines Mannes Kindern. Ich habe keine.

Hedda. Also von Ihren Stiefkindern.

Frau Elvsted. Ja.

Tesman nach dem rechten Ausdruck suchend. War er denn so weit – ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll, – so weit – regelmäßig in seinem Lebenswandel, daß man ihm so etwas anvertrauen konnte? Was?

Frau Elvsted. In den letzten paar Jahren war nichts an ihm auszusetzen.

Tesman. Wirklich nicht? Denk nur, Hedda!

Hedda. Ich hör' es.

Frau Elvsted. Nicht das geringste, versichere ich Ihnen! In jeder Hinsicht. Trotzdem aber –. Jetzt, da ich ihn hier weiß – in der großen Stadt –. Und das viele Geld in Händen. Jetzt habe ich eine Todesangst um ihn.

Tesman. Aber warum ist er dann nicht lieber da geblieben, wo er war? Bei Ihnen und Ihrem Mann? Was?

Frau Elvsted. Als das Buch erschienen war, da hatte er bei uns keine Rast und Ruhe mehr.

Tesman. Ist ja wahr, – Tante Julle sagte, er hätte ein neues Buch veröffentlicht.

Frau Elvsted. Ja, ein großes neues Buch, das von der Kulturentwicklung handelt – so im allgemeinen. Es ist so etwa vierzehn Tage her. Und wie es nun so viel gekauft und gelesen wurde – und so ungewöhnliches Aufsehen machte –

Tesman. So, das war also der Fall? Dann muß es wohl etwas gewesen sein, was er noch aus seinen guten Tagen liegen hatte.

Frau Elvsted. Von früher her, meinen Sie?

Tesman. Jawohl.

Frau Elvsted. Nein, er hat es von A bis Z oben bei uns geschrieben. Jetzt – im letzten Jahre.

Tesman. Das ist ja erfreulich zu hören, Hedda! Denk nur, Du!

Frau Elvsted. Ach ja, wenn es nur Bestand haben möchte!

Hedda. Haben Sie ihn hier schon gesehen?

Frau Elvsted. Nein, noch nicht. Ich hatte so große Mühe damit, seine Adresse zu ermitteln. Aber heut Morgen habe ich sie endlich bekommen.

Hedda sieht sie prüfend an. Im Grunde finde ich es ein bißchen sonderbar von Ihrem Mann – hm –

Frau Elvsted zuckt nervös zusammen. Von meinem Mann? Was denn?

Hedda. Daß er Sie mit einem solchen Auftrag in die Stadt schickt. Daß er nicht selbst herkommt und seinen Freund aufsucht.

Frau Elvsted. Ach nein, nein, – mein Mann hat dazu keine Zeit. Und dann hatte ich – auch einige Einkäufe zu machen.

Hedda lächelt flüchtig. Nun, das ist ja dann etwas anderes.

Frau Elvsted steht rasch und in Unruhe auf. Und nun bitte ich Sie hoch und heilig, Herr Tesman, – nehmen Sie Lövborg freundlich auf, wenn er zu Ihnen kommt! Und das tut er sicher. Mein Gott, – Sie sind ja früher so gute Freunde gewesen. Und überdies treiben Sie ja beide ganz dieselben Studien. Dieselben Wissenschaften, – soweit ich das beurteilen kann.

Tesman. Na, früher war das wenigstens der Fall.

Frau Elvsted. Ja, und deshalb bitte ich Sie inständig, haben doch auch Sie, um Gotteswillen, ein wachsames Auge auf ihn. Nicht wahr, Herr Tesman, – das versprechen Sie mir doch?

Tesman. Ja, von Herzen gern, Frau Rysing –

Hedda. Elvsted.

Tesman. Ich will gern für Ejlert alles tun, was in meiner Macht steht. Darauf können Sie sich verlassen.

Frau Elvsted. Ach, wie lieb und gut das von Ihnen ist! Drückt ihm die Hände. Ich danke, danke, danke Ihnen! Erschrocken. Mein Mann hält ja doch so furchtbar viel von ihm.

Hedda steht auf. Du solltest ihm schreiben, Tesman. Denn vielleicht kommt er nicht von selbst zu Dir.

Tesman. Ja, das wäre wohl das Richtigste, Hedda? Was?

Hedda. Und je früher Du es tust, desto besser. Am liebsten gleich auf der Stelle.

Frau Elvsted bittend. Ach ja, wenn Sie das tun wollten!

Tesman. Ich schreibe im Augenblick. Haben Sie seine Adresse, Frau – Frau Elvsted?

Frau Elvsted. Ja. Reicht ihm einen kleinen Zettel, den sie aus der Tasche zieht. Da ist sie.

