Heimweh Natur - Andreas von Arx - E-Book

Heimweh Natur E-Book

Andreas von Arx

0,0
18,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

- Mit einem Vorwort von Altbundesrat Aldolf «Dölf» Ogi - In seinem Buch «Heimweh Natur» beschreibt Andreas von Arx seine schwierige Zeit in der künstlichen Welt. Die Überreizung, den Drang nach Erfolg sowie das kopfgesteuerte Verhalten veranlassten ihn zum Ausstieg und hinein in die Welt der Natur. Inmitten von Wäldern, Bergen und Seen erzählt der Autor vom einfachen Leben. Er lädt die Leser ein, den Zauber der Natur wieder zu entdecken und gibt Antworten auf drängende Fragen. Es ist ein Buch für Menschen in Zeiten des Aufbruchs und will Anreize zu einem neuen Lebensumfeld geben, das auf Nachhaltigkeit und Schutz der Ressourcen baut. Mit Kapiteln wie: - Der Berg ruft - Ein neues Leben erwacht - Natur pur ist nachhaltig - Auf dem Holzweg - Auf und davon

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 238

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Copyright © 2019 Cameo Verlag GmbH, Bern Alle Rechte vorbehalten. Umschlaggestaltung: Cameo Verlag GmbH, Bern Umschlagabbildung: Cameo Verlag GmbH, Bern Layout und Satz: Cameo Verlag GmbH, Bern ISBN: 978-3-906287-58-4 eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

Widmung

Für meinen geliebten Sohn. Du bist hier in den Bergen in unserem Haus auf der Grimmialp zur Welt gekommen. Mit diesem Buch möchte ich dir erklären, warum du an diesem Ort das Licht der Welt erblickt hast. Nach all den Geschichten verstehst du vielleicht noch besser, warum deine Mutter und dein Vater so leben und dein Umfeld entsprechend gestalten.

Das Buch soll dir erklären, warum wir auf all diese Berge steigen und hier an der Waldgrenze die Bäume umarmen und dem Wasser in den Bächen dankbar lauschen. Du bist für uns das größte Geschenk und wir sind dir dankbar, dass du uns die Möglichkeit gibst, unsere Welt und unser Leben aus der Sicht eines Kindes wiederzuentdecken und nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Ich freue mich darauf, schon bald mit dir meine Erlebnisse zu teilen und über meine Geschichten zu lachen. «Merci viu mau» an alle lieben Menschen, die mich auf meinem Lebensweg begleiten und unterstützen. Ich bin euch so dankbar, dass ich diese Verbundenheit bei all meinen Experimenten und eigenartigen Abenteuern fühlen und euer Vertrauen genießen darf. Ihr gebt mir die Chance, meine Komfortzone zu verlassen und mein Leben selbst zu gestalten. Der größte Dank gilt meiner Frau Sylvia, die mich bestärkt, all meine Ideen umzusetzen.

Inhalt

VORWORT VON Adolf Ogi

Einleitung

KAPITEL 1: Sonntags im Wald

KAPITEL 2: Meine Wünsche als Kind

KAPITEL 3: Irgendwie anders

KAPITEL 4: So tun als ob

KAPITEL 5: Innere Zweifel

KAPITEL 6: Auf dem Holzweg

KAPITEL 7: Auf und davon

KAPITEL 8: Ein richtig guter Plan

KAPITEL 9: Zurück im Hamsterrad

KAPITEL 10: Der Berg ruft

KAPITEL 11: Ein neues Leben erwacht

KAPITEL 12: Natur pur ist nachhaltig

Alles ist miteinander verbunden

Hommage an meine Sinne

Adolf Ogi in seiner Heimat

VORWORT VON

Adolf Ogi

Alt-Bundesrat, ehemaliger Untergeneralsekretär undSonderberater des UNO-Generalsekretärs für Sport im Dienst von Entwicklung und Frieden

Jeder, der mich kennt, weiß, dass die Natur und besonders die Berge meine Heimat sind. Durch meine Funktionen und Aufgaben hatte ich in meinem Leben das Privileg, die ganze Welt zu bereisen und die schönsten Orte zu sehen. Ich wurde in so vielen Ländern von so wunderbaren Menschen eingeladen und herzlich willkommen geheißen. Eines war jedoch immer präsent: die Hingabe zu meiner Heimat und zu meinen Wurzeln. Mir war in jedem Moment bewusst, wo ich hingehöre und wohin ich wieder zurückgehen werde. Hatte ich es einmal kurz vergessen, so erinnerte mich mein Bergkristall in der linken Hosentasche sanft und beständig wieder daran.

