Im Schatten von Notre-Dame - Jörg Kastner - E-Book

Im Schatten von Notre-Dame E-Book

Jörg Kastner

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Beschreibung

Paris im Jahr 1483. Armand Sauveur fällt den Kippern und Wippern in die Hände, skrupellosen Falschmünzern. Ein grausamer Tod wartet auf ihn: Er soll unter der Erfindung Gutenbergs, der Druckerpresse, zerquetscht werden. Dank des Polizeileutnants Falcone dem Verhängnis gerade noch entronnen, findet sich Armand einer neuen Gefahr gegenüber, einer Bande blinder Mörder, Maulwürfe genannt. Aber nicht nur er sieht dem Tod ins Auge. Auch die Tage der engelsgleich schönen Tänzerin la Esmeralda scheinen gezählt, als man sie zu Stätte ihrer Hinrichtung karrt, direkt vor den Mauern von Notre-Dame. Band 5 der Mittelalter-Saga »Im Schatten von Notre-Dame«. Bedrohliche Schatten liegen über der Stadt, in die der junge Kopist Armand Sauveur auf der Suche nach Arbeit kommt. Nachts macht ein unheimlicher Geistermönch die Gassen unsicher, und im Zentrum der düsteren Machenschaften steht die Kathedrale von Notre-Dame. Armand begegnet dem undurchsichtigen Archidiakon Frollo, der betörend schönen Tänzerin la Esmeralda und dem buckligen Glöckner Quasimodo – und stößt dabei auf ein Geheimnis, das die ganze Welt erschüttern kann. Ein Geheimnis, das Victor Hugo in seinem Werk »Der Glöckner von Notre-Dame« verschwiegen hat.

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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Jörg Kastner

Im Schatten von Notre-Dame

Band 5: Mörder und Münzer

Historischer Romannach den Aufzeichnungen des Armand Sauveur de Sablé

Victor Hugo und Walter Scott gewidmet – den Meistern. Und meiner Frau Corinna – zum Dank für Guernsey und Paris.

Wozu braucht ihr Priester, wenn ihr Künstler unter euch habt?

Victor Hugo

Victor Hugo muss sehr zornig mit Gott gewesen sein, als er »Notre-Dame de Paris« geschrieben hat.

Charles Laughton

Wer Sünde tut, der stammt vom Teufel; denn der Teufel sündigt von Anfang an.

1. Johannes 3.8

Vorbemerkung

Liebe Leserin, lieber Leser,

willkommen im Schatten von Notre-Dame, jener mächtigen Kathedrale mitten in Paris, die Sie vielleicht schon einmal selbst staunend besichtigt haben, die Sie aber gewiss aus dem Roman von Victor Hugo oder einer der zahlreichen Hugo-Dramatisierungen kennen. Im späten Mittelalter, jener Zeit, in der Hugos Roman spielt, war Notre-Dame de Paris für die Menschen nicht nur ein Ehrfurcht gebietendes Bauwerk – für die größtenteils des Lesens unkundigen Menschen war die Kathedrale eine in Stein gehauene Verkörperung der Heiligen Schrift.

Der geeignete Schauplatz also für eine Geschichte voller Hoffnungen, Wünsche, Ängste, Zweifel und Leidenschaften, wie Hugo sie erzählt hat – und wie sie auch hier erzählt wird. Nicht nur die Kathedrale hat mein Roman mit dem von Victor Hugo gemeinsam, sondern auch etliche der auftretenden Personen. Der bucklige Glöckner Quasimodo, die schöne Tänzerin Esmeralda, der verschlagene Dom Frollo und viele andere mehr erleben auch hier ihre Abenteuer.

In meinem Roman lesen Sie die »Geschichte hinter der Geschichte«, erzählt von dem mittellosen Kopisten Armand Sauveur, der voller Hoffnungen nach Paris kommt und schon gleich zu Beginn Bekanntschaft mit dem »Geistermönch« macht, von dem schon Hugo berichtet. Der französische Dichterfürst verschwieg aber, was es mit dem geheimnisvollen Mönch auf sich hat. Gemeinsam mit Armand Sauveur werden Sie dem Geheimnis auf den Grund gehen, mannigfache Abenteuer bestehen und viele erstaunliche Entdeckungen machen in den engen, dunklen Gassen des alten Paris – im Schatten von Notre-Dame.

Ich wünsche Ihnen gute, spannende Unterhaltung bei Ihrer Reise ins späte Mittelalter!

