Honor Harrington: Um jeden Preis - David Weber - E-Book

Honor Harrington: Um jeden Preis E-Book

David Weber

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Beschreibung

Der Krieg mit Haven ist erneut ausgebrochen - ein Desaster für das Sternenkönigreich von Manticore. Admiral Lady Dame Honor Harrington, die einzige Kommandantin der Alliierten, die in der ersten Phase des Kriegs Erfolg hatte, wurde aus dem Sidemore System zurückgerufen. Sie soll die Achte Flotte befehligen - die wichtigste Offensivstreitkraft der Allianz und daher wie geschaffen für die Frau, welche die Medien den "Salamander" nennen. Eines aber weiß die Öffentlichkeit noch nicht: Das Sternenkönigreich und seine Verbündeten sind im Vergleich zur neuen Feindflotte stark in der Unterzahl. Und die Siegesaussichten verschlechtern sich täglich...

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Um jedenPreis

Roman

Ins Deutsche übertragenvon Dietmar Schmidt

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Deutsche Erstveröffentlichung

Titel der amerikanischen Originalausgabe: At All costs

© 2005 by David M. Weber

Published by arrangement with

Baen Publishing Enterprise, Wake Forest, NC

Für die deutschsprachige Ausgabe

© 2007/2014 by Bastei Lübbe AG, Köln

This Work was negotiated through Literary Agency

Thomas Schlück GmbH; 30827 Garbsen

Lektorat: Uwe Vöhl/Ruggero Leò

Titelillustration: Jan Patrik Krasny / Agentur Schlück

Umschlaggestaltung: Tanja Østlyngen

E-Book-Produktion: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN: 978-3-8387-0971-0

Sie finden uns im Internet unterwww.luebbe.de

Bitte beachten Sie auch: www.lesejury.de

Für

Richard Andrew Earnshaw

1951 - 2005

Nach vierzig Jahren, die wir zusammen gelacht,

geliebt und geweint haben, fällt das Loslassen schwer.

Aber es ist Zeit.

Also fliege, Richard.

Wo immer du bist,

Wohin Gott dich auch führt,

Fliege hoch.

Du warst mir teuer.

Und für Edward Ormondroyd,

Lieferant prächtiger Wunder für die Jugend,

in tiefem Dank.

Prolog

Unmittelbar vor der Hypergrenze überquerten die großen LAC-Träger der Aviary-Klasse und ihr Geleitschutz aus Schlachtkreuzern die Alpha-Mauer und kehrten in den Normalraum zurück. Im Verband waren nur drei der superdreadnoughtgroßen Schiffe, doch ihre Hangars spien beinahe sechshundert Leichte Angriffsboote aus. Die havenitischen LACs der Cimeterre-Klasse mochten eine leichtere Bewaffnung tragen als die Shrikes und Ferrets des Sternenkönigreichs von Manticore, ihnen in jeder Hinsicht unterlegen sein und eine kürzere Reichweite haben, doch ihrer augenblicklichen Aufgabe waren sie mehr als gewachsen.

Während sie auf Vektoren systemeinwärts beschleunigten, die zur industriellen Infrastruktur von Alizon führten, entdeckten sie, dass sie unerwartetes Glück hatten: zwei schwerfällige Frachter, die beide manticoranische Kennungen abstrahlten und annähernd dem gleichen Kurs folgten, fanden sich genau im Anlaufweg des Kampfverbandes wieder; bereits jetzt waren sie in äußerster Raketenschussweite. Die Frachter beschleunigten verzweifelt, doch die LACs hatten in dem Augenblick, in dem sie geortet wurden, bereits eine Aufschließgeschwindigkeit von mehr als tausend Kps, und die Maximalbeschleunigung der Frachter überstieg zweihundert g nicht wesentlich. Die Cimeterres erreichten eine Beschleunigung von beinahe siebenhundert g und waren bewaffnet – die Frachter nicht.

»Manticoranische Frachtschiffe, hier spricht Captain Javits von der Republican Navy of Haven«, meldete sich eine schroffe Stimme mit havenitischem Akzent auf der zivilen Wachfrequenz. »Streichen Sie Ihre Impeller, und gehen Sie auf der Stelle von Bord. Nach den Bestimmungen des interstellaren Rechts informiere ich Sie offiziell, dass wir über keine Möglichkeit verfügen, Ihre Schiffe zu entern und zu durchsuchen oder als Prise zu nehmen. Folglich werde ich das Feuer auf sie eröffnen und sie vernichten, und zwar in zwanzig Minuten ab – jetzt. Schaffen Sie Ihre Leute augenblicklich von Bord. Javits, Ende.«

Einer der beiden Frachter fuhr umgehend die Impeller herunter. Der Skipper des anderen Schiffes war starrsinnig. Er beschleunigte weiterhin, als dächte er, irgendwie könnte er sein Schiff vielleicht doch noch retten, aber er war trotzdem kein Dummkopf. Nach fünf Minuten hatte er begriffen – oder zumindest akzeptiert –, dass er keine Chance besaß, und unvermittelt erlosch auch sein Impellerkeil.

Aus beiden Handelsschiffen strömten Shuttles und entfernten sich mit Maximalbeschleunigung, als rechneten sie damit, dass die havenitischen LACs das Feuer auf sie eröffneten. Die Republik hielt sich jedoch peinlich an die Bestimmungen des interstellaren Rechts. Die Kampfschiffe warteten, bis die von Javits genannte Zeitpanne exakt verstrichen war, und feuerten auf die Sekunde genau auf beide treibenden Frachter je eine Rakete.

Die altmodischen atomaren Gefechtsköpfe erledigten ihre Aufgabe ohne jede Anstrengung.

Die Cimeterres beschleunigten weiter. Sie achteten nicht auf die verwehenden Wolken aus Plasma, die einmal etwa acht Millionen Tonnen Schiffsraum gewesen waren. Ihre Vernichtung war schließlich nur Nebenattraktion. Voraus näherten sich den havenitischen Schiffen ein halbes Dutzend Zerstörer und eine Division manticoranischer Schwerer Kreuzer der Star-Knight-Klasse. Die Verteidiger waren noch zu weit entfernt, um von den Cimeterres bereits geortet zu werden, doch das galt nicht für die ferngesteuerten Aufklärungsdrohnen, die den LACs in einem Fächer vorauseilten. Captain Bertrand Javits verzog das Gesicht, als er die Beschleunigungswerte der Verteidiger ablas, die ihm die Drohnen übermittelten.

»Die überschlagen sich nicht gerade, uns den Weg zu verlegen, was, Skip?«, bemerkte Lieutenant Constanza Sheffield, sein Erster Offizier.