Das Verständnis für andere Menschen und deren Kultur lag mir immer am Herzen. Besonders die Offenheit und der Mut, auf andere zuzugehen. Es ist mir ebenso wichtig, dass andere Menschen mich und die Schweiz kennenlernen. Dies ist für mich am einfachsten in der Natur und vor allem in den Bergen. Das Schöne und Liebevolle wie auch das Hartnäckige und Beständige zeichnet unser Land und hoffentlich auch mich aus. Auf Wanderungen rund um Kandersteg war es für mich immer ein leichtes Unterfangen, dies den Menschen zu verdeutlichen.

Unsere Gesellschaft ist an einem Punkt angelangt, an dem die Freundschaft und die Herzlichkeit gegenüber Andersdenkenden leider immer mehr vergessen wird. Die respektvolle Grundlage im Umgang mit Menschen wurde mir von meinen Eltern vorgelebt. Ich habe diese nie vergessen und sie hat mir in meinem Leben viele Türen geöffnet und Freundschaften beschert. Aus diesem Grund ist es mir ein großes Anliegen, diese Wichtigkeit weiterzugeben. Kinder sind die Zukunft unserer Kultur. Damit sie unsere Welt mitgestalten können, brauchen sie ein gesundes Selbstvertrauen und einen respektvollen Umgang. Das beste Umfeld dafür ist die Natur. Sie bietet ihnen alles, um ihr Selbstbewusstsein und ihren Körper zu stärken und Kameradschaften zu fördern. Genau das ist das Ziel der Aktivitäten, die durch unsere Stiftung «Freude herrscht» unterstützt werden.

Andreas von Arx ist ein Freund unserer Familie und Unterstützer der Stiftung. Er nimmt uns in seinem Buch mit auf eine Reise durch sein Leben. Darin enthalten ist ein Leitfaden durch die Natur. Dieser regt zum Denken an und bietet Ideen und Lösungen an, wie wir unser eigenes Leben in Balance halten und wieder Kraft tanken können. Seine außergewöhnlichen Fragen wecken die Leserinnen und Leser auf und führen zu neuen Erkenntnissen über sich selbst und darüber, was im Leben wirklich zählt.

Es wäre schön, wenn dieses Buch unserer Gesellschaft wieder mehr Selbstvertrauen geben würde, um sich mit unserer schönen Natur stärker zu verbinden und sich dort öfters zu bewegen. Dadurch können wir unsere Wurzeln als Nation tiefer verankern und unseren inneren Frieden in die Welt hinaustragen.

Vollmondnacht Richtung Chilei im Diemtigtal

Einleitung

Wir leben in einer ganz besonderen Zeit. Die Natur zeigt uns ihre Kraft und Grenzen und doch meinen wir Menschen, den ganzen Kosmos beherrschen zu können. Ich kann nicht verstehen, warum wir – da zähle ich mich dazu – mit Ehrgeiz und großer Arroganz den Ast absägen, auf dem wir sitzen. Mit großer Überheblichkeit feiern wir den Erfolg und fallen dabei in die Tiefe.

Aus meiner Sicht hat jedes andere Lebewesen auf diesem Planeten einen Weg gefunden, in Symbiose zusammenzuleben, wie ein großer Organismus. Doch wir Menschen zerstören unsere Lebensgrundlage. Und das noch mit Stolz. Mir scheint es, als wäre uns etwas abhandengekommen. Ein Sinn, der uns davor bewahren könnte, uns selbst zu zerstören. Mit den folgenden Zeilen schildere ich mein Leben und was mich dazu veranlasst hat, zurück in die Natur zu ziehen. Dazu gehören eine große Portion Verzicht und ein noch größerer Anteil an Kompromissen, die ich eingehe. Ich bin mir bewusst, dass ich mit meinem jetzigen Lebensstil kein Ideal verkörpere, geschweige denn ein Vorbild für Menschen auf dieser Welt bin – ganz im Gegenteil. Vielleicht bin ich einfach auf der Suche nach meiner ursprünglichen Kraft und nach der tiefsten Verbundenheit mit dem, was da ist und was uns von der Natur geschenkt wird. Durch die Reflexion meiner Erfahrungen, Gedanken und Entscheidungen in diesem Buch möchte ich aufzeigen, weshalb ich mein Leben so gestaltet habe – in dieser Verbundenheit mit der Natur. Es war das Leben selbst, das mich vor die Wahl gestellt hat, entweder im Sinne des großen Ganzen oder begrenzt auf meine Bedürfnisse und mein Wohlergehen zu handeln.