Herzliche Grüße

Jörg Kastner

Was davor geschah in Band 4

Der Hof der Wunder

Paris im Jahr 1483. Armand Sauveur dringt mit seinen Gefährten Villon, Leonardo, Colette und anderen in den Justizpalast ein. Ihr Ziel: die Befreiung von Colettes Vater, Marc Cenaine. Der wird, aufgrund einer Intrige Claude Frollos verhaftet, in dem großen Kerker unterhalb des Gebäudes gefangen gehalten. Sie werden von den Wachen entdeckt und angegriffen. Schwimmend können sie sich in Sicherheit bringen. Aber in Colettes Brust steckt ein Pfeil, und Armand hält die Frau, die er heimlich liebt, für so gut wie tot. Nur ein Wunder kann ihr noch helfen, und dazu muss sie zu einem legendären Ort gebracht werden – dem Hof der Wunder.

Kapitel 1:Gutenbergs Rache

Ich war gefangen in Dunkelheit und Bewegungslosigkeit. Um mich herum war Stoff, ein Sack. Ich war viel zu benommen, um das grobe Leinen zu durchstoßen, und hätte es auch gar nicht vermocht. Denn was so schmerzend in meine Haut schnitt, mussten straffe Fesseln sein. Der Sack wurde von jemandem auf der Schulter getragen und dann höchst unsanft auf etwas Hartes geworfen, auf hölzerne Planken. Ich hörte flüsternde Stimmen, dann ein Plätschern, und ein erneutes Schaukeln ließ mir übel werden. Ein Boot auf dem Fluss!, war mein letzter flüchtiger Gedanke, bevor mir die Sinne schwanden.

Ich wachte erst wieder auf, als Stimmen die Betäubung durchbrachen. Noch immer war ich gefesselt und von dem Sack umhüllt. Trockener Staub verklebte mir Mund und Nase, aber ich unterdrückte den Drang, zu husten und zu spucken. Ich spürte, dass es wichtig war, weiterhin den Ohnmächtigen zu spielen. Vielleicht lag es daran, dass mir eine der beiden Stimmen bekannt vorkam, ohne dass ich sie einordnen konnte. In meinem Kopf war ein ständiges Summen und Brummen, wohl die Folgen des harten Schlags, vielleicht auch des vergifteten Weins. Die beiden Männer dagegen sprachen leise, und ich verstand nur Teile der Unterredung.

»… endlich vorankommen«, sagte eine tiefe, volltönende Stimme. »Wer immer dieser Schnüffler ist, sein Auftauchen bei der alten Falourdel beweist, dass man uns auf der Spur ist.«

Eine hellere Stimme, es war die mir irgendwie vertraut erscheinende, erwiderte: »Macht Euch nicht ins Hemd, Maître Gaspard. Ein schnüffelnder Drecksköter macht noch längst keine Jagdmeute. Vielleicht ist’s nur ein Wichtigtuer. Nehmt den Kerl ordentlich in die Mangel, das versteht Ihr doch. Dann wird er schon ausspucken …«

Das Brummen in meinem Kopf übertönte den Rest des Satzes und wurde lauter, je angestrengter ich nachdachte. Die Stimme kam mir ebenso bekannt vor wie der eben gefallene Name, Maître Gaspard, doch wollte mir nicht einfallen, woher.

»Eigentlich wollte ich heute Nacht arbeiten«, murrte die dunkle Stimme. »Ist mir gar nicht recht, mich mit dem Schnüffler beschäftigen zu müssen.«

»Falls er doch mehr ist als ein Wichtigtuer, sollte Dom Claude es vor der Walpurgisnacht wissen.«

»Zu Walpurgis soll es also geschehen?«

»Dom Claude meint, es sei besser so, und auch der Großmeister will es. Die Spinne von Plessis wird zu neugierig. Sie scheint zu ahnen, dass nicht alle in ihrer engsten Umgebung ihr Vertrauen verdienen. Der große Umzug ist die beste Gelegenheit, ihr den Kopf abzuschlagen. Die Masken werden nicht nur die Bauern verbergen, sondern auch die Vollstrecker.«

Als die helle Stimme in ein meckerndes Gelächter verfiel, wusste ich, wem sie gehörte. Schon die Erwähnung von Dom Claude hätte mich darauf bringen müssen. Wenn der Mann mit dem Ziegenlachen mich sah, war alles verloren!

