Herbstnovelle - J. Walther - E-Book
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J. Walther

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Beschreibung

Nach neun Jahren Beziehung heiraten Peter und Andreas an einem schönen Herbsttag – am Krankenbett. Trotzdem ist es ein schöner Tag, umgeben von ihren Freunden. Neun Tage später stirbt Peter und lässt seinen deutlich jüngeren Partner allein zurück. Familie und Freunde helfen Andreas, sich nicht in seiner Trauer zu verlieren. Insbesondere ist da Mark, der gern mehr für Andreas wäre und bereit ist zu warten. Doch Andreas braucht nicht nur Zeit, sondern weiß auch nicht, ob er seinen besten Freund nur hinhält. Der Kurzroman ist eine Fortsetzung von »Im Zimmer wird es still« (B. Gmünder Verlag 2011). Er ist auch unabhängig lesbar.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Table of Contents

Title Page

Inhalt

Widmung

Zitat

Teil 1

~ 1 ~

~ 2 ~

~ 3 ~

~ 4 ~

~ 5 ~

~ 6 ~

Teil 2

~ 7 ~

~ 8 ~

~ 9 ~

~ 10 ~

~ 11 ~

~ 12 ~

~ 13 ~

Teil 3

~ 14 ~

~ 15 ~

~ 16 ~

Epilog

Nachwort

Impressum

Im Zimmer wird es still

 

J. Walther

Herbstnovelle

 

 

 

Kurzroman

 

 

 

 

 

 

Nach neun Jahren Beziehung heiraten Peter und Andreas an einem schönen Herbsttag – am Krankenbett. Trotzdem ist es ein schöner Tag, umgeben von ihren Freunden. Neun Tage später stirbt Peter und lässt seinen deutlich jüngeren Partner allein zurück. Familie und Freunde helfen Andreas, sich nicht in seiner Trauer zu verlieren. Insbesondere ist da Mark, der gern mehr für Andreas wäre und bereit ist zu warten. Doch Andreas braucht nicht nur Zeit, sondern weiß auch nicht, ob er seinen besten Freund nur hinhält.

 

Der Kurzroman ist eine Fortsetzung von »Im Zimmer wird es still« (B. Gmünder Verlag 2011).

 

 

 

 

 

Für meine Eltern

 

 

 

 

Wenn du fällst,

weiß ich wohin

und halte dich.

 

Genauso wird es sein.

Eines Tages,

in einem Leben nach diesem.

Levi Frost, Irgendwann

 

 

 

 

 

Teil 1

 

~ 1 ~

 

Der Apfelkuchen erfüllt den Hausflur mit seinem Duft. Peter hatte ihm ausreden wollen, dass er extra noch bäckt, aber er bereut es nicht. Der Kuchen ist einfach, die Äpfel von der Wiese hinten sind mit Zimt bestreut, der Teig locker. Er kann es Peter nicht erklären, weil es albern ist, aber dieser Kuchen hatte sich vor zwei Wochen fest mit seiner Vorstellung von diesem Tag verbunden. Und er hat sogar noch einen Pflaumenkuchen gebacken, einen einfachen Streuselkuchen mit eingefrorenen Pflaumen, die ihm Katharina gegeben hat. Sie will eine Torte herüberbringen und seine Mutter hat herzhaft gefüllte Blätterteigtaschen von zu Hause mitgebracht.

Das Buffet ist schon geliefert – nichts Großes, Suppen und Fingerfood, einige Leute werden noch Salate mitbringen. Mit Mark hat er Getränkekisten geholt, nichts Wildes, Limonade und Bier. Es soll ja keine Feier werden, bei der Essen und Trinken im Mittelpunkt steht. Peter hatte zwischendurch auch überlegt, dass sie nichts außer Sekt anbieten müssten, aber als er merkte, wie wichtig es ihm war, sofort eingelenkt.

Im mit alten Steinplatten ausgelegten Hausflur ist es jetzt noch etwas duster, aber am Nachmittag wird die Sonne vom Hof hereinfallen. Das wird schön sein. Er tritt vor die Haustür. Das Wetter ist perfekt, der goldene Oktober hält sich noch. Die Linde auf dem Hof leuchtet blassgelb, der Himmel ist blau. Es ist das perfekte Wetter zum Heiraten. Sie werden dabei drinnen sein, aber trotzdem.

