Im Schwanenhals - Helga M. Novak - E-Book

Im Schwanenhals E-Book

Helga M. Novak

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Beschreibung

"An meinem sechzehnten Geburtstag zog ich dann ins Internat", heißt es am Schluss von Helga M. Novaks Buch "Die Eisheiligen" (1979). Zurück bleiben die Adoptiveltern Kaltesophie und Karl. Das junge Mädchen sucht und findet im zweiten Band ihrer autobiographischen Prosa "Vogel federlos" (1982) in der neuen sozialistischen Gesellschaft der DDR ihre Ersatzfamilie. Doch auch diese Familie hält nicht, was sie verspricht. Enthusiastisch beginnt Helga M. Novak 1954 ein Journalismus-Studium, fühlt sich jedoch schon bald wie ein Tier Im Schwanenhals, der tödlichen Jagdfalle, aus der man sich nicht befreien kann. Als die Stasi sie verpflichtet, ihre Kommilitonen zu bespitzeln, tritt sie aus der Partei aus und wird exmatrikuliert. Ende 1957 flieht sie mit ihrem isländischen Freund nach Island, schreibt, arbeitet in Fischfabriken und kehrt erst 1965 nach Leipzig zurück. Am Johannes R. Becher-Institut versucht sie einen Neuanfang,doch eine wie sie ist unerwünscht. Lange vor Wolf Biermann wird Helga M. Novak aus der DDR ausgewiesen. Staatenlos führt sie ein unstetes Leben, das sie quer durch Europa führt. Ihre Bücher wurden in der DDR nicht veröffentlicht; ihre Gedichte findet man dort nur als Abschrift in den Akten der Staatssicherheit.

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Seitenzahl: 399

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Inhalt

[Cover]

Titel

Im Schwanenhals

I Fangschrecken

II Lockspeisen

III Bolzenschüsse

IV Durch die Lappen gegangen

V Leimruten

VI Tentakel

VII Lebendfänger

VIII Verblendung

IX wund gestoßen

X Porträt einer Angst

Dank

Editorische Notiz

Die autobiographische Prosa

Autorenporträt

Über das Buch

Impressum

Im Schwanenhals

IFangschrecken

Fast hätte ich die Wahrheit gesagt und durch ein einziges Wort meinen Studienplatz verloren.

Bevor wir Neulinge endgültig immatrikuliert wurden, hatten wir uns einzeln einem Vorstellungsgespräch zu unterziehen, einer Art Aufnahmeprüfung. Pünktlich, an einem Donnerstag im Juli 1954, saß ich vor Prodekan Professor Kühn, den vorerst meine soziale Herkunft interessierte. Das Abiturzeugnis schien weniger Gewicht zu haben.

Ich war die Tochter eines Prokuristen und erhielt demzufolge nur 130Mark Stipendium pro Monat. Andere Geldquellen hatte ich nicht. Und nebenher irgendeine Arbeit anzunehmen war uns Studenten untersagt. Natürlich durften wir auch nicht nach Westberlin fahren. Nachdem der Professor Kühn mir diese Mitteilungen in fast lässigem Ton gemacht hatte, schoss mir sein Gesicht entgegen, und er fragte mich rasch und zügig:

– Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?

Ich war überrascht und verwirrt, begriff nur, ich durfte auf keinem Fall den Buchtitel nennen, der mir durch den Kopf ging. Das Buch, das ich gerade las, ein Geschenk meines Geschichtslehrers zum Schulabschluss, stand in der DDR sozusagen auf dem Index.

Ich erstarrte und schwieg. Anstatt irgendeinen Buchtitel zu nennen, drifteten meine Gedanken durchs Fenster zu hohen grünen Baumkronen. Ich weiß noch, dass ich darüber nachdachte, warum ich jetzt sofort lügen müsste, und ob es wirklich verhängnisvoll sein würde, wenn ich das Buch preisgab.

Ich schwieg, bis er sagte:

– Sie müssen doch wissen, was Sie zuletzt gelesen haben, oder ist das so lange her?

– Geschichte des Abfalls der Vereinigten Niederlande, sagte ich rasch.

Professor Kühn bemühte sich daraufhin, mich zur Germanistik zu überreden. Ich blieb dabei, Publizistik studieren zu wollen, erklärte meine Abwesenheit mit Übermüdung durch die lange Herreise.

Natürlich berichtete ich nicht von meinem aufregenden Zwischenaufenthalt in Dessau, wo ich meinen leiblichen Vater gesucht hatte. Das behielt ich für mich, genauso wie den Titel des anderen Buches, das ich gerade las und nicht verstand. Fast hätte das Wort Zarathustra mich um das Studium der Publizistik gebracht.

Einberufen für den Herbst 1954, bin ich zu früh eingetroffen und war nicht sicher, mein Zimmer im Studentenheim schon fertig eingerichtet vorzufinden. Zuletzt wohnte ich bei Concordia, schlief in der Ruine. Aber es zog mich nach Leipzig.

Die Heimverwaltung staunte, weil ich keine andere Adresse angeben konnte und das Studentenheim fortan mein erster Wohnsitz sein würde. Ein Vertreter dieser Verwaltung bat mich, ihm zu folgen und wies mich in eins der sechs großen Häuser zwischen Tieck- und Eisner-Straße. Ich war hundemüde und schleppte schwer an den Koffern und Taschen, in denen sich mein ganzes Hab und Gut befand. Besonders die Bücher machten mir zu schaffen, aber ich traute mich nicht, den Mann von der Verwaltung um Hilfe zu bitten, wusste ja nicht, welche Funktion er hatte, in welchem Rang er stand. Er sagte kurz,

– drei Treppen,

und eilte mir voraus. Das Gebäude trug den Namen Kurt-Eisner-Haus. Er schob mich in ein Dreibettzimmer und sagte,

– bist die Erste, kannst dir ein Bett aussuchen.

Ich entschied mich für das in einer Ecke, recht weit vom Fenster und von der Zimmertür. Zwei Seiten des Bettes waren durch die Wände abgeschirmt. Am Fußende stand ein Kleiderschrank. Das Kopfende begrenzte ein Arbeitstisch mit Stuhl.

Der Mann von der Heimverwaltung fragte, ob ich in der Partei wäre.

– Ja, bin ich. Er sagte,

– also dann, Genossin, richte dich ein.

Den Kleiderschrank drehte ich so herum, dass er das Fußende des Bettes verbarg. Innerhalb einer Stunde hatte ich mir eine Art Kammer eingerichtet, ziemlich abgeschirmt von meinen kommenden Mitbewohnerinnen.

Ich überließ denen gerne die Fensterseite, wenn ich mich nur zurückziehen konnte. Dreibettzimmer. Mir graute davor. Im Internat, aus dem ich kam, hatte ich mir durch stetes Intervenieren das einzige Einzelzimmer erkämpft, das es im ganzen Heim gab. Ich war geübt darin, mich abzuschotten, mir eine eigene Ecke einzurichten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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