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Nedetha und Karthel sind Teil der Geheimpolizei des Elbenkönigs.
Sie werden beauftragt, einem Gerücht nachzugehen, das unglaubwürdiger kaum sein kann: Ein Drache soll gesichtet worden sein, nach all der Zeit.
Doch was sie entdecken, ist weit größer als sie ahnen. Eine Verschwörung gegen den König...
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Veröffentlichungsjahr: 2017
von Hendrik M. Bekker
Ein CassiopeiaPress E-Book
© by Author
© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.AlfredBekker.de
Der Umfang dieses Ebook entspricht 86 Taschenbuchseiten.
Derut reichte Mandagar ein Stück Zwieback. Dieser verzog angewidert das Gesicht. „Schon wieder?“, fragte er genervt.
Derut nickte. „Reicht halt nicht für ein Festmahl“, stellte er fest.
Während Derut kurzgeschorenes Haar trug, hatte Mandagar sein Haar in dicken verfilzten dunklen Locken mit einem Band notdürftig gebändigt. Sie kauten beide eher lustlos auf ihren Zwiebackstücken herum und sahen in die Flammen. Die dritte Gestalt am Feuer hatte ähnlich lange Haare wie Mandagar, doch ihre waren rötlich. Vor sich hatte sie eine kleine Kochschüssel, in der sich Wasser befand. Sie sah auf das Wasser, doch schien ihr Blick viel weiter zu gehen. Ihre Augen blickten in weite Ferne.
„Siehst du ihn?“, fragte Mandagar.
Sie schüttelte langsam den Kopf. „Ich spüre ihn. Aber ich sehe nichts“, erklärte sie. Sie wirkte immer noch etwas abwesend. Das Wasser im Topf begann immer wieder Wellen zu schlagen, ohne dass etwas die Erschütterungen auszulösen schien. „Er ist keiner von den großen Klugen, die reden können. Aber er ist dennoch unsichtbar in der Magie.“
Mandagar nickte. „Du wirst ihn heute nicht finden, lass gut sein.“
Sie sah ihn an und hob fragend die Augenbrauen. „Du wusstest es?“
„Natürlich“, erwiderte er. „Irgendwie muss ein Vater doch die Fortschritte seiner Tochter verfolgen können. Hinterher bringe ich dir noch Dinge bei, für die du viel zu unbegabt bist.“
Sie verzog den Mund schmollend, lächelte dann aber. „Ich hätte es mir denken können. Na gut, ist Osten also in Ordnung?“
Er nickte. „Er bleibt in der Nähe des Waldes. Ich bin gespannt, wie die Min‘dar das finden.“
Er reichte Selia ein Stück Zwieback aus dem Rucksack.
Entnervt stieß sie die Luft zwischen ihren Zähnen aus.
„Schon wieder Zwieback?“
Derut lachte leise.
„Was noch?“, fragte Zathurel der Zweite, König der Min‘dar Galathams, das man oft auch das Mittelland nannte. Elb oder Elf war nur das Wort, das die Menschen manchmal gebrauchten, um sie zu betiteln. Zathurel war in direkter Linie ein Nachfahre der Min‘dar-Imperatoren, des Herrschergeschlechts des Imperiums, das vor Jahrtausenden über dieses Land beinahe uneingeschränkt geherrscht hatte. Inzwischen war der Min‘darische Machtbereich deutlich geschrumpft und einstige primitive Rassen und Spezies hatten sich weiterentwickelt. Die Menschen hatten ein neues Imperium gegründet und regierten seitdem über Galatham mit einem Bündnis, dem auch die Min‘dar angehörten. So war aus dem Imperator ein König geworden.
„Da wäre noch die Drachensichtung in den Ländereien, die an den Boshalarn grenzen. Es gab einige Tote, auch in der Nähe von Nitea“, erklärte Rethera. Er war die rechte Hand des Königs und eine auffallende Persönlichkeit. Er trug meist eine dunkle Robe und eine Augenbinde, denn die Fähigkeit zu sehen, hatte er bereits in jungen Jahren verloren. Er nahm nur noch durch die Magie die Welt wahr, was einem schwächeren Magier kaum möglich gewesen wäre. Doch im Gegensatz zu den meisten nur durchschnittlich magisch begabten Min‘dar war seine Begabung angeblich stark genug, um besser zu sehen, als er es mit seinen wahren Augen je könnte.
„Welche Justra wären verfügbar?“, fragte Zathurel. Er blickte durch die breite weiße Halle, in der er bis eben noch Audienzen abgehalten hatte. Marmorne Säulen erhoben sich zur Linken und Rechten. Er selbst stand auf einer erhöhten Plattform, einige Schritte entfernt vom Drachenzahn. Man nannte den Min‘darischen Königsthron so, da er aus einem unbekannten, weißen Material gefertigt war, das angeblich ein Drachenzahn sein sollte. In früheren Jahrhunderten, als das Min‘dar-Imperium gegen die Drachen Krieg geführt hatte, habe es solch große Exemplare noch gegeben, sagte man.
„Karthel und Nedatha wären verfügbar. Sie haben bisher immer zufriedenstellende Ergebnisse geliefert“, erklärte der Blinde. Der König nickte. „Lasst nach ihnen schicken.“
*
Karthel und Nedatha betraten die große Audienzhalle des Elbenkönigs in Mindithar. Sie waren schon öfter hier gewesen, trotzdem wirkte dieser gigantische Saal stets beeindruckend auf sie.