Wenn ich rückblickend die Weggabelungen meines Lebens betrachte, fällt mir eines besonders auf: Ich habe mir bei Entscheidungsfindungen grundlegende Fragen gestellt, die mir einen besseren und größeren Überblick verschafft haben. Nicht, dass ich die Antworten dabei immer gefunden hätte; es war eher eine Überprüfung meines Fokus. Eine Schärfung meines Blickes auf die Dinge, die mir bevorstanden. Oft war mir viel klarer, was ich nicht wollte, als das, was ich gern gehabt hätte. Doch bereits diese Klarheit des Nichtwollens wechselte meine Gedanken und Vorstellungen in neue Bereiche, die vorher nicht zur Option standen.

Aus diesem Grund folgen am Ende jedes Kapitels Fragen zum zuvor beschriebenen Thema. Sie dienen der Aktivierung versteckter Erinnerungen und darauf basierend als kritische Überprüfung der aktuellen Lebenssituation in Bezug auf das Leben und die Natur.

Als Hypnosetherapeut und Emotionscoach im Bereich der persönlichen Entwicklung und Veränderung führe ich meine Klienten im Einzelgespräch oft in einen Zustand der Ruhe und Stille. Meine Aufgabe sehe ich darin, ihnen den Raum zu schaffen, sich ganz auf sich und ihre vorhandenen Ressourcen einzulassen. In den Jahren meines Schaffens hat sich diese Arbeitsweise sehr bewährt. Die Klienten stärken ihr Selbstvertrauen und entwickeln für viele Themen eigene und dadurch für sie glaubhafte Lösungswege. Um diese Übung der Entspannung zu erleichtern, frage ich sie zu Beginn nach einem bestimmten Ort; einem Ort, an dem sie sich angenehm entspannt und gelassen fühlen. Da, wo sie gern gewesen sind und gern wieder sein würden. Ein Platz, der ihnen ein einmaliges Gefühl der Geborgenheit vermittelt hat. Noch nie hat mir jemand in diesem Moment gesagt, dieser Platz sei auf dem Sofa vor dem Fernseher oder im Auto im Abendverkehr oder am Arbeitsplatz, wo viele Menschen die längste Zeit des Tages verbringen, oder im Flugzeug am Fenster. Diese waren keine Orte der Gelassenheit. Im Gegenteil. Es werden immer und immer wieder die außergewöhnlichsten Orte in der Natur genannt. Zum Beispiel auf einer Blumenwiese sitzend, in einem warmen Sommerwind; oder auf einer Bank unter einem großen Baum mit Blick über Felder und Landschaften; oder an einem Bach, neben einem das Plätschern des Wassers, das von Stein zu Stein fließt, umgeben von Pflanzen und Büschen; oder im Wald auf einer Wurzel, angelehnt an einen bestimmten Baum – umgeben von warmem Moos und zauberhaften Sonnenstrahlen, die durch die Blätter fallen; oder an einem Strand sitzend, vor der Weite des Meeres, die Wellen rauschen sanft und man spürt ein warmes Kribbeln von dem Sonnenlicht auf der Haut; oder auf einem Berg mit dem Blick in die weite Ferne, in den blauen Himmel mit sanften Quellwolken. Ich möchte hier anmerken, dass diese Orte auch von Menschen gewählt werden, die seit jeher in der Stadt leben und ihre Freizeit nicht in der Natur verbringen.

Warum ist das bei vielen Menschen so? Warum fühlen sie sich in der Natur wohl? Weshalb gibt ihnen dies ein einzigartiges ruhiges Gefühl? Mit Blick auf mein Leben gehe ich in diesem Buch diesen Fragen nach. Dafür nutze ich die Du-Form, damit du, lieber Leser, die persönliche Nähe zu den Themen leichter fühlen kannst. Ich möchte dir aufzeigen, wie ich in meinem Leben mit Herausforderungen umgegangen bin und dabei wesentliche Entscheidungen für meine persönliche Entwicklung getroffen habe. Weiter erkläre ich dir, weshalb ich heute mit meiner Familie in den Bergen auf der Grimmialp wohne und diese Nähe zur Natur im täglichen Leben intensiv spüre.

Das Buch bietet dir alternative Lösungswege für verschiedene Lebensbereiche. Mit den Reflexionsfragen hast du die Möglichkeit, bestimmte Lebenssituationen zu hinterfragen und selber mögliche Antworten für deine Lebensgestaltung auf einfache Weise zu finden. All diese Erkenntnisse für ein Leben voller Leichtigkeit vermittle ich dir liebevoll eingepackt in persönlichen Geschichten. Im Buch sind überall delikate Rosinen versteckt und jede und jeder darf diese selber finden und entdecken.

