Nur eine Frage der Liebe - J. Walther - E-Book

Nur eine Frage der Liebe E-Book

J. Walther

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Beschreibung

Als der junge Fotografiestudent Phillip den 26 Jahre älteren Galeristen Christoph kennenlernt, wird aus Sympathie schnell Freundschaft. Doch eigentlich ist da ein Knistern zwischen ihnen, eine Anziehung, der sich beide auf Dauer nicht entziehen können. Vor allem Phillip hat Bedenken - gibt er ihrer ungewöhnlichen Liebe eine Chance?

2., leicht überarbeitete Ausgabe, 250 Buchseiten

Der Roman ist eine Fortsetzung von Phillips Bilder, kann aber auch ohne die Vorgeschichte gelesen werden. Reihenfolge der lose verbundenen Romane: Benjamins Gärten - Phillips Bilder - Nur eine Frage der Liebe

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Veröffentlichungsjahr: 2019

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Table of Contents

Titel

Motto

Widmung

1

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Nachwort

Fortsetzung

Benjamins Gärten

Phillips Bilder

Impressum

 

 

J. Walther

 

Roman

 

 

»I just don’t know if this is really what I want.«

»Seems like what you want.«

»I just don’t know if this is what I want … for good.«

Shelter

 

 

 

 

Für E.M.

Es zählen nicht die Jahre zwischen uns,

sondern die Jahre zusammen

 

 

 

 

1

 

Phillip betrachtete sich in der Glastür eines vornehmen Hauseingangs, seine schwarzen Chinos, die graue Caban-Jacke, es stand ihm. Er schob die große Sonnenbrille hoch in seine Locken, die üppig sein Gesicht umrahmten. Er sah gut aus und er konnte das Selbstbewusstsein brauchen, das er aus seinem Anblick zog. Er nickte sich selbst zu und ging weiter, schnell an einigen Häusern vorbei. Da war es, ein großes Fenster, weiße Wände und Gemälde.

Ohne zu verweilen betrat Phillip die Galerie und warf einen flüchtigen Blick auf die Bilder im ersten Raum. Kräf­tige Farben, die sich in mäandernden Linien über groben Untergrund wanden. Er gelangte in einen zweiten Raum, der sich lang nach hinten erstreckte. Am anderen Ende saß ein Mann an einem Schreibtisch, der kurz aufblickte und Hallo sagte.

»Hallo.« Er betrachtete die Bilder in diesem Raum, teerschwarze Flächen, aus denen Strichmännchen ausge­kratzt waren. Aus dem Augenwinkel musterte er den Mann, der jetzt wieder in seinen Laptop tippte. Er war äl­ter, vielleicht fünfzig oder Mitte vierzig, aber attraktiv, mit sehr kurzen grauen Haaren und einem Dreitagebart.

Phillip stellte sich vor ein weiteres Bild und warf noch einen Blick auf den Mann. Ein helles Hemd, eine modi­sche Brille, aber das war alles egal. Der Mann sah nett aus und Phillip sollte ihn jetzt ansprechen. Er atmete tief ein und ging zum Schreibtisch. »Hi.«

Der Galerist schaute auf. »Was kann ich für Sie tun?« Er lächelte, sah wirklich freundlich aus.

»Ich vertrete eine Künstlergruppe, hauptsächlich Stu­denten.« Phillip zog einen Flyer aus der Umhängetasche und hielt ihn hin. »Wir suchen eine Ausstellungsmöglich­keit.« Der Flyer sah professionell aus, das wusste er, eine Grafikstudentin hatte ihn gestaltet. Er hoffte, dass er sich nicht lächerlich machte.

»Malerei, Grafik und Fotografie«, las der Mann vor. »In welchem Semester sind Sie?«

»Im dritten«, antwortete er kleinlaut. »Die Malerin hier«, er deutete auf den Flyer, »sie ist keine Studentin mehr, sie malt schon lange.«

»Habt ihr eine Homepage?«

»Nein, noch nicht.« Sein Optimismus sank.

