Hör auf dein Herz, Simone - Toni Waidacher - E-Book

Hör auf dein Herz, Simone E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer Sebastian Trenker hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Sein größtes Lebenswerk ist die Romanserie, die er geschaffen hat. Seit Jahrzehnten entwickelt er die Romanfigur, die ihm ans Herz gewachsen ist, kontinuierlich weiter. "Der Bergpfarrer" wurde nicht von ungefähr in zwei erfolgreichen TV-Spielfilmen im ZDF zur Hauptsendezeit ausgestrahlt mit jeweils 6 Millionen erreichten Zuschauern. Wundervolle, Familienromane die die Herzen aller höherschlagen lassen. Benjamin Lauterbach schnitt ein Gesicht, als hätte man ihn mit einer Zitrone gefüttert. Er hatte wieder eine Online-Wette verloren. Den ›Großen Preis von Vietnam‹ hatte nicht der Fahrer gewonnen, auf den er gesetzt hatte. Sein gesamter Wetteinsatz war futsch. Der Neunundzwanzigjährige spürte, dass er innerlich vibrierte und wie seine Hände zitterten. Er war nahe daran, zu verzweifeln, denn ihm war voll und ganz bewusst, dass seine Wettleidenschaft ihm den finanziellen Ruin bringen könnte. Den Hof und seine Schwester Simone würde er mit sich ins Verderben reißen. Als er die Wette abgeschlossen hatte, war er sich hundertprozentig sicher gewesen, dass der Fahrer, auf den er wettete, in Hanoi siegen würde. Der Sieg hätte ihm eine tüchtige Summe gebracht, und er hätte etwas von den Schulden begleichen können, die er seit Jahren bei der Sparkasse angehäuft hatte. Die Bank hatte ihm das Geld gegeben, weil er es angeblich in die Modernisierung des Lauterbachhofes stecken wollte. Benjamin hätte längst mit der Rückzahlung des Darlehens beginnen müssen. Er hatte die Bank immer wieder um Zahlungsaufschub gebeten – und einen solchen auch erreicht. Ihm stand das Wasser bis zum Hals. Am Tag zuvor war mit der Post eine Mahnung der Sparkasse gekommen. Sie war an ihn adressiert, darum hatte Simone den Brief nicht geöffnet. Das Geldinstitut hatte ihm ein letztes Ultimatum gesetzt. Wenn er bis zum 30. April seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkam, würde man die Zwangsversteigerung des Hofs in die Wege leiten. Er brauchte dringend Geld. Seine Schwester wusste nichts von seiner unseligen Leidenschaft und sollte auch nie davon erfahren.

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Der Bergpfarrer Extra – 5 –

Hör auf dein Herz, Simone

Drama auf dem Lauterbachhof

Toni Waidacher

Benjamin Lauterbach schnitt ein Gesicht, als hätte man ihn mit einer Zitrone gefüttert. Er hatte wieder eine Online-Wette verloren. Den ›Großen Preis von Vietnam‹ hatte nicht der Fahrer gewonnen, auf den er gesetzt hatte. Sein gesamter Wetteinsatz war futsch. Der Neunundzwanzigjährige spürte, dass er innerlich vibrierte und wie seine Hände zitterten. Er war nahe daran, zu verzweifeln, denn ihm war voll und ganz bewusst, dass seine Wettleidenschaft ihm den finanziellen Ruin bringen könnte. Den Hof und seine Schwester Simone würde er mit sich ins Verderben reißen.

Als er die Wette abgeschlossen hatte, war er sich hundertprozentig sicher gewesen, dass der Fahrer, auf den er wettete, in Hanoi siegen würde. Der Sieg hätte ihm eine tüchtige Summe gebracht, und er hätte etwas von den Schulden begleichen können, die er seit Jahren bei der Sparkasse angehäuft hatte.

Die Bank hatte ihm das Geld gegeben, weil er es angeblich in die Modernisierung des Lauterbachhofes stecken wollte.

Benjamin hätte längst mit der Rückzahlung des Darlehens beginnen müssen. Er hatte die Bank immer wieder um Zahlungsaufschub gebeten – und einen solchen auch erreicht. Aber nun …

Ihm stand das Wasser bis zum Hals. Am Tag zuvor war mit der Post eine Mahnung der Sparkasse gekommen. Sie war an ihn adressiert, darum hatte Simone den Brief nicht geöffnet. Das Geldinstitut hatte ihm ein letztes Ultimatum gesetzt. Wenn er bis zum 30. April seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkam, würde man die Zwangsversteigerung des Hofs in die Wege leiten.