Im Wald bei Oberdettigen nahe Bern

KAPITEL 1:

Sonntags im Wald

«Der Nährboden meines Lebens entstehtaus dem Vorgelebten meines vertrauten Umfeldes.»

Wie jeden Sonntag gehörte es in unserer Familie zum wöchentlichen Ritual, sich in der Natur, dies meistens im Wald oder in den Bergen, zu bewegen. Neben den üblichen samstäglichen Gartenarbeiten war die Wanderung am Sonntag ein fester Bestandteil unserer Wochenroutine. Es war das Normalste der Welt und gehörte zu meinem Leben wie alle anderen Rituale, die von meiner Familie vorgelebt wurden. Erst viel später habe ich realisiert, dass dies nicht in allen Familien gleich war. Obwohl zwischendurch Ausnahmen oder Kompromisse gemacht wurden, war es für meine Eltern ein wichtiger Teil der Erziehung, uns 4 Kinder in die Natur zu führen. Das dort gebotene Unterhaltungsprogramm war für mich vollkommen: Es gab Bäume zum Klettern, Tannenzapfen zum Werfen, Hölzer zum Balancieren, Bäche zum Stauen und Büsche zum Verstecken. Für mich war es das Spielzimmer der großen Welt mit klaren Grenzen. Alles war bereits vorhanden. Ich musste mir nichts wünschen oder mit großem Aufwand von außen beschaffen. Suchen und finden reichten völlig aus. Es war einfach alles bereits da im Spielwald der Natur. Zum Teil waren es einzelne Bausteine, die wie bei Lego zuerst zusammengefügt werden mussten. Andererseits gab es von der Natur geformte Dinge, die wie bei Playmobil spielbereit waren. Für mich war dies die Überfülle, der Kreativität waren keine Grenzen gesetzt. Ich fühlte mich an diesen Orten richtig zu Hause. Sobald ein Waldrand auftauchte, wollte ich schnell wieder zurück in die Welt der Bäume. Felder sowie kleine Dörfer dienten nur als Brücken zwischen den Spielzimmern, die rasch überwunden werden mussten.

Bezüglich des Wetters gab es bei meinen Eltern keine Ausrede. Egal wie nass oder kalt es war: Wir waren draußen unterwegs und haben oft die Belastbarkeit unserer Kleider getestet oder überstrapaziert. Dies klingt bestimmt für die meisten nicht außergewöhnlich. Auch mir ist erst später aufgefallen, dass die Grenzen meiner Eltern in Bezug auf die Natur woanders lagen als bei anderen. In unserem Garten hatte mein Vater aus großen Telefonmasten aus Holz ein mehrere Meter hohes Turngestell gebaut, das ich in dieser Größe nirgends sonst gesehen habe. Mit Kletternetz, Reckstange, Trapez, Schaukel und einigem mehr. Sogar für ihn war das Gebilde grenzwertig. Eines Nachts träumte er mit Schweissausbrüchen vom Zusammenbruch seines Werkes über uns Kindern. Dies war für ihn so heftig, dass er am nächsten Tag das ganze Bauwerk demontierte und die Masten noch tiefer im Boden verankerte. Wie dieses Beispiel zeigt, war die Sicherheit ein Werkzeug, um die Natur noch intensiver zu erleben. Selten war sie die Grenze oder sogar ein Verbot. Solange es über einem noch Äste gab und der Stamm des Baumes sich nicht neigte, konnte man ohne Weiteres höherklettern. Bäche und Flüsse wurden durchschwommen, solange im Voraus die Kälte, die Strudel und die nächsten ruhigen Ausstiegsstellen erkundet worden waren. Eisflächen wurden grundsätzlich betreten, solange man sich der Tiefe des Wassers, der Nähe des Ufers und der Dicke des Eises bewusst war. Pulverschneehänge wurden meistens befahren, wenn man die Spur dem Schneeprofil und der Hanglage anpasste.