Tesman. Gut, gut. Ich gehe hinein – sieht sich um. Ja so, die Pantoffeln? Ah, dort. Nimmt das Päckchen und will gehen.

Hedda. Schreib ihm nur recht warm und freundschaftlich. Und auch recht ausführlich.

Tesman. Ja, das will ich.

Frau Elvsted. Aber bitte,, bitte, kein Wort davon, daß ich für ihn gebeten habe!

Tesman. Nein, das versteht sich doch von selbst. Was? Er geht durch das Hinterzimmer rechts ab.

Hedda geht auf Frau Elvsted zu, lächelt und sagt mit gedämpfter Stimme: So! Da haben wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Frau Elvsted. Wie meinen Sie das?

Hedda. Haben Sie nicht begriffen, daß ich ihn weg haben wollte?

Frau Elvsted. Ja, damit er den Brief schreibt –

Hedda. Und auch, damit ich mit Ihnen allein sprechen kann.

Frau Elvsted verwirrt. Von derselben Sache?

Hedda Ja, eben davon.

Frau Elvsted angstvoll. Aber da ist ja nichts mehr, Frau Tesman. Wirklich nichts mehr.

Hedda. O freilich ist noch mehr, – noch bedeutend mehr. So viel verstehe ich denn doch davon. Kommen Sie, – wir wollen uns recht gemütlich zu einander setzen. Sie nötigt Frau Elvsted in den Lehnstuhl am Ofen und setzt sich selbst auf eins von den Taburetts.

Frau Elvsted ängstlich, sieht auf ihre Uhr. Aber meine liebe, gute Frau Tesman –. Ich hatte eigentlich vor, jetzt zu gehen.

Hedda. Ach, das eilt doch nicht so sehr. – Wie ? Nun erzählen Sie mir einmal, wie es bei Ihnen zu Hause geht.

Frau Elvsted. Ach, gerade das möchte ich am allerwenigsten berühren.

Hedda. Aber mir gegenüber doch, meine Liebe – ? Mein Gott, wir sind doch zusammen ins Institut gegangen.

Frau Elvsted. Ja, aber Sie waren eine Klasse über mir. Ach, was für eine gräßliche Angst hatte ich damals vor Ihnen!

Hedda. Angst hatten Sie – vor mir?

Frau Elvsted. Ja. Eine gräßliche Angst. Denn wenn Sie mir auf der Treppe begegneten, dann rauften Sie mich immer bei den Haaren.

Hedda. Wirklich? Das habe ich getan?

Frau Elvsted. Ja, und einmal sagten Sie, Sie würden es mir absengen.

Hedda. Ach, das war doch bloß so geredet, wissen Sie.

Frau Elvsted. Ja, aber ich war damals noch so dumm. – Und seitdem jedenfalls – sind wir so weit – weit auseinander gekommen. Unsere Kreise waren doch so ganz verschieden.

Hedda. Na, so wollen wir versuchen, einander wieder näher zu rücken. Nun hören Sie einmal! Im Institut sagten wir doch Du zu einander. Und dann nannten wir uns beim Vornamen –

Frau Elvsted. Nein, da irren Sie sich gewiß.

Hedda. Nein, durchaus nicht. Ich erinnere mich noch ganz genau. Und darum wollen wir auch jetzt intim sein, wie in den früheren Tagen. Rückt mit dem Taburett näher heran. So! Küßt sie auf die Wange. Jetzt sagst Du Du zu mir und nennst mich Hedda.

Frau Elvsted drückt und streichelt ihr die Hände. Ach, so viel Güte und Freundlichkeit –! An so etwas bin ich gar nicht gewöhnt.

Hedda. So, so, so! Und ich sage Du zu Dir, gerade so wie früher, und nenne Dich meine liebe Thora.

Frau Elvsted. Thea heiße ich.

Hedda. Ja, richtig. Natürlich. Thea wollte ich sagen. Sieht sie teilnehmend an. So, – Du bist so wenig an Güte und Freundlichkeit gewöhnt, Thea ? Bei Dir zu Hause?

Frau Elvsted. Ach, wenn ich nur ein »zu Hause« hätte! Aber ich habe keins. Habe nie eins gehabt.

Hedda blickt sie ein wenig an. Ich hatte eine Ahnung, daß es so etwas sein müsse.

Frau Elvsted starrt hilflos vor sich hin. Ja, – ja, – ja.

Hedda. Ich kann mich nicht mehr so genau entsinnen – aber bist Du nicht ursprünglich als Haushälterin zu Elvsteds gekommen?