»Ich werde Dom Claude von dem Schnüffler berichten und Euch gegebenenfalls seine Anweisungen übermitteln, Maître«, sagte mein alter Bekannter und verabschiedete sich zu meiner großen Erleichterung von dem Mann namens Gaspard.

Nun hörte ich das Klappern von Holz und Metall sowie leise Stimmen, zumeist nur kurze Zurufe. Wo immer ich mich befand, hier wurde hart gearbeitet. Es stank nach Öl und Fett. Und es roch nach trockenem Papier. Das war ein Geruch, den ich noch im Grab erkennen würde, so glaubte ich und dachte, dass ich vielleicht bald würde feststellen können, ob es tatsächlich so war.

Die Schritte mehrerer Männer drangen an meine Ohren, und ich hörte Maître Gaspards befehlsgewohnte Stimme: »Schnürt das Paket auf! Der Schnüffler hat lange genug geschlafen.«

Der Sack wurde gepackt und herumgeworfen. Ich schlug mit dem Kopf gegen etwas Hartes, wohl eine Mauer, und hielt es nur noch für eine Frage der Zeit, bis mein Schädel aufplatzen würde wie ein fallengelassenes Ei.

Licht von Lampen und Kerzen stach in meine Augen, als kräftige Hände mich aus dem Sack zerrten. Rasch kniff ich die Augen zu und ließ mich auf den Boden fallen, in der Hoffnung, dass man mich für bewusstlos hielt und abwartete. Ein Schwall Wasser schwemmte die Hoffnung hinweg. Hustend und prustend konnte ich nicht länger den Schlafenden mimen. Also öffnete ich die Augen und sah mich drei Männern gegenüber, die allesamt Lederschürzen trugen. Zwei hielten Messer in den Händen und schienen nicht zu wissen, ob sie damit meine Fesseln oder meinen Lebensdocht durchtrennen sollten. Der dritte Mann, ein wahres Fass von einem wuchtigen Kerl, der mit den in die Hüften gestemmten Händen noch breiter wirkte, musste Maître Gaspard sein.

»Schneidet die Fesseln durch«, befahl er, und ich atmete auf. »Der Jammerlappen kann uns nicht entkommen.«

Die Stricke fielen von meinen Hand- und Fußgelenken, und ich rieb ungelenk die schmerzenden Glieder. Mühsam erhob ich mich. »Geht’s besser?«, fragte Gaspard ohne echte Anteilnahme.

»Ja, allmählich.«

»Ah, sprechen kannst du also, na fein. Dann rück mal raus mit der Sprache! Wie heißt du, und warum hast du die Falourdel nach dem Mord ausgefragt?«

»Warum wollt Ihr das wissen?«

Einer von Gaspards Männern rammte mir den Ellbogen in die linke Niere. Ich schrie auf vor Schmerz.

»Beantworte meine Fragen, dann musst du nicht schreien.« Ein hämisches Grinsen überzog Gaspards Pfannkuchengesicht. »Also, wie ist dein Name?«

»Ich heiße Poncet und bin neu hier in Paris«, log ich, um mir weitere schmerzhafte Knüffe zu ersparen. »Wenn ich also durch irgendeine Dummheit Euren Unmut erregt haben sollte, verzeiht mir bitte.«

»Eine Dummheit war’s gewiss, die alte Falourdel so auszuhorchen«, erwiderte Gaspard. »Was geht dich der Mord an, he?«

»Ach, es war nur Neugier. Ich finde solche Geschichten recht anregend und wollte …«

Weiter kam ich nicht. Ein knappes Nicken von Maître Gaspard, und diesmal erhielt ich zwei Stöße gleichzeitig, einen in jede Niere. Der Schmerz warf mich um, war ich doch ohnehin recht wacklig auf den Beinen. Der bittere Geschmack von Galle stieg mir in die Kehle. Ich würgte und spuckte. Bunte Sterne und schwarze Streifen tanzten vor meinen Augen.

»Bringt ihn in die Werkstatt!«, befahl Gaspard. »Wir müssen wohl ein wenig geschickter vorgehen, um seine Zunge zu lösen.«

Die beiden anderen packten mich unter den Achseln und schleiften mich aus einem Abstellraum in einen größeren, wo drei weitere Männer mit Lederschürzen ihrer Arbeit nachgingen. Sie sahen mich neugierig, aber ohne Mitgefühl an. Sofort war mir klar, dass ich von niemandem hier Hilfe zu erwarten hatte.