Die Bewegung an der frischen Luft war die Hauptsache. Sie war das Ziel. Mehr gab es nicht. Es standen kein Gipfel und kein bestimmter Weg auf dem Programm. Oft wurde zu Hause das mögliche Gebiet eingegrenzt, doch die Lage vor Ort konnte schnell zu einer neuen Entscheidung führen. Für meine Eltern war es kein Aufwand, weiter entferntere Wälder, Seen oder Berge auszuwählen und somit längere Autofahrten in Kauf zu nehmen. Ich kannte die verschiedenen Fahrstrecken bereits im Schlaf und wusste, welche Kurve nach welcher folgte. Für mich wurden diese Gebiete zu einem erweiterten Garten meines Spiels. Natürlich gab es zwischendurch Ausflüge, wo Kulturgüter auf dem Programm standen. Doch konnten diese nicht mithalten, wenn die Alternative eine zauberhafte Waldlichtung umgeben von großen, kräftigen Bäumen und sanftem Waldboden war.

Weg frei

Bei diesen Ausflügen entdeckte ich für mich die Freiheit, die Wege zu verlassen. Außer dass auf ihnen eine schnellere Laufgeschwindigkeit zu erreichen war, gab es für mich keinen Grund, Wege zu nutzen. Viel schöner war es, sich eigene Wege zu suchen und zwischen all den Bäumen und Büschen, Hindernissen und Gräben den passenden Weg zu finden. Je öfter ich es machte, desto erstaunter war ich, wie sich Schlupflöcher und Durchgänge erst bei genauerer Betrachtung ergaben. Dabei war es ein Balanceakt, keine Äste zu knicken und keine Spuren zu hinterlassen. Natürlich zeigte es sich schnell, dass es in unseren Wäldern fast keine wegfreien Zonen gab, solche, die nicht bereits von Wildtieren, Jägern oder Förstern betreten worden waren. In unserem Gebiet waren die Wälder zusätzlich von keltischen Grabhügeln und Schützengräben aus dem Ersten Weltkrieg durchsetzt, was ihre Unberührtheit erst recht zum Wanken brachte. Umso mehr motivierte es mich, in Wäldern die Orte zu finden, die sich unberührt und natürlich anfühlten. Diese nannte ich dann Feenlandschaften – Plätze, die eine bestimmte Reinheit ausstrahlten und wo sich die Natur auf ihre einzigartige Weise zeigen konnte. Dort fühlte ich mich wie zu Hause. Oft legte ich mich an solchen Orten flach auf den Waldboden, schloss die Augen und versuchte, mit der Natur eine Einheit zu bilden. Als würde sich jede Zelle meines Körpers mit dem Umfeld verbinden und eins werden. Da konnte ich ganz alleine für mich verweilen. Die Zeit verlor an Bedeutung. Es war für mich ein tiefes Gefühl der körperlichen Verbundenheit mit der Erde.

Reizvoll für meine Sinne

Neben diesen einzigartigen Stätten war der Wald unermesslich. Sobald die ersten Bäume den Waldrand verdeckten, zeigte sich mir die grenzenlose Größe des Waldes. Es war mir egal, wo er begann und wo er endete. In meiner Vorstellung ergab sich eine unendliche Weite. Alles war so intensiv und fühlbar, dass ich damals überwältigt war von all den unermesslichen Reizen. Öfters bewegte ich mich allein mit dem Tastsinn durch das Dickicht und die Baumstämme hindurch. Wie konnte die Natur nur so eine zauberhafte Vielfalt erschaffen? Auf einer Fläche von wenigen Quadratzentimetern fühlte sich ein junges zartes Blatt so sanft an wie eine Vogelfelder. Gleich daneben kratzte die Rinde von einer jahrhundertealten Eiche wie grobes Schmirgelpapier an der Handoberfläche. Wenn Zweige mein Gesicht berührten, wurde ich zum Teil leicht und zärtlich gestreichelt oder wie von einer harten Speerspitze am Weitergehen gehindert. Der Boden zeigte sich auf diesen Entdeckungsreisen von seiner abwechslungsreichsten Seite, wenn man die Augen geschlossen hatte. Leicht schwammiger Moosboden erzeugte kaum Widerstand beim Betreten und ließ das Gefühl aufkommen, langsam ins Bodenlose abzusinken. Und wenige Meter daneben führte eine nackte, glitschige harte Wurzel zu einem Seiltanz, um das Gleichgewicht beim Gehen zu behalten.