Er brauchte dringend Geld. Seine Schwester wusste nichts von seiner unseligen Leidenschaft und sollte auch nie davon erfahren. Irgendwann, darauf setzte Benjamin all seine Hoffnungen, würde er den großen Wettgewinn einstreichen und mit einem Schlag alle Sorgen los sein.

Aber an diesem Tag war ihm das Glück nicht hold gewesen, und die verlorene Wette war ein weiterer Meilenstein auf seinem Weg in den finanziellen Ruin.

»Warum hab’ immer nur ich so viel Pech?«, haderte er mit dem Schicksal. ›Es ist, als hätt’ sich alles gegen mich verschworen. Aber ich geb’ net auf!‹ Er knirschte mit den Zähnen, als wollte er sich selbst gegenüber seine wilde Entschlossenheit dokumentieren. ›Am Sonntag spielen die Bayern. Und darauf, dass sie gewinnen, kann ich beruhigt wetten. Das wird ein Spaziergang für die Münchener. Und am Montag fahr’ ich nach Garmisch zur Bank …‹

Dass er an diesem Tag wieder eine immense Summe verloren hatte, schob Benjamin an den Rand seines Bewusstseins, und seine Finger begannen, wie von alleine, die Daten für seine nächste Wette einzugeben. Schließlich fuhr er den Computer herunter und verließ das Arbeitszimmer, in dem er nach Feierabend seiner Wettleidenschaft frönte. Seiner Schwester erzählte er, dass er die Buchführung oder irgendwas anderes Geschäftliches erledigt hatte.

Simone hantierte in der Küche. Benjamin hörte Porzellan klappern. Da die Küchentür nur angelehnt war, brauchte er ihr nur einen leichten Stoß versetzen, damit sie aufschwang. Simone, die hübsche Fünfundzwanzigjährige, räumte die Geschirrspülmaschine aus und summte dabei einen Schlager aus den Sechzigern, den eine junge Sängerin neu aufgenommen hatte, vor sich hin.

Es versetzte Benjamin einen Stich.

Er liebte seine jüngere Schwester über alles, und ihn quälte das schlechte Gewissen, wenn er nur daran dachte, dass er mit seiner Wettleidenschaft unter Umständen auch sie in den Bankrott trieb. Wenn die Bank den Geldhahn zudrehte, würde das den Todesstoß für den Hof und damit auch für ihn und Simone bedeuten. Dann musste er die Karten offen auf den Tisch legen. Beim Gedanken daran krampfte sich ihm der Magen zusammen.

Simone war schlank und mittelgroß. Die langen, blonden Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Als ihr gewahr wurde, dass ihr Bruder in der Küchentür stand, hörte sie zu summen auf, wandte sich ihm zu und strahlte ihn mit ihren blauen Augen an. »Der Frank hat mich für nachher, um acht Uhr, zum Essen in den ›Löwen‹ eingeladen. Langsam geht er mehr aus sich heraus und zeigt, dass er eine Menge für mich übrig hat.«

Benjamin konnte dem offenen Blick seiner Schwester nicht standhalten, denn er hatte das Gefühl, dass sie damit in seinen Kopf eindrang und seine Gedanken las – diese unerfreulichen, peinigenden Gedanken, die sich nur noch um das fehlende Geld und die Konsequenzen seiner verhängnisvollen Leidenschaft drehten.

