Im Bann des Hexenfluches - Michael Duesberg - E-Book

Im Bann des Hexenfluches E-Book

Michael Duesberg

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Beschreibung

Kristin, Flora, Sile und Mòrag sind außergewöhnliche Persönlichkeiten. Schon als Kinder entwickeln sie magische Fähigkeiten, spielen unbefangen mit Erde, Wasser, Luft und Feuer und verkehren wie selbstverständlich mit den Nymphen. Doch ihre Fähigkeiten werden schnell von dunklen Wesen entdeckt, welche dieselben für sich begehren und die Mädchen entführen. So geraten sie in einen Strudel aus Bosheit, aus dem sie sich nur durch die Hilfe geistiger Wesen befreien können. Je älter sie werden, desto schwerer fällt es ihnen, ihre Verbindung zur Welt der Nymphen aufrechtzuerhalten. Daher suchen sie nach neuen Wegen, die zerstörte Brücke zwischen Diesseits und Jenseits wieder aufzubauen. Eine erfahrene ältere Freundin bietet ihnen dazu erste Anregungen. Im Laufe ihres Studiums, das die jungen Frauen an verschiedene Universitäten führt, treten jene Mächte, die den Brückenbau verhindern wollen, erneut an sie heran. Zudem entbrennt in ihrem eigenen Innern ein Kampf zwischen dem Bewahren der Kindheitsimpulse und den Verlockungen des Lebens, die schnellen Genuss bieten, jedoch abhängig machen. In dem Krieg, den die Kräfte der Finsternis gegen die jungen Frauen führen, stehen die Naturwesen den letzteren noch einmal bei und verhindern so ihren frühen Tod. Doch gerade dann, als es darauf ankäme, die Auseinandersetzung mit dem Bösen selbstständig, ohne fremde Hilfe zu bestehen, führen die dunklen Mächte ihre tückischste Waffe ins Feld: Sie greifen mit den Fallstricken des Alltags an, mit Egoismus, Seelenkälte und Gleichgültigkeit. Die Folgen davon sind erschütternd, werden aber im Zustand fortschreitender Abstumpfung kaum mehr wahrgenommen. Der Bannfluch beginnt zu wirken. Die Hexen unserer Märchen und Sagen sind keine realen Menschen, durchaus aber reale Kräfte. Kräfte, die uns zu verführen und in Dinge zu verstricken drohen, die wir nicht wollen, die uns unfrei machen und im schlimmsten Falle Seiten unseres Wesens zerstören.

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Seitenzahl: 529

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Impressum:

©2021 Michael Duesberg

Umschlagbild: ©Mark Hultgren (Fisher, USA) www.pixabay.com

Lektorat, Layout u. Umschlaggestaltung:

Angelika Fleckenstein; Spotsrock

Verlag & Druck:

tredition GmbH

Halenreie 40–44

22359 Hamburg

ISBN

978-3-347-23604-2 (Paperback)

978-3-347-23605-9 (Hardcover)

978-3-347-23606-6 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Michael Duesberg

Im Bann des

Namen

Frauen:

1. Murron („Móhrin“), Meer ∞ (+Amhuinn)(Kristin und Flora)

2. Fia („Fía“), dunkler Friede ∞ (+Coinneach)

(Sile, später Elli und Kevin)

3. Ciorstag („Kérnjahch“), rein ∞ (+ Ailean) (Mòrag)

4. Marsaili („Máehrsahlih“), Perle ∞ Jochen (3 Kinder)

Männer

1. Amhuinn („Áwuin“), vom Erlenfluss

2. Coinneach („Kónyok“), gut, schön

3. Ailean („Állen“), stattlich, angefangenes Jurastudium

Ehepaare

Murron und Amhuinn O’ Connor

Fia und Coinneach McGrady

Ciorstag und Ailean O’ Kelly

Kinder

1. Cairistìona („Kárischtschihunna“), Kristin O’Connor

2. Flora O’Connor

(1.) Sile („Shílah“), Sile McGrady

3. Mòrag O’Kelly

Erich Regenscheidt, Heiner Butzbach, Winni Keltermann,

3 Konstanzer Männer

3 Konstanzer Hexen, Die Großen Schwarzen Drei

Cerbera (Jutta Mönkemeyer),

Kolika (Gabi Mönkemeyer),

Maleficia (Ester Goldbach)

Glaeba Resoluit, Golem, dienendes Geschöpf der drei Hexen.

Lisa Köhler, Köhlerlisel oder auch Kohlenfauch, später Libella Fauch, eine Hexe

Cornelius Rupti, Polizeiwachtmeister, von Hexen besessen

Benno Laschmann, Polizeimeister, ebenfalls von Hexen besessen

Joseph Löwenbrüll, Polizeihauptkommissar

Reginald Gallschlag, Polizeiwachtmeister

Urs Zwingli, Polizist der deutsch-schweizerischen Grenztruppe

Orden der Alten Druiden (Ord na Sean-dhraoithe), neo-keltische Gruppe von 80-100 Mitgliedern auf dem Möwenhof

Toth Flahhead, Anführer einer Gruppe von ‚Fundis’ beim Orden der Alten Druiden

#Krutzta# und #Gilpick#, kunstvolle Kreationen des Magiers Toth Flahhead.

Elmar Kopp und Lenny Schuster, Mitglieder des Ordens, Freunde der Tobelhöfler

Maggi Hokus, Vize-Leiterin des Ordens, Nachfolgerin von Toth Flahhead.

Libella Fauch, ehemalige Lisa Köhler

Balduin Hirschmann, neues Oberhaupt der Alten Druiden

Heinrich Altmann und Joseph Säntis, zwei der treuesten Maggi-Anhänger, die Murron aus dem Verließ entführen

Dr. Aili Brennan, erfahrene ‚Brückenbauerin’ der Gruppe ‚Leben, Seele, Geist’

Geister:

Asuras. Asura (Sanskrit: Dämon, böser Geist), im Hinduismus Gegenspieler der Devas oder Suras, der guten Götter. Sie entstanden ursprünglich aus der Lebenskraft Prajapatis und unterstanden der Herrschaft Varunas. Damals wurden ihnen die Gaben der Wahrheit und der Lüge verliehen, doch streiften sie später die Wahrheit ab und wurden zu Geistern der Lüge, Finsternis und des Egoismus.

Unter-natürliche Wesen

Vampire, Sukkuben, Inkuben, Dämonen, Untote, Gespenster, Werwölfen, Banshees

3 Dämonen

Pónos, der Schmerz (er knarzt)

Kakúmlia, das Elend (sie kreischt)

Katástrophé, das Verderben (es heult)

Nymphen des Wassers, der Luft, des Festen und des Feuers:Undinen:

Najaden (Quellen, Bäche), Potameiden (Flüsse und Ströme),

Hyaden (Regen, Tau, Nebel), Nereiden und Okeaniden (Meere);

Elfen:

Leimoniaden (Wiesen, Lichtungen), Napaien (Niederungen, Täler);

Gnome:

Oreaden (Berge, Felsen, Grotten);

Feuergeister:

Salamander;

Elfen oder Salamander:

Plejaden (Sterne);

Wasílissa Neró (= Königin Wasser), Herrscherin der Undinen, Nymphenkönigin

Azalea, Anführerin jener Elfenscharen, die Aili und Flora beschützen

Hexen in Deutschland:

wwww –– (web of world wide witches), Internetseite zweier internationaler Hexen-Vereinigungen:

s’www – (Satan’s world wide witches), Satans-Hexen) und AS’WWW – (Advanced Spirits’ World Wide Witches, Hexen der Fortgeschrittenen Geister)

Allébil, Tutorin von Libella im Konvent, bürgerlicher Name:

Monika Labiell, Kommilitonin und enge Freundin von Kristin

Die 4 Frauen als Studentinnen:

Kristin studierte ab 1999 Geophysik und Ozeanographie in Hamburg Flora wählte für sich Umweltmeteorologie in Freiburg Sile und Mòrag studierten Geowissenschaften in Jena.

Siles Spezialgebiet: Vulkanologie;

Mòrags Spezialgebiet: Mineralogie

Hermann, Frieder, Rolf, Leo und Piet, Gigolos im Dienst der Hexen auf ‚Elysium’

Berta Uhl, Vermieterin von Flora in Freiburg: Hexenname: Boluta

Frau Dr. Egeria Biewdrom, Hexenname: Egeria, kurze Zeit behandelnde Ärztin von Flora auf Empfehlung von Berta Uhl

Babsi, Gabriele Wagner, Chemikerin, Freundin von Flora

Silke Bodelschwing, Hexenname: Dolce, Kommilitonin von Sile und Morag in Jena

Ihre Kolleginnen und Schwestern: Amanita, Bylgia, Chiwa, Cythera, Fryda, Halia, Juna, Kyra, Macha, Mora, Noitha, Oona, Suri und Tovah.

(Die kursiv Geschriebenen sterben im Krieg gegen die Nymphen)

Walburga, Vorsitzende des Hexenkonvents HH

Abraham a Tenebris und Aristoteles Infernalis:

Geschichtsreferenten

Hanna Steiner, Mitbewohnerin von Flora in der Vorderen Steige

Bewohner in der Sonnhalde, Mitglieder des Zirkels

Ulla Alaru, Hexenname: Urala

Zita Grenada, Zita

Lena Bader, Rhea

Birgit Tschech, Bitsch

Frau Dr. Coronaria Leduntfig, Leiterin des ASIH (Alchymistisch-Spagirisches Institut für Hexen) in Hamburg Uhlenhorst. Teil des HKH (Hanseatisches Krankenhaus Hamburg), eine Spezialklinik und Zweigstelle der Asklepios-Klinik St. Georg in Hohenfelde.

Manuel Schräber und Fridolin Völkel, Hauptkommissare, Freiburger Polizei

[NCIS (Naval Criminal Investigative Service), Scherzname für die technische Abteilung im UG bei der Polizei in Freiburg]

Manuel Backeberg, Hauptkommissar und leitender Polizeibeamter in Hamburg.