Die Reize für die Augen standen denen für den Tastsinn keinesfalls nach. Ich konnte stundenlang einem Sonnenstrahl zusehen, wie er sich einen Weg zwischen den Baumkronen und Blättern suchte, um irgendwo im Wald den Boden zu küssen. Und was ich damals nicht verstehen konnte: wie Sonnenlicht plötzlich auf seinem Weg durch die Luft als Strahl sichtbar werden konnte. Kein Nebel hing in der Luft und doch zeigten sich die Lichtstrahlen so klar und abgegrenzt, als hinge die Sonne als Lichtkörper direkt über den Baumwipfeln. Umso schöner leuchteten dann die Reflexionen am Boden auf den verschiedenen natürlichen Unterlagen; Blätter begannen in allen Farben zu strahlen. Die Holzrinde zeigte sich wie ein tiefer poröser Untergrund mit Schluchten und Bergen. Schattenwürfe der Baumstämme und Äste erzeugten eine neue, abstrakte Welt der Kontraste. Im Frühling zeigten sich die frischen Blätter und Tannennadeln im Wald in einem hellen leuchtenden Grün, als wären sie selbst die Lichtquelle. Der Herbst brachte mit den vergilbten Blättern eine Farbenvielfalt, auf die meine Augen oft mit Tränen reagierten. In dieser Zeit hatte sich die Sommerwärme bereits verabschiedet und die herbstliche Kälte brachte die Vorläufer des Winters. Doch die Buntheit der Blätter zauberte mit den Farben von tiefem Rot über Ockerbraun bis hin zu einem leuchtenden Gelb eine Wärme in die Augen, dass die Kälte kaum noch fühlbar war.

Die Düfte waren für mich im Wald so angenehm und intensiv, wie ich es kaum woanders erfahren konnte. Den Geruch des feuchten Waldbodens kann ich heute immer noch nicht beschreiben, doch war er für mich bereits damals als Kind unverkennbar. Er zauberte ein Gemisch aus pflanzlichen Ölen, Frische und Säure sowie milder Süße in die Luft. In der Nähe eines gefallenen Baumes oder eines frisch zersägten Stammes war der Duft von Holz so bezirzend, dass ich wie ein Süchtiger versuchte, diese Stoffe zu inhalieren. Vor allem im Winter, wenn frisch geschlagenes Holz im Wald lag, lag der Duft rein und magisch in meiner Nase.

Die Reize für mein Gehör waren im Wald mit denen für die anderen Sinne kaum vergleichbar. Was die Berührung, das Licht und der Duft mir als Zustände zeigten, waren für mich die Klänge ein Zeichen der Bewegung. Es fühlte sich an, als würde bei einem Geräusch in meinem Kopf ein ganz anderer Hirnbereich stimuliert. Obwohl ich mit meinen Augen oder mit meiner Haut Bewegungen feststellen konnte, waren diese Wahrnehmungen nie so tief greifend wie die über das Hörorgan. Das Gehörte erzeugte in Millisekunden eine grenzenlose Fantasie; ein Rascheln im Unterholz brachte eine Fülle an Tierbildern hervor.

Die Fantasie im Kopf führte zu einer tiefen Ruhe im Körper. Stillstand und absolute Bewegungslosigkeit wurden zu meinem gewohnten Verhalten, wie ein Reh, das den Kopf streckt und starr stehen bleibt. Es gab für mich im dichten Wald ja keine Rückzugsmöglichkeiten. Ich verharrte in dieser Haltung, um weitere Geräusche hören zu können und um meine Vorstellungskraft zu schärfen. Oft fühlte ich in mir eine innere Freude darüber, etwas Lebendiges aufzuspüren, und gleichzeitig ein Unbehagen, was das Unbekannte wohl sein könnte. Dieser Mix führte zu einem Freudenschreck, sobald ich sah, was es war. Mir blieb ein sanftes Lächeln auf den Lippen, wenn das Tier die Flucht ergriff und der Wald wieder in die tiefe Stille eintauchte.

