Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
HERZZEITWENDE Kopfzeitende Der Weg vom Verstand zum Herzen, das Ende der Politik der Angst Herzzeitwende behandelt den Zustand, in dem sich unsere Gesellschaft befindet. Es beschreibt den Ursprung und die Folgen von Angst und Verurteilung sowohl für den Einzelnen wie für das Gemeinwesen. Der autobiografische Hintergrund des Autors und seine Suche nach dem Glück im Außen verdeutlichen, wie der Normal-Mensch mit verschlossenem Herzen und aus einem von seinem Ego kontrollierten Verstand heraus handelt, getrieben von Angst und Mangeldenken. Folge von Angst, Mangeldenken und Verurteilung ist unendlich viel Leid in der Welt, Ungleichheit und Hass bis hin zu Krieg, Elend und Zerstörung. Die Bedeutung von Schicksal und Glück, der Ursprung von Leid, die Projektion von verdrängten Ängsten und anderen Emotionen und die Folgen von Selbstverurteilung werden ebenso beispielhaft wie selbstironisch und humorvoll beschrieben. So ist die Lieblosigkeit in der Gesellschaft nicht zuletzt das Ergebnis von kollektiver Unbewusstheit, die Ausdruck findet in der Hilflosigkeit von Politikern, einem zusammenbrechenden Finanzsystem, einem marktradikalen Neoliberalismus und einer unwürdigen Bildungs-, Gesundheits-, Renten- und Steuerpolitik, die längst nicht mehr am Gemeinwohl ausgerichtet ist.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 134
Veröffentlichungsjahr: 2018
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
für
Paulina - Camille
Prolog
Lohnt es sich eigentlich zu leben oder ist alles nur Illusion?
Kindheit
Vater
Mutter
Karriere
Beziehungen
Wer bin ich und was soll das alles hier?
Welchen Anteil tragen wir an unserem Schicksal?
Leid-Lektionen
Überprüfe deine Gedanken anhand der aktuellen Ereignisse
Erwachsenenkindergarten
Menschen, die unseren Weg kreuzen
Verbrannte Erde
Wie blickst du auf die Welt? Erkenne deine Vollkommenheit
Wie blickst du auf die Welt? Erkenne Dich im Urteil über andere
Die Folgen von Angst und Bedürftigkeit
Das Menschenbild und der Zustand der Welt. Was verändert sich, wenn Urteile wegfallen?
Herzzeitwende
Das Ende der Politik der Angst
Der Wahnsinn einer auf Profit ausgerichteten Gesundheitspolitik
Was führt zu einer körperlich kranken Gesellschaft?
Die Ratlosigkeit der Politiker
Wahrheit
Epilog
Quellen- und Literaturhinweise
HERZZEITWENDE
beschreibt die Folgen von Angst und Verurteilung für die persönliche Entwicklung des Einzelnen wie der Gesellschaft und wie sich durch Herzöffnung das Leben auf der persönlichen wie der gesellschaftlichen Ebene verändert.
Verändere deine innere Haltung und alles verändert sich.
Dieses Buch möge all denen, die manchmal glauben, an der Realität des Alltags und der Welt verzweifeln zu müssen, Hoffnung und Zuversicht geben, dass alles einen Sinn hat und auch die hoffnungsloseste Gesamtsituation durch die Betrachtung aus einer anderen Perspektive zu innerem Wachstum und damit innerer Fülle und Balance beitragen kann.
Es geht darum, nicht am äußeren Ereignis verhaftet zu bleiben, sondern jeweils nach der Entsprechung im Innen zu forschen und dadurch den Widerstand zum äußeren Anlass zu lösen hin zur Annahme desselben und zur neuen Entscheidung. Wenn wir davon ausgehen, dass alles einen Sinn hat, dann ist das eine gute Nachricht, denn in allem, was dir widerfährt, steckt eine Botschaft für dich persönlich, auch wenn dein Verstand das zunächst einmal nicht wahrhaben will.