Dr. Luzifera Gleißner, Rechtsanwältin, Berliner Althexe

Weitere Geister

Satanas, Herr und Meister der Satanshexen und -hexer,

Herr der physischen Materie

Sanatas, Sohn, Bote und Übersetzer von Satanas

Sanas, Sohn von Sanatas

Einige Elementarwesen im ladinischen Val Müstair

Culm da Glatsch, („Eisberg“), Bergelfe, Anführerin kriegerischer Scharen.

Ova, („Wasser“), Anführerin der Undinen der Bergbäche

Muntagna, („Berggipfel“), Elfe oder weiblicher Gnom

Tung, („Donner“), Bergtroll

Weitere Hexen zur Zeit des Krieges:

Furienhexe Baba Jaga Hackezahn, Anführerin des ‚Westheeres’ aus Alt- und Junghexen

Nuta Nutella, Klammerhexe

Phéwé („Schlange“), kurzzeitig Nachfolgerin von Walburga

Von den Hexen mitgeführte Schlangen:

Taipane (Giftnattern), Braunschlangen, Kraite, Sandrasselottern (Vipern).

Mireille Nireteute de la Lorraine, neue Vorsitzende nach dem „Untergang der norddeutschen Satanshexen im Engadin“

TEIL I

I

Murron und Amhuinn hielten sich im Schatten der Bäume, als sie sich quer durch den Park auf das Herrschaftshaus zu bewegten. Amhuinn, der etwas hinter Murron zurückgeblieben war, hatte ihr mehrmals durch Handzeichen zu verstehen gegeben, dass sie anhalten solle, und endlich blieb sie hinter einem breiten Zedernstamm stehen und wartete.

„Du bist verrückt“, flüsterte Amhuinn ihr zu, „sollen wir das wirklich durchziehen?“

„Unbedingt“, zischte Murron und huschte auch schon zur nächsten Deckung.

Drüben beim Herrschaftshaus rührte sich nichts. Vor dem Treppenaufgang war ein Sonnenschirm aufgestellt worden, unter welchem der Kinderwagen mit der kleinen Sile stand. Das Mädchen war fast ein halbes Jahr alt, und mit ihm hatte es seine eigene Bewandtnis: Die Gutsherrin hatte den damals acht Wochen alten Säugling der unverheirateten Fia abgekauft, die zur Zeit der Geburt noch minderjährig und mittellos gewesen war. Jetzt, ein halbes Jahr später, war Fia verheiratet und wollte ihre Tochter zurück, aber die Gutsherrin gab die Kleine nicht mehr her. Sile war ein besonders schönes Kind; jeder, der sie auch nur kurz anschaute, war von ihr entzückt. Die alten Weiber im Ort tuschelten, neben Siles Kinderwagen halte stets eine Schar Elfen Wache.

Murron hatte gar nicht vor, das Mädchen nur zu rauben, um es Fia zurückzubringen; sie wollte es eigentlich lieber selbst behalten und ihm eine tausendmal bessere Mutter sein als alle diese Puppenmütter, einschließlich der arroganten Gutsherrin, die doch nichts Besseres war als eine Hure mit etwas Glück bei der Gattenwahl. Die kleine Sile würde sich bei Murron und all den besonderen Geschwistern ihrer neuen Familie bestimmt wohlfühlen.

Murron straffte den Rücken. Jetzt kam das schwerste Wegtück, weil der Park zu Ende war und ein offener Garten begann. Mit den letzten Bäumen des Parks fiel die Deckung weg, und sie konnten vom Haus aus gesehen werden. Murron schritt aufrecht und entschlossen auf den Kinderwagen zu, Amhuinn tat es ihr gleich, so gut er konnte, doch fehlten ihm der Mut und die Willensstärke, über die seine Freundin in reichem Maße verfügte.

Diese war am Kinderwagen angekommen. Sie beugte sich hinab, schob das leichte Deckchen beiseite und nahm das Mädchen auf den Arm.

„Helft mir“, bat sie die um den Wagen versammelten Elfen. Sie hatte zwar noch nie Elfen gesehen, glaubte aber fest an ihre Existenz.

Die kleine Sile war wach und blickte Murron aus großen blauen Augen an.

„Herzchen“, murmelte Murron und weinte fast vor Liebe zu der Kleinen.

„Komm“, sagte Amhuinn hinter ihr, „lass uns abhauen, ehe doch noch jemand kommt.“

Sie wandten sich wieder dem Park zu und verschmolzen alsbald mit den Schatten der Bäume. Doch ungeschoren kamen sie nicht davon, denn gerade als sie das Tor in der Parkmauer vor sich sahen, wurde dieses geöffnet und der Graf stand da, das Jagdgewehr auf dem Rücken. Als er die Eindringlinge erblickte, riss er das Gewehr herab und wollte anlegen, als ihn auch schon der schlanke, scharfe Dolch traf, den Murron in fließender Bewegung aus dem Stiefelschaft gezogen und im Aufrichten geschleudert hatte. Obgleich ihr Wurf wegen des Kindes auf ihrem Arm schwächer ausfiel, traf er den Grafen doch tödlich in den Hals. Er brach mit einem Gurgeln zusammen, das Gewehr entfiel ihm; aus seinem Hals ragte die Waffe hervor.

„Tut mir leid“, murmelte die junge Frau, und es galt zu gleichen Teilen dem Säugling wie dem Sterbenden. Amhuinn riss den Dolch mit einem Ruck heraus, wischte die Waffe am Gras ab und gab sie der jungen Frau zurück.

„Jetzt stecken wir in der Klemme“, sagte er.

„Die Elfen werden uns schützen“, entgegnete Murron.

„Mit Pfeil und Bogen und Elben-Pfeilen?“, spottete Amhuinn.

Sie erreichten den Feldweg und eilten zu ihrem Wagen. Amhuinn schloss auf und ließ die junge Frau mit dem Kind einsteigen; dann setzte er sich ans Steuer und fuhr los. Auf Schleichwegen gelangten sie zu ihrem „Lager“; das war ein einsames Haus im Wald jenseits der Grenze auf tschechischem Boden, etwas nördlich von Český Krumlov an der Moldau. Als sie in den Hof einbogen, trat Marsaili vor die Tür, als ob sie das Kommen der Freunde geahnt hätte.

„Es hat sich etwas geändert“, sprudelte sie aufgeregt hervor, kaum dass Murron mit dem Säugling ausgestiegen war.

„Was denn?“

„Fia ist nun doch zu uns gekommen und will bei uns bleiben.“

„Ach“, sagte Murron, „das trifft sich gut, dann kann sie gleich ihre Tochter stillen.“

In diesem Augenblick stürzte auch die 18-jährige Fia aus dem Haus und rannte auf Murron und Marsaili zu.

„Ihr habt meine Kleine!“, jubelte sie im Laufen, noch ehe sie bei Murron war.

„Kannst du sie sofort stillen?“ fragte diese.

„Klar“, antwortete Fia, „in spätestens zwei Tagen bekomme ich sie auch wieder ganz satt.“

Jetzt eilten Ciorstag und Ailean aus dem Haus, traten zu den anderen und betrachteten die kleine Sile, die begonnen hatte, an Fias Brust zu saugen.

„Sie passt gut zu Flora und Kristin“, bemerkte Ailean, der im Rufe stand, hellsichtig zu sein; er selbst nannte das nicht so.

„Ist alles gut gegangen?“, fragte Ciorstag.

„Leider nein“, antwortete Amhuinn, „Murron hat den Grafen töten müssen.“

„Au weia“, sagten alle gleichzeitig.

„Was bedeutet das für uns?“, fragte Fia.

„Du musst entweder auf Coinneach oder auf deine Tochter verzichten“, antwortete Murron, „es sei denn, dein Mann schließt sich uns ebenfalls an.“

„Ich hoffe doch, er kommt mit“, sagte Fia, „schließlich liebt er mich.“

„Dann ruf ihn nachher gleich an“, sagte Murron, „wir fahren noch heute Abend los. Ihr Anderen“, wandte sie sich an die Freunde, „könnt schon mit dem Packen anfangen.“

Damit schritt sie zum Haus, trat in den Flur und stieg sofort zum Kinderzimmer hinauf. Sie öffnete die Tür und trat an die Bettchen der beiden Kleinen, Flora und Kristin. Beide waren wach. Sie strich Kristin über das Köpfchen und murmelte ihr zärtliche Koseworte zu. Kristin lachte, gab fröhliche Laute von sich und strampelte mit Armen und Beinchen. Murron strich Flora über die prallen Bäckchen und schäkerte eine Weile mit ihr.

„In Deutschland werden wir vielleicht alle unsere Namen ein wenig ändern müssen“, sagte sie zu den Kleinen, „sonst bekommen die Leute Schwierigkeiten mit der Aussprache.“

Dann ging sie zum Schlafzimmer hinüber und begann selbst zu packen.

Am Abend fuhren drei Wagen vom Hof weg. Im ersten saßen Murron und Amhuinn, im zweiten Ciorstag und AiIean, im dritten, dem größten, Marsaili und Fia mit den drei Mädchen. Coinneach, Fias Ehemann, hatte versprochen, direkt zum Bodensee nachzukommen. Die vorderen beiden Wagen waren bis unter das Dach beladen, weil sie zusätzlich zum eigenen Zeug der Insassen auch noch einen Teil von Fias und Ciorstags Gepäck mitführten; der dritte Wagen war der „Kinderwagen“, seine Ladung ganz auf die Bedürfnisse der Kleinen ausgerichtet. Alle Fahrer hatten dieselbe Adresse in die Navis eingegeben und sich auf die über 500 Kilometer lange Fahrt vorbereitet.

Um 20 Uhr verließen sie die Region um Český Krumlov und fuhren in Richtung Passau, später nach München und dann Richtung Bodensee. Um 3 Uhr nachts kamen sie in Friedrichshafen an, wo sie eine kleine Pause machten; eine knappe Stunde später erreichten sie Überlingen und kurz darauf ihre Adresse in einem der Teilorte Überlingens. Um 4 Uhr bogen sie in die Hofeinfahrt ein. Sie schlossen die Haustür auf und trugen die schlafenden Kinder gleich nach oben ins Kinderzimmer. Darauf holten sie ihr Gepäck, machten ihre Nachtlager in den verschiedenen Zimmern bereit und legten sich hin.