Pauls Auto hält vor dem Hof. Nachdem er ausgestiegen ist, holt er noch etwas vom Beifahrersitz – anscheinend Blumen. Ein Gesteck. Paul kommt auf ihn zu und umarmt ihn mit einem Arm, küsst ihn auf die Wange.

»Was ist das?«, fragt er auf das Gesteck deutend, obwohl es ja offensichtlich ist.

»Ich habe noch eins im Auto, und Efeu, damit mache ich eine Girlande um eure Tür. Das wird toll aussehen.«

»Äh …« An Blumen hat er überhaupt nicht gedacht. War das nicht zu viel? Aber nun hat Paul sie ja schon mitgebracht und – sicher wird es schön aussehen. Keiner von ihnen wird einen Blumenstrauß halten, sie sind ja keine Bräute, aber ein Gesteck kann nicht schaden.

Paul ist gestern eine weite Strecke gefahren, um heute hier zu sein. Wenigstens ist die Weinlese auf dem Gut schon größtenteils abgeschlossen. Viele wollen kommen, auch wenn es nur für wenige Stunden ist. Es ist überwältigend. Außer seiner Mutter schlafen alle, die von weiter her kommen, im Hotel. Peters Eltern kommen natürlich nicht, sein Vater ist ja zu krank. Dem Bruder, der in den USA lebt, hat Peter noch nicht einmal Bescheid gesagt. So ganz kann er das nicht verstehen, aber die Brüder haben sich wohl zu sehr auseinandergelebt. Er hat diesen so erfolgreichen Bruder in den ganzen neun Jahren an Peters Seite nicht kennengelernt.

Er löst sich von seinen Gedanken und geht mit Paul ins Haus. Sie stellen das Gesteck aufs Sideboard und Paul tritt zu Peter ans Bett, umarmt ihn fest. Sie küssen sich auf den Mund.

»Schön, dass du da bist«, sagt Peter warm. Er streicht über Pauls runden Bauch. »Abgenommen?«

»Ein bisschen.« Paul lächelt zufrieden. »Habe euch Blumen mitgebracht.«

»Oh ja, sehr schön.« Peter nickt. Er wirkt noch munter und frisch, trägt schon das Hemd für später, das Jackett werden sie dann anziehen. Sie haben über richtige Hosen geredet, aber es ging einfach nicht. Er hat eine einfache schwarze Jogginghose aus glattem Stoff gekauft. Sie haben sie heute Morgen zusammen mit der Pflegerin mühsam angezogen. Es ist das beste, was sie machen konnten, aber eine Sekunde macht es ihn traurig, dass Peter nicht mal in einer Anzughose heiraten kann. Dabei ist das doch nur eine Kleinigkeit.

Paul ist hinausgegangen, um sich mit dem Efeu zu befassen. Peter streckt die Hand nach ihm aus.

»Hey, alles in Ordnung?«, fragt Peter, als er an seiner Seite steht.

»Klar. Bald wird es hektisch werden, wenn alle kommen.«

»Aber nein, ihr habt alles wunderbar vorbereitet. Es wird gut.«

»Ja.« Er küsst Peters Stirn. Der schließt einen Moment die Augen. Seine Lippen werden weich, seine Züge entspannen. Er küsst Peters Mund und der küsst ihn zurück. Seine Hand streichelt Peters Hals. Sie haben sich heute schon mehrmals geküsst, ihm wird fast schwindlig davon – von der Nähe und dem Glück, winzige Momente lang.

Tamara zerstört diesen Moment, sie öffnet die Tür mit Schwung, kommt wohl aus dem Bad, wo sie sich noch etwas aufhübschen wollte. Er schreckt hoch und Tamara murmelt eine Entschuldigung, aber sie strahlt.

»Wie liegen wir im Zeitplan?« Sie wirft ihr langes schwarzes Haar nach hinten.

»Zehn Uhr zwölf – die Frisur sitzt!«, antwortet er. Tamara lacht schallend und selbst Peter lacht, auch wenn sich ein Husten anschließt.

»Na weißt du, eure Kellnerin muss doch perfekt aussehen!«

Er hofft, irgendwann einmal wieder mit Tamara zu arbeiten, dabei waren sie zuletzt in unterschiedlichen Restaurants angestellt gewesen. Heute würde sie nur ein Auge aufs Buffet und die Getränke haben, aber nicht wirklich servieren.