»Nein, das kann man nicht sagen«, sagte Javits und deutete auf das beengte, nüchterne taktische Display des LACs, das nur die Grundfunktionen solcher Geräte bot. »Und das bedeutet vermutlich, dass der Nachrichtendienst den Schutz des inneren Systems richtig eingeschätzt hat.« Er blickte sie an.

»Wenn das so ist, wird es hart für uns«, sagte sie.

»Ja, so ist es. Aber nicht ganz so hart, wie die Mantys hoffen«, entgegnete Javits. Er gab eine neue Kennziffer in sein Signalgerät. »An alle Wolverines, hier Wolverine-Eins. Nach der Beschleunigung der manticoranischen Schiffe zu urteilen, schleppen sie Raketengondeln. Und da es so wenig Schiffe sind, muss ich annehmen, dass der Nachrichtendienst die Abwehrstrategie richtig einschätzt. Wir werden also nicht brav ins innere System laufen, sondern gehen auf Sierra-Drei. In fünfundvierzig Minuten ändern wir am Punkt Victor-Alpha auf mein Signal hin den Kurs. Machen Sie sich noch einmal mit der Zielansprache-Reihenfolge von Sierra-Drei vertraut, und halten Sie sich zum Raketenabwehrfeuer bereit. Wolverine-Eins, Ende.«

Der Abstand fiel weiter, während die Aufklärungsdrohnen weitgespannte Ortungsemissionen meldeten. Einige stammten wahrscheinlich von Suchsystemen, doch die wichtigsten Sensorplattformen in allen Sonnensystemen arbeiteten passiv statt aktiv. Daher erschien es wahrscheinlich, dass die meisten dieser aktiven Strahler zu dem einen oder anderen Feuerleitsystem gehörten.

Javits beobachtete die Telemetrie seiner Aufklärungsdrohnen, die in den Nebenanzeigen seines taktischen Plots dargestellt wurde. Die weitaus leistungsstärkeren Computer an Bord der LAC-Träger und Schlachtkreuzer, von denen die Drohnen stammten, konnten mit den erlangten Daten ohne Zweifel erheblich mehr anfangen. Er wusste, dass die Techniker von Schlupfloch sabbern würden, sobald sie einen Blick darauf werfen konnten. Für seine Berechnungen jedoch war das zweitrangig, denn sie befassten sich vorrangig mit der Frage, wie er während der nächsten Stunden möglichst viele seiner Leute am Leben erhielt.

»Anscheinend gibt es auf dieser Seite des Sterns vier große Netze von Sensorplattformen, Skipper«, sagte der I. O. schließlich. »Zwo davon decken die Ekliptik ab, eines steht darüber und eines darunter. Damit beobachtet man die gesamte Kugelschale der Hypergrenze recht genau, aber ganz offensichtlich konzentriert man sich auf die Ekliptik.«

»Die eigentliche Frage ist natürlich«, entgegnete er trocken, »wie viele Gondeln jede dieser ›Trauben‹ enthält, die wir hier sehen, Constanza.«

»Und was wir denken sollen, wie viele Gondeln sie haben, Sir«, warf Lieutenant Joseph Cook ein, Javits Taktischer Offizier.

»Das auch«, gab Javits zu. »Unter den gegebenen Umständen bin ich in dieser Hinsicht allerdings ziemlich pessimistisch, Joe. Auf jeden Fall hat der Gegner vorausgedacht und setzt die Sensorplattformen ein, um die Gondeln zu steuern. Sie sind mindestens so teuer wie die Gondeln selbst, deshalb halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass man sie nicht ausgesetzt hätte, wenn es keine Gondeln gäbe, die sie steuern könnten.«

»Jawohl, Sir.«

Lieutenant Cook hätte sich nicht respektvoller verhalten können, doch Javits wusste, was der Taktische Offizier dachte. Angesichts der umfassenden Überraschung, die mit Unternehmen Donnerkeil gelungen war, und der gleichermaßen umfassenden Unfähigkeit der ehemaligen manticoranischen Regierung hatte es durchaus im Rahmen des Möglichen – sogar des Wahrscheinlichen – gelegen, dass die Abwehrsysteme Alizons noch nicht verstärkt worden waren, auch wenn Manticore nach Wiederaufnahme der Feindseligkeiten augenblicklich mit Nachbesserungen begonnen hatte. Dann hätten die Verteidiger tatsächlich nur geblufft und Javits einzureden versucht, ihnen stände mehr Material zur Verfügung, als es tatsächlich der Fall war. Andererseits war Manticore seit Donnerkeil durchaus genügend Zeit geblieben, um zwei Frachterladungen ihrer neuen Mehrstufenraketengondeln in dieses System zu schaffen. Premierminister High Ridge war die verkörperte Inkompetenz gewesen, doch im Gegensatz zu seinem Kabinett wusste die neue Regierung Alexander ihren Hintern durchaus von einem Loch im Boden zu unterscheiden. Wären die zusätzlichen Raketen nicht verschickt und installiert worden, hätten die Aufklärungsdrohnen ein erheblich stärkeres Wachgeschwader im System melden müssen, als nun geortet wurde.

»Wir nähern uns dem Punkt der Kursänderung, Skipper«, meldete Sheffield ihm einige Minuten später, und er nickte.

»Entfernung zu den nächsten aktiven Sensorplattformen?«, fragte er.

»Größte Nähe zwölf Sekunden nach unserer Kursänderung, annähernd vierundsechzig Millionen Kilometer«, antwortete sie.

»Eine Million Kilometer innerhalb der maximalen Reichweite aus dem Stand«, stellte Javits fest und machte ein gequältes Gesicht. »Ich wünschte, es gäbe eine andere Möglichkeit herauszufinden, ob der Nachrichtendienst weiß, wovon er redet.«

»Da sind wir zwo, Skipper«, stimmte Sheffield ihm zu, doch dann zuckte sie mit den Schultern. »Wenigstens bestimmen diesmal wir, zu welcher Musik wir tanzen.«

Javits nickte und musterte das Icon, das seinen gewaltigen Schwarm von LACs darstellte, welcher sich immer dichter dem blinkenden grünen Fadenkreuz näherte, das für Punkt Victor-Alpha stand. Mittlerweile hatten die Cimeterres fast dreiunddreißig Millionen Kilometer zurückgelegt und waren über zwanzigtausend Kilometer pro Sekunde schnell. Die manticoranischen Wachschiffe näherten sich ihnen noch immer unter Beschleunigung, aber ganz offensichtlich wollten sie auf keinen Fall die äußerste Gefechtsreichweite für Standardraketen unterschreiten – nicht angesichts so vieler LACs. Javits hätte sich nicht anders verhalten, wenn er Gondeln voller Mehrstufenraketen im Schlepp gehabt hätte, mit denen man über mehr als drei Lichtminuten hinweg angreifen konnte. Denn so gut das manticoranische Kampfgerät auch war, seine über sechshundert LACs hätten sich im Gefecht wie ein Schwarm Pseudopiranhas auf die Hand voll Schiffe gestürzt. Hätten schwere Wachschiffe im System gelegen, wäre die Lage vielleicht anders gewesen, doch wie es war, käme Javits nie so dicht an die Manticoraner heran, dass er auch nur einen Schuss auf sie abgeben konnte.