Fia lag mit den Kleinen im Kinderzimmer. Damit war ein neues Leben für sie alle angebrochen; sie hatten neue Ausweise, lernten seit einigen Monaten Deutsch und waren gespannt auf die Zukunft. Beim Einschlafen dachte Fia noch kurz an ihren Ehemann Coinneach, mit dem sie zusammen weitere Kinder haben und eine eigene Familie gründen würde; und alle diese Kinder würden miteinander spielen und beim Älterwerden Streiche miteinander verüben. Unter solchen Gedanken schlief sie ein. Die Kleinen in ihren Bettchen nebenan atmeten ruhig.

Murron konnte nicht einschlafen; die lange Autofahrt und die Aufregungen der letzten Wochen setzten ihr zu. Ihre Gedanken kamen nicht zur Ruhe, kreisten immer wieder um die erlebten Bilder oder um das Neue, das unbekannt vor ihr lag. Ihr altes Leben in der Heimat war gemischt gewesen, ein Auf und Ab an Schönem und Schlechtem. Den Tiefpunkt stellte die Vergewaltigung vor fast zwei Jahren dar. Der Kommilitone, der das gemacht hatte, war eigentlich nett gewesen, so hatte sie ihn jedenfalls erlebt. Aber dann musste er ihr auf einer Fete etwas ins Glas gekippt haben, wodurch sie Bewusstsein und Erinnerung verlor. Am andern Morgen war sie in seinem Bett aufgewacht. Er hatte beteuert, sie habe das auch gewollt, doch daran konnte sie sich nicht erinnern; dagegen war sie sich sicher, dass er sie mit irgendeinem Mittel betäubt hatte, denn sie trank kaum Alkohol. Am späten Vormittag war sie zu einer Freundin gefahren, die Medizin studierte, hatte sie gebeten, ihr etwas Blut abzunehmen und untersuchen zu lassen, und dieser Test hatte ihr bestätigt, dass sie mit Liquid Ecstasy betäubt worden war.

Sie hätte das alles noch irgendwie wegstecken können, wenn sie dadurch nicht schwanger geworden wäre. Anfangs erwog sie ernsthaft, den Vergewaltiger anzuzeigen; später, als sich die Schwangerschaft zeigte, wollte sie zuerst auch das Kind abtreiben. Doch sie rang sich dazu durch, von beidem abzusehen und stattdessen ihr Studium zu unterbrechen. Im Jahr drauf war Kristin zur Welt gekommen, damals hieß sie noch Cairistìona.

Das eigentlich Aufregende war aber erst nach Kristins Geburt geschehen: Murron hatte Nacht für Nacht in ihren Träumen Besuch von einem kleinen Mädchen namens Flora erhalten, und das Erleben war so real, dass sie ihre Träume nicht für solche halten konnte. Das Traum-Mädchen sprach richtig mit ihr. Anfangs verstand sie nicht alles, denn diese Kleine sprach manchmal eine ihr fremde Sprache. Sie sagte: „Ich bin Flora. Du musst mich in ein anderes Land bringen, wo ich schon einmal gelebt habe. Wir müssen hier weg, auch wenn du dadurch vieles neu lernen musst, neu sprechen, neu fühlen, neu denken, neu leben. Du wirst auch Kämpfe zu bestehen haben; aber du wirst dort am richtigen Platz sein. Reise in den Süden des Landes, ans Nordufer des großen Bodensees. Deine Tochter wird dort ungefährdet heranwachsen, hier drohen ihr Gefahren. Sie kann ja nichts dafür, dass sie die Frucht einer Vergewaltigung ist, so wenig wie du. Nimm deine engsten Freunde mit und freunde dich auch mit Fia an; ohne sie sind wir unvollständig.“ Flora erzählte ihr das alles nicht auf einmal, sondern häppchenweise bei jedem Besuch.

Murron hatte irgendwann angefangen, Amhuinn und Marsaili ihre Träume zu erzählen, später auch Ciorstag und Ailean. Anfangs hatten die Freunde darüber gelacht, hatten liebevoll gespöttelt und ihr die Reise ausreden wollen. Da hatte Flora dann auch alle anderen in der Nacht heimgesucht, und das hatte überzeugt.

Am schwersten fiel Murron die Bekanntschaft mit Fia, denn die beiden mochten sich nicht. Und dann war dieses Wunder geschehen: Ein kleines Mädchen war von Unbekannten auf die Treppenstufen des St. Finan’s Hospital gelegt worden. Dort sah Murron frühmorgens die Kleine liegen und erkannte sie auf den ersten Blick. Sie nahm sie an sich, brachte sie nach Hause, und als sie das Mädchen aus seiner Decke gewickelt hatte, war da sein Name auf ein kleines Kissen gestickt gewesen: Flora. Dieses Findelkind und ihre eigene kleine Kristin waren von diesem Moment an Geschwister, und seitdem Fia bei ihnen lebte, gehörte auch Sile dazu.

Ó tusa, diese neue Sprache! Sie selbst erlernte sie ja relativ schnell; aber ihre drei Männer stotterten immer noch herum, fast wie zu Beginn des letzten Jahres, als sie den ersten Sprachkurs besucht hatten. Ihre Gedanken sprangen noch eine ganze Weile hin und her, bis auch sie endlich zur Ruhe kam und einschlief.

II

An den Ufern des Bodensees begegnen sich seit den Achtzigerjahren unterschiedliche kulturelle Strömungen. Einige davon gründen auf bestimmten Weltanschauungen, wie beispielsweise die Bewegungen zur sozialen Dreigliederung, die zur Erneuerung der Religion, die einer neuen Wirtschaftsweise zur Erneuerung von Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft, die einer speziellen pädagogischen, medizinischen und heilpädagogischen Richtung und einige andere. Diese Initiativen waren die ersten, die sich in der Bodenseeregion oder in ihrer Nähe angesiedelt hatten. Andere, christliche, weltliche, esoterische und okkulte Strömungen folgten.

Heute finden sich etliche geistige, scheingeistige, scheinheilige und unheilige Zusammenschlüsse um das Schwäbischen Meer herum, berufen sich auf uralte und abgelebte Lehren wie Yoga, Tai-Chi, Qigong oder auf „alte Meister“ wie Gurdjew, Yogananda, Crowley, Hubbard und andere Schauergestalten und erträumen sich davon eine Renaissance der glorreichen Vergangenheit oder eine Erweiterung ihres Bewusstseins. Darüber hinaus mangelt es auch nicht an christlichen Splittergruppen, die zum Teil nicht einmal mehr von ihren Mutterkirchen als zugehörig betrachtet werden. Und dann gibt es in geringerer Anzahl auch graue und schwarzmagische Zirkel, die sich das Seelenheil von ihren schwarzen Idealen erhoffen. Doch davon später …

In der Nähe des kleinen Ortes Salmannsweiler stand ein schmucker Hof mit etwa 40 Hektar Land, der als regelmäßiger Versammlungsort für eine neokeltische Gruppe von 80–100 Leuten diente. Diese Gruppe nannte sich der „Orden der Alten Druiden“ oder „Ord na Sean-dhraoithe”. Innerhalb desselben gab es drei verschiedene Strömungen, deren Mitglieder versuchten, gut miteinander auszukommen, obgleich sie ihre gemeinsamen Ziele mit ganz verschiedenen Mitteln verfolgten. In Anlehnung an politische Parteien könnte man sie „Fundis“, „Realos“ und „Neutrinos“ nennen. Ihre Vertreter waren zumeist gutmütige Menschen, die durch das besondere Augenmerk auf bestimmte Jahreszeiten und Feste und den bewussten Umgang mit der Natur das Heil der Welt wiederherstellen, eine neue Clairvoyance erreichen oder beides zusammen wollten.

Unter diese neuheidnische Gruppe hatten sich nach ihrer Ankunft vorübergehend auch die Flüchtlinge aus Český Krumlov gemischt, weil der Name „Druiden“ sie vertraut berührt hatte und sie ihrer gälischen Namen wegen von den Mitgliedern des Ordens besonders freundlich behandelt worden waren. Nach einigen Jahren des Miteinanders hatten die Immigranten dann aber ihren eigenen Lebensstil gefunden und sich von den Neopaganern gelöst.

Zu den mitgebrachten Kindern Flora, Kristin und Sile waren mittlerweile Mòrag, die Tochter von Ciorstag und Ailean, und Siles Halbgeschwister Elli und Kevin dazugekommen. Die Eltern gingen fester Arbeit nach und hatten neue Freunde in der Umgebung gefunden.

Als Flora, Kristin und Sile sieben Jahre alt wurden, besuchten sie noch den Kindergarten einer Privatschule in der Nähe ihres Wohnorts. Es schien sich jetzt zu bestätigen, dass Murrons Auswanderungs-Initiative eine glückliche Entscheidung gewesen war, denn alles, was die Auswanderer in die Hände nahmen, gelang ihnen. Von ihren Ersparnissen hatten sie sich den ‚Tobelhof’, ein altes bäuerliches Anwesen mit etwas Land gekauft, das sie in vier Gärten und eine Obstanlage unterteilt hatten und gemeinsam bewirtschafteten. Die Gebäude renovierten sie selbst.

Marsaili hatte sich im dritten Jahr nach ihrer Ankunft in einen jungen Deutschen verliebt, und die beiden hatten ein Jahr später geheiratet. Sie waren in den Nachbarort Altenbeuren gezogen und bewirtschafteten dort einen kleinen Gärtnerhof.

Im Konstanzer Südzipfel ‚Paradies‘, etwa eine Autostunde von Salmannsweiler entfernt, wohnten drei Männer, die Mitglieder eines schwarzen Zirkels waren. Schuld daran trugen eigentlich die sozialen Umstände, denn diese Männer hatten jahrelang hart gearbeitet und es doch nie zu etwas gebracht. Dabei waren sie immer bitterer geworden, hatten Wut und Enttäuschungen in sich hineingefressen und waren daher sofort auf ein Versprechen der „Großen Schwarzen Drei“ hereingefallen, als diese ihnen in einer schriftlichen Einladung Glück und Reichtum versprochen hatten.

