Honos et Patriae - Juergen von Rehberg - E-Book

Honos et Patriae E-Book

Juergen von Rehberg

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Beschreibung

Commandant Sophie Brasseur wird von ihrem Chef in die Provinz beordert, um den Mord an einem Polizisten aufzuklären. Der Empfang durch die dortigen Kollegen gestaltet sich als eher frostig und die Mitarbeit somit als sehr schwierig. Der mitermittelnde Kollege aus Paris, Capitaine Boulanger, der Exfreund von Sophie, will die Trennung nicht hinnehmen. Die einzige Hilfe erfährt Sophie durch den Pathologen, Professeur "Moustache". Es beginnt ein Verwirrspiel mit vielen Facetten.

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Die Fahrt nach Bisoncours auf der Route Nationale war an diesem Abend relativ schwach frequentiert, was Commandant Sophie Brasseur auf die Geschwindigkeitsbeschränkung vergessen ließ.

Normalerweise wären 90 km/h das Maß der Dinge gewesen; aber zum einen war die Straße nass, was zu einer Beschränkung von 80 km/h geführt hätte und zum anderen befand sie sich innerhalb einer Baustelle, wo nur 60 km/h erlaubt waren.

Sie hatte die Baustelle gerade passiert, als sie von einer Streife heraus gewunken wurde. Sie stoppte ab und ließ das Fenster herunter.

Einer der Beamten näherte sich und sagte in einem barschen Ton:

„Können Sie nicht lesen oder haben sie geschlafen? Sie sind gerade 30 km/h zu schnell gefahren.“

Sophie wollte dem rüpelhaften Beamten gerade ihren Dienstausweis unter die Nase halten, als dieser in derselben Tonart fortfuhr:

„Führerschein und Wagenpapiere; aber ein bisschen plötzlich, wenn ich bitten darf, Madame!“

Sophie gab dem Beamten die geforderten Unterlagen und harrte der Dinge, die da wohl noch kommen würden.

„Geben Sie zu, dass Sie zu schnell gefahren sind?“, fragte der Beamte weiter, und Sophie antwortete:

„Das weiß ich nicht; aber wenn das so war, dann waren das höchsten 10 bis 15 km/h.“

Sophie wusste natürlich ganz genau, dass die magische Grenze bei 20 km/h lag. Ab da wird es nämlich teuer.

„Reden Sie keinen Unsinn, Madame“, entgegnete der Beamte, zu dem sich inzwischen ein weiterer Beamte gesellt hatte, „oder wollen Sie mir unterstellen, dass ich lüge?“

„Natürlich nicht“, antwortete Sophie, welcher die Angelegenheit allmählich suspekt vorkam.

„Dann ist es ja gut“, antwortete der Beamte und sagte:

„Das wären dann 135 Euro Bußgeld, Madame.“

Sophie beschloss sich auf das Spiel einzulassen. Sie nahm ihr Portmonee, entnahm ihm die geforderte Summe und streckte sie dem Beamten entgegen.

Als dieser zugreifen wollte, zog sie die Geldscheine wieder zurück und sagte:

„Ich möchte eine Quittung.“

Der Beamte zückte einen Block, kritzelte etwas darauf und reichte Sophie das abgerissene Stück Papier mit den Worten:

„Dann kommen noch 15 Euro Bearbeitungsgebühr hinzu.“

Sophie sah auf den Zettel. Es war ein ihr bekanntes, gängiges Formular, auf welchem jedoch nur 135 Euro quittiert worden waren, was sie veranlasste zu sagen:

„Sie haben sich mit dem Betrag geirrt, Monsieur.“

„Jetzt ist es genug, Madame“, mischte sich jetzt der zweite Beamte ein, „steigen Sie sofort aus dem Wagen und Hände auf das Dach!“

Sophie wollte gerade in ihre Tasche greifen, die auf dem Beifahrersitz lag, als derselbe Beamte schrie:

„Nehmen Sie die Hände weg von der Tasche und steigen Sie sofort aus!“

Um seine Entschlossenheit zu unterstreichen, hatte er seine Dienstwaffe gezückt und hielt sie auf Sophie gerichtet.

Sophie sah die beiden Männer genauer an. Der erste Beamte schien ein Endvierziger zu sein, vielleicht auch schon etwas darüber, und der zweite war wesentlich jünger. Sie schätzte ihn auf Mitte/Ende zwanzig.

„Mein Name ist Sophie Brasseur. Ich bin Commandant der Police nationale, und ich werde jetzt ganz langsam meinen Dienstausweis aus meiner Tasche nehmen.“

Jedes ihrer Worte traf die beiden Beamten wie ein Peitschenschlag. Der ältere der beiden bekam einen hochroten Kopf. Er bedeutete seinem Kollegen mit einer heftigen Kopfbewegung eiligst die Waffe wegzustecken.