Oh Tannenbaum

Unser Garten zu Hause war aus meiner Sicht sehr gepflegt. Doch stand in fast jeder Ecke und Nische irgendein Topf mit einer speziellen Pflanze. Mein Vater hat es sich zum Hobby gemacht, Tannen selbst zu ziehen. Von der Wahl der Samen über die Aufzucht bis hin zum Fällen und Verholzen bot sich der ganze Kreislauf in Miniatur im Garten an. Die Gartenplanung stand vor der Herausforderung, wo noch weitere Standorte für die Weihnachtsbaumzucht zu finden waren. Kein Weihnachtsfest ist mir in Erinnerung, an dem wir den Baum nicht selbst im Garten gefällt haben. Da unser Garten nicht riesig war, wuchsen einige Tannen sehr dicht beieinander und entsprachen nicht gerade dem Ideal eines Weihnachtsbaums, wie sie in den Katalogen für Festtagsschmuck abgebildet waren. Mein Vater führte mich deshalb in die Kunst des Tannenästeverpflanzens ein. Während die Nachbarn bereits dabei waren, Kugeln an ihren Baum zu hängen, sammelte ich noch weitere Tannenäste, um unserem Baum mehr Fülle zu geben. Dem mehrere Meter hohen Baum wurden an den freien Stellen im Stamm Löcher gebohrt und die zugespitzten Tannenäste in die Nischen eingepasst. Dies war unsere Schönheitschirurgie zur Weihnachtszeit. Im Wohnzimmer wurde er dann oft bis Ende Januar liebevoll gegossen und mit Wasser besprüht. Obwohl es vorbestimmt war, den Baum zu fällen, war mein Vater darauf bedacht, dieses Lebewesen mit Respekt und Dankbarkeit von der Keimung an zu pflegen und zu behüten. Ich habe dadurch Bäume erlebt, die mit mir gemeinsam gewachsen sind. Sie waren nicht einfach nur Holz – sie waren ein Teil der Natur, voller Leben und mit einer besonderen Bedeutung. In all den Jahren im Garten boten sie Tieren einen Lebens- und Schutzraum.

Haut der Erde

Aus einem bunten Kinderbuch zum Thema Wälder auf unserem Planeten habe ich erfahren, dass die Bäume das Lebenselixier einer intakten Natur sind. Die Bäume beschützen die zarte Haut der Erde und alles Leben im Wald. Die Wurzeln bilden den Untergrund. Die Stämme und Äste bedecken den Boden vor dem grellen Sonnenlicht und bieten Schutz vor Wind und Schnee. Blätter und Nadeln liefern Sauerstoff und halten die Feuchtigkeit am Boden. Es herrscht ein eigenes tropisch feuchtes Klima in jedem Wald. Die aufsteigende Feuchtigkeit führt zu Wolken und Niederschlag und der feuchte Boden speichert Wasser und gibt es in Form von Quellen wieder an die Oberfläche ab. Die Blätter sowie das Holz enthalten Nährstoffe für alle Waldbewohner. Es ist ein intaktes in sich geschlossenes System, das einen der wichtigsten Kreisläufe schließt. Jede Rodung führt unweigerlich zu einer umfassenden Veränderung des Klimas. Starke Sonneneinstrahlung trocknet den Boden aus. Die Vegetation verändert sich und dadurch gibt es weniger Tiere. Es gibt weniger Wolken und somit seltener Niederschläge. Stürme wehen ungebremst über die Landfläche. Wenn es dann regnet, kommt es zu Sturmfluten, da der Boden nicht genug Wasser aufnehmen kann. Es gibt keine Stämme, die das Wasser bremsen. Schneemassen führen unweigerlich zu Lawinen, wenn kein Schutzwald sie zurückhält. Der Wald ist von Natur aus ein zentraler Bestandteil einer intakten Welt. Dies durfte ich als Kind mit all meinen Sinnen erleben und es hat mich tief geprägt.

Reflexion zum Wald

Wie bei einem Baum im Wald wird mir in der Kindheit ein Nährboden angeboten, in den ich meine Wurzeln schlagen darf. Ich bin umgeben von anderen, die mich versorgen und beschützen und meine Weitsicht bestimmen. Es wird mir vorgelebt, in welche Richtung ich wachsen und mich entfalten kann. Die Höhe und Weite meiner persönlichen Entwicklung fügt sich in den Rahmen meines Umfeldes ein. Im Gegensatz zu Bäumen habe ich jedoch Hände, um mein Leben nach eigenem Ermessen zu gestalten. Ich habe Beine, um den Nährboden zu suchen, der zu meinen Wünschen passt.

In meinem Leben stelle ich mir laufend viele Fragen. Sie helfen mir, meine Wurzeln zu erkennen und meine Richtung des Wachstums zu bestimmen. Ich lade dich gerne ein, dir die folgenden Fragen zu stellen und mit Deinen Antworten neue Erkenntnisse zu gewinnen.

In was für einem Umfeld bin ich aufgewachsen?

Welcher Nährboden stand mir zur Verfügung?

Wo fanden meine Wurzeln Halt und Kraft fürs neue Leben?

Welche Entfaltungsmöglichkeiten wurden mir vorgelebt?

Was und wer hat mich dabei inspiriert?

Was verzaubert mich in einem Wald?

In welchem Wald steht mein Lieblingsbaum?

Wann laufe ich abseits vom Weg quer durch den Wald?

Wo bin ich auf einen hohen Baum geklettert?

Wann habe ich das letzte Mal einen Baum gepflanzt?