Diese Einladung lag eines Sonntagmorgens in ihren Briefkästen. Sie wurden darin zu einer Veranstaltung im Gasthof „Tolle Knolle“ nahe der Schweizer Grenze eingeladen. Die Informationen, die sie erhalten würden, sollten ihr Leben radikal zum Besseren verändern, so war es in dem Informationsblatt zu lesen. Also begaben sie sich zur genannten Zeit in den Gasthof, wo bereits viele Leute versammelt waren. Als sie schon wieder gehen wollten, weil alles belegt zu sein schien, trat eine beeindruckende Frau mit schwarzem Haar und schwarzen Augen auf sie zu, begrüßte sie als „meine lieben Gäste“ und führte sie zu einem Tisch, an dem noch drei Plätze frei waren.

Kurz darauf bat eine andere Frau mit derselben Haar- und Augenfarbe die Gäste um Gehör und richtete eine kurze Ansprache an alle Versammelten, worin sie verkündete, dass es Mittel und Wege gäbe, die Anwesenden aus ihrer Not und von allen Problemen zu befreien. Dieses Angebot könne natürlich nur freiwillig in Anspruch genommen werden, und wer nicht daran interessiert sei, möge die kommende Information einfach ignorieren. Um welches Angebot es gehe, darüber werde ihre Schwester die Anwesenden informieren.

Dabei erhob sich eine dritte Frau mit derselben dunklen Haar- und Augenfarbe, hielt einen Stoß Zettel in die Höhe und sagte, wer Interesse an dem Angebot habe, möge bitte die linke Hand heben. Darauf ging sie von Tisch zu Tisch und gab jedem, der sich meldete, ein Blatt ‚zum späteren Lesen’. Damit war die Versammlung aber schon beendet und die Frauen verschwanden, ohne auch nur ein Wort über ihr Angebot verloren zu haben.

Die drei Männer waren ein bisschen enttäuscht, denn sie hatten sich von dem Nachmittag mehr erhofft. Sie diskutierten kurz mit den anderen Männern am Tisch, die ähnlich wie sie dachten, standen dann auf und gingen.

Daheim trösteten sie sich mit einigen Gläschen Schnaps über den überflüssigen Ausflug hinweg und fingerten den empfangenen Zettel aus der Rocktasche, um ihn in den Papierkorb zu werfen. Dabei fiel ihr Blick auf die Schrift, die jetzt leuchtete, und sie lasen: „Wer bei uns mitmacht, wird reich und mächtig werden, und alle seine geheimen Gelüste werden in Erfüllung gehen. Dies ist ein Versprechen.“ Klingt doch gut, dachte jeder von ihnen und las weiter. Und da stand dann eine geheime Adresse, wo man sich noch am selben Tag um Mitternacht treffen sollte. Zuvor solle man baden oder duschen, Haare waschen, Nägel schneiden und unter den Wintersachen frische Unterwäsche tragen.

„Hm“, dachten die Männer, „das klingt ja fast wie eine Gratiseinladung ins Puff.“ Und damit war klar, dass sie hingehen würden.

So kam es, dass die drei sich unabgesprochen um Mitternacht vor dem Hauseingang der geheimen Adresse wiedertrafen.

„Hoppla“, sagte Heiner, „ihr kommet jo au.“

Erich grinste: „Klar, des uf dem Zeddel hot doch irgendwie noch Baischlof oder so g’roche“, und verschluckte sich beinah an seiner Spucke.

Winni grunzte nur: „Ihr Luschtmolch, ihr“ und fischte sich eine Zigarette aus einem zerknitterten Päckchen.

Sechs weitere Männer kamen nach und nach dazu und betrachteten das Haus und die Wartenden mit Misstrauen.

„Habt ihr eine Ahnung, was das hier gibt?“, fragte einer, nachdem sie weitere fünf Minuten vor der geschlossenen Tür gewartet hatten.

„Keine Ahnung“, antwortete ein anderer.

Endlich klickte es, und die Tür ging auf. Dahinter dehnte sich ein dunkler Gang. Die neun Männer schoben sich zögernd in den Flur.

„Gibt’s hier kein Licht?“, fragte einer.

Sie betatschten die Wände auf der Suche nach einem Schalter, fanden aber keinen. Also schoben sie sich vorsichtig weiter voran. Einer fing plötzlich an zu schreien; die anderen riefen durcheinander: „Was ist los? Was fehlt dir? Wo bist du?“ Der Schreier gab ein ersticktes Gurgeln von sich, dann war er still.

Heiner, Erich und Winni hatten sich nah beieinander vorangetastet und machten jetzt kurz Halt; die Sache wurde ihnen unheimlich.

„Solle mo umdrähe?“, fragte Erich.

„Erscht gucke“, schlug Heiner vor.

„Mir isches Wurscht“, meinte Winni und riss ein Zündholz an, um seine erloschene Zigarette noch einmal anzuzünden.

Und da sahen sie es: An der Seite des Ganges, wo der Schreier verröchelt war, hing ein riesiges Spinnennetz von der Decke bis zum Boden, und mittendrin klebte einer der Männer leblos im Netz. Auf seinem Kopf aber kauerte eine monströse Spinne, die ihre Beißwerkzeuge in sein Gesicht gebohrt hatte. Und da erlosch das Zündholz auch schon wieder.

„Uh“, schrien einige, „das ist ja grausig“, drehten sich um und wollten fliehen. Andere schrien einfach nur um Hilfe. Seitwärts ertönte ein zweiter durchdringender Schrei, der in ein entsetzliches Kreischen, Stöhnen und Gurgeln überging. Mehrere Männer schrien jetzt wie am Spieß.

Heiner, Erich und Winni hatten das Mantelende ihres jeweiligen Vordermanns gepackt und drängten vorwärts. Allmählich wurden die Schreie hinter ihnen leiser, dann verstummten sie ganz. In der Ferne sahen sie einen grauen Schimmer, der beim Näherkommen heller wurde. Sie gingen darauf zu und gelangten in einen großen beleuchteten Innenhof, der durch sechs Häuser gebildet wurde. Auf der gegenüberliegenden Hofseite standen die drei schwarzhaarigen Frauen vor einer geöffneten Tür und winkten die Männer herbei.

„Ihr wart sehr mutig, herzlichen Glückwunsch!“, sagte die erste. „Ihr seid zu Höherem auserkoren“, sagte die zweite. „Ihr erhaltet eine angemessene Belohnung“, sagte die dritte.

Dann wandten sie sich um und traten ins Haus, und die Männer folgten ihnen. Sie gelangten in einen großen Raum, der mit dunkelroten Teppichen an den Wänden behangen und am Boden ausgelegt war. Auf einem riesigen Himmelbett in der Mitte räkelte sich eine nackte Frau und seufzte. Die drei schwarzhaarigen Frauen warfen nun ebenfalls ihre Kleider ab und traten zu den Männern, die wie erstarrt dastanden und gafften.

„Ausziehen!“, befahl die erste. „Ficken!“, befahl die zweite. „Opfern!“, befahl die dritte.

Die Männer rissen sich die Kleider vom Leib, und die drei Dunkelhaarigen zogen sie zum Himmelbett. Dort fielen sie über die Männer her, und bald lagen sie als ein sich windendes, zuckendes und stöhnendes Knäuel von sechs erregten Leibern zwischen den Kissen, dieweil die Nackte, die im Bett gelegen hatte, aufgestanden war und sich an einigen Instrumenten auf einem fahrbaren Metalltisch zu schaffen machte. Als die Männer zum Höhepunkt kamen, fingen die Frauen das Ejakulat in kleinen Gefäßen auf und stellten sie auf den Nachttisch. Dann wechselten sie den Partner und verführten diesen zu einem weiteren wilden Ritt. Der zweite Samenstrom wurde ebenfalls eingesammelt und in neue Gefäße gefüllt, und die Frauen wechselten ein weiteres Mal den Partner und setzten ihm derart heftig zu, dass alle ein drittes Mal zum Orgasmus kamen. Als das dritte Ejakulat eingesammelt und versorgt war und die Männer ermattet zwischen den heißen Frauenkörpern eindämmerten, trat die einzelne Nackte zu jedem der Männer hin, stach ihm eine Spritze in die Arm-Vene, zog etwas Blut heraus, das sie in beschriftete Gläschen füllte, und injizierte ihm hernach durch dieselbe Nadel aus einer anderen Spritze eine fremde Flüssigkeit in die Vene.

Dann standen die drei Schwarzhaarigen auf, legten ihre Kleider an, zogen die tief bewusstlosen Männer auf einen Rollwagen und fuhren sie aus dem Raum hinaus und über einen Aufzug in einen beheizten Keller. Dort kippten sie die Schläfer auf ein Matratzenlager, entriegelten die Außentür und verließen den Raum durch eine Innentür, die sie hinter sich abschlossen.

Spät am Vormittag erwachten die Männer aus ihrer Betäubung. Sie erhoben sich steif und blickten sich verwundert um. Ihre Nacktheit war ihnen sichtlich unangenehm. Sie befanden sich in einem Heizkeller, der sonst wohl zum Lagern von Abfällen und Müll diente. Ihre Kleider und Wintersachen lagen auf Sesseln. Sie zogen sich schnell an, schlüpften in ihre Mäntel, banden sich die Schals um und gingen zur Außentür, die unverriegelt war. Sie öffneten sie und traten zögernd auf die Straße hinaus. Zu ihrem Erstaunen befanden sie sich an fast derselben Stelle des Gebäudes, wo sie gestern auf den Einlass gewartet hatten. Heiner sagte erleichtert: „Sagrament aber ou!“, was Erich mit einem „Legg mi am Arsch!“ bekräftigte und Winni sinngemäß mit: „Jo, verreck’s!“ bestätigte.

Die Veränderungen an ihnen kamen schleichend; anfangs merkten sie nichts davon, und als sie es bemerkten, war es zu spät: Sie empfingen aus ihrem eigenen Kopf heraus bestimmte Befehle, die so zwingend waren, dass sie sich ihnen nicht widersetzen konnten. Kam zum Beispiel der Befehl, wandern zu gehen, so folgten sie ihm genauso sklavisch wie dem, einen ganzen Tag lang im Bett liegen zu bleiben.