Sophie hielt ihren Ausweis in der rechten Hand und öffnete mit ihrer linken die Autotür.

„Sie schreiben mir ihre beiden Namen, nebst Dienstnummer auf die Rückseite des Zettels, den Sie mir gerade überreicht haben und melden den Vorgang auf Ihrer Dienststelle.“

„Ich bitte Sie, Commandant“, versuchte der ältere Beamte Schadensbegrenzung zu betreiben. „Wir konnten doch nicht wissen, dass Sie eine Kollegin sind. Ich vernichte den Zettel, und wir vergessen den Vorfall.“

„Auf keinen Fall antwortete Sophie, „Sie tun genau das, was ich Ihnen gesagt habe. Und zwar ein bisschen plötzlich.“

Der Beamte schrieb Namen und Dienstnummern auf die Rückseite des Zettels und überreichte ihn Sophie.

Sophie steckte den Zettel ein und sagte:

„Ich werde jetzt einsteigen und weiterfahren, geschätzte Kollegen. Natürlich nur, wenn Sie nichts dagegen haben.“

„Natürlich nicht, Commandant“, antwortete der ältere Beamte, „wir wünschen Ihnen eine gute Fahrt!“

„Danke, meine Herren“, sagte Sophie und fügte noch hinzu:

„Wir sehen uns bestimmt wieder.“

Dann fuhr sie weiter, und schon eine knappe Viertelstunde später sah sie die ersten Häuser von Bisoncours.

Bisoncours, eine überschaubare Stadt, ca. 75 km außerhalb von Paris gelegen, sollte in der kommenden Zeit das Betätigungsfeld von Sophie werden. Der Grund dafür war ein Mord an einem Kollegen.

Der Commissaire de police von Bisoncours hatte darum gebeten, dass die Untersuchung des Mordes von Beamten durchgeführt werden sollte, die nicht seiner Dienststelle angehörten.

*****

„Guten Tag, ich bin Commandant Brasseur. Melden Sie mich bitte bei Commissaire Garnier; er erwartet mich“.

Mit diesen Worten begann für Sophie die Ermittlung in einem äußerst heiklen Fall. Das Recherchieren in einem fremden Revier ist immer eine diffizile Angelegenheit und mit vielen Ressentiments behaftet.

Die Kollegin am Empfang griff zum Telefon und meldete Sophie an.

„Der Commissaire erwarte Sie“, kam die Antwort kurz darauf, die nur wenig Freundliches an sich hatte. „Erster Stock, Tür 19. Der Fahrstuhl ist gleich um die Ecke.“

Mit diesem Hinweis und einer Kopfbewegung in Richtung Fahrstuhl sah die Kollegin das Gespräch als beendet an.

„Vielen Dank, Madame“, sagte Sophie zu der um einiges älteren Kollegin, nicht ohne den Gesichtsausdruck derselben zu genießen, die in ihren Diensträumen nur selten mit ihrem richtigen Dienstgrad, aber noch nie mit „Madame“ angesprochen worden war.

Sophie klopfte an und trat ein.

„Guten Tag, Commandant Brasseur!“

Commissaire Philipp Garnier war hinter seinem Schreibtisch aufgestanden und begrüßte Sophie.

„Ich bin überrascht, dass man mir eine so junge Kollegin geschickt hat“, sagte der Commissaire und fügte noch hinzu:

„In Paris spricht man ja in den höchsten Tönen von Ihnen, Commandant.“

„Es tut mir sehr leid, dass ich Ihren Altersvorstellungen nicht gerecht werden kann, M. Commissaire; aber darauf habe ich leider keinen Einfluss“, sagte Sophie und schaute ihr Vis-à-vis dabei mit festem Blick an.

Der Mann hinter dem Schreibtisch, der ihr Vater hätte sein können, lächelte und erwiderte:

„Rousel hat sie mir genau so geschildert, und er hat kein bisschen übertrieben.“

„Sie kennen meinen Chef?“, fragte Sophie überrascht, denn wer sonst auf der Welt würde wohl noch „Rousel“ heißen, was nichts anderes als „Rotschopf“ bedeutet.

„Ja“, antwortete Commissaire Garnier, „wir haben zur selben Zeit unsere Ausbildung bei der École nationale de Police gemacht. Wie geht es ihm denn?“

„Haben Sie nicht mit ihm gesprochen?“, fragte Sophie.