»Welche sind von Ihnen?«

»Diese Fotos.« Er tippte sie auf dem Flyer an. »Ich habe auch eine Website.«

»Zeigen Sie.« Der Galerist drehte den Laptop ein Stück und machte eine einladende Geste. Phillip stellte sei­ne Tasche auf den Boden und trat an die Seite des Tisches. Schnell tippte er seine Adresse ein.

»Phillip Wedekind«, las der Mann.

»Ja.«

»Christoph Lauterbach.« Er schob eine Visitenkarte über die Glasfläche des Tisches.

»Danke.« Die Karte war schlicht gestaltet, aber auf schweres, edles Papier gedruckt. Christoph betrachtete die ersten Fotos, die alte Fabrik und ein paar Naturaufnah­men. Nicht sehr beeindruckend, diese Fotos waren auch schon zwei Jahre alt. Christoph warf ihm einen kurzen Blick zu, den er nicht deuten konnte, dann klickte er wei­ter.

Seth, Seth auf der Wiese, mit nacktem Oberkörper, seine blonden Dreads zurückgebunden, dann in der Hän­gematte. Christoph betrachtete die Bilder in Ruhe, jedes einzelne. Vielleicht war er ja … Phillip warf einen neugieri­gen Blick auf ihn. Er war attraktiv und sehr gepflegt, kein Ehering. Nicht, dass das viel zu heißen hatte, aber er könn­te es versuchen. Er trat näher zu Christoph, sein Unterarm streifte seine Schulter.

»Das ist Seth«, sagte er betont.

»Ah ja.« Christoph klickte schnell weiter. Anna, in ei­nem fließenden türkisblauen Kleid, mitten in der hohen Wiese.

»Das ist Anna, die Malerin, die mit in der Gruppe ist.« Und seine verdammten Schnappschüsse würden bestimmt keinen Galeristen beeindrucken. Vielleicht wenn Seth ganz nackt gewesen wäre – er grinste.

Christoph betrachtete das nächste Foto. Anna in der Fabrik zwischen ihren Bildern. »Sie arbeitet sehr grafisch.«

»Ja, sie sagt, es ist ihr Medium. Dass es nicht so ange­sehen ist, aber sie kann nicht anders.« Was für Mist er re­dete. Christoph sah ihn forschend an und Phillip lächelte möglichst verführerisch und sah ihm in die Augen.

»Ich weiß, was Sie meinen«, sagte Christoph leise und schaute zu den Bildern an der Wand. Dann klickte er wei­ter.

Kühle Großstadtfotos, die er im ersten Semester ge­macht hatte. Nicht schlecht eigentlich.

»Hm.« Christoph betrachtete noch einmal den Flyer. »Sehen Sie, ich kann so etwas nicht hier machen, nicht in der Galerie. Aber ich kooperiere mit einer Initiative, sie or­ganisieren Ausstellungen in leerstehenden Gebäuden. Hier.« Er zog einen Flyer aus der Schreibtischablage. »Da werden ganz unterschiedliche, vor allem junge Künstler ausgestellt.«

»Klingt toll.« Er schlug den Flyer auf.

»Am Samstag ist eine Vernissage. Warum kommen nicht Sie und ein paar aus der Gruppe hin? Dann können Sie mit den Organisatoren sprechen. »

»Das wäre super.« Er lächelte Christoph offen an und war einen Moment versucht, ihm die Hand auf die Schul­ter zu legen. Nicht um seine unbeholfenen, strategischen Flirtversuche fortzusetzen, sondern weil es sich passend angefühlt hätte.

»Die Adresse steht im Flyer. Ich mache Sie dann be­kannt.«

»Wir kommen auf alle Fälle.« Immer noch dieser Drang, die Hand auf seine Schulter zu legen. Christoph war ja auch sehr nett gewesen. Er erhob sich. Phillip be­merkte, dass er fast genauso groß war. Sie sahen sich an, Christoph gab ihm die Hand.

»Also, danke. Bis Samstag!« Er nahm seine Tasche und ging. Als er die Galerie verlassen hatte, lief er bis zu ei­ner kleinen Parkfläche. Er hielt sein Gesicht in die Sonne, die Aprilsonne wärmte endlich, die Bäume zeigten zartes Grün. Als er sich auf eine Bank gesetzt hatte, rief er Anna an.