Simone entging es nicht. Das freudige Leuchten in ihren Augen erlosch, als hätte man eine Kerze ausgeblasen. »Ist irgendetwas net in Ordnung, Benny? Ist was schief gelaufen?«

Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und zwang sich, Simone anzulächeln. »Es ist nix, Simone. Alles in Ordnung. Vielleicht bin ich ein bissel müde. Wird Zeit, dass der Frühling kommt und ich nimmer in den Wald muss. – Ja, ja, der Frank!« Benjamin lachte auf; es klang gekünstelt. »Er war als Bub schon immer recht schüchtern. Deshalb kommt er immer wieder mal vorbei, um mit dir zu reden oder dich zu fragen, ob du mit ihm ein bissel spazieren gehst. Natürlich immer nur als guter Freund.« Benjamin zeichnete, während er dies sagte, mit Zeige- und Mittelfinger beider Hände Anführungszeichen in die Luft und grinste dabei hintergründig. »Dass du ihn auch gern siehst, weiß ich, Schwester. Ich freu’ mich für dich. Du musst dem Burschen halt ein bissel Mut machen. Dann verliert er auch seine Scheu und es kann noch was werden mit euch zweien.« Kaum, dass es über seine Lippen war, kam ihm wieder die fast aussichtslose Situation in den Sinn, in der er sich befand. Einen Moment lang fragte er sich, ob er mit Simone drüber reden und ihr reinen Wein einschenken sollte. Nein! Er verwarf den Gedanken augenblicklich und tröstete sich damit, dass er am Wochenende seine Sorgen los sein würde, wenn Bayern sein Spiel gewann. Und dass der Rekordmeister gewinnen würde, davon war er völlig überzeugt.

»Das Essen ist auch gleich fertig«, erklärte Simone. »Die Stallarbeit hab’ ich schon erledigt und die Küh’ gefüttert. Jetzt muss ich mich sputen.« Sie schaute auf die Uhr an der Wand. »In anderthalb Stunden holt mich der Frank ab. Ich will mich noch duschen und ein bisserl zurechtmachen. Ich möcht’ doch net, dass sich der Frank mit mir schämen muss.«

»Mit dir muss sich kein Mann schämen, Schwesterherz. Du bist eine natürliche Schönheit. Aber ich glaub’, dass es dir gar net drum geht, dass sich der Frank deiner schämen müsst’. Es ist wohl vielmehr so, dass du ihm gefallen möchtest.«

»Welche Frau will net dem Mann gefallen, an den sie ihr Herz gehängt hat?«, fragte Simone und lächelte verschmitzt.

»Auf diesem Gebiet kann ich net mitreden«, knurrte Benjamin und wandte sich ab. »Bis jetzt hat mich noch keine Frau besonders interessiert. Diejenigen, die mir gefallen hätten, haben kein Interesse an mir gezeigt.«

»Du resignierst zu schnell, Benny«, gab Simone zu verstehen. »Es ist halt net so, dass die Frauen, die dir gefallen, gleich Hurra schreien, wenn du ihnen schöne Augen machst. Vielleicht wollen sie erobert werden. Aber du schmeißt die Flinte immer viel zu schnell ins Korn, wenn sie net sofort auf dich abfahren. Dass sie dann auch das Interesse an dir verlieren, ist ja fast zwangsläufig.«

»Die Richtige wird schon noch kommen«, versetzte Benjamin, dann ging er ins Wohnzimmer, schaltete den Fernseher ein und ließ sich in einen der schweren Sessel fallen. Und jetzt kamen auch die quälenden Gedanken wieder. Ihm blieben nur noch etwas über drei Wochen, um den drohenden Bankrott abzuwenden. Er wollte das kommende Wochenende abwarten, ehe er an die Bank herantrat, um ­einen weiteren Zahlungsaufschub auszuhandeln. Seine Zuversicht, dass er dieses Mal auf den richtigen Verein gesetzt hatte, war groß. Mit dem Geld aus dem Gewinn würde er die Sparkasse dazu bringen, wieder eine Weile stillzuhalten.

*

Kurz vor acht Uhr fuhr Frank Dittman auf den Hof des Lauterbachhofs.

Simone wartete schon auf ihn. Sie stand am Fenster der Küche. Während sie tagsüber die Haare entweder zu einem Pferdeschwanz gebunden oder aufgesteckt trug, fielen sie jetzt in leichten Wellen über ihre Schultern. Sie hatte sich dezent geschminkt, beerenfarbenen Lippenstift, der ihren Mund betonte, sowie etwas Eyeliner und ein wenig Lidschatten, was ihren Augen besondere Geltung verlieh. Simones Kleidung war salopp. Sie trug eine blaue Jeans und eine weiße Bluse sowie eine graue Trachtenweste. Ihre Füße steckten in weißen Sportschuhen.