»Victor-Alpha, Sir«, meldete der Astrogator plötzlich.

»Sehr gut. Befehlen Sie die Kursänderung, Constanza.«

»Aye, Sir«, sagte Sheffield in weit förmlicherem Ton als bisher, und er hörte, wie der Befehl gesendet wurde.

Abrupt änderten die grünen Perlen auf dem Display, die befreundete Einheiten darstellten, ihren Kurs. In einem weitgezogenen Bogen drehten sie vom inneren System ab und gelangten auf einen Vektor, der sie durch einen hochindustrialisierten Teil des Asteroidengürtels von Alizon führen würde, in dem Erz in großem Maßstab abgebaut wurde. Einige Sekunden lang blieb das Display unverändert. Dann plötzlich zeigte sich darauf eine kaskadierende Explosion von Scharlachrot: Dutzende und Aberdutzende von vorher am Außenrand des Systemkerns ausgesetzten Mehrstufenraketen-Gondeln eröffneten das Feuer.

Die Entfernung war selbst für eine manticoranische Feuerleitung unglaublich groß, aber wenn Donnerkeil die Republican Navy eines über manticoranische Technik gelehrt hatte, dann dass sie zwar sehr gut, aber nicht perfekt war. Auf solch extreme Distanz fiel es auch großen, hyperraumtüchtigen Sternenschiffen schwer, einen Treffer zu erzielen. Bei solch kleinen, schwerfassbaren Zielen wie LACs wurde ein Treffer beinahe zu einem Ding der Unmöglichkeit.

Andererseits, dachte Javits, können hyperraumtüchtige Schiffe erheblich mehr Schaden wegstecken als wir. Wen immer sie aber treffen, der hat es hinter sich.

Mit weit über vierzigtausend Gravos schossen die Raketen vor. Selbst bei dieser schwindelerregenden Beschleunigung hätten sie gut neun Minuten gebraucht, um Javits› Boote zu erreichen, und seine Raketenabwehrcrews machten sich jetzt schon daran, die aufkommende Bedrohung zu erfassen. Ein schwieriges Unterfangen – die elektronische Kampfführung der Manticoraner war immer teuflisch gut gewesen und hatte sich seit dem letzten Krieg sogar noch verbessert –, doch Admiral Forakers Leute im Schlupfloch-System hatten diese Überlegenheit so weit wie möglich ausgeglichen. Die Nahbereichsabwehr und die Eloka der Cimeterres spielten zwar nicht in der gleichen Liga wie die entsprechenden Systeme manticoranischer LACs, waren aber allem überlegen, was frühere havenitische LAC-Baumuster aufzubieten gehabt hatten, und die extreme Entfernung wirkte sich zu ihren Gunsten aus.

Wenigstens drei Viertel der manticoranischen Salve verlor die Zielerfassung und kam vom Kurs ab. Die Aufklärungsdrohnen meldeten die plötzlichen, trotzigen Explosionsblitze, mit denen sich die verlorengegangenen Raketen vorzeitig sprengten, damit sie nicht zu einer Gefahr für den regulären Schiffsverkehr im Alizon-System wurden. Die übrigen Raketen jedoch jagten Javits’ Einheiten weiter hinterher.

»Annähernd neunhundert Stück noch immer im Anflug«, meldete Lieutenant Cook mit einer Stimme, die Javits als entschieden zu ruhig erschien. »Außenzonen-Antiraketen werden Ziele zugewiesen.«

Er schwieg vielleicht zwei Herzschläge lang, dann sagte er nur ein weiteres Wort.

»Start.«

Das Führungsboot zitterte, als es die ersten Antiraketen abfeuerte. Sie wurden von den Raketen, die heranrasten, um das LAC zu vernichten, bei weitem deklassiert, doch es gab beinahe zwei Drittel so viele LACs wie einkommende Lenkwaffen, und jedes Boot startete Dutzende von Antiraketen.

Und sie feuerten keineswegs gleichzeitig. Die Offiziere in Admiral Forakers Stab – darunter vor allem Captain Clapp, ihr LAC-Taktikgenie – hatten in langer, harter Arbeit eine verbesserte Raketenabwehrdoktrin für die Cimeterres entwickelt, mit besonderem Augenmerk auf ihre geringe Größe und das technische Ungleichgewicht zwischen ihren Fähigkeiten und denen ihrer Gegner. Das Ergebnis war eine Variante der gestaffelten Abwehr‹ für den Schlachtwall, eine Doktrin, die sich weniger auf Raffinesse verließ, sondern auf zahlenmäßige Überlegenheit, und dabei einkalkulierte, dass eine Antirakete erheblich günstiger zu ersetzen war als ein LAC mit voll ausgebildeter Besatzung.

Javits beobachtete die erste Welle von Antiraketen, die auf die einkommende manticoranische Salve zuraste. Eloka-Drohnen, die zusammen mit den Mehrstufenraketen abgefeuert worden waren, schalteten sich ein und versuchten mit impulsartigen Störsendungen die Suchköpfe der Antiraketen zu blenden. Andere Drohnen produzierten eine Vielzahl von falschen Bildern und sättigten die Ortungsanlagen der LACs mit bedrohlichen Echos. Das allerdings war einkalkuliert worden, als man die Raketenabwehrdoktrin entwickelte. Und in gewisser Hinsicht wirkte sich gerade die Unterlegenheit der havenitischen Technik in Javits’ Sinne aus. Die Suchköpfe seiner Antiraketen waren im Grunde zu simpel gestrickt, um sich angemessen verwirren zu lassen; wenn sie überhaupt etwas ›sahen‹, dann stets nur die allerstärkste Signalquelle. Zudem waren sie in solch gewaltigen Stückzahlen gestartet worden, dass sie es sich leisten konnten, einen Großteil ihrer Mühen auf die Vernichtung harmloser Lockvögel zu verwenden.