»Hey, wie ist es gelaufen?«, begrüßte sie ihn.

»Ganz gut. In der Galerie nicht, hätte mich auch ge­wundert, aber er kennt da eine Gruppe, die Ausstellungen macht. Er will vermitteln.«

»Klingt gut.«

»Samstag haben die eine Vernissage. Kommst du mit?«

»Klar, Phillip. Das war mutig.«

»Ich habe ein bisschen mit dem geflirtet.«

»Echt? Ist er …?«

»Keine Ahnung. Vielleicht.«

»Du solltest doch nur fragen«, wandte Anna ein.

»Was heißt geflirtet. Hab’s versucht …«

»Wie alt ist er denn?«

»Ach, fünfzig oder so, vergiss es. Aber er sieht gut aus für sein Alter. Keine schlechte Figur.«

Anna lachte leise. »Hat er ‘ne Schwester?«

»Vielleicht ist er eine.«

Anna lachte lauter. »Wir werden das in Augenschein nehmen.«

»Jedenfalls ist er sehr nett.«

»Ist gut, ich bin gespannt, Süßer.«

Er stimmte zu und verabschiedete sich von Anna. Dann ging er um den Platz, in dessen Beeten Tulpen wuchsen, und genoss die Sonne. Er schob seine Sonnen­brille wieder auf die Nase und schlenderte durch einige Straßen, müßig und zufrieden mit sich. Er blickte in Schaufenster, aber er betrat kein Geschäft. Die Preise in Charlottenburg überstiegen eindeutig die Möglichkeiten seines Studenteneinkommens.

Nachdem er sich einen Kaffee zum Mitnehmen geholt hatte, steuerte er die U-Bahn an, um zurück nach Prenzl­berg zu fahren.

 

 

2

 

Er wollte sich mit Anna vor dem leerstehenden Haus tref­fen, in dem die Ausstellung stattfinden sollte. Andere aus ihrer Gruppe hatten keine Zeit, Bo hatte lose zugesagt, was sein Erscheinen unwahrscheinlich machte.

Anna stand schon vor dem Haus, als er näher kam. Sie trug einen knielangen, knallroten Mantel, der zu ihren lan­gen dunklen Haaren passte. Als er sie erreicht hatte, sah er, dass ihre Lippen passend zum Mantel in feuerwehrrot glänzten. Er umarmte sie und Anna küsste ihn auf die Wange.

»Na toll, was sollen die Leute jetzt denken?«, fragte er.

»Kussecht, keine Sorge.«

»Küss doch lieber …«, er sah sich um, »die da.« Er deutete zu einer Frau in einem schwarzen Kleid, die dazu ein weinrotes Mieder und hohe Stiefel trug.

»Kein schlechter Geschmack.« Anna hakte sich bei ihm ein und warf der Frau ein strahlendes Lächeln zu. »Und wo ist dein Herzbube?«

»Du weißt doch, dass Seth …«

»… nie nach Berlin kommt.«

»Das stimmt so nicht.«

»Naja. Ich meinte allerdings den Galeristen.«

»Red doch keinen Quatsch.«

»Wir werden ja sehen.« Anna lachte und hängte sich bei ihm ein. Sie betraten das Gebäude und sahen sich um. Die Wände des leerstehenden Hauses waren mit unter­schiedlichen Farbschichten und Tapetenresten überzogen. Von den Fensterrahmen splitterte der mürbe Lack. Die Räume waren mit Baulampen und Kerzen erleuchtet, an den Wänden hingen Bilder und Fotos, auch einige Skulptu­ren standen herum.

Sie holten sich ein Glas Sekt und gingen dann weiter. Durch eine offene Schiebetür sah Phillip Christoph in ei­nem anderen Raum stehen. Er stieß Anna an, die seinem Blick folgte. »Da ist er.«

»Nicht schlecht«, sagte sie.

»Vor allem will er uns eine Ausstellung vermitteln.« Sie gingen hinüber, Christoph sah ihn und kam auf sie zu.

»Guten Abend.« Er gab Christoph die Hand. »Das ist Anna.«

»Freut mich sehr. Schön, dass ihr kommen konntet.«

»Wie gefällt Ihnen die Ausstellung?«, fragte er Chris­toph.