Karthel trug seine langen schwarzen Haare zu einem Zopf zusammengefasst und versuchte nicht allzu laut zu sein. Das war nicht einfach für ihn, obwohl er ein Min‘dar war. Sie bewegten sich zwar für menschliche Verhältnisse leise, jedoch war seine eigene Art empfindlicher. Er trug ein ledernes Wams, auf das kleine, matt bronzene Plättchen genäht waren. Jedes Plättchen war geprägt mit einem magischen Zeichen. Es verursachte bei jedem seiner Schritte immer ein leises Klingen, das für die Ohren seinesgleichen deutlich vernehmbar war. Seine beiden auf dem Rücken locker über Kreuz umgegürteten Schwerter wirkten leise im Vergleich zu diesem für manche Min‘dar störenden hohen Geräusch.
Nedatha hingegen wirkte unbeeindruckt wie eh und je. Kein einziger Tropfen Schweiß war auf seiner Glatze zu sehen, über die sich eine kunstvolle Tätowierung zog. Er trug ein ärmelloses Kettenhemd aus einem mattschwarzen Stahl, dazu ein um die Hüfte gegürtetes Schwert.
„Mein König“, sagten sie beide synchron, während sie auf ihr rechtes Knie vor ihrem König niedergingen.
„Ihr habt uns gerufen, wie können wir Euch dienen?“, begann Karthel das Gespräch.
„Ja, es gibt eine Reihe von blutigen Morden nahe Nitea und dem Boshalarn-Wald. Augenzeugen berichten überzeugt davon, dass ein Drache verantwortlich sein soll. Ihr sollt herausfinden, ob es tatsächlich ein Drache ist. Was es auch ist, beendet das Töten“, erklärte König Zathurel der Zweite.
*
Keine zwei Stunden später saßen Karthel und Nedatha in ihren Sätteln auf zwei weißen Pferden, die man ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Sie ritten hinaus aus der Stadt. Dabei benutzten sie den nördlichen Ausgang Mindithars, der durch das Penwala-Tor markiert wurde, ein großes Tor, das an den beiden Säulen und dem Bogen versehen war mit hunderten Szenen aus der Zeit des alten Imperiums. Beim Hinausreiten konnte Karthel Szenen sehen, die den Sklavenaufstand zeigten, den Krieg gegen die grauhäutigen Orks und auch den Roten Tod, die Seuche, die das Imperium heimgesucht hatte. Aber auch Bilder über den Krieg gegen die wilden Drachen waren im Torbogen verewigt, eine der leuchtendsten Stunden des Imperiums. Nedatha hatte Karthels Blick bemerkt und schüttelte den Kopf.
„Du weißt, dass dir der Anblick die Laune verdirbt“, stellte er sachlich fest und Karthel nickte.
„Der einstige Glanz. Was ist von dem Reich unserer Großväter geblieben? Wie konnten die kurzlebigen Rassen in solcher Zeit so mächtig werden?“, fragte Karthel.
„So sind wir, die Unsterblichen, in großer Not.
Unsterblich, selbstherrlich, arrogant herrschten wir,
nun holt uns der letzte Feind, der Rote Tod.
Expandierten immer weiter, endlos uns‘re Gier.
Im Niedergang ist nun unser altes Geschlecht.
Verloren wir die Macht, den Sinn fürs Recht.
Gedenket unserer schweren Stunde,
in der wir ernteten, was wir gesät.
Durch die Gezeiten bring ich Kunde,
in Hoffnung, dass ihr sie nicht verschmäht.
Den Min‘dar ist gegeben die Pflicht und Macht
zu halten über gerechter Welt die Wacht“, erwiderte Nedatha in einem alten Min‘dar-Dialekt. Es waren Verse aus Alfarich Herabthas Gedichten über den Roten Tod, eine Seuche, die das Imperium in früheren Jahrhunderten heimgesucht hatte. Er war ein Min‘dar-Dichter gewesen und hatte sich während des Niederganges immer mehr von seinesgleichen distanziert. Manche sagten, dass dadurch seine Gedichte und Texte einen faszinierenden Blick auf die Geschehnisse im Imperium gaben.
Nedatha mochte seine Gedichte im Gegensatz zu vielen anderen seines Volkes. Trotzdem waren Alfarichs Worte im Torbogen verewigt, wie viele andere Verse berühmter Min‘dar. Zathurel der Zweite hatte es dort hinzufügen lassen, in Gedenken an die Worte seines Vaters. Sein Vater, Zathurel der Erste, hatte, so erzählte man sich, seinem Sohn erklärt, dass die Min'dar nur zu ihrer Macht zurückkommen könnten, wenn sie einsähen, dass sie keine Herrenrasse seien. Sie sollten vielmehr ihre Macht und ihre Fähigkeiten nutzen, um zu den Hütern des Friedens zu werden.
Diese Ansicht hatte für heftige Diskussionen innerhalb des Imperiums geführt, die bis heute andauerten. Imperium, dachte Nedatha dabei bitter. Ein Königreich war es nur noch.
Schweigend ritten sie dann Richtung Nitea, immer nach Norden. Der Wald, der Mindithar dicht umgab und nur durch wenige den Min‘dar bekannte Pfade zu durchqueren war, lichtete sich langsam, während es dunkler wurde. Als der Mond aufging, erreichten sie die letzten Ausläufer von Buest‘Ithar, dem Ewigen Wald.