Frau Elvsted. Eigentlich sollte ich als Gouvernante hinkommen. Aber seine Frau, – die damalige Frau, – war kränklich, – und meistens bettlägerig. So mußte ich mich auch der Wirtschaft annehmen.

Hedda. Aber dann,– zuletzt, – wurdest Du die Frau des Hauses.

Frau Elvsted gedrückt. Ja, dann wurde ich es.

Hedda. Laß einmal sehen –. Wie lange ist das nun ungefähr her?

Frau Elvsted. Daß ich verheiratet bin?

Hedda. Ja.

Frau Elvsted. Das ist nun fünf Jahre her.

Hedda. Ja, richtig; so lange muß es sein.

Frau Elvsted. Ach diese fünf Jahre –! Oder eigentlich die zwei – drei letzten! Ach, wenn Sie sich vorstellen könnten –

Hedda klopft sie leicht auf die Hand.Sie? Pfui, Thea!

Frau Elvsted. Nein, nein, ich will es versuchen. – Ja, wenn – wenn Du nur ahnen und begreifen könntest –

Hedda leichthin. Ejlert Lövborg ist ja auch so an die drei Jahre, glaube ich, da oben gewesen.

Frau Elvsted sieht sie unsicher an. Ejlert Lövborg? Ja – das ist er.

Hedda. Hast Du ihn schon von der Stadt her gekannt?

Frau Elvsted. So gut wie gar nicht. Das heißt, – dem Namen nach, natürlich.

Hedda. Aber da oben, – da kam er also ins Haus zu Euch?

Frau Elvsted. Ja, er kam jeden Tag zu uns herüber. Er hatte ja die Kinder zu unterrichten. Denn ich allein konnte auf die Dauer nicht alles bewältigen.

Hedda. Ja, das ist begreiflich. – Und Dein Mann –? Der ist wahrscheinlich oft auf Reisen?

Frau Elvsted. Ja. Sie – Du kannst Dir wohl denken, er muß als Schultheiß häufig im Bezirk umherreisen.

Hedda lehnt sich an den Stuhlrücken. Thea, – arme süße Thea, – nun mußt Du mir aber alles erzählen, – so wie es ist.

Frau Elvsted. Ja, dann mußt Du fragen.

Hedda. Du, wie ist denn eigentlich Dein Mann, Thea? Ich meine, – so – im Umgang. Ist er gut zu Dir?

Frau Elvsted ausweichend. Er hat gewiß die besten Absichten bei allem, was er tut.

Hedda. Ich glaube nur, er muß viel zu alt für Dich sein. Gewiß über die zwanzig Jahr älter?

Frau Elvsted irritiert. Das auch. Eins kommt zum andern. Alles ist mir an ihm zuwider. Wir haben nicht einen Gedanken gemeinsam. Aber auch absolut gar nichts, – er und ich.

Hedda. Aber hat er Dich nicht trotzdem gern? So auf seine Art.

Frau Elvsted. Ach was weiß ich. Er sieht in mir sicher nur etwas, das ihm nützt. Und dann kostet es nicht viel, mich zu halten. Ich bin billig.

Hedda. Das ist dumm von Dir.

Frau Elvsted schüttelt den Kopf. Ist nun einmal nicht anders. Mit ihm nicht. So recht lieb hat er gewiß nur sich selbst. Und vielleicht die Kinder ein bißchen.

Hedda. Und Ejlert Lövborg auch, Thea.

Frau Elvsted sieht sie an. Ejlert Lövborg! Wie kommst Du darauf?

Hedda. Aber, meine Liebe, – ich meine doch, wenn Dein Mann Dich so weit hinter ihm herschickt – bis hierher – lächelt fast unmerklich. Und außerdem hast Du es doch selbst zu Tesman gesagt.

Frau Elvsted mit nervösem Zucken. Ach So! Ja, das mag wohl sein. Sagt mit innerer Erregung, doch in gedämpftem Ton: Nein, – ich kann es Dir ebenso gut auch gleich sagen! Denn es kommt ja sowieso ans Tageslicht.

Hedda. Aber, meine liebe Thea –?

Frau Elvsted. Na, kurz und gut! Mein Mann hat gar nichts von meiner Abreise gewußt.

Hedda. Was ist das? Dein Mann hat nichts davon gewußt!

Frau Elvsted. Natürlich nicht. Er war außerdem nicht zu Hause. War auf Reisen, – er auch. Ach, ich konnte es nicht länger aushalten, Hedda! Es war ein Ding der Unmöglichkeit! So allein, wie ich fortan da oben gewesen wäre.

Hedda. Nun? Und?