Katharina schaut zur Tür herein, eine Torte in den Händen. »Ich stell sie aufs Buffet, ja?«

Er löst sich von Peter. »Die sieht ja fantastisch aus!« Er folgt den Frauen in den Hausflur, wo sie der Torte einen besonderen Platz auf dem Buffet freimachen. Paul hat derweil die Haustür verziert, er tritt hinaus, um es sich anzusehen. Die Efeugirlande wirkt ländlich und ein bisschen aus der Zeit gefallen. »Schön«, sagt er leise.

Paul legt den Arm um ihn und drückt ihm einen Kuss auf die Schläfe. »Gern.«

Ein bisschen überflüssig ist der Schmuck am Türstock vielleicht, wenn ein Bräutigam ihn gar nicht sehen kann, aber es ist ja auch für die Gäste. Zwei Autos halten vor dem Hof, einige Freunde von ihnen steigen aus. Eigentlich sind es eher Freunde von Peter – nur mit Mark und Paul ist er eng befreundet. Dabei ist Paul sogar älter als Peter, aber sie haben sich von Anfang an gut verstanden. Nun sind sie fast vollständig. Schwester Annegret hatten sie noch eingeladen, aber die konnte ihren Dienst nicht tauschen. Er begrüßt die neuen Gäste mit lockeren Umarmungen und Küsschen.

Mark kommt abgehetzt an. Er hatte eine lange Nachtschicht, das konnte er nicht ändern. Sie begrüßen sich mit einer Umarmung und er führt Mark ins kleine Schlafzimmer, wo dessen Anzug hängt, den er schon vor zwei Tagen mitgebracht hat.

»Tut mir echt leid, dass ich nicht helfen konnte«, sagt er und zieht seine Sanitäterjacke mit den Leuchtstreifen aus.

»Wirklich kein Problem, Tamara und meine Mutter haben doch geholfen und Paul kam dann auch.« Er lehnt sich an den Schrank, atmet kurz durch.

»Ah verdammt, kann ich noch duschen?«

»Wenn du dich beeilst«, er schaut auf seine Uhr, »die Standesbeamtin müsste gleich kommen.«

»Ach egal, war zum Glück nicht viel los.« Mark zieht sich sein T-Shirt über den Kopf, schaut ihn dann an.

Er blickt schnell weg und geht zur Tür. »Gut, bis gleich.«

Paul hat Peter inzwischen geholfen, das Jackett anzulegen, gerade steckt er ihm noch eine Blüte ins Knopfloch, dann tritt er beiseite. Peter lächelt, als er näher kommt. Sie haben sich für die blaue Jacke entschieden, Peter wollte auf keinen Fall schwarz. Das Blau betont die Farbe seiner Augen und passt zu seinen grauen Haaren, die weiße Rose im Knopfloch gibt einen feierlichen Touch. Gut sieht Peter heute aus, fast so strahlend, wie an dem Tag als sie sich kennengelernten. Es muss ein anderes Leben gewesen sein, aber die Spuren in Peters Gesicht sind immer noch gering. An einem Tag wie heute kaum ins Gewicht fallend.

Er tritt näher. »Gut siehst du aus.« Er küsst Peter. »Gleich ist es soweit.«

Tamara ruft ihn in den Flur – die Standesbeamtin ist da. Er begrüßt sie in der Haustür, eine Frau Meier, nicht mehr jung, mit kurzgeschnittenen Haaren und in einem marineblauen Kostüm. Sie ist auf eine förmliche, kühle Art freundlich. Als er sie hereinbittet, schaut sie sich kurz um, begrüßt die Gäste mit Nicken.

»Möchten sie etwas trinken?«

»Ein Kaffee wäre großartig.«

Irgendwie macht dieser bescheiden vorgetragene Wunsch, ihr Bedürfnis, sie menschlicher.

»Sehr gern«, sagt er in bester Kellner-Manier und Tamara schenkt ihr eine Tasse ein.

Er hatte mit Frau Meier zuerst am Telefon gesprochen. Sie hatte volles Verständnis für die Situation gehabt, der Termin wäre sogar noch eher möglich gewesen, aber das wollte er nicht. Er hatte alle notwendigen Dokumente aufs Standesamt gebracht und sie telefonierte kurz mit Peter.