»Wir können doch du sagen.«

»Gern, Phillip.« Er hielt Christoph sein Sektglas hin und sie stießen an. Christoph trug ein violettes Hemd, das gut zu sein grauen Haaren passte.

»Habt ihr euch schon umgesehen?«, fragte Christoph.

»Nein, wir sind gerade erst gekommen.«

»Bisher gefallen mir die Fotos da am besten.« Chris­toph deutete hin und sie folgten ihm. »Ein brasilianischer Fotograf.« Phillip betrachtete die Fotos. Sie zeigten junge Menschen in einem Hotelzimmer, allein, zu zweit, zu viert. Die Bilder waren in ein warmes Licht getaucht und von Melancholie durchzogen.

»Ja, sehr natürlich, keine Models oder so. Irgendwie erinnern sie mich an einen Film aus Südamerika«, sagte Phillip.

»Kann sein.« Christoph nippte an seinem Sekt und sah ihn von der Seite an.

»Stellst du so etwas auch bei dir aus?«, fragte Anna ihn.

»Nein, ich bin auf Malerei spezialisiert. Zeitgenössi­sche Künstler. Was sagst du zu diesen Bildern?« Christoph führte sie weiter und blieb vor großen Bildern mit leuch­tenden Farben stehen. Ein grünes faunisches Wesen, dem eine Frau über die Schulter blickte. Eine blaue Schimäre mit kleinen Brüsten und fesselndem Blick. Zwei afrika­nische Mädchen, deren Zöpfe sie umschlangen und mit­einander verbanden. Phillip betrachtete jedes einzelne Bild, während Christoph dicht bei ihm stand. Anna las die An­gaben über die Künstlerin.

»Entschuldigt mich, ich muss noch mit jemandem re­den«, sagte Christoph nach einer Weile. »Seht euch um, es ist eine fantastische Ausstellung. Nachher stelle ich euch vor.«

»Ist das der Stil, den er in seiner Galerie zeigt?«, fragte Anna, als er gegangen war.

»Nein, überhaupt nicht. Zumindest was da zur Zeit hängt … frag mich nicht. Strichmännchen und abstrakte Linien.«

»Verstehe.« Anna betrachtete fasziniert die Gemälde, ging dann langsam weiter. »Ob die Malerin hier ist?«

»Kann schon sein. Vielleicht weiß Christoph das.«

»Er ist nett jedenfalls.«

»Sag ich doch.« Sie gingen langsam durch die Räume. Bei den Gemälden und Zeichnungen waren sie sich meis­tens einig, aber bei den Fotos hatten sie unterschiedliche Ansichten. Schließlich blieben sie vor einer filigranen Skulptur stehen, in der sich Metall und polierte Holzschiff­chen zu einer schwebenden Konstruktion verbanden.

Christoph trat leise neben sie. »Das hat eine Freundin von mir gemacht, Eva Wanjak.«

»Es gefällt mir sehr«, sagte Anna, und fuhr mit dem Finger über den Sockel.

»Ist diese Malerin da?« Phillip deutete auf die Bilder, die sie zuvor betrachtet hatten.

»Ich glaube schon, wir suchen sie dann. Aber jetzt kommt erstmal.«

Sie folgten Christoph, der sie zwei jungen Typen mit Bärten und Pflöcken in den Ohren vorstellte. Sie zeigten ihnen den Flyer und einiges Material zu den Arbeiten ihrer Gruppe.

»Davon können wir sicher einiges in die nächste Aus­stellung nehmen«, sagte der eine. Sie tauschten Kontaktda­ten und verabredeten, dass Phillip einige Bilder bei Chris­toph vorbeibringen würde.

»Cool«, sagte Anna, als sie gegangen waren, und um­armte Phillip. Er überlegte kurz, auch Christoph zu umar­men, so sehr freute er sich, ließ es aber.

»Danke, das ist toll«, sagte er stattdessen.

»Keine Ursache. Eure Sachen sind wirklich gut.« Sie holten sich noch einmal Sekt und stießen an. Anschließend gingen sie herum und suchten die Malerin der großforma­tigen Gemälde, aber sie war nicht zu finden. Also sprachen sie über einige Ausstellungsstücke, bis Christoph sich ver­abschiedete, weil er gehen wollte.