»Wenn du versuchst abzuhauen, hat das schmerzhafte Folgen«, warnte mich Gaspard. »Schreien kannst du, soviel du willst, es wird dir nichts nützen. Auf dem Hof da draußen ist keiner, und die Scheiben sind dick und außen wie innen mit noch dickeren Läden verriegelt.«

Ich sah die hölzernen Bretter an der Wand. Die Fenster hätten ein Fluchtweg sein können, aber nicht, solange sie verriegelt waren.

»Vielleicht sollten wir ihn ein wenig rösten.« Einer der beiden, die mich gepackt hielten, zeigte auf einen großen Herd, auf dem ein Kessel dampfte. Ein Mann schürte das Feuer, ein anderer rührte mit einem langen Holzlöffel in dem Kessel. Ein dritter saß in der Nähe des Herdes an einem Tisch vor einer Münzwaage und sortierte Silbermünzen. Einige Münzen wanderten in einen Sack, andere in den Kessel.

Und da begriff ich, welcher Arbeit Maître Gaspard und die Seinen nachgingen. Sie waren Kipper und Wipper. Falschmünzer. Und dass sie mir ihr Geheimnis offenlegten, bedeutete, dass sie mich nicht lebend entkommen lassen würden!

»Nein, nicht das Feuer«, entschied Gaspard. »Meister Schnüffelnase scheint ein wenig wehleidig zu sein. Beim Feuer wird mancher rasch ohnmächtig, und dann kann er nicht mehr reden. Man müsste ihn so verstümmeln, dass er es sieht und dennoch bei Bewusstsein bleibt.« Er sah sich um und nickte. »Ah ja, die Presse, wunderbar!«

Jetzt sah auch ich es und erschrak doppelt, über Gaspards Worte und beim Anblick der Maschine, die auf schweren hölzernen Beinen mitten im Raum stand. Es war Gutenbergs Teufelswerk – eine Druckerpresse! Nun fiel mir auch ein, wo ich Gaspards Namen gehört hatte: auf dem Schweinemarkt.

»Ihr seid Maître Gaspard Glaire, der Buchdrucker!«, stieß ich hervor.

»Du weißt also doch so manches. Schön, gleich wirst du noch viel mehr erzählen. Los, seinen Arm!«

Gaspard Glaire rieb seine schwarzschmierigen Hände und sah zu, wie seine Gesellen mich zur Druckerpresse schleppten. Dabei kamen wir an einem kleineren Apparat vorbei, der ähnlich aussah, aber nicht dem Drucken von Papier diente, sondern dem Prägen von Münzen. Allmählich erschlossen sich mir die Zusammenhänge, doch es schien zu spät. Die beiden Kerle hielten mich fest, und der Mann, der zuvor an der Münzwaage gesessen hatte, drückte meinen rechten Arm unter das hölzerne Rechteck des Drucktiegels. Sie schienen so etwas nicht zum ersten Mal zu tun, und vor meinem geistigen Auge tauchte der einarmige Nicolas auf. Hatte er seinen Arm wirklich durch einen Unfall verloren?

Maître Gaspard legte seine Hände auf den langen Bleihebel, der durch eine Holzspindel mit dem Drucktiegel verbunden war, und sah mich auffordernd an. »Also, Freund Poncet oder wie auch immer du heißen magst. Jetzt ist es Zeit für die Wahrheit, wenn du nicht dein restliches Leben als Krüppel verbringen willst!«

»Wenn ich schweige, macht Ihr mich zum Krüppel, wenn ich rede, zur Leiche. Eine schöne Wahl lasst Ihr mir da!«

»Warum sollte ich dich töten?«

»Weil ich Euren Namen kenne und weiß, dass Ihr nicht nur Schriften druckt.«

Maître Gaspard stieß einen tiefen Seufzer aus. »Du denkst zu viel, Schnüffelnase. Vielleicht bin ich gnädig und lasse dich ziehen, wenn du versprichst, Paris den Rücken zu kehren. Also, was ist, redest du jetzt?«

»Nein!«

Meine Stimme klang wohl so wenig fest, wie mein Entschluss es war. Und doch war es die einzige Möglichkeit zu überleben. Ich hatte seit meiner Ankunft in Paris zu viele gewaltsam zu Tode Gekommene gesehen, um an die Gnade des Druckermeisters zu glauben.

