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Tobi, ein zwar hochtalentierter, aber auch etwas schusseliger Grafikdesigner, sperrt sich immer mal wieder aus: Die Tür schnappt zu, der Schlüssel liegt drinnen. Daraus ergeben sich skurrile Situationen, über die sich seine Freunde gern mit dem Hinweis "typisch Tobi" amüsieren. Dass er damit sogar einen Kriminalfall provoziert, und das auch noch kurz vor Weihnachten, hätte sich Tobi nicht träumen lassen.
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Seitenzahl: 26
Veröffentlichungsjahr: 2022
Gregor Bähr
ICH WILL DA WIEDER REIN
Tobis Kampf mit den Türen, die ihn immer wieder arglistig aussperren, während die Schlüssel noch drinnen liegen
Erzählung
I.
Im Vorwärtsstürmen durch die Haustür stoppte Tobi ruckartig, drehte sich auf dem Absatz um und setzte zu einem verwegenen Sprung an. Da machte es auch schon ‚Klack’. Ein metallisches Klack, das so unwiderruflich, so endgültig klang, dass er laut „Scheiße“ rief. Wütend trat er gegen das schwere, zweiflügelige Portal, das der automatische Schließer soeben zurück ins Schloss gedrückt hatte. Nun stand er draußen und die Schlüssel lagen drinnen. Synchron mit dem Tritt brüllte er noch einmal: „Scheiße!“ Es war am frühen Abend des letzten Freitags vor Weihnachten.
Tobias Lackschus, kurz Tobi oder Lacki genannt, war Grafik-Designer. Soeben hatte er sein Atelier, das sich im Hochparterre des vierstöckigen, denkmalgeschützten Geschäftshauses befand, etwas überhastet verlassen.
Eigentlich war Tobi ein sanfter Mensch. Nur bei versehentlich sich schließenden Türen, die er dann nicht mehr öffnen konnte, bekam er einen Wutanfall. Und im Malträtieren von Türen hatte er Erfahrung. Denn die Haustür zu seinem Atelier war nicht die erste, die ihm mit diesem charakteristischen ‚Klack‘ den Wiedereintritt in die jenseitige Atmosphäre verweigerte. Seine Wohnungstür beispielsweise, von schwarzen Striemen gezeichnet, konnte ein mehrstrophiges Lied über solche Misshandlungen singen. Die Wut, die jedes Mal bei diesem Geräusch in ihm aufstieg, entsprang dem Gefühl, plump überrumpelt worden zu sein. Dazu spielte sich wie zwanghaft in seinem Kopf dieser stumme und unversöhnliche Dialog zwischen der Tür und ihm ab:
Die Tür: „Schlüssel?“
Tobi: „Liegt drinnen.“
Tür: „Und jetzt?“
Tobi: „Ich muss da wieder rein.“
Tür: „Vergiss es.“
Deshalb empfand er die Situation stets als einen Akt der persönlichen Zurückweisung durch die Tür. Sie stellte sich ihm in den Weg, verweigerte die Korrektur seines vergesslichen Handelns und ließ ihn nicht zurückkehren, um so wieder in den Besitz seines Schlüssels zu kommen.
Im Prinzip sei doch eine Tür, so entwickelte er gerne seine Theorie, nichts weiter als ein rechteckiges Loch in der Wand – genau genommen ein Nichts, das seine Wahrnehmbarkeit nur seiner materiellen Umgebung verdanke. Wenn dieses Nichts sich erdreiste, als selbst ernannter Türsteher ihm den gewohnten Zugang zu verwehren, betrachte er dieses Konstrukt als seinen persönlichen Feind.
Diese abstruse Argumentation führte regelmäßig zu einer völlig verqueren Diskussion. Wie bitte schön, könne man ein Nichts, also etwas, was es Tobis Aussage zufolge gar nicht gab, als Feind betrachten? Und überhaupt: Eine Tür sei ein Gegenstand, dem man weder menschliche Eigenschaften noch absichtliche Verhaltensweisen unterstellen könne.
Tobi aber ließ sich nicht davon abbringen, dass er mit Türen, vor allem mit verriegelten Türen, auf Kriegsfuß stand – nicht weil er es provozierte, sondern weil Türen, die sich nur einseitig öffnen ließen, per se hinterhältig seien.
Dabei verdanke die Tür, so fuhr er zunehmend empört fort, ihre Machtstellung doch nur dem Umstand, dass er den passenden Schlüssel als Legitimation für den ungehinderten Zugang nicht vorweisen und benutzen könne. Diese ihr so unverhofft zuteil gewordene Macht nutze die Tür ungerechtfertigt aus und wende sie schamlos gegen ihn an …