Wir leben in einer Zeit - viele sprechen von einer Transformationszeit - in der die weltpolitischen, geostrategischen, ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen sich immer mehr zuspitzen. Eine Zeit, die geprägt ist von Flüchtlingsbewegungen, Kriegen, Hunger und Not, religiösem Fanatismus, was nun wirklich nichts Neues ist in der Menschheitsgeschichte. Wir erleben Umweltzerstörung, Klimakatastrophen in nicht gekanntem Ausmaß, immer mehr Menschen leiden unter Isolation, Einsamkeit, der Zunahme chronischer Erkrankungen. Altersarmut, Ungleichheit durch zunehmende Konzentration des Kapitals und Eigentums auf immer weniger Menschen, während immer mehr Menschen sich immer weniger teilen müssen. Eine Zeit, in der das Ende des Wachstums-Wahnsinns naht, weil unsere Erde ausgebeutet wird. Eine Zeit der Finanzskandale und weltweiten Verschuldung durch entfesselte Kapitalmärkte, in der die Unsicherheit der eigenen Existenz auch durch die Zunahme der technischen Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf die Arbeitswelt und Selbstbestimmung, die Abhängigkeit von der Fremdversorgung und der Konsumzwang die Menschen haltloser und rastloser macht, in der die Institution Kirche an Glaubwürdigkeit verloren hat und keine echte Orientierung mehr gibt. Da verwundert es kaum, dass sich die Angst und Haltlosigkeit eines großen Teils der Gesellschaft wiederspiegelt in den gewählten Politikern, die taumeln in der Komplexität von zur Aufrechterhaltung der alten Ordnung ausgedienten Systemkomponenten, der Machtgier und gleichzeitigen marionettenhaften Abhängigkeit von den Global Playern, den Verwaltern unfassbarer Kapitalvermögen. Dies führt zu Frust, Starre, Stillstand, Durchhalteparolen. Viele erkennen inzwischen das Dilemma.
>>Der Zusammenhalt der Gesellschaft ist gefährdet, ein Klima der Angst schafft den Nährboden für Verurteilung, Kontrolle, Abschottung, Egoismus, immer perfider werdenden Konkurrenz-Kampf, dem schon die Jüngsten zum Opfer fallen. Überforderung auf allen Ebenen.<<
Solche Sätze begleiten uns seit langem und klingen wie alte Bekannte.
Darüber vergessen wir, dass es uns zumindest in Europa materiell noch nie so gut ging wie heute, dass wir in einem nie gekannten Luxus leben, der es uns erlaubt, Antworten auf alle Probleme und Fragestellungen zu finden. Think Tanks auf der ganzen Welt arbeiten an Alternativen für Energie, Ernährung, Ökonomie. Technischer Fortschritt, die Digitalisierung, verändertes Bewusstsein erlauben völlig neue Denkansätze und Perspektiven auf inzwischen verkrustete Systeme, die ausgedient haben. Bedingungsloses Grundeinkommen, Postwachstums- und Gemeinwohlökonomie setzen auf Vertrauen, Liebe und Mitgefühl statt auf Angst als Basis des Handelns.
Was kann der einzelne Mensch nun also tun, um nicht zu verzweifeln und sich weiter in der Verurteilung des anderen zu verlieren? Wann haben wir begonnen mit dem Wahnsinn, mehr sein zu wollen, - höher, weiter, schneller, schöner, jünger, reicher, schlauer?
Unser Ego ist es, das uns suggeriert, dass das Glück im Außen zu finden ist. Das Ego ist jedoch das Produkt eines aus Angst vor Verletzung verschlossenen Herzens und eines Verstandes, der von diesem Ego vollständig vereinnahmt wurde. Es ist das Produkt der Trennung von der Liebe am Anfang unserer Reise in der Polarität. Das Ego ist das, was dich von dem, der du eigentlich bist, trennt; nämlich deinem Selbst, deinem wahren Wesen, deiner Essenz. Es ist dein größter innerer Kritiker, der dir ständig einredet, dass du deine innere Leere nur im Außen füllen kannst durch Leistung, Erfolg, Fleiß, Kampf und Anstrengung. Dabei wirkt dieses Ego aus dem Unbewussten über den Verstand, der erfahrungsgeleitet und somit gesteuert über die Verletzungen des inneren Kindes das Denken übernimmt.
Die Apachen sagen:
Der weiteste Weg, den du gehen kannst, ist der vom Verstand zu deinem Herzen.
Wir leben in einer Gesellschaft der verschlossenen Herzen.
Wenn wir, wenn immer mehr Menschen bereit sind, ihre Herzen zu öffnen, in allererster Linie für sich selbst, dann ändert sich alles. Anhand meiner eigenen recht gewöhnlichen Erfahrungen eines ‚Durchschnittsmenschen‘ möchte ich darstellen, wie es dazu kam, dass ich begonnen habe, mein Herz zu öffnen und einen neuen Weg zu gehen, nachdem ich erkannt hatte, dass das, wonach ich mich sehnte, was ich mir so sehr wünschte im Außen ohne den Weg nach Innen nicht zu bekommen war.