Er zog den Hebel zur Seite. Die Spindel drehte sich und drückte den Tiegel tiefer, der schweren Holzplatte entgegen, auf der mein Arm lag. Die beiden Fälscher am Herd sahen mit großen Augen herüber. Ich blickte auf meinen zitternden Arm, den ich vergebens wegzuziehen versuchte, und auf den Tiegel, der näher und näher kam, bis er meine Haut berührte. Schon wurde der Druck stärker, und der Gehilfe des Druckermeisters konnte meinen eingeklemmten Arm loslassen.

Gaspard Glaires Hand entfernte sich von dem Hebel. »Die letzte Gelegenheit, deinen Arm zu retten!«

Diese gottverdammte Druckerpresse! Ich hatte immer geahnt, dass sie eines Tages mein Tod sein würde. Einmal mehr verfluchte ich Johannes Gutenberg und leistete im selben Augenblick Abbitte. Vielleicht hatte ich ihn zu oft beschimpft, und dies war seine grausige Rache. Nicht genug, dass seine Maschine mich um Lohn und Brot brachte, jetzt gierte sie auch noch nach meinem Leib, vielleicht nach meinem Leben.

Lag es an meiner Angst oder an der Nachwirkung des schlechten Weins, dass sich alles vor meinen Augen verzerrte? Die Gesichter der Männer verwandelten sich in Dämonenfratzen wie aus der steinernen Armee von Notre-Dame. Die Presse wurde zu einem gefräßigen Ungeheuer, das meinen Arm als Vorspeise zwischen seinen Zähnen hielt und mich bald gänzlich verschlucken würde. Der Druck auf den Arm verstärkte sich, wurde schmerzhaft, und der Anführer der Dämonen – hieß er Gaspard Glaire oder Gutenberg? – redete auf mich ein.

»Fahr zur Hölle, Gutenberg!«, kreischte ich in die Dämonenfratze und zog in meiner Erregung nicht in Betracht, dass der wahre Gutenberg schon seit Jahren entweder an dem genannten Ort oder an dem entgegengesetzten weilte.

Ich wartete auf den letzten Schmerz, auf die unausweichliche Zerstückelung meiner selbst. Nie wieder würde ich zur Feder greifen können!

Doch anstatt den bleiernen Hebel auch das letzte Stück an sich heranzuziehen, taumelte Maître Gaspard von der Presse fort und griff an seinen Hals. Etwas Längliches, im Licht Aufblitzendes steckte darin. Ein Dolch! Röchelnd fiel er auf die Knie, kippte auf die Seite und blieb nach einigen wilden Zuckungen leblos liegen.

Seine Helfer sprangen davon wie aufgescheuchte Straßenjungen. Doch die abgeriegelte Druckerwerkstatt wurde von der Festung zur Falle. Überall tauchten die violetten Waffenröcke der Scharwache auf. Und mittendrin erblickte ich das faltige Gesicht von Leutnant Piero Falcone.

Er trat zur Presse und drückte den Hebel zurück. Die Spindel drehte sich und hob den Tiegel an. Ich war frei!

Vorsichtig zog ich den Arm unter dem Tiegel weg. Er war noch heil, ließ sich bewegen wie zuvor. Mit Falcones Hilfe richtete ich mich auf, doch ich fühlte mich so geschwächt, dass ich auf der Holzplatte sitzen blieb. Ich zitterte am ganzen Leib, und der Angstschweiß rann in warmen Sturzbächen an mir herab.

Die Scharwächter hatten die fünf Männer überwältigt und ihre Hände in eiserne Fesseln gelegt. Falcone befahl, sie zum Châtelet zu schaffen, und beugte sich über Gaspard Glaire.

»Dem ist nicht mehr zu helfen«, stellte er fest, zog seinen Dolch aus der Wunde und wischte ihn an der Lederschürze des Toten ab. »Schade auch.«

»Was ist daran schade?«, ächzte ich. »Wärt Ihr nicht gewesen, Leutnant, er hätte meinen Arm zerquetscht wie eine Küchenschabe.«

»Und hätte ich Euch nicht vor diesem Schicksal bewahren müssen, hätte ich jetzt einen lebenden Zeugen und nicht nur einen toten Falschmünzer.«

»Ihr habt seine Leute.«

»Gaspard Glaire war bestimmt nicht der Hintermann der Kipper und Wipper, aber er hätte mich vielleicht zu ihm führen können. Seine Leute dürften nicht viel wissen. Für sie war Maître Gaspard der Brotherr und Gott. Hättet Ihr mich nur ins Vertrauen gezogen, Monsieur Armand!«