»Wir kommen mit«, sagte Phillip.

»Ach so?«, meinte Anna.

»Bleibt nur noch ein bisschen.« Christoph gab Anna und ihm die Hand und verabschiedete sich.

»Das war unhöflich«, sagte er, als Christoph ver­schwunden war.

»Ja, von dir, du wusstest doch gar nicht, ob ich gehen will. Komm, die Frau, die wir vor dem Eingang gesehen haben, ist noch da.« Anna hielt ihm die Hand hin.

»Die mit dem Mieder?« Er nahm die angebotene Hand und folgte Anna in einen anderen Raum.

 

 

3

 

Zwei Tage später stand Phillip wieder vor der Galerie, zwei kleinformatige Bilder und ein paar Fotoabzüge unterm Arm. Diesmal überprüfte er sein Aussehen nicht in einer Scheibe, sondern betrat gleich die Galerie. Christoph lä­chelte ihn an, als er den zweiten Raum betrat, und kam ihm entgegen.

»Hallo.« Sie gaben sich die Hand.

»Zeig her.« Christoph nahm ihm die Gemälde ab, legte sie hin und packte sie vorsichtig aus.

»Wir haben die jetzt nach Größe ausgewählt, es gibt auch richtig großformatige dann.«

»Nicht schlecht. Aber keins ist von Anna.«

»Nein, ihre sind etwas größer.«

»Und von dir?«

Er öffnete die große Mappe, ohne zu wissen, warum er so verlegen war. Er zeigte gewiss nicht zum ersten Mal seine Fotos. »Das ist eine neue Serie, Hausboote und ande­re Entdeckungen an den Berliner Kanälen.«

»Großstadtromantik?«

»Irgendwie schon. Hier, ein total runtergekommenes Grundstück am Wasser. Diese Laterne am Baum und der verrottete Stuhl …«

»Ist das eine besondere Technik?«

»Ja, ich habe dabei mit Doppelbelichtungen experi­mentiert.«

Christoph nickte und betrachtete die Bilder noch mal. »Gut. Gefällt mir.«

Phillip öffnete den obersten Knopf seiner Jacke und sah sich verlegen um.

»Ich schließe jetzt. Lust auf ein Bier?«

»Klar.«

Sie verpackten die Fotos und Bilder wieder. Christoph fuhr seinen Laptop herunter und stellte die Alarmanlage ein. Sie verließen die Galerie und Christoph schloss ab. »In der nächsten Straße ist eine nette Kneipe.«

»Gut.« Phillip folgte Christoph, sie überquerten eine Kreuzung und gingen weiter bis zu einem Restaurant, vor dem Stühle und Tische aufgestellt waren.

»Hier.«

»Kneipe, ja?«, fragte er angesichts des schicken Re­staurants.

»Wir können auch woanders …«

»Nein, nein.«

»Ist draußen okay? Nach dem Tag in der Galerie bin ich gern ein bisschen im Freien.«

»Okay. Ich finde nur diese Wärmestrahler affig.«

Sie setzten sich an einen Tisch nahe der Hauswand. Ein kühler Wind wehte und es war eigentlich nicht warm genug, um draußen zu sitzen.

»Wird das deine erste Ausstellung?«, fragte Christoph.

»Nein, eine hatte ich schon, zusammen mit Anna und einem anderen Künstler. In einer leerstehenden Fabrik. War echt super.«

»Wirklich? Wo war das?«

»Ach, bei mir zu Hause, Provinz. Ich komme aus Neustadt und das war in der Nähe auf einem Dorf.« Der Kellner trat heran, sie bestellten Bier und Christoph ließ sich die Karte geben.

»Wer hat diese Ausstellung organisiert?«, fragte Chris­toph weiter.

»Die Freunde, bei denen ich war, die kannten Marek, dem diese Fabrik gehört. Er ist auch eng mit Anna be­freundet. So kamen wir drauf, haben das selber gemacht. Jemand hat noch eine Party organisiert, war klasse.« Er fragte sich, warum er Seths Namen nicht erwähnte und verstummte. »War ein verrückter Sommer«, sagte er schließlich, »vor zwei Jahren war das.«

Christoph lächelte ihn an und hob sein Bier, um anzu­stoßen.