Nachdem Frau Meier ihren Kaffee ausgetrunken hat, führt er sie ins Wohnzimmer. Ihre Augen weiten sich, als sie den Raum betritt und Peter sieht, dabei weiß sie doch, warum sie herkommen muss.

Er bedankt sich bei ihr, dass sie gekommen ist, und dass es alles so schnell möglich war.

»Das ist doch selbstverständlich«, sagt die Beamtin ohne Regung im Gesicht. Sie tritt zu Peter ans Bett, gibt ihm die Hand. »Es freut mich, sie kennenzulernen.«

»Vielen Dank.« Peter lächelt sie an.

»Haben sie noch Fragen?«

Er tritt auch ans Bett, stellt sich neben Peter. Ein langer Überwurf verdeckt jetzt die Seiten des Bettes und den Beutel.

»Wir sind bereit, denke ich«, sagt Peter leise.

Plötzlich überfällt ihn die Aufregung, dabei ist das albern, alle sind nun hier, das Buffet aufgebaut, es läuft wie am Schnürchen. Aber er heiratet ja nicht alle Tage, es ist das erste Mal und er weiß nicht, ob er es jemals wieder tun wird. Was für eigenartige Gedanken er hat! Er nimmt Peters Hand. »Ja, es kann gleich losgehen.«

Tamara holt die Gäste herein. Wo seine Mutter nur abgeblieben ist? Sie war seit dem frühen Morgen schon völlig aus dem Häuschen.

Mark tritt durch die Tür, sieht in dem modernen Anzug mit schmalem Revers verdammt gut aus. Sein Hemd hat einen Stehkragen, aber er hat einige Knöpfe offen gelassen, so dass es nicht zu streng wirkt. Die klaren Formen passen zu seinem kurzgeschorenen Haar. Er kommt schnell heran, begrüßt endlich Peter, küsst ihn auf den Mund.

Plötzlich muss er daran denken, wie er selbst Mark vor Kurzem mehr als einen Begrüßungskuss gegeben hat – etwas weit Intensiveres. Wie unpassend. Mark drückt von der anderen Bettseite aus seinen Oberarm. »Nervös?«, flüstert er.

»Ja.«

»Das wird schon.« Mark hält immer noch Peters Hand und so stehen sie wie ein Dreieck da. Mark beugt sich herunter, küsst Peter auf die Wange, dann lässt er sie los, tritt zurück.

Er beugt sich zu Peter hinunter. »Bist du aufgeregt?«

»Ein wenig«, sagt Peter, dann berührt er seine Wange. Da ist sie wieder, diese Nähe, egal, wie viele Leute jetzt im Raum sind. Sie schauen sich ganz ruhig in die Augen, dann gibt er Peter einen leichten Kuss auf den Mund. Es fühlt sich alles richtig an – diese Heirat, die er erst nicht wollte, die ihm ein undefiniertes Unbehagen bereitete. Dann die Überlegungen, wie und wann. Aber jetzt ist alles richtig.

Endlich taucht auch seine Mutter auf – sie hat sich sehr schick gemacht, trägt eine Bluse mit Pailletten, die Haare aufwändig gelockt, die Nägel lackiert. Wahrscheinlich hofft sie, mit der lose fallenden Bluse ihre rundliche Figur zu kaschieren. Dabei muss sie sich keine Gedanken machen – durch ihre freundliche, fröhliche Art wirkt sie immer anziehend. Sie kommt heran und nimmt ihn kurz in den Arm. »Alles Gute!«

»Später, Mutti!« Er muss lachen und etwas löst sich in ihm. Nun ist er bereit.

Die Gäste sind jetzt alle im Raum – sie müssen stehen, sonst reicht der Platz nicht – und die Standesbeamtin tritt vor. Er setzt sich an Peters Seite aufs Bett und nimmt seine Hand.

Frau Meier begrüßt die Gäste, ist jetzt in ihrem Metier. Sie wirkt herb, lächelt nicht, aber ihre Worte sind erstaunlich warm. Sie hält ihre Rede kurz, sie sagt nichts von ›Für immer und ewig‹. Sie findet die richtigen Worte.