Der ersten Welle von Antiraketen folgte eine zweite, beinahe genauso schwere Salve. Eine manticoranische Flotte hätte die Salven niemals so dicht aufeinander folgen lassen. Manticoraner hätten abgewartet, damit die Impellerkeile der zweiten Welle ihnen nicht die Telemetrie unterbrach, mit der sie die Antiraketen der ersten Welle steuerten. Doch Javits’ Crews wussten, dass die weniger leistungsstarken Bordfeuerleitgeräte der Cimeterres ohnehin nicht die Reichweite und Empfindlichkeit ihrer manticoranischen Pendants besaßen, und in punkto Durchdringungshilfen und Eloka waren die Manticoraner ohnehin überlegen. Da man die feindlichen Raketen kaum orten konnte, opferte man mit der verringerten Zielgenauigkeit erheblich weniger als ein manticoranischer Verband in der gleichen Lage, und die höhere Zahl von Antiraketen, die von den LACs starteten, glich die verlorene Zielunterscheidung mehr als aus.

Die Eloka der Cimeterres trug dazu bei, was sie konnte. Die erste Antiraketen-Welle schaltete über dreihundert manticoranische Lenkwaffen aus. Die zweite Welle vernichtete weitere zweihundert. Wiederum einhundert etwa fielen der elektronischen Kampfführung der LACs zum Opfer, verloren die Zielerfassung und wichen harmlos vom Kurs ab. Weitere fünfzig oder sechzig Raketen verloren zwar ihr Ziel, erlangten es aber entweder wieder oder fanden ein neues Ziel. Diese Suchphase verlangsamte sie jedoch, sodass sie der Salve ein wenig hinterherhinkten und der Nahbereichsabwehr ein einfacheres Ziel boten.

Die dritte und letzte Antiraketen-Welle zerstörte mehr als hundert einkommende Lenkwaffen, aber mehr als zweihundert manticoranische Raketen, die sich nun zu zwei leicht versetzten Salven getrennt hatten, brachen durch die innere Antiraketenzone und stürzten sich auf Javits’ LACs.

Die wendigen kleinen Boote eröffneten mit jedem einzelnen verfügbaren Lasercluster der Nahbereichsabwehr das Feuer. Nach jeder einkommenden Lenkwaffe stachen Dutzende von Laserstrahlen, und als die angreifenden Raketen auf Zielanflugkurs gingen, rotierten die anvisierten Cimeterres scharf und zeigten ihnen nur die Bäuche und Dächer ihrer undurchdringlichen Impellerkeile. Die ungefährdeten Begleiter der anvisierten LACs deckten die manticoranischen Raketen weiterhin mit Laserbeschuss ein. Mehr als die Hälfte der Raketen verschwand, vom Abwehrfeuer zerfetzt, aber viele andere schwenkten im letzten Augenblick herum, weil sie entweder nur Scheinangriffe geflogen waren, um über ihr eigentliches Ziel hinwegzutäuschen, oder weil sie ihr Ziel verloren hatten und ein neues suchen mussten. Von ersteren kamen viele durch; von letzteren nur wenige.

Das Vakuum glühte auf, als die schweren manticoranischen Laser-Gefechtsköpfe zu tückischen, von Kernfusion gespeisten Blitzgewittern detonierten und aus den Explosionsherden augenblicklich hochintensive Röntgenlaserstrahlen zuckten. Viele dieser Strahlen verschwendeten ihre Wut an die eingeschobenen Impellerkeile ihrer Ziele, aber andere durchschlugen die Seitenschilde der LACs, als hätten sie nie existiert. Um schwere Raketen der Royal Manticoran Navy handelte es sich, dafür entwickelt, die fast unvorstellbar starken Seitenschilde und Panzerschichten von Wallschiffen zu durchbrechen; was sie einem winzigen, völlig ungepanzerten Leichten Angriffsboot zufügten, konnte nur verheerend genannt werden.

Weitere Explosionen sprenkelten das All, als in getroffenen Cimeterres die Fusionsflaschen versagten. Fast drei Dutzend von Javits’ LACs wurden vollkommen vernichtet. Vier andere hielten gerade so lange durch, dass die überlebenden Besatzungsmitglieder von Bord gehen konnten.

»Wolverine-Eins an Wolverine-Rot-Drei«, sprach Javits rau ins Mikrofon. »Sie sind Bademeister. Nehmen Sie jeden auf, den Sie finden. Eins, Ende.«

»Aye, Wolverine-Eins. Rot-Drei hat verstanden. Abbremsen beginnt.«

Javits sah zu, wie die bezeichnete Staffel leicht verzögerte – gerade genug, um ihren Vektor an die Crewmitglieder in Raumanzügen anzugleichen, die nicht mehr beschleunigen konnten –, und seine Augen wurden hart. Unter anderen Umständen hätte es ein nicht zu verantwortendes Risiko bedeutet, die Leute aufzunehmen. Doch bei diesem Abstand, der sich bereits der äußersten Reichweite auch manticoranischer Raketen näherte, erschien ihm das Wagnis vertretbar.

Und nicht nur, weil die Leute ›wertvoll‹ sind, dachte er. Unter der Volksrepublik haben wir zu viele Leute an zu vielen Stellen zurückgelassen. Das gibt es nicht mehr – nicht, wenn ich es zu entscheiden habe. Nicht, wenn eine andere Möglichkeit besteht.

Er sah zu, wie sich die Seitenanzeigen des Plots geräuschlos aktualisierten und ihm seine Verluste auflisteten. Es tat ihm weh. Achtunddreißig Boote waren mehr als sechs Prozent seiner Gefechtsstärke, und er hatte die meisten der vierhundert Menschen an Bord persönlich gekannt. Doch nach den gnadenlosen Rechenregeln des Krieges war die Verlustrate nicht nur akzeptabel, sondern niedrig. Besonders für einen LAC-Einsatz.

Und nun sind wir außerhalb ihrer Reichweite. Wir wissen jetzt zwar, was die Mantys zur Systemverteidigung einsetzen, aber sie werden auf uns keine weiteren Raketen verschwenden. Nicht auf diese Entfernung – und nicht, wenn sie nicht sicher sein können, was noch alles warten mag, um zuzuschlagen, sobald sie ihre Vögelchen alle abgefeuert haben.

»Sir«, meldete sich Lieutenant Cook. »Soeben fassen wir aktive Emissionen voraus auf.« Javits schaute zu ihm, und der Lieutenant sah von seinem Display auf und begegnete dem Blick seines Kommandeurs. »Der Computer hält es für Radar und Lidar der Nahbereichsabwehr, Sir. Sehr viel davon scheint es nicht zu geben.«

»Gut«, knurrte Javits. »An alle Wolverines, hier Wolverine-Eins. Auf meinen Befehl Feuer auf die Sierra-Ziele eröffnen.«

Er schaltete auf die zivile Wachfrequenz um.