»Danke jedenfalls, dass du uns zu der Ausstellung mitgenommen hast, die war großartig.«

»Ja, fand ich auch. Ich bin schon auf die nächste ge­spannt. Vielleicht ist die auch in einer alten Fabrik.«

»Wäre cool.«

Christoph blätterte in der Karte. »Weißt du …«

»Hm?«

»Manchmal hätte ich Lust, so etwas zu machen. Junge Künstler, verrückte, kreative oder einfach schöne Sachen. Nicht so nach dem Markt und dem, was gerade angesagt ist auswählen.«

»Ist das so?«

»Ja, es ist ein Geschäft.« Christoph setzte sein Bierglas hart ab.

Der Kellner kam heran. »Möchtest du etwas essen?« Er legte die Hand auf Christophs Stuhllehne, während er fragte.

»Ja, den Salat mit Feta.«

»Gern, du brauchst doch die Karte gar nicht«, sagte der Kellner lächelnd, während er sie Christoph abnahm.

»Vor zwei Jahren«, nahm Phillip den Faden wieder auf, »da wusste ich noch nicht, ob ich studieren will. Da habe ich mir um so was Gedanken gemacht. Ob meine Fo­tos in den Kunstmarkt passen, was da gefragt ist … sowas. Ich war ziemlich demotiviert.«

»Kann ich verstehen. Es ist ein komisches Geschäft. Nicht das Gute setzt sich unbedingt durch. Das ist natür­lich auch subjektiv. Was gut ist, meine ich.«

»Ja, Geschmackssache. Aber bei Fotos finde ich es noch relativ leicht, das zu begründen.«

»Kann sein.« Christoph trank sein Bier aus. »Bei moder­nen Gemälden, abstrakten speziell, gibt es eigentlich keine Kriterien. Wie es kommt, dass ein Künstler hoch ge­handelt wird, hängt von vielem ab, Mode, PR, Glück oder Tricks.«

Der Kellner brachte den Salat und Christoph bestellte noch ein Bier. »Willst du auch was?«

»Lass mal.«

»Ich lade dich ein.«

»Nein, nein.«

»Okay.« Christoph begann zu essen. »Also Kunst­markt … Kannst du dich an die Plastik von meiner Freun­din erinnern?«

»Ja, die Schiffchen – sehr schönes Teil. Anna war hin und weg.«

»Ja, Eva macht großartige Sachen. Abstrakt mit einem Hauch Figürlichkeit. Ab und zu stelle ich etwas in meine Galerie. Aber was ich sagen wollte – von neun bis dreizehn Uhr arbeitet sie bei einem Rechtsanwalt, um ihren Lebens­unterhalt zu sichern.«

»Mh, da weiß ich ja, was mir bevorsteht.«

»Fotografen haben doch viele Möglichkeiten.«

»Ja. Notfalls nimmt mich mein Vater.«

»Was macht er?«

»Hat ein Fotogeschäft mit allem Drum und Dran. Er wollte gern, dass ich bei ihm Ausbildung mache.«

»Verstehe. Willst du noch ein Bier?«

»Okay.«

Christoph bestellte noch ein Bier und aß seinen Salat.

»Was machst du sonst so?«, fragte Phillip.

»Du meinst in der Freizeit? Ich jogge und spiele Bad­minton.«

»Federball?«

Christoph grinste. »Badminton ist ein knallharter Sport, glaub mir.«

»Oh Mann, ich bin ein ziemlicher Sportmuffel.«

»Komm erstmal in mein Alter, dann machst du von ganz alleine was.«

»Wie alt bist du eigentlich? Äh, wenn ich fragen darf?«

»Achtundvierzig.« Christoph sah ihn forschend an.