Frau Elvsted. Und da packte ich etwas von meinen Sachen zusammen, weißt Du. Das Notwendigste. In aller Stille. Und dann verließ ich das Haus.

Hedda. Ohne weiteres?

Frau Elvsted. Ja. Und fuhr mit der Eisenbahn direkt hierher.

Hedda. Aber, meine liebe, gute Thea, – daß Du Dich das getraut hast!

Frau Elvsted steht auf und geht durchs Zimmer. Ja, was in aller Welt hätte ich denn sonst tun sollen!

Hedda. Und was, glaubst Du, wird Dein Mann sagen, wenn Du wieder nach Hause kommst?

Frau Elvsted am Tische, sieht sie an. Da hinauf zu ihm?

Hedda. Jawohl, – jawohl?

Frau Elvsted. Da hinauf zu ihm gehe ich nie wieder.

Hedda steht auf und nähert sich ihr. Du bist also – allen Ernstes, – auf und davon gegangen?

Frau Elvsted. Ja. Was anderes, meinte ich, blieb mir nicht übrig.

Hedda. Und – daß Du so vor den Augen aller Welt davon gegangen bist.

Frau Elvsted. Ach, so etwas läßt sich ja doch nicht verheimlichen.

Hedda. Und was glaubst Du denn, werden die Leute von Dir sagen, Thea?

Frau Elvsted. Die mögen in Gottes Namen sagen, was sie wollen! Läßt sich müde und bedrückt aufs Sofa nieder. Denn ich habe nichts anderes getan, als was ich tun mußte.

Hedda nach kurzer Pause. Was gedenkst Du nun anzufangen? Was hast Du vor?

Frau Elvsted. Das weiß ich noch nicht. Ich weiß nur, ich muß da leben, wo Ejlert Lövborg lebt. – Wenn ich überhaupt leben soll.

Hedda schiebt einen Stuhl vom Tisch heran, setzt sich neben sie und streichelt ihr die Hände. Du, Thea, – wie ist dieses – dieses Freundschaftsverhältnis – zwischen Dir und Ejlert Lövborg entstanden?

Frau Elvsted. Ach, das ist so nach und nach entstanden. Ich gewann so etwas wie Macht über ihn.

Hedda. So?

Frau Elvsted. Er ließ von seinen alten Gewohnheiten. Nicht, weil ich ihn darum bat. Denn das getraute ich mich nie. Aber er merkte wohl, daß mir so etwas zuwider war. Und so ließ er es.

Hedda verbirgt ein unwillkürliches Hohnlächeln. Du hast ihn also, was man so sagt, wiederaufgerichtet – Du, kleine Thea!

Frau Elvsted. Ja, so behauptet er selbst wenigstens. Und er, – seinerseits, – er hat sozusagen einen wirklichen Menschen aus mir gemacht. Mich denken gelehrt – und allerlei verstehen.

Hedda. Hat er Dir vielleicht auch Unterricht gegeben?

Frau Elvsted. Nein, nicht gerade Unterricht. Aber er sprach mit mir. Sprach über so unendlich vieles und mannigfaches. Und dann kam die schöne, glückliche Zeit, da ich an seiner Arbeit teilnehmen durfte! Da ich ihm helfen durfte.

Hedda. So, das durftest Du?

Frau Elvsted. Ja! Wenn er etwas schrieb, so haben wir das immer zusammen gemacht.

Hedda. Wie zwei gute Kameraden also.

Frau Elvsted lebhaft. Kameraden! Ja, denk nur, Hedda, – so nannte er es auch! – Ach, ich sollte mich ja wahrhaft froh fühlen. Aber das kann ich auch nicht. Denn ich weiß ja nicht, ob es von Dauer sein wird.

Hedda. Bist Du denn seiner sonst nicht sicher?

Frau Elvsted gedrückt. Der Schatten einer Frau steht zwischen Lövborg und mir.

Hedda sieht sie gespannt an. Wer kann das sein?

Frau Elvsted. Weiß nicht. Irgend eine aus – aus seiner Vergangenheit. Eine, die er gewiß nie so recht hat vergessen können.

Hedda. Was hat er gesagt – da rüber?

Frau Elvsted. Er hat nur ein einziges Mal – so nebenbei – darauf hingedeutet.

Hedda. Nun? Und was hat er gesagt?

Frau Elvsted. Er hat gesagt, als sie sich trennten, wollte sie ihn mit einer Pistole erschießen.

Hedda kalt, sich beherrschend. Ach was! So was pflegt man doch hier nicht zu tun.

Frau Elvsted. Nein. Und darum glaube ich, es muß die rothaarige Sängerin gewesen sein, die er eine Zeitlang –

Hedda. Ja, das kann wohl sein.