»Systemkommando Alizon, hier spricht Captain Javits. In siebenundzwanzig Minuten ab - jetzt befinden sich Ihre Anlagen von Tregarth Alpha innerhalb meiner äußersten Raketenreichweite. Mein Vektor macht es mir unmöglich, meine Geschwindigkeit an die Anlagen anzugleichen oder Enterkommandos auszusenden, und ich informiere Sie hiermit, dass ich auf die Anlagen und jedes Schürfschiff innerhalb der Reichweite meiner Raketen in neunundzwanzig Minuten das Feuer eröffnen werde.«

Mit einem harten, grimmigen Grinsen blickte er wieder auf den Plot. Dann schaltete er das Mikro erneut auf Sendung.

»Ich rate Ihnen, sofort mit der Evakuierung zu beginnen«, sagte er. »Javits, Ende.«

»Und was lässt sich aus den Erkenntnissen nun am wahrscheinlichsten folgern, Admiral?«, fragte Präsidentin Eloise Pritchart.

Die hübsche, platinblonde Regierungschefin war zur Besprechung ins Oktagon gekommen, das militärische Nervenzentrum der Republik Haven, und von ihrem Leibwächter abgesehen war sie die einzige Zivilistin in dem gewaltigen Konferenzraum. Alle Augen waren auf das riesige Holodisplay über dem Konferenztisch gerichtet, wo eine Reproduktion von Bertrand Javits’ taktischem Plot in der Luft schwebte.

»Nach unseren besten Schätzungen auf Grundlage der Messwerte aus den Aufklärungsdrohnen hat Captain Javits’ Überraschungsangriff etwa acht Prozent – wahrscheinlich etwas weniger – von der Gesamtkapazität des Alizon-Systems zur Rohstoffgewinnung vernichtet, Madame Präsidentin«, antwortete Konteradmiral Victor Lewis, der Chef der Operationsbewertung. Dank ehrwürdiger Traditionen unbekannten Ursprungs berichtete der Flottennachrichtendienst der Operationsbewertung, die wiederum dem Planungsamt unter Vizeadmiral Linda Trenis verantwortlich war.

»Und war das ein akzeptabler Gegenwert für unsere Verluste?«, fragte die Präsidentin.

»Jawohl«, antwortete eine andere Stimme, und die Präsidentin sah zu ihrem Besitzer, dem untersetzten, braunhaarigen Admiral am Kopf der Tafel. Admiral Thomas Theisman, Kriegsminister und Chef des Admiralstabs, erwiderte ruhig ihren Blick. »Wir haben ungefähr ein Drittel der Leute verloren, die wir an Bord eines einzelnen Kreuzers alter Bauart verloren hätten, Madame Präsidentin«, fuhr er fort; in Gegenwart ihrer Untergebenen befleißigte er sich stets einer förmlichen Ausdrucksweise. »Im Gegenzug konnten wir die Vermutung des FND bestätigen, welcher Doktrin zur Systemverteidigung Manticore folgt, und haben zusätzlich Informationen über manticoranische Feuerleitsysteme und aktuelle Verteilungsmuster von Raketengondeln erhalten; wir konnten acht Millionen Tonnen hyperraumtüchtigen Frachtschiffsraums vernichten, mehr als das Fünffache der Gesamttonnage an LACs, die Javits verloren hat; und wir konnten ein kleines, aber unübersehbares Loch in die Produktivität von Alizon reißen. Vor allem aber haben wir im Heimatsystem eines Mitglieds der Manticoranischen Allianz mit Verlusten zugeschlagen, die niemand als vernachlässigbar ansehen wird, und es war auch nicht das erste Mal, dass wir Alizon angegriffen haben. Der Schlag muss seine Wirkungen auf die Moral der Manticoranischen Allianz haben, und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erhöht sich der Druck auf die Admiralität White Haven, zusätzliche Wachverbände abzustellen, um die Verbündeten des Sternenkönigreichs gegen ähnliche Angriffe zu schützen.«

»Ich verstehe.« Die Topasaugen der Präsidentin wirkten nicht gerade ausgesprochen glücklich, aber sie entzog sich andererseits auch nicht Theismans Argumenten. Sie musterte ihn noch einen Moment lang, dann wandte sie sich Konteradmiral Lewis wieder zu.

»Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Admiral«, sagte sie. »Bitte, fahren Sie fort.«

»Aber natürlich, Madame Präsidentin.« Der Konteradmiral räusperte sich und gab eine Befehlsfolge in sein Terminal. Ins Holodisplay kam Bewegung, und Javits’ Plot wich einer Reihe von Säulengraphiken.

»Wenn Sie sich die erste rote Säule ansehen, Madame Präsidentin«, begann er, »so sehen Sie unsere Verluste an Wallschiffen bis heute. Die grüne Säule daneben repräsentiert Lenkwaffen-Superdreadnoughts, die im Augenblick erprobt werden oder sich der Fertigstellung nähern. Die gelbe Säule …«

»Nun, es war zwar außerordentlich interessant«, sagte Eloise Pritchart einige Stunden später, »aber wir leiden wohl an Informationsüberflutung. Mir kommt es vor, als hätte ich besser Bescheid gewusst, ehe ich hierherkam!«

Sie zog ein Gesicht, und Theisman lachte leise. Er saß bequem zurückgelehnt an seinem Schreibtisch, und die Präsidentin der Republik hatte auf der behaglichen Couch davor Platz genommen. Ihre Leibwache stand außen vor der Tür, sodass sie wenigstens die Illusion von Abgeschiedenheit genoss. Ihre Schuhe lagen vor ihr auf dem Teppich, und sie hatte die bloßen Füße untergelegt. In den schlanken Händen hielt sie eine dampfende Tasse Kaffee. Theismans Tasse stand auf der Schreibunterlage.

»Du warst lange genug Javiers Volkskommissar, Eloise. Du kannst militärische Realitäten besser auffassen, als du zugibst«, sagte er.

»Im allgemeinen Sinne sicher.« Sie zuckte mit den Schultern. »Andererseits bin ich nie von der Flotte ausgebildet worden, und binnen so kurzer Zeit haben sich so viele Realitäten so grundlegend geändert, dass alles, was ich einmal wusste, mir hoffnungslos veraltet vorkommt. Ich nehme an, wichtig ist nur, dass du auf dem Laufenden bist. Und zuversichtlich.«

Bei den letzten beiden Worten klang ihre Stimme ein klein bisschen fragend, und nun zuckte Theisman mit den Schultern.