»Aha, okay. Ich bin zweiundzwanzig.«

»Dann hast du zeitig mit dem Studium angefangen.«

»Ja, gleich nach einem freiwilligen Jahr.« Sie tranken von ihrem Bier und sahen sich an, schwiegen. Es war emp­findlich kühl geworden, der Wind hatte aufgefrischt und Phillip knöpfte seine Jacke bis oben hin zu und stellte den Kragen auf. Der Kellner begann die Decken von den äu­ßeren Tischen zu nehmen, nur noch vier, fünf Leute saßen draußen.

»Machst du in der Freizeit nur Sport?«, fragte Phillip schließlich. »Nichts, ich weiß nicht, Kreatives. Du bist ja Galerist.«

»Naja, also …«, Christoph zögerte, »… also ich male manchmal.«

»Echt? Klingt toll. Stellst du das auch mal aus?«

»Nein, ich mach das nur für mich.«

»Was? Ist doch verrückt. Du hast eine Galerie und stellst deine eigenen Werke nicht aus!«

Christoph nippte an seinem Bier und wirkte fast schüchtern. »Du weißt doch gar nicht, ob meine Bilder gut sind.«

Phillip bemerkte in dem warmen Licht, welches aus dem Restaurant fiel, dass Christoph rot geworden war. »Also, das glaube ich schon. Und ich würde sie echt gern sehen.«

»Wirklich?«

Phillip nickte. »Klar.«

»Die sind in meiner Wohnung. Musst du mal vor­beikommen, wenn du Zeit hast.«

»Okay, wie ist es Samstag?«

»Da habe ich erst abends Zeit. Hier, ich schreib dir meine Adresse auf. Wenn du möchtest, kann ich was ko­chen.«

»Also wenn du willst – ja, gern. So halb sieben?«

»Ja. Ich zahle mal.« Christoph winkte dem Kellner. Es hatte zu regnen begonnen.

»Ich zahle«, sagte Phillip, »wenn du mich schon Sams­tag einlädst.«

»Ach komm, lass mal. Deine zwei Bier …« Der Kell­ner trat heran und legte Christoph die Rechnung hin, der zahlte und gab großzügig Trinkgeld.

»Das ist mir unangenehm«, sagte Phillip leise, als der Kellner weg war.

»Muss es wirklich nicht.«

»Na gut, danke.« Sie standen auf und traten an den Rand der Markise. Der Regen hatte zugenommen.

»Wo musst du hin?«, fragte Christoph.

»Zur U-Bahn.«

»Da gehe ich vorbei.« Er holte einen Schirm aus seiner Umhängetasche. »Na komm.«

»Ach, das bisschen Regen.« Phillip trat ins Freie und lief ein paar Schritte. Christoph spannte den Schirm auf und folgte ihm. Nach einigen hundert Metern durch den kräftigen Regen hielt er Phillip einladend den Schirm ent­gegen und der kam mit darunter. Sie gingen dicht neben­einander unter dem Schirm, langsamer als es bei dem Wet­ter Sinn machte, schlenderten fast. Gemeinsam unter dem Schirm zu gehen hatte etwas Vertrautes, fast Intimes, wäh­rend der Regen um sie prasselte und nur wenige Leute un­terwegs waren. Als sie den Eingang zur U-Bahn erreichten, sagte Christoph: »Ich bring dich noch runter.«

»Nein, Quatsch.« Phillip legte die Hand auf Chris­tophs Arm. »Bis Samstag.«

»Ja, ich freu mich. Tschüss.« Christoph lächelte und beugte sich leicht zu ihm. So verharrten sie noch einen Moment, dann verschwand Phillip in dem zugigen Abgang zur U-Bahn.

 

 

4

 

Das Treppenhaus protzte mit Säulen, Spiegeln und dunk­lem Holz. Phillip ging die breite Treppe hinauf zum ersten Absatz. Ein Kamin mit einem Gitter, der hier wenig Sinn machte, eine kleine Marmorstatue. Phillip stieg höher und dachte an das Treppenhaus zu seiner Wohnung. Eine ab­getretene Treppe mit einem gedrechselten Holzgeländer, schlecht ersetzte Fensterscheiben und viel zu dick überstri­chene Türen. Auch Altbau, sehr charmant, Prenzlauer Berg eben, aber ohne das gediegene Flair hier.

Phillip stieg noch einen Stock höher, Christoph hatte die Tür nur angelehnt und er klopfte an den Rahmen.