Auch äußerlich veränderte sich vieles, denn nach und nach starben ihnen nah und fern alle Verwandten weg, und sie erbten entweder deren gesamten Besitz oder einen Teil davon. Nach drei Jahren waren sie allein schon durch das dauernde Beerben wohlhabend geworden.

Doch dann kam eines Tages ein Befehl, der sie stutzen ließ und sehr nachdenklich machte. Es fing ganz harmlos an: Sie sollten maskiert auf der nächtlichen Fete eines gewissen Grafen Napoleon Red-Röm-Nessam in einem abgelegenen Waldstück auf dem Bodanrück erscheinen.

Der Ort erwies sich als finsterer Mischwald, wo auf einer Lichtung ein hohes Feuer brannte. Nahe dem Feuerplatz stand eine Art steinerner Altar von etwa zweieinhalb Metern Länge und anderthalb Metern Breite, der 80 Zentimeter hoch und über und über mit Decken, Kissen und Blumen bedeckt war. Auf der Lichtung tanzten im Feuerschein etwa 20 Leute, alle maskiert, aber schweigend zu einer merkwürdigen Musik. Es war richtig unheimlich, und die drei Konstanzer fror es bei diesem Anblick.

Die Fete nahm um Mitternacht eine ungewöhnliche Wendung, weil eine junge Frau, die zwar maskiert, ansonsten jedoch splitternackt war, angeschleppt und auf den Altar gelegt wurde. Drei schwarzhaarige Frauen näherten sich ihr mit Schüsseln in den Händen und legten ihr alle möglichen Früchte auf den Leib.

Dann ertönte ein Glöckchen, und der Graf persönlich erschien zwischen den Bäumen, trat zu ihr hin und nahm mit dem Mund die Früchte von ihr auf, ohne dabei seine Hände einzusetzen. Zwischendurch leckte er ihr über die Brüste und den Schoß; dann trat er an die Stirnseite, zog die Frau an den Schenkeln zu sich heran und penetrierte sie mit seinem Geschlecht, das plötzlich steil zu einem Schlitz aus seiner Hose herausragte. Nachdem er in der Frau zum Höhepunkt gelangt war, trat er zurück, die Frau wurde auf dem Altar wieder in die vorige Lage zurechtgerückt, und die drei Schwarzhaarigen mit den Schüsseln garnierten sie mit neuen Früchten. Dann kam der erste männliche Gast an die Reihe, bis alle männlichen Gäste ihr Sperma in sie ergossen hatten. Nun nahte eine Schar nackter, eingeölter Sklaven mit mehrschwänzigen Peitschen in den Händen, die alle weiblichen Gäste zu einer niederen Mauer hin trieben und ihnen sodann die Gewänder hinten öffneten oder auseinanderrissen und ihnen geboten, sich über die Mauer zu beugen. Als alle in einer Reihe mit entblößtem Hinterteil auf die Steine gestützt dastanden, machten sich die Sklaven über sie her und penetrierten sie wie wild von hinten. Dann ließen sie ihnen den Samen über Po und Rücken spritzen. Danach wurde wieder getanzt.

Um kurz vor 2 Uhr kam der Befehl, der aus den drei Konstanzern willenlose Werkzeuge machen sollte: Alle Gäste, Männer wie Frauen, erhielten von den nackten Sklaven einen Dolch von etwa 20 cm Länge, der schwer in der Hand lag. Nun musste jeder einzelne Dolchträger zum Altar treten und die Frau darauf mit dem Stahl durchbohren. Wer sich weigere, so hieß es, müsse in dieser Nacht ebenfalls sterben; da taten alle, wie ihnen aufgetragen war.

Nur ein einziger Mann konnte es nicht und warf den Dolch jammernd auf die Erde. Darauf wurde er von einigen Sklaven gepackt und mit einem Schlafmittel ruhiggestellt. Inzwischen war die Leiche der jungen Frau von anderen Sklaven auf eine Art Wagen gehoben worden, und der gefangengenommene Mann wurde statt ihrer auf den Altar gelegt. Wieder kam der Befehl, das Opfer zu erdolchen, und diesmal wurde er von allen ausgeführt.

Als das getan war, merkten die drei Konstanzer, dass in ihrem Leben etwas gründlich schiefgelaufen war; doch jetzt hingen sie in der Sache mit drin und kamen nicht mehr weg davon, weil zwei Morde ihnen die Hände banden und sie zu willfährigen Sklaven machten.

Auf dem Heimweg, als sie gegen Morgen nach Hause zurück marschierten, sprach keiner ein Wort. Erst als sie sich im ‚Paradies‘ trennten, sagte Heiner: „Sagrament, jetz semmer am Arsch!“ Erich blickte ihn düster an. „So was vo am Arsch!“, bekräftigte er. „Mir sen saublöd g’si“, stimmte auch Winni zu, „mo hättet vorher absprenge müsse. Jetz got’s nemme.“ Dann trennten sie sich und gingen mit gesenkten Köpfen heim.

III

Auf dem Tobelhof lebten alle Kinder wie Geschwister zusammen. Sie spielten, stritten und teilten Geheimnisse miteinander. Im Juli 1986 gingen Kristin, Flora und Sile zum letzten Mal in den Kindergarten, denn nach den großen Ferien, Anfang September, sollte für sie die Schule beginnen. Da sie viele Freundinnen, Freunde und sechs Wochen freie Zeit hatten, kamen jetzt täglich Spielgefährten aus der Nachbarschaft oder dem Kindergarten zu Besuch. Sie heckten gemeinsam die tollsten Spiele aus, spielten kleine Streiche und bestanden Mutproben.

Wenn die Tobelhöflerinnen jedoch unter sich waren, bevorzugten sie andere Tätigkeiten, in die sie ganz von selbst hineingewachsen waren. Da hatten sie einmal im Wald an einem Bach gespielt und eine Zeit lang das Wasser mit einem Damm aus Steinen und Erde aufgestaut, Rindenschiffchen geschnitzt und in dem gestauten Bach schwimmen lassen. Dann hatte Kristin plötzlich den Damm eingerissen, weil, wie sie sagte, der Bach lieber fließe als stehe, hatte sich dann mit Schuhen und Strümpfen mitten ins Bachbett gestellt und den Bach seiner gesamten Länge nach einfach angehalten.

Das Wasser stand so still, als sei es schockgefroren, und Flora und Sile nahmen es eben als besondere Eigenheit ihrer Schwester hin, ohne sich groß darüber zu wundern.

Bei einem Ausflug der Mädchen mit Amhuinn zusammen wollten sie auf einer Anhöhe einen Drachen steigen lassen, und Amhuinn rannte mehrmals mit dem Drachen in der Hand hügelabwärts, während Kristin die Schnur hielt und Leine gab. Doch Amhuinns Schnelllauf und die sanfte Brise genügten nicht, den Drachen in die Luft zu bekommen. Da stellte sich Flora mit gespreizten Beinen und ausgestreckten Armen neben Kristin und murmelte ein paar Worte in die Luft, worauf sich augenblicklich ein Wind erhob und so gleichmäßig wehte, dass der Drache im Nu emporstieg und bald die gesamte Länge der Schnur benötigte.

Kristin und Sile hatten das mitbekommen, nur Amhuinn unten am Hügel dachte, der Wind sei von selbst aufgekommen. Das buchten Kristin und Sile dann als Eigenheit ihrer Schwester Flora.

Am Abend des zweiten Weihnachtsfeiertags zeigte auch Sile solch eine besondere Fähigkeit: Die Erwachsenen hatten draußen noch kurz zu tun, und die drei Mädchen saßen bereits im Weihnachtszimmer bei ihren Geschenken und spielten.

Da sagte Sile: „Wir könnten doch schon einmal die Kerzen am Baum anzünden.“

„Geht nicht“, sagte Kristin, „wir haben keine Streichhölzer.“

Sile nahm eine kleine Kerze aus einem der Ständer auf der Fensterbank, hielt sie in den Händen und blickte aufmerksam auf den Docht nieder. Eine Minute später erhob sich eine Flamme vom Docht und brannte ruhig. Mit ihr entzündete Sile die anderen Kerzen am Baum und auf dem Tisch. Ciorstag und Ailean, die zuerst in die Stube traten, sahen, dass die Kerzen bereits brannten und Ailean sagte: „Ihr wisst aber, dass ihr nicht mit Streichhölzern rummachen dürft, wenn kein Erwachsener dabei ist, oder?“, und die Mädchen nickten.

Diese merkwürdigen Fähigkeiten hielten die drei vor anderen Kindern und vor ihren Eltern geheim. Waren sie jedoch unter sich, so spielten sie immer wieder mit Wasser, Luft und Feuer, wobei jede von ihnen den Schwestern zeigte und erklärte, wie ihre eigene Kunst „funktionierte“.

Es dauerte Jahre, bis alle drei auch die Künste der jeweils anderen beiden einigermaßen beherrschten. Den Erwachsenen fielen die Besonderheiten ihrer Kinder nicht weiter auf, wohl aber einer Gruppe von schwarzmagischen Hexen, weit entfernt von Salmannsweiler in der an der Schweizer Grenze gelegenen Stadt Konstanz.

Diese Frauen wurden von ihren Anhängern „Die Großen Schwarzen Drei“ genannt und waren ziemlich böse. Sie lebten im Konstanzer Stadtteil ‚Paradies‘ und waren verwandt miteinander. Alle drei hatten kohlschwarze Haare und ebensolche Augen, deren Blick scharf und stechend sein konnte. Sie nannten sich Cerbera, Kolika und Maleficia, doch das waren ihre Künstlernamen; im Alltag hießen die zwei Schwestern Jutta und Gabi Mönkemeyer und ihre Kusine Ester Goldbach.

Durch ihre Erfahrung als Schwarze Hexen konnten sie in der näheren und ferneren Umgebung wahrnehmen, wenn irgendeine Form von Magie ausgeübt wurde, und was die drei Mädchen aus Salmannsweiler im Spiel so machten, war genau das.