»›Zuversichtlich‹ ist ein windiges Wort. Du weißt, dass ich den Krieg gegen die Mantys nur sehr ungern fortsetze.« Er hob beruhigend die Hand. »Ich verstehe deine Überlegungen und kann ihnen nicht widersprechen. Außerdem bist du die Präsidentin. Trotzdem muss ich zugeben, dass mir die bloße Vorstellung nie gefallen hat. Und dass der Erfolg von Donnerkeil meine Erwartungen übertroffen hat. Bislang jedenfalls.«

»Auch nach dem, was bei Trevors Stern geschehen ist – oder eben nicht?«

»Javier hat die richtige Entscheidung gefällt – auf der Basis dessen, was er wusste«, sagte Theisman unerschüttert. »Keinem von uns war damals klar, wie wirksam Shannons ›gestaffelte Abwehr‹ gegen das manticoranische Langstreckenraketenfeuer sein würde. Hätten wir während der Anmarschphase die wahrscheinlichen Verluste so akkurat berechnen können, wie es heute möglich ist, ja, dann hätte er weiter vordringen müssen. Aber damals wusste er das genauso wenig wie wir übrigen.«

»Ich verstehe.« Pritchart schlürfte Kaffee, und Theisman betrachtete sie mit einem sorgsam kaschierten Lächeln. Obwohl Javier Giscard ihr Geliebter war, hätte die Präsidentin niemals etwas gesagt, das einer ›Einflussnahme‹ für ihn ›näher‹ kam als diese beiden Worte.

»Und Lewis’ Prognosen?«, fuhr sie schließlich fort. »Bist du da ebenfalls zuversichtlich?«

»Soweit es die Zahlen betrifft, die sich auf uns beziehen, absolut«, sagte er. »Etwa die nächsten sieben Monate lang wird die Personalstärke noch ein Problem sein. Danach müssten die Ausbildungsprogramme, die Linda und Shannon ins Leben gerufen haben, uns den Großteil des benötigten Personals zuführen. Und ein paar Monate später können wir anfangen, die Wallschiffe alter Baumuster nach und nach einzumotten, während die Neubauten von den Werften eintrudeln und mit den alten Crews bemannt werden. Wir werden trotzdem Mühe haben, alle Offiziere zu stellen, die wir brauchen – insbesondere gefechtserfahrene Flaggoffiziere –, aber zwischen dem Saint-Just’schen Waffenstillstand und Donnerkeil haben wir immerhin einen soliden Kader aufbauen können. Ich glaube, auch in dieser Hinsicht kommen wir zurecht.

Was die industrielle Seite betrifft, so wird die wirtschaftliche Belastung durch unsere Bauprogramme die Ökonomie schwer treffen. Rachel Hanriot hat uns das im Namen des Finanzministeriums klargemacht, und ich bedaure tief, dass es nicht anders geht. Vor allem, wenn man bedenkt, welchen Preis wir bezahlt haben, damit die Wirtschaft wieder in Gang kommt. Aber uns bleibt keine Wahl, bis wir erfolgreich einen Friedensvertrag ausgehandelt haben.«

Theisman hob fragend die Brauen, und sie schüttelte rasch und gereizt den Kopf.

»Ich weiß nicht, wie weit wir in dieser Hinsicht sind«, gab sie zu, offenkundig unzufrieden. »Ich hätte angenommen, dass selbst eine Elizabeth Winton bereit wäre, sich hinzusetzen und zu verhandeln, nachdem du, Javier und unsere Navy ihrer Navy eine derartige Schlappe beigebracht haben! Aber bisher nichts. Ich bin immer mehr überzeugt, dass Arnold Giancola von Anfang an recht hatte, als er sagte, die Mantys seien auf den Geschmack des Imperialismus gekommen … zur Hölle soll er fahren.«

Theisman setzte zu einer Antwort an, dann aber zügelte er sich. Für die Andeutung, dass die Königin von Manticore vielleicht gute Gründe hatte, die Dinge nicht genau so zu sehen wie Eloise Pritchart, war es der unpassende Zeitpunkt. Auch davon, erneut zu wiederholen, dass er jedem einzelnen Wort misstraute, was aus dem Mund von Außenminister Arnold Giancola drang.

»Tja«, sagte er, »ohne Chance auf einen Verhandlungsfrieden bleibt uns eigentlich keine andere Wahl, als weiter auf einen militärischen Sieg hinzuarbeiten.«

»Und du glaubst ernsthaft, das könnten wir schaffen?«

Als Theisman ihren Tonfall hörte, schnaubte er in barscher Belustigung.

»Ich wünschte, du wärst nicht ganz so … im Zweifel«, sagte er. »Schließlich bist du die Oberkommandierende. Hat ziemlich schreckliche Auswirkungen auf die Moral der uniformierten Truppe, wenn du klingst, als könntest du einfach nicht glauben, dass wir gewinnen können.«

»Nach allem, was sie uns im letzten Krieg angetan haben, besonders während ›Butterblume‹, liegt es nahe, gewisse Zweifel zu empfinden, Tom«, sagte sie ein wenig entschuldigend.

»Wahrscheinlich«, räumte er ein. »Aber in diesem Fall glaube ich wirklich, dass wir das Sternenkönigreich und seine Verbündeten besiegen können, wenn wir müssen. Ich muss dich wirklich einmal nach Schlupfloch bringen, damit du siehst, was dort vorgeht, und wir über alles sprechen können, was Shannon Foraker plant. Kurz gefasst haben wir die Mantys mit Donnerkeil übel erwischt. Nicht nur in Bezug auf die vernichteten Schiffe, sondern auch auf die nicht vollendeten Bauvorhaben, die Admiral Griffith bei Grendelsbane ausgeschaltet hat. Wir haben das gesamte manticoranische Bauprogramm für Lenkwaffen-Superdreadnoughts der zwoten Generation in die Luft gejagt, Eloise. Manticore musste beim Bau seiner neuen Schiffe ganz von vorn anfangen, und während dort die Baugeschwindigkeit immer noch höher ist als bei uns, selbst bei Schlupfloch, ist sie nicht hoch genug, um unseren Vorsprung bei Schiffen im Bau und kurz vor der Fertigstellung wieder einzuholen. Unsere Technik ist immer noch nicht so gut wie die manticoranische, aber die Daten, die wir von Erewhon bekommen haben, unsere Ortungsergebnisse während Donnerkeil und die Untersuchung manticoranischer Schiffe, die wir kapern konnten, bringen uns in dieser Hinsicht deutlich voran.«

»Erewhon.« Pritchart schüttelte seufzend den Kopf. Sie wirkte unglücklich. »Ich bedaure wirklich, in welche Lage wir Erewhon durch Donnerkeil gebracht haben.«