»Komm rein«, rief Christoph. Er betrat einen hellen Flur, Christoph kam ihm entgegen. Er trug eine Stoffhose und einen lose fallenden leichten Pullover in Blaugrau. Sie traten aufeinander zu und umarmten sich kurz, ohne dass Phillip sagen konnte, wer die Initiative ergriff, es fühlte sich einfach ganz natürlich an.

»Schön, dass du da bist«, sagte Christoph.

»Danke für die Einladung«, antwortete Phillip brav.

»Willst du was trinken?«

»Ein Bier.«

»Oh, tut mir leid, Bier ist alle. Willst du einen Aperitif?«

»Was für einen?«

»Lass dich überraschen. Geh schon mal durch und mach’s dir bequem.«

Phillip betrat das Wohnzimmer, ein heller großer Raum mit hoher Decke. Die Flügeltür zum Balkon stand offen. Große Fenster, Parkett, ein Erker. Phillip sah sich weiter um, eine moderne Couch und ein ebensolcher Couchtisch auf einem Teppich, der nach ›nicht betreten‹ aussah. Ein riesiges abstraktes Gemälde in stumpfen Rot- und Grautönen. Eine Regalwand voller Bücher, Kunst­bände wohl vor allem. Ein Esstisch vor der Balkontür, noch mehr Regale, viel freier Platz. Eine große Schiebetür stand halb offen und erlaubte den Blick in ein ebenso ele­gant und modern eingerichtetes Schlafzimmer, ein Dop­pelbett in der Mitte. Auf der matt glänzenden, braunen Bettwäsche schlief ein schwarzer Kater.

Christoph betrat das Wohnzimmer, zwei Gläser mit orangeroter Flüssigkeit in der Hand. »Hier, Aperol Spritz.«

Phillip trank, es schmeckte herb und prickelnd. »Le­cker. Was ist das?«

»Bitterorangenlikör, Prosecco und Sprudel. Ich dachte, wir können vor der offenen Balkontür essen, ist ja mild, nur nicht warm genug, um draußen zu sitzen.«

»Ja. Ich hab aber noch keinen Hunger.«

»Okay.«

»Kann ich zuerst deine Bilder sehen?«

»Wirklich?«

»Klar, darum bin ich hier.«

»Na gut.« Christoph stellte sein Glas ab und trat zur Wand, an der einige Rahmen lehnten. Phillip stellte sich neben ihn. »Hier.«

Das erste Bild, nicht sehr groß, zeigte einen Ausschnitt glitzernden, in der Sonne flirrenden Wassers. Nur das. Die Farben selbst schienen zu schimmern und matt zu glänzen. Phillip nahm das Bild in die Hand und kippte es leicht, um den Effekt zu verstärken. »Echt toll!«

Christoph hielt ihm schon das nächste Bild hin, ein südliches Meer, Türkis und dunkle Blautöne, im Vorder­grund ein Felsen. Der Pinselstrich schien die Struktur des Gesteins nachzubilden. »Das gefällt mir auch.«

»Danke«, sagte Christoph leise. Er stellte die Bilder an die Wand, zeigte noch zwei kleinere, die Ausschnitte von Wasser abbildeten, ein Seeufer und eine Pfütze, und die ebenso faszinierend waren. Dann drehte Christoph das größte der Bilder um. Phillip hielt den Atem an, da war eine glatte Wasserfläche an einem bedeckten Tag, stahl­graue Wolken, die Äste eines kahlen Baumes, die sich in dieser Fläche spiegelten. Darüber, leicht unscharf, als wäre es mit einer Kamera aufgenommen, trockenes fahlgelbes Schilf.

»Das ist großartig. Gefällt mir am besten. Sie gefallen mir alle, du solltest sie ausstellen, wirklich!«

»Danke, ich …« Christoph betrachtete das Gemälde und stellte es dann ab. »Ich weiß nicht.«

»Hänge sie doch wenigstens hier auf. Das da an der Wand, das ist doch nicht von dir, oder?«

»Nein.«

»Das ist so was, wie du auch in der Galerie hängen hast.«

»Ja, der Künstler wird immer höher gehandelt.«