Dann sagen sie Ja – zuerst Peter, dann er – sie sehen sich an dabei, er nimmt nichts um sich wahr außer Peters Gesicht. Er bekommt feuchte Augen, aber lächelt auch. Will Peter gerade küssen, als die Beamtin etwas von den Ringen sagt. Mark tritt heran, er hat die Ringe, schließlich hatte er sie auch aus Peters Geschäft geholt und diesem heimlich gegeben.

Sie haben die Ringe natürlich schon anprobiert, jetzt nimmt er sie noch einmal aus dem Etui, Peter hätte sicher Schwierigkeiten, die Schmuckstücke zu greifen, darum gibt er ihm den kleineren Ring. Er steckt Peter den etwas größeren, schweren Ring mit den blauen Edelsteinsplittern an den Finger, dann schiebt Peter ihm seinen auf – er sitzt wie angegossen. Peter zieht seine Hand näher heran, verhakt ihre Finger und küsst seine Knöchel, dann den Ring. Die Geste ist zärtlich. Er beugt sich vor, küsst Peter sehr sanft. Hört leisen Applaus, es ist, als würde ein Radio langsam lauter gestellt. Er war völlig in ihrer Welt gewesen.

Die Standesbeamtin hüstelt und streckt ihnen eine große Mappe hin. Er unterschreibt zuerst, dann hält er die Mappe für Peter fest. Frau Meier gratuliert ihnen mit warmer Stimme und verabschiedet sich auch schon. Er dankt ihr und auch Peter sagt vielen Dank. Dann beglückwünscht seine Mutter ihn, der Tränen über das Gesicht laufen – aber sie strahlt. Mark umarmt ihn und küsst ihn auf die Wange, Paul drückt ihn an seinen Bauch. Tamara und Katharina gratulieren überschwänglich und küssen ihn auch auf die Wangen. Mehrere Leute schütteln Peter die Hand, was eigenartig förmlich wirkt. Erst Mark beugt sich hinunter und umarmt Peter fest. Genauso macht es Paul, der Peter auch kurz auf den Mund küsst.

Als alle gratuliert haben, tritt Ruhe ein. Er sollte vielleicht eine kleine Rede halten, wahrscheinlich wird das erwartet. Darüber, wie sie sich kennengelernt haben oder darüber, was ihm Peter bedeutet, aber ihm ist nicht danach. Sie machen das hier für sich, nicht für die Leute. Es ist nicht nötig. Er greift wieder nach Peters Hand.

»Das Buffet ist eröffnet«, verkündet Tamara und es kommt Bewegung in den Raum, jemand lacht. Langsam leert sich das Zimmer, die Leute stellen sich im Flur an und reden lauter.

Seine Mutter umarmt sie noch einmal. »Herzlichen Glückwunsch euch beiden!«

»Danke Gabriele«, sagt Peter.

Ob dessen Eltern heute Abend wenigstens anrufen werden? Unwahrscheinlich, wenn er ehrlich ist. Er wird zu Peter nichts darüber sagen.

Seine Mutter geht nun auch zum Buffet, die Leute beginnen sich bis nach draußen zu verteilen. Paul schaut kurz herein, winkt aber nur, deutet dann auf den Kuchen in seiner Hand: »Lecker!«

Er nickt lächelnd. Dann wendet er sich zu Peter, neben dem er immer noch sitzt: »Soll ich dir etwas mitbringen, willst du auch Kuchen?«

»Ein kleines Stück Apfelkuchen. Und Kaffee heute mal.«

»Gern.« Er kann den Kellner nicht ablegen.

»Und eine richtige Tasse«, ergänzt Peter leise.

Er geht in den Flur, die Leute stehen noch an, aber sie lassen ihn gleich durch, Tamara gibt ihm ein kleines Tablett. »Wir sollten später alle noch anstoßen, oder?«, flüstert sie ihm zu.

Ach ja, darüber hatten sie gesprochen, das ist wohl üblich und klang auch schön, aber jetzt ist ihm nach Kuchen. Und dem Moment allein mit Peter. »Später«, sagt er leise, »lass die Leute erst mal was essen.« Sie nickt und er nimmt sich vom Kuchen und füllt zwei Tassen mit Kaffee, etwas Milch für Peter, wie er es mag.