»Offen gesagt kann ich mir nicht vorstellen, dass die Erewhoner darüber besonders glücklich sind«, sagte Theisman trocken. »Und ich weiß, sie wussten nicht, dass sie uns ihre technischen Handbücher des Allianzgeräts gerade noch rechtzeitig übergeben hatten, bevor wir wieder in den Krieg zogen. Andererseits wussten die Erewhoner, weshalb wir es getan haben« - warum du es getan hast, Eloise, dachte er, aber er sprach es nicht aus –, »und sie hätten überhaupt nie mit Manticore gebrochen, wenn es da kein ernsthaftes Zerwürfnis über die neue manticoranische Außenpolitik gegeben hätte. Und seit wieder geschossen wird, haben wir darauf geachtet, die Beschränkungen, die unser Friedensvertrag mit Erewhon uns auferlegt, aufs Genauste einzuhalten.«

Pritchart nickte. Haven hatte mit der Republik Erewhon einen Vertrag zum gegenseitigen Beistand geschlossen, und Pritcharts Regierung hatte Erewhon – und Manticore – deutlich in Kenntnis gesetzt, dass sie nicht beabsichtige, sich auf die militärischen Klauseln des Vertrags zu berufen, da Haven die Feindseligkeiten wiederaufgenommen habe, ohne zuvor von Manticore angegriffen worden zu sein.

»Wie auch immer«, fuhr Theisman fort, »wenigstens haben sie uns Einblick in das militärische Gerät der Mantys gewährt. Was Erewhon hatte, war nicht taufrisch, aber sosehr ich mir auch wünsche, dass das Material aktueller gewesen wäre, fand Shannon es trotzdem außerordentlich nützlich.

Fazit bleibt, dass Shannon auf der Grundlage unserer Informationen von Erewhon, der Untersuchung erbeuteter oder als Wrack aufgefundener manticoranischer Hardware und der Analyse der bisherigen Operationen bereits an einer neuen Doktrin und einigem neuen Gerät arbeitet. Sie konzentriert sich auf das LAC-Programm und unsere Feuerleitgeräte für die Systemverteidigung. Zu Beginn von Donnerkeil sind wir davon ausgegangen, dass einer unserer

Lenkwaffen-Superdreadnoughts etwa vierzig Prozent des Kampfwerts eines manticoranischen oder graysonitischen Schiffes der gleichen Klasse habe. Diese Einschätzung scheint damals recht treffend gewesen zu sein, aber ich glaube, dass wir das Verhältnis kontinuierlich zu unseren Gunsten verschieben.«

»Aber die Mantys gewinnen doch genauso viele operative Daten wie wir, oder nicht? Werden sie den Kampfwert ihrer Schiffe nicht gleichzeitig mit uns steigern?«

»Ja und nein. Sieht man von dem Desaster ab, das Lester Tourville bei Marsh erlebt hat, hat die Royal Manticoran Navy kein einziges Sonnensystem halten können, in dem wir sie angegriffen haben, und keiner von Lesters hyperraumtüchtigen modernen Schiffen fiel dem Feind intakt in die Hände. Wir hingegen haben so gut wie jeden einzelnen Wachverband der Allianz, den wir angegriffen haben, bis auf das letzte Schiff vernichtet, sodass diese Verbände keine große Gelegenheit erhielten, eventuelle Beobachtungen weiterzuleiten.

Außerdem haben wir Muster für sehr viele Typen manticoranischen Geräts erbeutet. Die Sicherheitssperren haben an den meisten Molycircs verdammt gut funktioniert, sodass wir einen beträchtlichen Teil dessen, was uns in die Hände gefallen ist, noch nicht einsetzen können. Shannon sagt, es liegt an den grundlegenden Unterschieden in der Kapazität unserer Infrastrukturen. Im Großen und Ganzen müssen wir in vielen Fällen erst die Werkzeuge herstellen, um die Werkzeuge herzustellen, die wir brauchen, um die Werkzeuge herzustellen, mit denen wir die manticoranische Spitzentechnik nachbauen können. Trotzdem haben wir viel gelernt, und unser Ausgangspunkt lag offen gesagt so weit hinter dem manticoranischen zurück, dass unser Können vergleichsweise viel schneller wächst als beim Gegner.

Wie schon gesagt, haben wir vor Donnerkeil angenommen, dass jedes moderne Wallschiff der Allianz etwa doppelt so kampfstark sei wie eine unserer Einheiten. Aufgrund der Fortschritte, die wir in Doktrin und Taktik bereits gemacht haben, und unter Berücksichtigung des Umstands, dass unsere Raketenabwehr sich als viel wirksamer erwies als angenommen, können wir nun abschätzen, dass ein Lenkwaffen-Superdreadnought der Allianz etwa anderthalb unserer Schiffe aufwiegt. Setzt sich die augenblickliche Tendenz fort, sollte das Verhältnis in acht bis zwölf Monaten vom ursprünglichen zwo zu eins auf eins Komma drei zu eins gefallen sein. Angesichts der höheren Zahl an Schiffen, die wir während des kommenden T-Jahres in Dienst stellen werden, und unter besonderer Berücksichtigung unserer weitaus größeren strategischen Tiefe wäre das gleichbedeutend mit einer soliden militärischen Überlegenheit für uns.«

»Aber die Legislaturisten besaßen solide militärische Überlegenheit, als sie diesen Endloskrieg vom Zaun brachen«, erwiderte Pritchart. »Und auch sie sprachen immer davon, den technischen Vorsprung Manticores durch ›strategische Tiefe‹ und ›zahlenmäßige Überlegenheit‹ auszuhebeln.«

»Das stimmt«, räumte Theisman ein. »Und ich gebe dir auch insofern recht, als die Mantys ganz gewiss nichts auf die lange Bank schieben. Sie wissen so gut wie wir, dass der technische Vorsprung immer ihr großer Ausgleich gewesen ist, und deshalb werden sie nach Kräften bemüht sein, diesen Vorsprung auszubauen. Mit den Brocken an technischer Hilfe, die uns die Solare Liga früher hier und da hingeworfen hat, habe ich unter Pierre und Saint-Just mehr Erfahrung sammeln dürfen, als mir lieb ist, und ich habe manchmal den Verdacht, dass selbst die Mantys noch gar nicht begriffen haben, wie gut ihre Technik wirklich ist. Auf jeden Fall ist sie allem überlegen, was die Solarier bislang in Dienst gestellt haben. Oder zumindest bis vor zwo bis drei T-Jahren in Dienst gestellt hatten. Und wenn der FND richtig liegt, dann hat sich bei den Sollys nichts Entscheidendes getan.