Frau Elvsted. Denn ich erinnere mich, es hieß von ihr, daß sie eine geladene Waffe bei sich führe.

Hedda. So – dann war es natürlich die.

Frau Elvsted ringt die Hände. Ja aber denk Dir bloß, Hedda, – ich höre, die Sängerin, – die ist wieder in der Stadt! – Ach, ich bin der Verzweiflung nahe!

Hedda blickt verstohlen nach dem Hinterzimmer. Pst! Da kommt Tesman. Steht auf und flüstert: Thea, – alles das muß zwischen Dir und mir bleiben.

Frau Elvsted springt auf. Ach ja, – ja! Um Gotteswillen –!

Tesman, mit einem Brief in der Hand, kommt von rechts durch das Hinterzimmer.

Tesman. So, – nun ist die Epistel fix und fertig.

Hedda. Das ist ja schön. Aber Frau Elvsted will jetzt gehen, glaube ich. Wart' ein wenig! Ich begleite sie bis ans Gartentor.

Tesman. Du, Hedda, – könnte vielleicht Berte das da besorgen?

Hedda nimmt den Brief. Ich will es ihr sagen.

Berte kommt vom Vorzimmer.

Berte. Der Herr Assessor Brack ist da und sagt, er möchte die Herrschaft gern begrüßen.

Hedda. Bitten Sie den Herrn Assessor, nur einzutreten. Und dann, – hören Sie, – bringen Sie diesen Brief zum Kasten.

Berte nimmt den Brief. Jawohl, gnädige Frau.

Sie öffnet die Tür dem Assessor Brack und geht ab. Der Assessor ist ein Herr von 45 Jahren. Untersetzt, doch von feiner Gestalt; elastische Bewegungen. Ein rundliches Gesicht mit edlem Profil. Das Haar kurz geschnitten, noch fast schwarz und sorgfältig frisiert. Die Augen lebhaft, beweglich. Die Augenbrauen stark, ebenso der Schnurrbart, mit gestutzten Spitzen. Er trägt einen eleganten Straßenanzug, der aber für sein Alter etwas zu jugendlich ist. Hat einen Kneifer auf, den er hin und wieder fallen läßt.

Brack, den Hut in der Hand, grüßt. Darf man so früh am Tage eintreten?

Hedda. Freilich darf man das.

Tesman drückt ihm die Hand. Sie werden immer willkommen sein! Vorstellend. Herr Assessor Brack – Fräulein Rysing.

Hedda. Oh –!

Brack verbeugt sich. Ah – freut mich sehr –

Hedda sieht ihn an und lacht. Es ist wirklich amüsant, Sie bei Tageslicht in Augenschein zu nehmen, lieber Assessor.

Brack. Verändert – finden Sie vielleicht?

Hedda. Ja, etwas jünger, glaube ich.

Brack. Danke verbindlichst.

Tesman. Aber was sagen Sie zu Hedda! Was? Sieht sie nicht blühend aus? Sie ist förmlich –

Hedda. Ach, so laß mich doch aus dem Spiel! Danke lieber dem Herrn Assessor für die viele Mühe, die er gehabt hat –

Brack. Ach was, – das war mir nur ein Vergnügen –

Hedda. Ja, Sie sind eine treue Seele. Aber meine Freundin steht da und brennt darauf, wegzukommen. Auf Wiedersehen, Assessor! Ich bin gleich wieder da.

Gegenseitige Verabschiedung. Frau Elvsted und Hedda gehen durch die Vorzimmertür hinaus.

Brack. Na, – ist Ihre Frau so einigermaßen zufrieden –?

Tesman. Ja, wir können Ihnen nicht dankbar genug sein. Das heißt, – eine kleine Umstellung, höre ich, ist hier und da noch nötig. Und es fehlt auch noch eines und das andere. Wir werden uns wohl noch ein paar Kleinigkeiten anschaffen müssen.

Brack. So? Wirklich?

Tesman. Aber da sollen Sie nicht mit behelligt werden. Hedda sagte, sie will selbst das besorgen, was noch fehlt. – Wollen wir uns nicht setzen? Was?

Brack. Danke sehr; einen kleinen Augenblick. Setzt sich an den Tisch. Ich möchte gern mit Ihnen über etwas sprechen, lieber Tesman.

Tesman. So? Ah, verstehe! Setzt sich. Jetzt kommt vermutlich der ernste Teil des Festes an die Reihe? Was?

Brack. Ach, mit den Geldangelegenheiten eilt es nicht so sehr. Übrigens hätte ich allerdings gewünscht, wir hätten uns ein bißchen einfacher eingerichtet.