Im Wohnzimmer setzt er sich zu Peter aufs Bett, gibt ihm den Kuchen. Mit der Tasse wird er ihm dann vielleicht helfen müssen.

»Riecht köstlich«, sagt Peter.

»Nur ein ganz einfaches Rezept.«

Peter lächelt nur und isst ein Stück.

»Ich habe die Sahne vergessen!«

»Macht nichts – köstlich, wie ich sagte.«

Er muss grinsen und probiert selbst. Der Kuchen ist wirklich ganz einfach, ein lockerer Teig und große Apfelstücke, die saftig bleiben, mit Zimtzucker bestreut. Im Zimmer ist es nun still. Vor dem Fenster draußen stehen die Gäste, lachen, reden, essen etwas. Es ist schön. Die Sonne scheint herein, streift die Truhe, bringt das Leuchten des Herbstes ins Zimmer.

 

 

Am späten Nachmittag gingen die Gäste nach und nach, am frühen Abend waren nur noch die Helfer da und sie räumten auf. Die Cateringfirma würde erst morgen ihre Sachen abholen kommen. Schließlich hatten auch Tamara, Paul und Mark sich verabschiedet. Eine Pflegerin kam, eine neue, die sich keine Zeit nahm. Danach hatte er aus den Resten Abendessen für seine Mutter, Peter und sich zusammengestellt, aber sein – Mann war eingeschlafen und hatte auch keinen Appetit gehabt. Es war wohl doch alles ein bisschen viel für ihn gewesen. Also hatte er mit seiner Mutter am Küchentresen gegessen.

Als Peter am Abend wieder aufgewacht war, machte er ihm Tee und gönnte sich selbst noch ein Glas Sekt. Seine Mutter war spazieren gegangen und hatte sich dann zurückgezogen.

Nun liegt er auf der Couch neben Peters Bett, das Licht gelöscht. Es ist noch nicht spät, aber er ist müde. Es ist ihre Hochzeitsnacht … es ist schon etwas eigenartig, sie liegen still hier. Aber es ist auch nicht so wichtig, sie hatten ihre Hochzeitsnacht. In einem Hotel an der Côte d’Azur, wenn es nach ihm ging. Er wagt es nicht, Peter zu fragen, wie der es sieht, es ist zu unangenehm, darüber zu reden und er will ihn nicht traurig machen. Er wünscht, er könnte noch einmal mit Peter schlafen, nur einmal. An das letzte Mal kann er sich nicht so genau erinnern. Es ist vor Peters Diagnose gewesen – natürlich. Es war wohl eine etwas routinierte Sache vor dem Einschlafen gewesen.

Er weiß, dass Peter noch nicht schläft, auch wenn er ganz ruhig liegt, er kann es an seinem Atmen hören. Leise steht er auf und legt sich vorsichtig zu Peter aufs Bett.

Peter berührt seine Hand. »Wie fühlst du dich?«

»Müde … aber glücklich.«

»Ich auch«, sagt Peter.

Er streckt den Hals und küsst Peters Lippen.

 

 

~ 2 ~

 

Die Morgensonne streift die Linde, scheint noch nicht zum Fenster herein. Es ist früh, kurz vor sieben wahrscheinlich. Es ist zu mühsam, den Kopf zu drehen, um den Wecker auf dem Nachtschränkchen zu sehen, und es ist ja auch nicht wichtig. Sein Mund ist trocken, aber auch die Tasse zu weit weg.

Er dreht den Kopf etwas zur vom Fenster abgewandten Seite. Andreas schläft auf der Couch. Am Abend ist er an seiner Seite eingeschlafen, aber später sicher hinübergewechselt – es ist nicht bequem für sie beide auf dem Krankenbett, aber er will diese Momente gewiss nicht missen.

Andreas wirkt friedlich im Schlaf, entspannt, wie er es nicht mehr oft ist. Es lässt ihn jünger aussehen. Nun, er ist noch sehr jung, gerade einmal einunddreißig. Aber an diesem Morgen sieht er noch jünger aus. Seine zarte, fast weiße Haut, die so leicht rot wird, verstärkt den Effekt. Dabei ist Andreas jetzt ein verheirateter Mann – er muss schmunzeln. Er hat es eigentlich früher nie vorgehabt. Erst war es nicht möglich. Er muss an seinen ersten Freund denken, der sich so krampfhaft versteckt hat. Ob der inzwischen auch … Wenn sie damals gewusst hätten, dass einmal zwei Männer vor einer Standesbeamtin stehen könnten … Aber auch mit Martin, als dergleichen schon nicht mehr unvorstellbar war, hatte er keine solchen Gedanken.