Unter dem Strich steht jedoch fest, Eloise, dass Manticore innerhalb der nächsten zwo T-Jahre unseren Vorsprung in der Fertigungsgeschwindigkeit nicht aufholen oder gar überholen kann. Selbst dann müsste die reine Anzahl an Rümpfen, die wir auf Kiel legen und bemannen können – vorausgesetzt, wir erleben keinen wirtschaftlichen Einbruch –, so groß sein, dass wir mehr als Gleichstand aufrechterhalten, was die neu in Dienst gestellten Schiffe angeht. Mindestens während dieser beiden Jahre werden Manticore schlichtweg die Plattformen fehlen, auf denen es seine neuentwickelten Offensiv- oder Defensivwaffen montieren könnte. Aber wenn die Mantys und wir beim letzten Mal eines gelernt haben, dann dass eine zögerliche Strategie tödlich ist.«

»Wie meinst du das?«

»Eloise, niemals in der Geschichte der Galaxis ist ein Krieg in dem Maßstab geführt worden, in dem die Mantys und wir operieren. Die Solare Liga musste es nie; sie war immer zu groß, als dass jemand gegen sie kämpfen konnte, und jeder wusste es. Aber die Mantys und wir, wir prügeln seit zwanzig T-Jahren mit wörtlich Hunderten von Wallschiffen aufeinander ein. Im letzten Krieg haben die Mantys eines meisterlich bewiesen: dass man einen Krieg wie diesen tatsächlich zu einem erfolgreichen militärischen Abschluss bringen kann. Ihnen ist es nicht gelungen, bevor sie ihre Achte Flotte für Unternehmen Butterblume zusammengezogen hatten, aber dann haben sie uns in wenigen Monaten an den Rand des militärischen Zusammenbruchs getrieben. Wenn Manticore also nicht verhandeln will und wir einen Zeitrahmen von zwo T-Jahren besitzen, in denen wir einen möglicherweise entscheidenden Vorteil genießen, dann ist es der falsche Moment für vornehme Zurückhaltung.«

Er sah ihr direkt in die Augen, und seine Stimme klang tief und hart.

»Wenn wir unsere Kriegsziele und einen annehmbaren Frieden nicht erreichen können, ehe uns der Vorteil in der Kampfkraft zwischen den Fingern zerrinnt, dann müssen wir diesen Vorteil nutzen, solange wir ihn besitzen, und Manticore zur Kapitulation zwingen. Selbst wenn wir dazu die Bedingungen des Friedensvertrages im Mount Royal Palace diktieren müssen.«

1

Das Kinderzimmer war außerordentlich überfüllt.

Zwei der drei älteren Mädchen Rachel und Jeanette, die an der Schwelle zum Erwachsenwerden standen waren unten, und Theresa besuchte ein Internat auf Manticore, aber die verbleibenden fünf Mayhew-Kinder, ihre Kindermädchen und ihre persönlichen Waffenträger machten dennoch eine beachtliche Meute aus. Hinzu kamen Faith Katherine Honor Stephanie Miranda Harrington, Miss Harrington, Erbin des Guts von Harrington, und ihr jüngerer Zwillingsbruder James Andrew Benjamin sowie deren persönliche Waffenträger. Und falls das nicht genügen sollte, um selbst ein so großes Kinderzimmer vollzustopfen, war da auch noch sie selbst Admiral Lady Dame Honor Harrington, Gutsherrin und Herzogin von Harrington, und ihr persönlicher Waffenträger. Ganz zu schweigen von einem offensichtlich amüsierten Baumkater.

Bedachte man, dass sieben Kinder anwesend waren, das älteste gerade zwölf, vier Kindermädchen, neun Waffenträger (Honor war nur mit Andrew LaFollet gekommen, aber Faith wurde von zwei ihrer drei persönlichen Waffenträger begleitet) und eine Gutsherrin, lag der Lärmpegel bemerkenswert niedrig, fand Honor. Natürlich sind alle Dinge relativ.

»Also, das reicht jetzt!«, sagte Gena Smith, ranghöchste Kinderbetreuerin im Palast des Protectors, in jenem unnachgiebigen Ton, mit dem sie die Entscheidung der älteren Mayhew-Töchter, fröhlich als Barbarinnen aufzuwachsen, vereitelt hatte in gewissen Grenzen wenigstens. »Was soll denn Lady Harrington von euch denken?«

»Viel zu spät, ihr jetzt noch Sand in die Augen zu streuen, Gigi«, entgegnete Honor Mayhew, eines von Honors Patenkindern, fröhlich. »Sie kennt uns alle, seit wir geboren sind!«

»Trotzdem könnt ihr wenigstens so tun, als wäret ihr schon einmal mit den Grundzügen schicklichen Benehmens in Berührung gekommen«, erwiderte Gena bestimmt, auch wenn der an sich Furcht erregende Blick, mit dem sie ihren unbußfertigen Schützling bedachte, ein wenig von dem fröhlichen Funkeln torpediert wurde, das sie nicht ganz unterdrücken konnte. Als Zwölfjährige gehörte ihr ein eigenes Zimmer, aber sie hatte angeboten, der Umstände wegen die Nacht bei den Kleinen zu verbringen, und das war ganz typisch für sie.

»Ach, das weiß sie doch«, entgegnete Honor die Jüngere nun beschwichtigend. »Ich bin sicher, sie weiß, dass wir nicht dein Fehler sind.«

»Auf mehr kann ich wahrscheinlich nicht hoffen«, seufzte Gena.

»Mir ist nicht völlig unklar, welche … Herausforderung dieser Haufen für Sie bedeutet«, versicherte Honor ihr. »Diese beiden besonders«, fügte sie hinzu und bedachte ihre jüngeren Geschwister mit einem sehr altmodischen Blick. Die Zwillinge grinsten sie schweigend an, mindestens genauso reuelos wie Honor die Jüngere. »Andererseits«, fuhr sie fort, »habe ich den starken Eindruck, dass sie in der Unterzahl sind. Und sie wirken heute Abend tatsächlich ein bisschen weniger aufsässig.«

»Nun, natürlich …«, begann Gena, dann hielt sie inne und schüttelte den Kopf. Kurz blitzte weit hinten in ihren graublauen Augen der Ärger auf. »Ich wollte sagen, Mylady, dass sie sich meistens von ihrer besseren Seite zeigen, wenn Sie hier sind eine beste Seite haben sie nämlich nicht.«

Honor nickte als Antwort sowohl auf den Kommentar, den Gena sich verbissen, auch als auf den, den sie ausgesprochen hatte. Sie sah der jüngeren Frau mit achtundvierzig T-Jahren war Gena Smith für eine Prä-Prolong-Grayson noch immer in den mittleren Jahren, aber trotzdem war sie damit mehr als zwölf T-Jahre jünger als Honor nur einen Moment lang in die Augen, dann richteten beide ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Kinder in den Pyjamas.

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