„Natürlich“, antwortete der Commissaire, „wir haben telefoniert.“

„Und da haben Sie ihn nicht gefragt, wie es ihm geht?“, setzte Sophie nach.

„Aber ja doch“, antwortete der Commissaire, „ich wollte nur von Ihnen hören, welchen Eindruck er auf Sie macht.“

Sophie sah den Commissaire eindringlich an und sagte dann:

„Es ist nicht meine Art über Kollegen zu reden, vor allem, wenn sie nicht anwesend sind.“

Der Commissaire schluckte. Die junge Frau überraschte ihn. So etwas war ihm bisher noch nicht untergekommen. Er beschloss es vorerst einmal dabei bewenden zu lassen und wandte sich dem eigentlichen Zweck seiner Besucherin zu.

„Hier haben Sie die Akte <Lieutenant Maurice Cassel>. Sie können sich zu Ihrer Unterstützung gern Beamte von meiner Dienststelle dazu nehmen, wenn Sie möchten. Und wenn Sie Fragen haben, meine Tür steht Ihnen jederzeit offen.“

„Vielen Dank, M. Commissaire“, sagte Sophie, „aber ich erwarte einen Kollegen aus Paris, der mich bei dem Fall unterstützen wird. Wenn das dann alles ist?“

„Ja“, antwortete der Commissaire, der normalerweise gewohnt war, dass er das Gespräch mit einem Untergebenen beendete.

„Ich danke für den freundlichen Empfang und wünsche noch einen schönen Tag.“

Mit diesen Worten verließ Sophie den Commissaire, der unmittelbar darauf zum Hörer griff, um seinem Kollegen und Freund, Commissaire Rousel Papin von der äußerst erfrischenden Unterhaltung mit einer jungen Kollegin zu berichten.

*****

„Ich soll mich bei Ihnen melden“, sagte Brigadier Didier Meunier mit unsicherer Stimme, als er das Zimmer von Sophie betrat, welches ihr für die Dauer der Untersuchung zugeteilt worden war.

„So ist es, Brigadier“, antwortete Sophie und setzte hinzu:

„Kannst du dich an mich erinnern?“

„Jawohl Commandant“, antwortete der Brigadier, dieses Mal mit einem etwas zackigeren Tonfall.

Sophie sah den jungen Mann an. Er war wohl um die zehn Jahre jünger als sie. Es war unverkennbar, dass er sich gerade nicht besonders wohl in seiner Haut fühlte.

„Dann ist es ja gut“, entgegnete Sophie kurz.

„Das ist Capitaine Boulanger“, stellte Sophie den anwesenden Kollegen vor, der am Abend zuvor aus Paris eingetroffen war.

Sie arbeiteten schon viele Jahre zusammen, und obwohl René fast zwanzig Jahre älter war als Sophie, anerkannte und respektierte er sie als seine Vorgesetzte.

„Du wist jetzt diese Akte zweimal kopieren“, sagte Sophie zu dem Brigadier, „einmal für den Capitaine und einmal für dich.“

„Jawohl Commandant“, antwortete Brigadier Meunier und wollte schon bei der Tür hinaus, als Sophie ihn mit den Worten zurückhielt:

„Hör gut zu, Didi “, sagte Sophie, „du arbeitest die nächste Zeit für mich und nur für mich, hast du das verstanden?“

„Jawohl Commandant“, kam die Antwort wieder prompt aus dem Mund von Brigadier Meunier.

„Ich erwarte völlige Loyalität, und von deinem Verhalten mir gegenüber wird deine künftige Karriere abhängen.

Und noch etwas. Von deinem Kumpel, dem Autobahnräuber hältst du dich künftig fern. Hast du das verstanden?“

Und wieder antwortete der völlig verunsicherte Brigadier mit einem kräftigen „Jawohl!“

„Ein schlichtes <Ja, Commandant> genügt. Wir sind ja nicht beim Militär“, sagte Sophie, bevor sie ihn entließ, um die Akte zu kopieren.

Brigadier Didier Meunier machte eine Kurze Verbeugung in Richtung von Sophie und René und verließ den Raum.

Als er die Tür hinter sich zugezogen hatte, war er sich nicht sicher, ob er das Duzen von Commandant Brasseur und die Art ihn „Didi“ zu nennen - ein Privileg, das bisher nur seine liebe Mama besaß - als eine Auszeichnung oder als eine Bestrafung einstufen sollte.

Nach kurzer Überlegung entschloss sich der junge Polizist für die letztere Variante.

„Was war das denn gerade?“, fragte René, der den Vortrag von Sophie mit einem gewissen Schmunzeln verfolgt hatte.

„Und was hat es mit dem Autobahnräuber auf sich?“, fragte er weiter.