Er sieht wieder zu Andreas. Völlig unpassend muss er an den letzten richtig heißen Sex denken, den sie hatten. Danach waren sie noch einige Male miteinander intim geworden, doch da hatte er sich schon nicht mehr ganz wohlgefühlt. Aber an diesem Abend beugte er Andreas über den großen Schreibtisch oben auf der Galerie und fickte ihn. Andreas schrie vor Lust. Jahre zuvor hatte Katharina sie gebeten, doch in Zukunft das große Schlafzimmerfenster, das zum Hof ging, zu schließen. Wegen der Kinder. Das war unangenehm gewesen, Andreas war röter als sonst geworden. Nun war das kleine Fenster neben ihnen offen, aber es war ihnen egal. Zwischendurch vögelte er Andreas langsam, zögerte es hinaus. Der wimmerte. Es war fantastisch. Nach über acht Jahren Beziehung waren sie noch vor der Schlafzimmertür übereinander hergefallen.

Etwas zieht sich in ihm zusammen. Er hat so lange nicht wirklich an Sex gedacht. Diese Erinnerung ist … gut. Andreas wird es auch nicht vergessen haben. Er wird ihn nicht fragen, es würde sie nur traurig machen.

Andreas wacht langsam auf, öffnet die Augen. Sieht ihn dann an.

»Guten Morgen, Schöner.«

Andreas reckt sich, schiebt die Decke ein Stück weg. »Guten Morgen, Ehemann.« Er lächelt verschmitzt. »Frühstück?«

Er nickt. »Etwas zu trinken, bitte.«

»Oh, ja.« Andreas springt hastig auf. Nachdem er ihm Früchtetee gebracht hat, geht er sich frischmachen und ruft seine Mutter. Zum Frühstück gibt es Reste vom Buffet für die beiden und für ihn Porridge mit wenig Obst.

Gabriele umarmt ihn und küsst ihn auf die Wange. In den ersten Jahren seiner Beziehung mit Andreas waren sie noch befangener miteinander. Sie ist nur vier Jahre älter als er. Aber spätestens, seit er mit Andreas zusammengezogen ist, war das vergessen. Er mag Andreas’ Mutter wirklich gern. Sie ist ganz anders als seine eigene. Eine andere Generation, nicht förmlich, sondern sehr warmherzig. Andreas’ Vater hat er nie kennengelernt, die beiden hatten auch praktisch keinen Kontakt mehr.

Nach dem Frühstück kommt die Pflegerin. Es ist eine neue, die routiniert, sehr effektiv, ihren Aufgaben nachgeht, ihn wäscht, die Windel wechselt, den Beutel austauscht. Am Abend wird wieder Annegret kommen und ihnen mit Sicherheit auch gratulieren. Vielleicht wird sie sogar ein kleines Geschenk mitbringen, sie ist so aufmerksam und nett. Schade, dass sie nicht zur Feier kommen konnte. Eigentlich müssten sie ihr etwas schenken – er wird Andreas fragen.

Die neue Pflegerin – er hat ihren Namen vergessen – verabreicht ihm seine Medikamente und überprüft den Katheter, der zur Wirbelsäule führt. Die Morphiumpumpe hat etwas Erleichterung gebracht – vorerst. Falls es wieder schlechter wird, kann man nur im Krankenhaus eine genaue Diagnose und Einstellung machen, hatte der Arzt gesagt. Er wird um keinen Preis noch einmal ins Krankenhaus gehen.

 

 

~ 3 ~

 

Während die neue Pflegerin sich um Peter kümmert, erlaubt er sich, nach draußen zu gehen. Beim Laken wechseln braucht sie seine Hilfe, aber sonst kaum. Sie und auch Schwester Annegret haben der wundgelegenen Stelle entschieden den Kampf angesagt, vielleicht bringt es ein wenig. Bisher noch nicht, aber es sind auch erst wenige Tage.

