Ich glaube an die Tat - Hatune Dogan - E-Book

Ich glaube an die Tat E-Book

Hatune Dogan

4,9

Beschreibung

Schwester Hatune Dogan erlebte als Kind in der Türkei selbst Verfolgung. Als ihr Vater wegen seines christlichen Glaubens eine Todesdrohung erhielt, flohen sie nach Deutschland. Im Nahen Osten steht Schwester Hatune aktuell mit ihrem Hilfswerk vielen Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak bei. Sie macht das Schicksal von vergewaltigten und entführten christlichen und jesidischen Mädchen im Westen bekannt. Oft ist sie die Erste, die ihnen zuhört. Die das Leid aushält, von dem Christen und Muslime erzählen. Ein fesselnder, aufrüttelnder Bericht, der auch unbequeme Fragen zum Islam stellt. SPIEGEL online schrieb, wenn man Hatune Dogan mit ihrer Plastiktüte sehe, ahne man nicht, dass sie "eine humanitäre Großmacht ist".

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Hatune Dogan

Tonia Riedl

Ich glaube an die Tat

Im Einsatz für Flüchtlingeaus Syrien und dem Irak

Alle Namen von beteiligten Personenwurden aus Sicherheitsgründen geändert und die Herkunftsorteund Lebensumstände so weit verfremdet, dass die betreffendenMenschen nicht identifizierbar sind.

Redaktionsschluss: 3.2.2015

Wir danken dem Verlag Herder, Freiburg, für die Erlaubnis, für denersten Teil des Buches (S. 13-68; 1. Absatz S. 33 ergänzt) Auszüge ausdem ersten Buch von Hatune Dogan zu nutzen:Hatune Dogan/Cornelia Tomerius, „Es geht ums Überleben.Mein Einsatz für die Christen im Irak“, © Verlag Herder GmbH,Freiburg i. Br. 2010, S. 10-29, 36-57, 59-66.Die folgenden Überschriften wurden dabei verändert: „Indien“(neu: Schicksalsmoment in Indien); S. 41 Mitte des Herder-BuchesÜberschrift eingefügt (neu: Ich gehe meinen Weg); „Gronau, zumZweiten“ (neu: Ruf in den Nahen Osten).

© 2015 Brunnen Verlag Gießenwww.brunnen-verlag.deUmschlagfotos: privatUmschlaggestaltung: Ralf SimonSatz: DTP BrunnenISBN 978-3-7655-4258-9eISBN 978-3-7655-7342-2

Der Wein ist das Symbol des Friedens.Denn nur in einem langen Frieden kann maneinen Weinberg pflegen.

Für meinen Vater,der neun Weinberge anlegte, pflegte und bewachte,der sie verlassen musste und sie so gernnur noch ein einziges Mal wiedergesehen hätte.

Inhalt

Prolog: Erste Begegnung

Teil 1:Weil ich selbst ein Flüchtling bin …

Flucht

Schicksalsmoment in Indien

Ich gehe meinen Weg

Ruf in den Nahen Osten

Zurück in die Zeit

Teil 2:Kein heimatliches Land – Naher Osten 2014

Zukunftsaussichten für kleine Engel

Gesichter der Heimatlosigkeit

Heimat für meine Seele

Auf der Suche nach Zukunft

Syrien – ein Paradies wird zur Hölle

„Es wird alles werden“

Gesichter des Djihad

„Diese Fanatiker werden wir in tausend Jahren nicht los“

Woher kommt die Gewalt?

Islam unter uns

Das Schicksal der Frauen

Eine andere Wahrheit

Gemeinsam Mensch sein

Wie erträgt man so viel Leid?

Die Stiftung Helfende Hände für die Armen

Prolog: Erste Begegnung

„Das Kloster liegt ganz nah am Bahnhof“, hatte mich die warme, aber energische Stimme am Telefon wissen lassen, als wir uns für ein erstes Gespräch zur Vorbereitung dieses Buches verabredeten. Nun, ich würde nicht den Zug nehmen, sondern mit dem Auto anreisen.