Jetzt schlüpfte sie in eine gefütterte Jacke mit Kapuze und rief ins Wohnzimmer: »Der Frank ist da, Benny. Ich geh’ jetzt. Wann ich nach Haus’ komm’, weiß ich noch net, aber ich denk’, dass es net allzu spät wird.«

»Viel Vergnügen«, kam Benjamins Antwort.

»Danke!« Simone eilte nach draußen.

Frank Dittmann war achtundzwanzig Jahre alt, etwa eins achtzig groß und schlank. Obwohl auch er eine dicke Winterjacke anhatte, konnte man erkennen, dass er drahtig und sicher auch sehr sportlich war. Seine Haare waren dunkel und kurz geschnitten. Sein Gesicht war männlich-markant, ohne jedoch allzu kantig oder scharf geschnitten zu wirken. Sein Charakter passte nicht ganz zu seinem Erscheinungsbild. Er war ausgesprochen schüchtern und ziemlich wortkarg. Diskussionen ging er grundsätzlich aus dem Weg.

Frank machte Simone auf seine etwas unbeholfene Art seit Längerem den Hof. Über einige Kurzbesuche und Spaziergänge waren die beiden jedoch noch nicht hinausgekommen. Doch Simone hatte sich in den zurückhaltenden Burschen verliebt. Vielleicht war es sogar seine Ungeschicklichkeit im Umgang mit ihr, die ihn für sie so liebenswert machte.

Sie sehnte sich nach einer ersten Berührung, einem ersten Kuss, einem Bekenntnis, dass auch er verliebt war. Bis jetzt zeigte er seine Sympathie für sie allein dadurch, dass er auf dem Weg von der Arbeit nach Hause öfter mal bei ihr anhielt, um ein paar Worte mit ihr zu wechseln, oder um sie zu fragen, ob sie ein Stück mit ihm gehen wolle. Er suchte ihre Nähe, mehr nicht.

Für den heutigen Abend hatte sich Simone vorgenommen, die Initiative zu ergreifen. Es war ja schon ein immenser Fortschritt, dass er sie zum Abendessen ins Hotel einge­laden hatte. Simone wollte die ­Gelegenheit beim Schopf ergreifen. ›Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, kommt der Berg zum Propheten‹. Das war Simones Motto für den heutigen Abend.

Frank stand neben seinem Wagen. Simone ging lächelnd auf ihn zu. »Grüaß di, Frank. Du bist ja pünktlich wie ein Mauerer.« Sie zeigte sich bester Laune.

»Pünktlichkeit ist die Tugend der Könige«, murmelte Frank und fügte leise hinzu: »Ich freu’ mich, Simone, dass du meine Einladung angenommen hast. Ich hab’ mich erst gar net getraut zu fragen, weil ich befürchtet hab’, dass ich einen Korb bekomm’.«

Simone lachte hell auf. »Warum sollt’ ich dir einen Korb geben? Ich hab’ doch nix gegen dich.« Sie biss sich kurz auf die Unterlippe. »Im Gegenteil …«, fügte sie dann vielsagend hinzu.

Ihre Hoffnung, dass er in irgendeiner Weise auf ihre unüberhörbare Anspielung einging, wurde zerstört, als er mit belegter Stimme sagte: »Steigen wir ein, Simone. Ich hab’ für acht Uhr den Tisch bestellt.«

»Natürlich. Pünktlichkeit ist die Tugend der Könige«, gebrauchte sie seine Worte, doch sie klangen ein klein wenig enttäuscht.

Frank hielt ihr die Beifahrertür auf. Höflich war er. An seinen Umgangsformen gab es für Simone nichts auszusetzen. Wenn er nur ein kleines bisschen draufgängerischer gewesen wäre …

Keine fünf Minuten später steuerte er das Fahrzeug auf den Parkplatz vor dem Hotel, und nach einer weiteren Minute zeigte ihnen Gitti Reisinger den reservierten Tisch im Gastzimmer.

Nachdem sie sich ihrer Jacken entledigt hatten, rückte Frank für Simone einen Stuhl zurecht. Sie ließen sich nieder und Gitti nahm die Getränkebestellung auf. Frank bestellte als Autofahrer ein alkoholfreies Bier, Simone nahm ein Viertel Rotwein.

Während Gitti zur Theke ging, vertieften sich Simone und Frank in die Speisekarte.