Seine Mutter tritt vor die Tür und sie setzen sich auf die Bank. Sie muss bald fahren, sie hat heute Abend noch eine Tupper-Party – das ist ihr auch wichtig, darin geht sie auf und die Hochzeit war nun mal sehr kurzfristig angesetzt. Er nimmt aber an, dass sie bei einer direkten Terminüberschneidung die Party wohl doch abgesagt hätte.

»Worüber lächelst du?«, fragt sie.

»Oh … äh – nichts.«

»Es war eine schöne Feier.«

Er nickt. Er weiß, dass sie sich seine Hochzeit anders vorgestellt hatte. Als er noch ein Teenager war, plante sie schon im Kopf das Ereignis. Es umfasste einen großen Saal, viele Gäste, üppiges Essen, Musik – und eine Braut.

»Es war nicht deine Traumhochzeit, ich weiß, aber …«

»Was redest du da?« Sie rückt näher und legt den Arm um ihn. »Ich bin stolz auf dich, mein Sohn.«

Er muss schlucken und weiß nichts zu sagen. Seine Mutter umarmt ihn. »Tut mir leid, dass ich schon los muss, aber du weißt ja …«

»Das ist kein Problem!« Er löst sich aus der Umarmung.

»Brauchst du noch Hilfe, ist noch etwas sauber zu machen?«

»Nein, es ist doch alles in Ordnung. Das Catering kommt dann noch seine Sachen abholen und das war’s. Du hast genug geholfen.«

»Na fein, dann mache ich jetzt los, um die Zeit komme ich gut durch. Ich hole meine Sachen und dann verabschiede ich mich von Peter.«

Sie geht ins Haus und er schließt einen Moment die Augen und hält sein Gesicht in die Sonne. Sie wärmt noch und das Licht dringt durch seine Lider. Er ist ganz entspannt, obwohl es gestern ein aufregender Tag war. Er genießt es noch ein paar Sekunden, bevor er die Augen wieder öffnet.

Die Pflegerin kommt heraus, verabschiedet sich knapp und eilt zu ihrem Auto. Dann erscheint seine Mutter wieder und er nimmt ihr die Tasche ab. Er bringt sie zu ihrem Auto, das hinter dem Haus am Straßenrand parkt. Sie umarmt ihn fest, »Alles Gute, mein Junge«, hat feuchte Augen.

Er küsst sie auf die Wange. »Danke für alles, es hat super geklappt!«

Als er wieder hineingeht, schläft Peter. Er sieht ein bisschen erschöpft aus, es war wohl alles zu viel. Vielleicht hätten sie doch nur eine Handvoll Leute einladen und kurz mit Sekt anstoßen sollen. Er ist auch erleichtert, dass jetzt wieder Ruhe einkehrt, aber es war schön, liebe Menschen da zu haben. Hilfe zu haben. Nicht mit allem allein zu sein. Heute Abend wird Mark schon wieder kommen.

Er geht in die Küche, räumt leise auf und kocht Tee.

 

 

Mark kommt erst lange nach dem Abendessen, obwohl er sich eher angekündigt hatte. Peter schläft gerade und sie setzen sich leise auf die Couch.

»Ich möchte Dir etwas zeigen«, flüstert Mark. »Wir können es auch wieder löschen, okay!«

»Ähm, was Schlimmes …?«

»Gar nicht.« Mark zückt sein Handy, tippt darauf. »Hier.« Mark gibt es ihm.

Er schaut darauf. Das Bild ist nicht völlig scharf und ein bisschen zu dunkel.

»Irgendwie hat niemand daran gedacht, Fotos zu machen. Oder sich nicht getraut. Vielleicht wolltet ihr es auch nicht. Also sorry, wenn ich das nicht mitbekommen habe.«

Es ist ein Hochzeitsfoto. Er hält Peters Hand und sie hören gerade der Standesbeamtin zu. Er tippt auf das Display. Ein weiteres Bild zeigt sie beim Ringtausch, dann noch eins, auf dem sie sich ansehen. Die Qualität ist nicht besonders gut, ein fremder Arm beschneidet den Vordergrund. Er schaut sie sich noch einmal an. Es sind keine gestellten Fotos, nichts Inszeniertes, gar Aufwändiges.

---ENDE DER LESEPROBE---