»Aber ich wusste nichts davon, das schwöre ich Euch, Herr Leutnant. Heute Mittag habe ich aus Eurem Mund zum ersten Mal vom Druckermeister Gaspard Glaire gehört.«

»Vielleicht stimmt das sogar, immerhin hat man Euch hierher verschleppt.«

»Das wisst Ihr?«

»Was meint Ihr, weshalb ich hier aufgetaucht bin? Ich ahnte nicht, dass Maître Gaspard für die gefälschten Münzen verantwortlich ist, wenn mich auch die Verwicklung Nicolas Manchots in die Sache hätte stutzig machen müssen. Ich ließ das Haus der Kupplerin überwachen, und meine Leute folgten Euren Entführern hierher.«

»Die Falourdel muss Maître Gaspard auf mich gehetzt haben«, sagte ich und erinnerte mich, wie sie das Sankt-Martha-Zimmer verlassen hatte, um den Wein zu holen. Wahrscheinlich hatte sie den struppigen Knaben zu Gaspard Glaire gesandt.

»Das werden wir gleich herausfinden, Armand.«

Bevor wir die Falschmünzerei verließen, warf ich einen letzten Blick auf die Druckerpresse. Gutenberg hatte mich verschont. Ich schwor mir, nie wieder etwas gegen den deutschen Erfinder zu sagen.

Maître Gaspards Werkstatt lag am rechten Seine-Ufer, nahe dem Fluss und auch nicht weit entfernt vom Wunderhof. Ein Fährboot brachte Falcone, mich und die beiden Sergeanten, die mich schon zweimal von Notre-Dame abgeholt hatten, durch dicke Nebelschwaden zur Saint-Michel-Brücke.

Falourdel spielte eine schlechte Komödie und pries den Herrn im Himmel, dass ich noch am Leben sei. Sie wollte meine Entführer nicht kennen und noch weniger nach ihnen geschickt haben.

»Fragt den Jungen, diesen Faisan!«, sagte ich zu Falcone. »Die Alte hat ihn bestimmt als Boten benutzt.«

Aber Faisan war nirgends zu finden, und Falourdel erklärte: »Mal hilft er mir für ein paar Sols aus, dann wieder sehe ich ihn tagelang nicht. Aber selbst wenn Ihr ihn findet, Herr Leutnant, wird er Euch kaum helfen können. Sein Verstand ist dunkel wie die Nacht.«

Falcone verabschiedete sich von der Kupplerin, und ich fragte ihn vor der Tür, weshalb er sie nicht zum Châtelet mitgenommen habe. »Unter der Folter hätte sie vielleicht gestanden.«

»Ihr ist nichts zu beweisen. Ich habe keinen Grund, sie Maître Torterue zu übergeben. Eher könnte ich Euch in den Folterkeller schicken, Armand Sauveur!«

»Schon wieder?« Meine Stimme wurde brüchig. »Warum?«

»Weil Ihr mir etwas verheimlicht. Was wolltet Ihr von der Falourdel?«

Ich lächelte schwach und vermutlich verunglückt. »Auch ich bin ein Mann …«

»Unsinn!«

»Aber Herr Leutnant!«

»Ihr wart allein im Kupplerhaus, ohne ein Weib.«

»Oh, ich wartete auf ein süßes Wesen.«

»Auf wen?«

»Ihren Namen weiß ich nicht. Ich sprach die Maid auf der Saint-Michel-Brücke an. Sie hatte noch Arbeit zu verrichten und wollte dann zur Falourdel nachkommen.«

»Für wen arbeitete sie?«

»Keine Ahnung.«

»Dachte ich mir.« Falcone sah mir tief in die Augen. »Ihr lügt, das wisst Ihr, und ich weiß es auch. Aber warum? Was verschweigt Ihr mir?«

»Wie kommt Ihr darauf?«

»Heute Mittag erzählte ich Euch, dass nur Falourdel der Zigeunerin helfen kann, und am Abend geht Ihr zu der Alten. So komme ich darauf!«

»Dann müsstet Ihr eine Verbindung zwischen mir und der Zigeunerin vermuten.«

»So ist es«, sagte Falcone zu meiner Überraschung. »Man hat la Esmeralda auffällig oft vor Notre-Dame tanzen sehen, obwohl der Bischof es untersagt hat. Und wer arbeitet dort?«

»In Notre-Dame arbeiten Dutzende von Menschen.«