Deshalb schildere ich im ersten Teil des Buches, wie ich die Welt der Kindheit, Jugend und auch als Erwachsener aus meiner Sicht eines Bedürftigen, Suchenden wahrgenommen habe. Das geht oft auch auf Kosten der Objektivität, mit denen die Menschen und Ereignisse geschildert werden und ist doch exemplarisch für jeden von uns, deren Erwartungen und Sehnsüchte nicht immer erfüllt werden. Durch unsere Lebenserfahrungen werden wir mehr und mehr objektiviert und zum Opfer der Umstände, in denen wir leben.
Ich war der Mittlere von 3 Söhnen meiner Eltern. In meiner Kindheits-Erinnerung war bereits mein Name das erste, was ich vehement ablehnte: Lothar.
Was um alles in der Welt hat meine Eltern dazu bewogen, mir diesen Namen zu geben? Lothar. Nein, ich war nicht Lothar, ich habe mich nicht gefühlt wie jemand, der so heißt, ich wollte das nicht. Und dann war da noch nicht einmal ein Zweitname als Ausweichmöglichkeit. Ich war verdammt dazu, mit diesem Namen durch mein Leben zu gehen! Lothars waren in meiner Vorstellung fett, blass, picklig, peinlich, Scheiße eben! Ich wollte besonders sein, kein Held, aber cool, lässig, beliebt, begehrt, - nur, welches Mädchen sollte schon einen Lothar begehren? Wie um Himmels Willen sollte sich meine Traumfrau in jemanden verlieben, der so heißt? Unmöglich! Wenn ich nach meinem Namen gefragt wurde, habe ich mich geschämt, selbst Stefans, Thomas, Jürgen und Detlefs habe ich um ihren Namen beneidet.
Damals hießen die Stars in den Kinofilmen Robert, John, Paul, Warren, James und selbst in den billigen 3-Groschen-Liebesromanen Frank, Christian, Richard, während für Lothars höchstens eine unattraktive, meist belächelte Nebenrolle blieb. Und selbst einer der besten Fußballer der Welt schaffte es nicht, dem Namen einen würdevoll klingenden Anstrich zu geben. Er ist bis heute eine Witzfigur, die schallendes Gelächter provoziert. Gerne wird der Name dann noch gewürzt mit einem laschen d statt t, das dem Namen den Anstrich von Vollpfosten, Dummschwätzer, Depp verpasste: Loddda!
Das klingt vielleicht banal, aber als Kind hat mich das beschäftigt, ich habe mich dadurch minderwertig gefühlt. Was Erwachsene meist unterschätzen ist, dass Kinder oft durch scheinbar banale Ereignisse, Umstände, Situationen oder Bemerkungen, die aus der Sicht eines Erwachsenen ‚kaum der Rede wert‘ sein mögen, verunsichert oder sogar traumatisiert werden können. Deshalb ist es für Kinder von unschätzbarem Wert, vor allem von seinen direkten Bezugspersonen, auch dann ernst genommen zu werden, wenn es sich aus der Sicht des Erwachsenen nur um eine Banalität zu handeln scheint.
Aber das sollte nicht mein letztes Nein sein zu dem, was eigentlich schon da war. Irgendetwas, besser gesagt ganz viel fühlte sich für mich nicht richtig an in meinem Leben und mit mir. Ich fühlte mich wie der eigentlich richtige Mensch am falschen Platz, am falschen Ort. Und das zog sich wie ein roter nicht enden wollender Faden durch mein Leben. Falsch, nicht richtig, falsch, nicht richtig. ‚Seltsamerweise‘ wurde mir das dann auch immer wieder bestätigt. Mein Leben verlief partout nicht so wie ich es gerne gehabt hätte. Verdammter Mist aber auch, warum nur?