Stall nördlich vom Seebergsee

KAPITEL 2:

Meine Wünsche als Kind

«Die Natur hat nicht vorgesehen, unser Leben vorzubestimmen.Wir sind frei, es zu gestalten.»

Träumen war für mich als Kind etwas Wunderschönes. Ich konnte mir die kühnsten Abenteuer ausmalen und in diesen Geschichten aufgehen. Es reichte für mich, die Augen zu schließen und das Gedankenspiel zu starten. Am wohlsten fühlte ich mich, wenn ich ganz für mich allein in der Natur war. Ich ließ mich irgendwo nieder und begann, die Wunschgeschichte in meinem Kopf zu gestalten. Wenn etwas nicht passte, spulte ich zurück und veränderte die Grundlagen. Es waren keine Helden- und auch keine großen Erfolgsgeschichten, sondern einfach ganz gewöhnliche Abenteuer eines Kindes, das die Welt entdecken will. Es gab aber auch Vorstellungen, über deren Ursprung ich auch heute noch rätsele. Eines war jedoch bei all diesen Träumen und Wünschen da: der Bezug zur Natur und vor allem zu den Bergen.

Am Seil über Firne

Ich vermute, dass bereits meine Großeltern einen wesentlichen Grundstein für meine Freude an den Bergen gelegt haben. Sie liebten es, als Stadtbewohner in der freien natürlichen Umgebung der Schweiz unterwegs zu sein und den Wald wie auch die Berge zu bewandern. Mir sind die legendären Frühlings- und Sommerwanderungen über Schneefelder am Seil und das Erklimmen von Alpen und Bergen noch gut in Erinnerung. Das Ziel war immer, draußen zu sein. Sogar bei wunderschönen Alphütten haben es meine Eltern vorgezogen, mit Windjacke und Wolldecke auf der Terrasse den bereits abgekühlten Tee zu trinken, als sich ins Innere der gemütlichen Stube zurückzuziehen.

Wo immer wir ein Stückchen Schnee entdeckten, haben wir es betreten. Im Rucksack hatte mein Vater oft kleine Firngleiter dabei. Dies sind sehr kurze Ski, die mit Wanderschuhen genutzt werden können. Oben am Schneefeld angekommen wurden die Wanderschuhe mit Riemen am Ski festgezurrt und schon konnte ich auf dem Schneefeld heruntersausen. Elegant sah es natürlich nicht aus. Es war ein Abenteuer: keine Stöcke, Skier ohne Kanten, noch dazu vereister Schnee und keine Ahnung, wie ich bremsen sollte. Die Schneefelder lagen oft in einer steilen Nordflanke mit minimaler Sonneneinstrahlung, sonst wäre der Schnee schon lange weggeschmolzen. Dieser Segen war auch ein Fluch. Die erreichbare Geschwindigkeit war sehr hoch und das Ende abrupt: Meistens waren dort Felsen oder große Steinbrocken, die frei von Schnee waren. Die schnelle Suche nach Auswegen wurde zur Überlebensfrage. Waren die Skier nicht dabei, so haben wir uns einfach auf die Regenjacken gesetzt und sind auf dem Po hinuntergesaust. In der Ferienzeit war es üblich, dass wir mehrere Tage unterwegs waren und in SAC-Hütten oder bei Bauern im Stroh übernachtet haben. Damals war das Klohäuschen einer unserer beliebtesten Berghütten noch 20 Meter vom Haupthaus entfernt. Das Sitzbrett mit Loch stand über einer kleinen Felswand. Wenn dann eine Windböe zum falschen Zeitpunkt nach oben stieg, konnte man das Geschehen hautnah mitfühlen.

Aussicht bis ans Ende der Welt

Ich bin mir heute sicher, dass in meiner Kindheit der Heidi-Film aus dem Jahr 1978 mit den idyllischen Szenen von der Alp seinen Beitrag zu meiner Begeisterung für die Berge geleistet hat. Es gab für mich nichts Schöneres, als auf eine Anhöhe zu steigen und die Weitsicht zu genießen. Als Kind hatte ich dank dieser Aussicht die Möglichkeit, meine kleine Welt aus der Vogelperspektive zu betrachten und neue Horizonte zu entdecken. Ebenso half es mir, eine Karte im Kopf zu gestalten und mich damit im Gelände zu orientieren. Noch heute bin ich dieser Fähigkeit sehr dankbar. Bei noch so dichtem Nebel oder Schneegestöber fand ich bisher immer den richtigen Weg ins Tal zurück.