Nachdem die Großen Schwarzen Drei auf solche magischen Handlungen im Nordosten von Konstanz aufmerksam geworden waren, verwandelten sie sich eines Vormittags in Krähen und flogen über den Bodensee Richtung Norden. Mit jedem Kilometer, den sie sich dem Ort Salmannsweiler näherten, nahm die Stärke der magischen Kräfte zu. Als sie über das Zuhause der Mädchen flogen, wurden sie durch die Wucht der Magie sogar ein Stück vom Kurs abgetrieben. Da krächzten sie sich ihr ‚Krah-krah’ zu, ließen sich auf die Erde nieder und verwandelten sich in drei Touristinnen mit Reiseführer, Fotoapparat und Trinkflasche in der Hand. So näherten sie sich dem Hof der Mädchen, um dort herumzuschnüffeln und die Quelle der Magie aufzuspüren. Sie hatten beschlossen, so zu tun, als hätten sie sich verlaufen und wollten um etwas zu trinken bitten.

„Das muss ein mächtiger Magier sein, der hier auf dem Hof lebt“, sagte Maleficia.

„Hat uns sogar etwas vom Kurs abgedrängt, und das, ohne von uns zu wissen“, stellte Cerbera anerkennend fest.

„Wir werden ihn in Fesseln schlagen“, schlug Kolika vor, „und ihm seine magische Energie aussaugen, wie Vampire den Lebenssaft der Menschen.“

„Magische Energie, die als Lebenskraft dann uns zugutekommt“, bestätigte Maleficia.

„Genauso machen wir das“, bekräftigte Cerbera.

Als sie sich dem Haus auf etwa zehn Meter genähert hatten, flog die Haustür mit einem Ruck auf, und sechs Kinder jagten mit Geschrei aus dem Haus genau auf die Hexen zu. Und da die wilde Schar soeben Fangen spielte und alle auf die Fängerin Mòrag hinter ihnen konzentriert waren, übersahen sie die Touristinnen und rannten prompt in sie hinein. Und weil die drei Touristinnen nun einmal im Weg standen, gab Elli ihnen in aller Unschuld einen derart heftigen magischen Schubs, dass die Hexen vier bis sechs Meter weit durch die Luft segelten und dann in den Hühnerexkrementen beim Misthaufen landeten. Da verhallte dann das Kindergeschrei auch schon hinter den Büschen, welche den Garten vom Hofplatz abtrennten.

Die Hexen trauten ihren Sinnen kaum, von einer Schar Kinder einfach so weggeschubst worden zu sein. Sie versuchten aufzustehen und hinkten mit verschmierten Röcken, Blusen, Armen und Beinen zur nächstgelegenen Gruppe Büsche, um sich zu verwandeln und als Krähen zurückzufliegen, weil sie das Rätsel um die magischen Kräfte ja nun gelöst hatten. Sie schlüpften also durch die Büsche und gelangten auf eine kleine Wiesenfläche, wo sie ihre Verwandlung zu vollziehen gedachten. Weil sie aber richtige Stadtmenschen waren und daher für ihre natürliche Umgebung nicht ganz so scharfe Sinne hatten wie Landbewohner, entging ihnen, dass eines der Mädchen ganz in ihrer Nähe kauerte, weil es Pipi machen musste. Es verfolgte dabei mit großen Augen, wie die Hexen auf der Wiese nebendran sich schüttelten und dann sagten: „Verdammt sei die ganze Welt! Als Krähen fliegen wir davon!“ Dann schrumpften sie auf Krähengröße zusammen, bekamen Klauenfüße, Schnäbel und Federn und krächzten dreimal: „In inferno diaboli! Krah-krah-krah!“ Dann erhoben sie sich in die Lüfte und flogen auch schon davon.

In ‚Paradies‘ angekommen, eilten die Frauen in ihre Häuser und gingen erst einmal unter die Dusche, um den Duft von Hühnermist loszuwerden. Dann ließen sie sich von ihrem Diener, dem selbsterschaffenen Golem Glaeba Resoluit, eine Kanne Kaffee und etwas Gebäck aus der Küche bringen und nahmen sich Tassen und Teller aus dem Buffet. Nach zwei Tassen Kaffee konnte jede wieder klar denken.

„Wir müssen die Kinder rauben“, schlug Maleficia vor.

„Dann lähmen wir sie und schlürfen ihnen die Magie aus“, ergänzte Kolika.

„Und ihre leeren Körperhüllen hängen wir als Windspiele vor unserem Sommerhaus im Norden auf; dann können wir uns an ihrem Schaukeln erfreuen“, schlug Cerbera vor und schnalzte mit der Zunge.

„Aber wie kommen wir an die Bälger heran?“, fragte Maleficia.

„Das dürfte nicht allzu schwer werden“, meinte Kolika, „habt ihr nicht gesehen, wie frei und unbeaufsichtigt die herumgetollt sind? Wir lassen das Haus von Glaeba Resoluit überwachen, und sobald die Brut sich weit genug vom Haus entfernt hat, soll er uns Bescheid geben; dann fliegen wir hin, betäuben die Bälger, packen die brauchbaren unter ihnen in einen Wagen und fahren sie zur Hexenschmiede auf den Bodanrück. Dort können wir sie in Ruhe auch noch ein bisschen quälen.“

„Placuit!“, sagte Cerbera und schnalzte wieder mit der Zunge, worauf die beiden anderen sie missbilligend anblickten.

IV

„Ich habe es genau gesehen“, sagte Mòrag, „sie haben sich geschüttelt und mit so komischer Stimme gesagt: ‚Verdammt sei die ganze Welt! Als Krähen fliegen wir davon!’ Dann wurden sie zu echten Krähen und flogen auch echt weg. Halt, nein, zuerst krächzten sie noch so komisches Zeug, so was wie ‚In inferno diaboli’ oder so ähnlich, dreimal. Ich schwör’s, so war es.“

„Darum haben wir sie nicht mehr gesehen, als wir aus dem Garten gekommen sind, und das war echt komisch“, bestätigte Flora.

„Habt ihr gemerkt, was Elli vorher gemacht hat, als wir aus dem Haus kamen?“, fragte Kristin.

„Was denn?“, fragte Sile.

„Sie hat die Frauen durch die Luft geschleudert, ich habe es genau gesehen“, antwortete Kristin.

„Das hab ich nicht gewollt“, verteidigte sich Elli, „das kam von selbst.“

„Freu dich doch“, sagte Flora, „jetzt hast du auch so eine besondere Fähigkeit wie wir.“

„Welche soll das sein?“, fragte Elli.

„Leute durch die Luft schubsen“, sagte Kristin.

„War ich das wirklich?“, zweifelte Elli.

Der kleine Kevin sagte: „Mòrag kann das auch.“

„Wie kommst du denn da drauf?“, wollte Elli wissen.

„Ich hab’s mal gesehen, sie hat rote Rüben und gelbe Rüben und Sellerieknollen in die Luft geworfen.“

„Ja, werfen, das kann ja jeder. Du kannst das doch auch, Kevin“, erwiderte Elli.

„Sie hat es aber ohne ihre Hände gemacht“, beharrte Kevin auf seiner Beobachtung.

„Zeig mal“, wandte sich Elli an Mòrag.

Aber Mòrag genierte sich und schüttelte den Kopf.

Kristin sagte: „Lasst sie doch. Ist doch gut, wenn sie es kann.“ „Du, Kristin?“, fragte Sile, „was meinst du, was waren das für Frauen, wenn die sich einfach so in Krähen verwandeln konnten?“

„Entweder waren es Leute aus der Anderswelt …“

„Die sahen aber gar nicht so aus“, fiel ihr Flora ins Wort.

„Was denn dann?“, fragte Sile.

„Dann waren sie von hier“, beendete Kristin den Satz.

„Und was heißt das? Sind sie nun gut oder böse?“, bohrte Sile weiter.

„Eher schlecht als gut“, vermutete Kristin.

„Wären sie gut gewesen“, meinte Flora, „dann hätten sie sicher ‚hallo’ gerufen und gesagt, was sie wollen; das haben sie aber nicht, sie kamen heimlich.“

„Sie könnten vielleicht böse Hexen sein“, warf Mòrag ein, „so, wie die guckten, und was sie für böse Wörter sagten.“

„Warum, was sagten die denn?“, fragte Kristin.

„In inferno diaboli, und das klang richtig böse; ich habe eine Gänsehaut davon bekommen.“

„Und was sollen wir jetzt tun?“, fragte Elli.

„Wir müssen eine weise Frau oder eine Fee fragen“, antwortete Kristin.

„Kennst du eine?“ Elli sah sie erwartungsvoll an.

„Nö“, antwortete Kristin, „aber wir können doch eine bitten zu kommen, jetzt, wo wir dringend Hilfe brauchen.“

„Wie sollen wir das machen?“, fragte Sile.

„Ich weiß“, rief Flora, „wir setzen uns in einem Zauberkreis zusammen und bitten gemeinsam, dass eine weise Frau kommt; das wirkt stärker, als wenn eine allein bittet.“

„Und wir zünden dazu Kerzen um uns herum an“, ergänzte Sile, „die Flammen sind Türen zu den Sidhe, dem Feenvolk in den Hügeln.“

Und so machten sie es. Sie schlichen sich heimlich ins Wohnzimmer und zum Weihnachtsschrank und entnahmen ihm zwölf Bienenwachskerzen, „eine für jeden Monat“, meinte Kristin. Flora fischte aus den Spielsachen ein Sand-Eimerchen aus Metall, darin wollte sie Kräuter räuchern und dachte dabei an Thymian, Salbei und Wermut. Kristin schleppte eine gefüllte Gießkanne an, weil sie bei Beschwörungen das Element Wasser so wichtig fand. Mòrag brachte ein paar Wurzeln Meerrettich, einige verschrumpelte Pastinaken und Möhren und etwas Kiefernrinde herbei, und Elli schleppte alle schönen Steine an, die sie im Laufe der Zeit gesammelt hatte.