Sie entschieden sich beide für das Fischgericht, Zanderfilet mit Kartoffel-Gratin und gemischtem Gemüse. Gitti bedankte sich und gab die Bestellung auf.

An einem der anderen Tische saßen zwei Hotelgäste, zwei junge Männer, beide unter dreißig. Die beiden sprachen leise miteinander und kümmerten sich nicht um die beiden Einheimischen.

»Wie war dein Tag?«, fragte Simone, um ein Gespräch in Gang zu bringen. Sie lächelte Frank an und der errötete leicht. Sein Blick irrte ab.

Frank wusste selbst nicht zu sagen, warum ihn ihre Nähe so sehr verunsicherte. Wenn er mit ihr sprach, war seine Stimme belegt. Was immer er auch sagte – er hatte hinterher das Gefühl, Unsinn geredet zu haben. So sehr er sich auch bemühte, sicher aufzutreten, es wollte nicht gelingen. »Es ist immer das gleiche«, sagte er schließlich und versuchte, ihr Lächeln zu erwidern. Da Simone nichts sagte, fühlte er sich bemüßigt, weiterzusprechen. »Du kannst dir ja vorstellen, dass es als Gemeindearbeiter nicht viel Abwechslung gibt. Unser Chef steckt uns dorthin, wo wir gebraucht werden.«

»Warum hast du dir net längst eine andere Arbeit gesucht? Du hast doch die mittlere Reife und eine Ausbildung als Kraftfahrzeug-Mechatroniker abgeschlossen.«

»Bei der Gemeinde ist der Arbeitsplatz halt sicher, und ich muss net tagtäglich nach Garmisch oder Mittenwald oder gar hinüber nach Tirol. Im Wachnertal gibt’s keine Werkstatt, die Mechatroniker beschäftigt.« Er hatte etwas an Sicherheit gewonnen und sprach gefestigter.

Simone nahm ihr Weinglas und hob es in die Höhe. »Auf dein Wohl, Frank. Deine Einladung hat mich wirklich sehr gefreut. Darf ich dich etwas fragen?«

»Natürlich.«

»Warum bist du so zurückhaltend? Hast du Angst, ich könnte nein sagen, wenn du mich fragst, ob ich mit dir was unternehm’?« Simone wollte jetzt aufs Ganze gehen. Es war ihr Bestreben, Frank aus der Reserve zu locken.

»Na ja …« Frank senkte den Blick und schien seine nächsten Worte im Kopf zu formulieren. Schließlich fuhr er fort: »Du könntest an jedem Finger zehn Burschen haben.«

Er vermied es, Simone anzusehen. »Ich war mir einfach net sicher. Es hätt’ ja sein können, dass es noch andere außer mir gibt, die … die – sich …« Er brach ab.

»Warum sprichst du net weiter?«, drängte sie.

Derweil kam die Haustochter und servierte ihre Getränke.

Er griff nach seinem Glas und hob es. »Ich trink’ auf dein Wohl, Simone. Prost.«

Sie nippten an ihren Getränken und stellten die Gläser wieder ab.

»Was wolltest du sagen, Frank?«, hakte Simone nach. Sein Ablenkungsmanöver fruchtete bei ihr nicht.

Er suchte nach Worten, und presste schließlich hervor: »Ich wollt’ sagen, dass es vielleicht noch andere Burschen gibt, die dich auch sehr sympathisch finden und dir schöne Augen machen.« ›Die letzten fünf Wörter hättest du dir sparen können!‹, durchfuhr es ihn siedendheiß. Er war von seiner eigenen Courage erschreckt. Dennoch schaute er ihr in die Augen, weil er auf ihre Reaktion neugierig war.

Simone strahlte ihn an. »Du findest mich also sehr sympathisch«, stellte sie fest.« Ihr Lächeln wurde verschmitzt, ihre Wangen wiesen jetzt zwei neckische Grübchen auf. Zwischen ihren roten Lippen schimmerten weiß die ebenmäßigen Zähne.

»Ja, sehr«, bekannte er und war vom Strahlen ihrer Augen wie hypnotisiert. Es gelang ihm nicht, seinen Blick davon loszueisen.

»Und wenn ich dich richtig verstanden hab’, dann machst du mir schöne Augen«, sagte Simone.