In der Kindheit konnte ich mein ‚Unglück‘ noch dadurch deckeln, dass ich als Träumer durch den Tag wandelte und wenn ich mal nicht träumte, dann konnte ich Aufmerksamkeit gewinnen, indem ich meine durchaus vorhandenen Talente zeigte; zumindest bis zum Ende der Grundschulzeit fiel mir auch tatsächlich vieles zu. Im Sport war ich echt gut und nicht zuletzt dadurch recht beliebt, hatte ein paar Kumpels, mit denen ich rumzog. In der frühen Kindheit habe ich gar nicht richtig realisiert, dass z.B. mein Vater für mich emotional überhaupt nicht verfügbar war und meine Mutter, neben der Verantwortung für 3 lebhafte Jungs und dem Haushaltsmanagement, vorwiegend damit beschäftigt war, es meinem Vater recht zu machen. Wir, d.h. meine 2 Brüder und ich, haben funktioniert und das gemacht, was Jungs in diesem Alter eben tun. Da wir zu dritt und immer auf der Straße unterwegs waren beim Fahrradfahren, Fußball spielen usw., haben wir nicht bewusst wahrgenommen, wie wenig unser natürliches kindliches Bedürfnis nach Liebe und Aufmerksamkeit, liebevoller Führung durch den Vater gestillt wurde. Und wenn ich mal im Mittelpunkt stehen und verwöhnt werden wollte, dann war ich bei Oma und Opa, die ich über alles geliebt habe.
In der Freud‘schen genitalen Entwicklungsphase des Heranwachsenden, der Pubertät, kam die Sehnsucht nach dem bis dahin eher ignorierten, fremden Wesen: Mädchen, das andere Geschlecht, das ich mit Oma und Mama nicht wirklich unter einen Hut bringen konnte. Da entstand die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren. Und der Vergleich mit den Geschlechtsgenossen, die sich seit 2 Jahren rasierten und deren Bartwuchs wucherte, während ich blank wie ein Baby-Popo ängstlich auf die ersten zarten Haare lauerte, - und die Momente der Offenbarung nach den Sportstunden unter der Dusche. Dennoch war ich damals überzeugt, dass ich irgendwie besonders war, attraktiver und interessanter als alle anderen Jungs meines Alters. Und ich konnte nicht verstehen, dass die Mädchen, die ich heimlich anhimmelte, das offenbar nicht bemerkten und sich dann mit Typen abgaben, die ich als weit, weit unter meinem Niveau empfand, während die anderen Mädchen, die mir nachstellten, mich null interessierten. Was lief denn da falsch? Was hatte ich nicht kapiert? Die Einzigartigkeit, die ich in mir fühlte, wurde nicht ausreichend gewürdigt. Meine Sehnsüchte wurden nicht gestillt und mein Selbstwertgefühl begann zu schrumpfen. Hinzu kam, dass ich mich im Vergleich zu meinen Klassenkameraden und Freunden in einem für mich damals wichtigen Punkt benachteiligt fühlte. Ich war der einzige, der kein eigenes Zimmer hatte; ich musste mir ein 9 qm-Zimmer mit meinem jüngeren Bruder teilen, während alle anderen ihr eigenes Reich hatten. Und meine Eltern waren auch nicht gerade das, was man cool und befreit nennen würde wie die sogenannte 68er Generation von Eltern, die sich damals ja vehement gegen das Establishment, wozu auch deren eigene Eltern gehörten, auflehnten. im Gegenteil. Mein Vater war mir oft sogar peinlich. Ich habe ihn manchmal geradezu verachtet, nicht nur weil er meine Mutter auf eine für mich egoistische Art vereinnahmte. So sah er es z.B. nicht gerne, wenn er abends von der Arbeit nach Hause kam und ich hatte noch Besuch von einem Freund. Immer musste ich dann meine Freunde irgendwie loswerden. Wir mussten still sein, sollten nicht so laut lachen, nicht rumalbern usw. Ich habe das nicht verstanden. Warum konnte er sich nicht einfach freuen, wenn es uns gut ging? Wenn er zu Hause war, dann gab es nur ihn und seine Probleme und Sorgen, und alle anderen, einschließlich meiner Mutter, waren unwichtig und hatten zu funktionieren, die Klappe zu halten und seine Launen zu ertragen. Er hat uns und unsere Probleme nicht wahrgenommen und wollte auch gar nichts davon wissen, weil er der Meinung war, dass wir doch alles hatten und solange der Ernährer im Haus war, allein er im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen hatte. So fühlte ich mich oft klein und hilflos, abhängig und ohnmächtig, unwichtig und einsam. Unter diesen Umständen habe ich rückblickend sehr gelitten und gleichzeitig war es mir irgendwie peinlich, dass ich darunter gelitten habe. Ich war mir selbst peinlich, habe mich schuldig gefühlt, weshalb ich meine nicht befriedigten Bedürfnisse immer eifrig unter den Teppich kehrte bzw. mich mit der Aussicht auf spätere Erfüllung, wenn ich einmal groß und unabhängig sein würde, begnügt habe. Und so begann ich mein Herz zu verraten und Glück, Freude, Sehnsucht nach Geborgenheit in die Zukunft zu verschieben, mich mit kleinen Inseln der Glückseligkeit über Wasser zu halten.