Sie suchten sich einen Platz hinter den Johannis- und Stachelbeerbüschen, wo sie die Beschwörung vollziehen wollten. Mit einem von Mamas Küchenmessern schnitt Kristin einen großen Kreis in die Wiese, auf dem Sile die zwölf Kerzen in gleichen Abständen voneinander aufstellte, während Kristin mit den Händen Wasser aus der Kanne schöpfte und großzügig verspritzte. In der Mitte des Kreises stand das metallene Eimerchen mit Kräutern. Mòrag legte die mitgebrachten Wurzeln und Steine genau in die Zwischenräume der Kerzen. Dann gingen Kristin, Flora und Sile von Kerze zu Kerze und richteten ihren Willen auf den jeweiligen Docht, bis derselbe brannte. Flora entzündete unterdessen die Kräuter im Eimer, bis diese zu rauchen begannen und dufteten. Kevin nagte an einer alten Möhre und sah ihnen zu. Zuletzt setzten sich alle Kinder in den Kreis und dachten an die gewünschte weise Frau oder eine Fee und baten, dass eine solche doch kommen und ihnen beistehen möge.

Sie waren schon eine Zeit lang mit Wünschen beschäftigt, als das Nachmittagslicht sich nach und nach in Goldgelb verwandelte und das Blau des Himmels in ein strahlend tiefes Azur überging. Zartrosa Wolkenfedern trieben über den Himmel, und die Büsche und Bäume des Gartens fingen an, goldgrün zu leuchten. Die Luft wurde reiner und frischer, und das verspritzte Wasser aus dem Wiesenkreis und der Kanne erhob sich in feinen Nebeln, die emporstiegen und Gestalt annahmen. Die ehemals verschrumpelten Pastinaken und Möhren lagen jetzt prall und frisch zwischen den Kerzen, und die Steine spiegelten die Flammen und schimmerten dabei in allen Farben. Das Licht wurde heller und bildete einen leuchtenden Raum, und dann erhob sich aus der Mitte des Kreises eine wunderschöne menschliche Gestalt mit Flügeln und strahlendem Angesicht. Sie blickte die Kinder freundlich an und begann zu sprechen.

„Willkommen in der Anderswelt, ihr jungen Magierinnen!“, sagte sie. „So jung und unerfahren, wie ihr noch seid, und dennoch gelangt ihr schon bis an die Schwelle unseres Reiches; ihr seid wahrhaftig wunderliche Kinder! Was begehrt ihr?“

„Schwester Elfe“, sagte Kristin, „wir bitten um die Hilfe einer weisen Frau oder um den Rat einer Unsterblichen. Wir wissen nicht, ob die drei merkwürdigen Frauen, die uns heute auf dem Hof besucht haben, gut oder böse sind.“

„Nehmt euch vor ihnen in acht“, sprach das Wesen, „sie haben dunkle Seelen; sie suchen Macht und Reichtum und zerstören jene, die sie zuvor schamlos benützt und ausgesaugt haben. Sie sind erzböse. Wenn ihr eine weise Frau zu eurer Hilfe sucht, so muss ich euch enttäuschen, denn eine solche ist heutzutage nicht mehr leicht zu finden und noch weniger leicht herbeizurufen. Doch auch wir aus dem Lande der Ewig-Lebenden können euch helfen, und wir tun das gern. Ich bin vom Volke der Elfen, doch ich kann auch andere Naturgeister herbeirufen. Gegen unsere Welt kommen die bösen Frauen nicht an. Wenn ihr die Hilfe meines Volkes benötigt, so werden wir bei euch sein und euch beschützen. Nehmt diese Federn zu euch; mit ihnen könnt ihr uns immer rufen, wenn ihr in Not seid.“ Damit reichte die Elfe jedem Kind eine Feder, machte mit den Händen eine magische Gebärde und verschwand.

Die Kinder aber waren wie im Traum, nur die Federn zeigten ihnen, dass das Erlebte wirklich geschehen war. Da die Sonne schon tief am Himmel stand, brachen sie die Beschwörung ab, sammelten ihre Schätze wieder ein und gingen nach Hause. Die wunderbare Erscheinung aber beschäftigte sie noch lange Zeit.

Die Großen Schwarzen Drei nahmen ihren Golem mit in das geheime Zimmer, befahlen ihm, sich auf den Arbeitstisch zu legen und sagten zu ihm: „Glaeba Resoluit, du Erdenkloß, du erhältst jetzt von uns eine wichtige Aufgabe.“

„Was soll ich tun?“, fragte der Golem.

„Du bewachst den Hof in Salmannsweiler, wo wir heut zu Besuch waren, lässt dich dabei von niemandem sehen, behältst aber die Kinder genau im Auge. Wenn sie sich von ihrem Zuhause weit genug entfernt haben, gibst du uns sofort Bescheid.“

„Das werde ich tun, o meine Mütter“, sagte der Golem.

„Wir senden dich jetzt sofort dort hin; es ist schön dunkel, da kannst du dich besser verstecken.“

„Ja, meine Mütter.“

Die drei stellten sich um den Golem herum und sagten: „Verdammt sei die ganze Welt! Als Krähe fliege nun davon!“ Dann beobachteten sie genau, wie der Golem sich verwandelte, und als er zur fertigen Krähe geworden war, riefen sie: „In inferno diaboli!“ und klatschten in die Hände, worauf die Krähe sich schwerfällig vom Boden erhob, ebenfalls ‚In inferno diaboli!’ krächzte und auf das geschlossene Fenster zuschoss.

„Halt!“, schrien alle drei Hexen gleichzeitig, doch es war bereits zu spät, die Golem-Krähe knallte so heftig gegen die Fensterscheibe, dass diese in ein Spinnennetz aus Sprüngen zerbarst und das Zaubertier benommen zu Boden platschte.

„Scheiße!“, schrie Cerbera, „Bockmist!“, brüllte Kolika, und „Warum habt ihr Arschgeigen das Fenster nicht geöffnet?“, kreischte Maleficia.

Cerbera eilte mit Riesenschritten zu der Golem-Krähe, die am Boden lag und quakte.

„Was ist denn mit dem los?“, fragte Kolika abfällig, „hat der jetzt einen Sprachfehler?“

„Quatsch“, fuhr ihr Maleficia über den Mund, „der hat eine Gehirnerschütterung.“

„Hatten wir denn ein Gehirn eingebaut?“, wandte sich Kolika fragend an Cerbera.

„Klaro, Koli“, antwortete diese, „war doch das Gehirn von dem einen Stadtrat, wie hieß er gleich?“

„Bäcker, Schneider, nein, Müller, Horst Müller“, sagte Cerbera.

„Richtig, Horsti Müller“, erinnerte sich Kolika, „seitdem ist der Horsti in der Gemeindeversammlung richtig gut drauf, stimmt’s?“

„War eine Win-win-Situation“, bestätigte Cerbera.

„Und was machen wir jetzt mit Glaeba Resoluit?“, fragte Kolika. „Einen Hirnaustausch?“

„Nö“, meinte Cerbera, „das wächst sich aus. Wir starten noch einmal.“

Kolika öffnete vorsichtig das Fenster, damit das gesprungene Glas im Rahmen hängen blieb, dann stellten die drei sich abermals um die Golem-Krähe herum. „Verdammt sei die ganze Welt! Als Krähe fliegest du davon!“ sagten sie, und schrien, als die Krähe sich schwankend erhob: „In inferno diaboli!“, wobei sie heftig in die Hände klatschten. Der verwandelte Golem kurvte im Zickzack einmal quer durch die Stube, krächzte „In diaboli infernoli spaghetti“, dann jagte er durchs geöffnete Fenster in die Nacht hinaus. Kolika schloss beide Fensterflügel vorsichtig hinter ihm, dann gingen die drei Hexen ins Wohnzimmer hinüber.

Im Kinderzimmer in Salmannsweiler war Kristin eben dabei, mit einem Drillbohrer ein kleines Loch in die Federkiele der Elfenfedern zu bohren. Flora hielt dabei die Feder fest, während Sile und Mòrag jeweils einen Zwirnfaden durch das Loch zogen und ihn zu einem geschlossenen Band verknoteten.

„So kann jede ihre Feder umhängen“, hatte Kristin gemeint, „weil wir dann die Federn vor anderen versteckt halten können, sie weder verlieren, noch verlegen, bei Bedarf immer schön nahe bei uns haben und in steter Verbindung mit den Elfen sind.“

Als der letzte Halsschmuck fertig war, zogen sie alle die neuen Federbänder an, versteckten die Feder gut unter ihren Hemden und gingen dann zu Bett. Sie löschten das Licht und sagten zusammen ihren Nachtspruch auf:

Wir danken dir, o heil’ge Welt,

Dir, Erdenmutter wunderschön,

Euch Sternen hoch am Himmelszelt

Und Sonn und Mond, die bei euch stehn,

Wir danken Pflanze, Stein und Tier,

Und allen Geistern der Natur,

Euch Brüdern und euch Schwestern hier

In Wald und Feld, auf Berg und Flur.

Durch das Reich des Lebens eilen

Wir zur Seelenwelt hinan

Streben ohne zu verweilen,

In die Himmelsheimat dann.

Danach drehten sie sich in den Betten auf ihre jeweilige Schlafseite und schlossen die Augen. An jedem Lager schwebten Scharen von Sylphen, Undinen, Gnomen und Salamandern, tuschelten, wisperten und woben ihre Geheimnisse um die kleinen Schläferinnen.

Inzwischen hatte Glaeba Resoluit in Krähengestalt das nördliche Bodenseeufer erreicht und nahm Kurs auf Salmannsweiler. Kurze Zeit später erreichte er den Hof der Kinder, landete in der Obstanlage und wollte sich dort verstecken. Dabei geriet er jedoch in die Nähe des magischen Kreises, den die Kinder am Vortag in die Wiese eingeritzt hatten. Das war für den Golem eine prickelnde Erfahrung, denn der Platz wimmelte nur so von Naturgeistern, die der Golem wahrnehmen konnte und die ihm eigentlich ganz gut gefielen. Dann besann er sich wieder auf seine Pflichten und den Auftrag und kroch unter einen Johannisbeerbusch, von dem aus er das Haus beobachten konnte.