Dreimal fahre ich an der angegebenen Adresse vorbei. Fast mitten auf der Straßenkreuzung, so kommt es mir vor, steht das alte, ein wenig verschachtelte und nicht sehr geräumig wirkende Fachwerkhaus. Es ist mit Baugerüsten umgeben, einige Fenster sind mit Plastik verkleidet. Auf dem Bürgersteig und dem kleinen Gartenstück liegen verstreut Bauschutt und auch neues Baumaterial, und auf dem Gerüst über der Haustür geht es geschäftig und recht laut zu. Ein Kloster? Ein Ort der Stille und Meditation? Ein Ort für ein Leben aus Gottesdienst und Gebet?

Aber es gibt keinen Zweifel: Die Hausnummer weist mich direkt zu dieser Baustelle. Und schließlich entdecke ich im Türglas auch das unauffällige Schild: Schwester Hatune Stiftung – Helfende Hände für die Armen. Ich parke den Wagen und bin gespannt, was mich hier erwartet.

Hinter der mit Sägespänen bedeckten, staubigen Glastür des Eingangs hat Schwester Hatune mich bereits entdeckt und begrüßt mich zum Lärm der Hammerschläge, mit denen über mir auf dem Gerüst die Zimmerleute gerade einen neuen Balken ins alte Gewerk einziehen. „Willkommen im Kloster! Komm herein!“

Mit einer herzlichen Umarmung werde ich in den Flur und von da direkt in die Küche gezogen. Die macht den Eindruck, als lebe hier tatsächlich nicht nur eine Schwester. Und so ist es auch: Im Wohnzimmer ist gerade Hatunes Vater eingezogen, der durch sein Alter und eine Erkrankung pflegebedürftig geworden ist. Ein Mitbruder von Schwester Hatune, Priester der syrisch-orthodoxen Gemeinde in Deutschland und selbst aus der Südosttürkei stammend, wird mir vorgestellt. Er scheint der gute Geist des Hauses mit den praktischen Händen zu sein und packt bei den Bauarbeiten tatkräftig mit an. Zum Beispiel, indem er beginnt, über dem Küchentisch, an dem wir sitzen, die Küchendecke einzuschlagen – auch hier muss ein Balken erneuert werden. Na ja, nicht ganz direkt über unserem Sitzplatz. Ich bin offensichtlich in ein Haus geraten, in dem man schlagkräftig zu handeln weiß. Und im Lauf der nächsten beiden Tage werden noch etliche weitere Gäste auftauchen. Das „Kloster“ erweist sich als Baustelle der besonderen Art.

Nach ein paar Worten, mit denen wir uns ein wenig näher bekannt machen, zeigt Schwester Hatune mir „ihr Reich“. Das alte Haus wurde vor zwei Jahren erworben und bezogen und ist seither eine Dauerbaustelle. Aber bevor ich die im Einzelnen zu sehen bekomme, geht es erst einmal nach draußen.

Die Gartenfläche, die zum Grundstück gehört, ist gar nicht sehr groß und der Boden sieht mir auch nicht so aus, als zeichne er sich durch besondere Fruchtbarkeit aus. Rissig und hart ist die Erde an etlichen Stellen. Die meisten Menschen würden so einen kleinen Streifen Land rund ums Haus wohl mit etwas dekorativem Rasen einsäen oder mit „sauberen“ Steinen belegen und einen Sonnenschirm und Gartenmöbel daraufstellen. Schwester Hatune dagegen hat dem widerspenstigen Land eine beträchtliche Menge an Blumen und Nutzpflanzen abgetrotzt. Ich sehe Rucola, Petersilie, Pfefferminze und Sauerampfer. Kürbis, Porree, Radieschen, Kohlrabi, Zucchini und Mangold sind hier auf kleinster Fläche angebaut und es gibt ein großes Zwiebelbeet, das, wie ich erfahre, in acht Stufen bebaut wird. Die Tomaten sind noch grün, aber die Erdbeeren leuchten schon rot zwischen den Blättern hervor, dahinter Mango, Paprika, weiße Gurken und Kapioka aus Indien. Auch die Anzahl der Obstsorten ist beachtlich: Da gibt es Johannisbeeren, Stachelbeeren, Weintrauben. Neben älteren Apfel- und Pflaumenbäumen behaupten sich tapfer ein Mandelbäumchen und ein Granatapfelbaum – Grüße aus und lebendige Erinnerung an die nie vergessene Heimat in der Osttürkei und an ein Leben, das ganz vom Land und seinen Früchten abhängig war. Ein kleines Fleckchen Zuhause. Sogar der „Schuttstreifen“ zwischen Zaun und Straßenrand ist vom Unkraut befreit und mit Zucchini bepflanzt. Überall leuchten farbenfroh die Blüten der Sommerblumen und Rosenduft steigt mir in die Nase. „Ohne Erde halte ich es nicht aus“, lächelt Schwester Hatune. „Ich bin eine echte Bauerntochter.“