Diese kleinen Inseln der Glückseligkeit lagen für mich darin, mich, sooft es eben ging, zu verpissen, allerdings ohne meine Verpflichtungen wirklich zu vernachlässigen oder Anlass zur Sorge für meine Eltern zu geben. Das einzige, was leiden musste, war Latein. In Latein war ich eine Niete. Ich hab nicht gelernt und nicht kapiert und infolge dessen versagt. Das war insofern folgenschwer, dass ich begann, an meinen kognitiven Fähigkeiten zu zweifeln, wofür ich bis dahin eigentlich keinen Anlass gehabt hatte. Das Abitur war dennoch nicht in Gefahr, jedenfalls nicht wirklich.
Mein Verpissen bestand darin, jede Gelegenheit zu nutzen, auswärts zu übernachten, z.B. bei Oma oder bei Freunden und auch dort viel Zeit zu verbringen, um mich möglichst oft der gefühlt bedrückenden und spießbürgerlich eher intoleranten Atmosphäre meines Elternhauses zu entziehen. Auch die Schule, zumindest das Gymnasium, auf das ich ging, bedrückte mich. Nichts von dem, was uns da aufgezwungen wurde an Lerninhalten, interessierte mich. Die Lehrer fand ich größtenteils ätzend, einige fanden mein Mitgefühl. Die Schuld suchte ich aber meist bei mir. Irgendetwas musste mit mir nicht stimmen.
Mit all dem Frust, der Wut und Ohnmacht, den Schuld-, Scham- und Kleinheitsgefühlen ging ich durchs Leben, wie so viele andere auch, aber ich hatte immer das Gefühl, ganz besonders vom Schicksal gebeutelt zu sein, was den Rucksack auf meinen Schultern schwerer werden ließ.
So wurde also Brüderchen Frust mein treuer Begleiter und meine Kindheit und Jugend im Rückblick eher unerfreulich, eben etwas, was ich schnell vergessen wollte auf dem Weg in eine bessere Zukunft als unabhängiger Volljähriger. Dann stünde meinem Glück und der Erfüllung meiner Sehnsucht nichts mehr im Wege, oder?
Tja, ich hatte eben keine Ahnung, wie das Leben funktioniert. Es würde schon alles gut gehen und alle meine Träume würden sich erfüllen, ganz nach dem einfältigen Motto: Alles wird gut! Immer schön funktionieren, seinen vermeintlichen Pflichten und Verantwortungen nachkommen, Erwartungen erfüllen, zur Not auch mal zum Gottesdienst in die Kirche gehen, Taufe, Beichte, Kommunion, Firmung, irgendwann Heiraten, um angeblich Gottgewollte Sakramente abzuarbeiten, gesellschaftliche Normen zu erfüllen und bloß niemanden zu verletzen, dann muss doch eigentlich irgendwann alles gut werden. Du machst Abitur, gehst zur Bundeswehr, Lehre, Studium und du bist der King, die Kohle fließt, die Frauen reißen sich um dich und alle lieben dich. Das war doch damals die landläufige Meinung des dressierten Normalmenschen unserer westlichen Gesellschaft. Und bloß keine verbotenen Dinge tun, aus der Reihe tanzen, Drogen nehmen, schlechte Noten nach Hause bringen, Faulenzen oder sonstige gesellschaftlich inakzeptablen Attitüden aufkommen lassen. So sind wir doch größtenteils erzogen worden, die Babyboomer.
Heute klingt das für mich wie eine Anleitung zum Unglücklich sein. Funktionieren, das Herz verschlossen und verraten, Arschbacken zusammengekniffen, - das perfekte Selbstunliebeprogramm! Millionenfach praktiziert, von Politik, Gesellschaft und Religion abgesegnet. Bloß keine Eigenverantwortung, erfülle deinen Marschbefehl und du hast dir wenigstens nichts vorzuwerfen, wenn trotzdem alles den Bach runter geht.