Von 22 bis 0 Uhr blickte er scharf wie ein Adler zum Haus hinüber; von 12 bis 2 Uhr, als nichts weiter passierte, wurde sein Blick verschwommen wie bei einem Maulwurf; von 2 bis 4 konnte er nur noch das rechte Auge offen halten, während das linke ihm immer wieder von selbst zufiel; von 4 bis 5 bekam er das linke kaum noch auf, obwohl das rechte schon geschlossen war; und von 5 Uhr an vergaß er, das rechte wieder zu öffnen, als das linke zufiel.

Um 10 Uhr wachte er mit einem Ruck auf, weil er Kindergeschrei vernahm. Er versuchte krampfhaft, wieder mit Adleraugen um sich zu spähen, sah aber niemanden, wohin er auch schaute.

Das Problem, von dem er nichts wusste, war, dass er als Geschöpf der Hexen die Kinder jetzt gar nicht sehen konnte, weil jedes von ihnen eine Elfenfeder um den Hals trug. Glaeba Resoluit strengte sich ganz fürchterlich an und bemühte sich immer mehr und mehr, die Kinder zu erblicken, doch vergebens. Von der Anstrengung bekam er bald Kopfweh, und irgendwann gegen Mittag schlief er mit Brummschädel wieder ein.

Die drei Hexen hatten stundenlang auf die Rückmeldung ihres Dieners gewartet; schließlich platzte Kolika der Kragen, sie kontaktierte den Schläfer mit ihrer schärfsten Distanz-Telepathie und fauchte: „Hej, Blödmann, gib uns endlich Bescheid!“

Der Golem erwachte verdattert und antwortete wahrheitsgemäß: „Ich kann die Kinder zwar hören, aber nicht sehen.“

„Auweia“, sagte Cerbera, „das kommt bestimmt von der Gehirnerschütterung. Kannst du denn andere Leute sehen?“

„Ja, sehr gut“, antwortete Glaeba Resoluit.

„Dann kommt es nicht von der Gehirnerschütterung“, stellte Maleficia richtig.

„Dann können die Kinder sich vor uns verbergen“, mutmaßte Cerbera, „die haben es ja faustdick hinter den Ohren!“

„Wir schicken unsere Konstanzer Männer hin“, sagte Maleficia, „die sind nicht angehext, sondern nur blöd; die sehen die Kinder.“

„Dann befiehl ihnen nur gleich, zu kommen“, drängte Kolika, „und pfeif unseren Blödmann Glaeba Resoluit zurück.“

Erich, Heiner und Winni waren zum Mittagessen im Gasthaus Wallgut eingekehrt, hatten bestellt und speisten nun genüsslich. Doch dabei wurden sie empfindlich gestört, weil jeder in seinem eigenen Kopf plötzlich die gefürchtete Frauenstimme hörte, die ihm befahl, sofort nach Salmannsweiler zu fahren. Zuerst schauten die Männer sich um, dann sahen sie sich gegenseitig an, sagten aber noch nichts.

Nach einer Weile schlug Heiner mit vollem Mund vor: „Ignoriera.“

Erich nickte: „Jo, des mache mo.“

„Ma essad erscht ferdig“, bekräftigte Winni.

Die Stimme in ihren Köpfen wurde mit einem Mal messerscharf: „Ich habe gesagt, SOFORT!“

„Glei ferdig“, stammelte Heiner und schob noch eine Gabel Erbsen in den Mund.

Das hätte er besser unterlassen, denn unmittelbar darauf wand er sich in Krämpfen auf dem Boden und stöhnte. Die Bedienung eilte herbei und fragte, ob sie einen Arzt rufen solle, und die anderen Gäste in der Stube starrten entsetzt auf den Mann, der sich am Boden wand und stöhnte.

„Noi,“ wehrte Erich ab, „des isch net nödig, dem isch bloß d’ Uffregung uff da Maga g’schlaga.“

„Mir kommet nochher nommel rei“, sagte Winni und schob der Bedienung drei Fünfziger zu.

„Des isch z’viel“, sagte die junge Frau und wollte Wechselgeld rausgeben.

„Lasset Se no. Des isch für de Wirbel, wo me verursacht hend.“

Damit schnappten sie sich Heiner und verließen schnell das Lokal.

Draußen war Heiners Bauchweh wie weggeblasen.

„Worom hosch denn du dere Frau so viel Gäld gäba“, fragte er Winni böse, „des isch doch die reinscht Verschwendong gsi.“

„Halt d’ Gosch on massier dein Bauch“, blaffte Winni zurück.

Sie eilten zu Erich heim, weil sie ein Auto brauchten und Erich am nächsten wohnte. Erich schloss die Türen seines Wagens auf, und als seine Kollegen saßen, fuhr er los. Eine Stunde später kamen sie nach Salmannsweiler und fuhren in den Tobelhof hinein.

„Alle sechs Kinder töten!“, befahl ihnen jetzt die schlimme Stimme in ihren Köpfen.

Die drei Männer erstarrten vor Entsetzen.

V

An diesem Tage spielten die Kinder mit allen Dingen, die sich im Walde anboten, mit Zweigen, Rinden, Moosen, Steinen, Erde und Wasser. Sie bauten ‚Zwergenhäuser’, dann Wasserräder, die sie im Bach auf zwei Astgabeln legten, sodass die kleinen Paddel ins Wasser reichten und die Räder sich in der Strömung drehten.

Mòrag, Elli und Kevin legten einen speziellen ‚Zwergengarten’ an, in den sie Veilchen, Buchenkeimlinge und Waldmeister pflanzten. Dann wuchteten sie mit Floras Hilfe einen hohlen Baumstamm als ‚Wasserrohr’ so in das Bachbett hinein, dass durch ihn ein wenig Wasser abgezweigt und vom Bachbett auf das Land oberhalb ihres ‚Gartens’ geleitet wurde, wo es als Minibach auf diesen zu und an ihm vorbei floss. Dieses Rinnsal stauten sie in einer Senke unterhalb des Gartens dann mit Steinen, Sand und Erde wieder auf, erhöhten mehrmals seine Ufer und ließen ihre Rindenschiffchen darauf fahren.

Später spielten sie ‚Bären’ und kletterten an Bäumen hinauf und hinab, als sich plötzlich Luft, Licht und Farben um sie herum veränderten. Als sie erstaunt innehielten und aufblickten, erschien ihnen eine in Gold und Grün leuchtende Elfe und sagte: „Ihr Kinder, hört mich an: Soeben sind drei Männer zum Hof eurer Eltern gekommen, die sollen und wollen euch töten. Bringt ihnen kein Vertrauen entgegen, aber fürchtet sie auch nicht.“

Und plötzlich standen da anstelle der einen Elfe drei Elfen, dann waren es plötzlich dreißig, dann dreitausend, und sie konnten deren Anzahl weder zählen noch schätzen. Jede Elfen-Schar wurde von einem Moment zum nächsten größer, kleiner und wieder größer. Alle diese Wesen waren dauernd in Bewegung und summten, wisperten und schimmerten immer wieder anders. Dann verwandelte die Umgebung sich abermals, wurde allmählich wieder, wie sie zuvor gewesen war, und die Kinder kamen zu sich.

„Wir müssen sofort heim“, sagte Kristin, „bevor diese Männer unseren Eltern etwas antun.“

So ließen sie alles liegen und stehen und rannten den ganzen Weg heim. Mitten im Hof standen Amhuinn, Coinneach und Ailean und drei fremde Männer, die ziemlich heftig zusammenzuckten, als sie die Kinder auf den Hof stürmen sahen.

Kristin stellte sich sofort vor die Erwachsenen hin und sagte zu den Männern: „Ihr solltet euch schämen, dass ihr uns Kinder töten wollt!“

Einen Augenblick lang hielten alle den Atem an, dann wandten sich die drei Kerle bestürzt um und rannten vom Hof weg, als sei der Leibhaftige hinter ihnen her.

Amhuinn, Coinneach und Ailean sahen ihnen fassungslos nach. Das Geschehen sprach sich alsbald in der Gemeinschaft und bei den Nachbarn herum und Murron fragte Kristin, woher sie denn gewusst habe, was die Männer auf dem Hof vorhatten.

„Das haben uns die Elfen gesagt“, antwortete Kristin, und die anderen Kinder bestätigten das.

Die drei Konstanzer waren zu ihrem Wagen gerannt und mit überhöhter Geschwindigkeit Richtung Meersburg davongefahren. Da fragte plötzlich die böse Stimme in ihren Köpfen: „Was fällt euch ein? Warum fahrt ihr zurück? Die Kinder leben ja noch.“

„Diese Kinder wussten von uns und haben uns vor allen Erwachsenen auf den Kopf zugesagt, dass wir sie töten wollten“, antworteten die Männer.

„Tötet sie, sonst werdet ihr leiden wie noch nie“, drohte die Stimme.

„Aber wir wollten es doch tun“, stammelte Heiner entsetzt.

„Habt ihr aber nicht“, fuhr die Stimme schneidend fort, „auf, dreht um und tut eure Pflicht!“

„Wir können das so nicht durchführen, die Eltern bringen uns vorher um“, jammerten die Männer, „können wir stattdessen nicht etwas tun, das auch machbar ist?“

„Also gut: Schnappt euch den kleinen Jungen und bringt ihn zu uns ins ‚Paradies‘“, befahl die Stimme.

„Wann?“

„Sofort!“

Die Männer wendeten fluchend den Wagen und fuhren Richtung Salmannsweiler zurück und weiter bis zum Tobelhof.

„Verdammter Mist! Verdammter Mist! Verdammter Mist!“, fluchte Winni die ganze Zeit über.

„Halt endlich die Klappe!“, brüllte ihn Heiner vom Rücksitz aus an.

Erich wollte vermitteln und wurde dafür von beiden angefaucht. Sie stiegen aus und gingen vorsichtig auf den Hof zu. Da wurde die Tür aufgerissen und Amhuinn, Coinneach und Ailean kamen aus dem Haus gestürmt, rannten auf die Männer zu, drehten ihnen die Arme auf den Rücken und banden sie fest. Dann brachten sie die Gefangenen ins Haus.

Ailean rief die Polizei an und berichtete Polizeihauptmeister Cornelius Rupti, was sich bei ihnen auf dem Tobelhof zugetragen hatte.



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