Nach dem Garten, sichtlich Schwester Hatunes Stolz, geht die Führung weiter, durch die Räume des Hauses. Was mir von außen für ein Kloster als recht klein erschien, erweist sich, wie das Gartenland drum herum, als ein Ort ungeahnter Möglichkeiten. Schwester Hatune bereitet das Haus dafür vor, hier einen eigenen kleinen Konvent zu gründen. Einige Schwestern werden bald einziehen und Raum für Gäste soll es auch geben. Und natürlich eine Kapelle, Bibliothek und Seminarraum. Ich bin überrascht zu sehen, wie viele Zimmer sie dem von außen bescheiden erscheinenden Bau abgerungen hat: Immer geht es noch eine Treppe hinauf und noch eine Tür weiter zum nächsten Raum und wieder zum nächsten. Die Zimmer sind meist klein, bieten nur Platz für das Nötigste: Bett, Stuhl, vielleicht einen kleinen Tisch oder ein Regal. „Aber jeder soll die Möglichkeit haben, sich zurückzuziehen“, erklärt Schwester Hatune.

Viele Stunden mit Gesprächen und zahlreiche Geschichten und Erlebnisse später erscheinen mir Haus und Garten wie ein Schlüssel zu dieser Frau, die mir in den vergangenen Tagen so viel aus ihrem Leben und dem Leben der Menschen erzählt hat, für die sie sich einsetzt. Ganz besonders sind das zurzeit die Christen, die im Nahen Osten, in Syrien und im Irak Verfolgung oder Unterdrückung und Benachteiligung erfahren, und darüber hinaus alle Flüchtlinge, die dort Heimat und Besitz verlassen mussten, um ihr bloßes Leben zu retten.

Klosterleben, das ist für Schwester Hatune nicht der Rückzug aus einer zu lauten und zu hektischen Welt in ein beschauliches Innenleben. Wie ihr Haus beinahe mitten auf der Straße steht, so steht auch sie immer wieder mitten in dieser Welt, da, wo die Not am größten ist. Und es scheint, als sei in ihrem Herzen immer noch ein Raum mehr verfügbar für ein weiteres Menschenschicksal, als trotze sie jeder kleinen Chance auf Leben und Wachstum das nur irgend Mögliche ab.

„Ich glaube an die Tat“, sagt sie irgendwann in unseren Gesprächen. „Und daran, dass Gott immer noch eine Möglichkeit mehr hat, als wir sehen können. Solange es etwas zu tun gibt, packe ich an.“

Dies ist ihre Geschichte.

Tonia Riedl

Teil 1:Weil ich selbst ein Flüchtling bin …

Flucht

1984, Zaz im Tur Abdin, Südosttürkei

Niemand hatte an das Gewehr gedacht. Weder mein Vater noch ich. Das Gewehr trug ich immer bei mir, wenn ich nachts zu meinem Vater auf den Weinberg ging. Erst schützte es mich auf dem Weg durch die Dunkelheit, dann uns beide bei der Nachtwache. Doch in dieser Nacht, in der Nacht vom 14. auf den 15. September 1984, sollte ich nicht wie sonst auf den Weinberg kommen.

„Bleib heute zu Hause“, sagte mein Vater. „Du wirst hier mehr gebraucht.“ Er blickte kurz zum Haus, in dem meine Mutter gerade das Abendessen zubereitete. Meine älteste Schwester war mit ihrem Mann zu Besuch. Sie wohnten viele Kilometer entfernt, an der Grenze zum Irak, und kamen nicht oft zu uns. Zur Feier des Tages hatte mein Vater am Morgen zwei Hühner geschlachtet. Da mein Schwager nur Kurdisch und Ostsyrisch sprach, meine Mutter jedoch nur Aramäisch, sollte ich dableiben, um zu übersetzen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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