Imperium Humanum - Adrian W. Fröhlich - E-Book

Imperium Humanum E-Book

Adrian W. Fröhlich

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Beschreibung

Die Nachkriegszeit geht zu Ende und mit ihr die Ära der Republik aufgeklärten Zuschnitts, die Ära des Citoyen und der Nation. Im fundamentalisierten Menschenrecht etablierte sich ein unsichtbarer, neuer Prinzipat, jener des nackten Individuums. Terakapital und Linke sind ein neuartiges Bündnis eingegangen, um die Gesellschaft der Zukunft zu schaffen. Eine psychologische, geschichtsphilosophische und politische Kritik, die ihren Gegenstand von allen Seiten beleuchtet und dabei auch Schmerzhaftes nicht auslässt. Zweite, leicht überarbeitete Auflage.

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Cover: Volksfest, ein Ölbild des haitianischen Malers Pierre

Eine Bitte: Man entschuldige grossherzig die im Text enthaltenen Grammatik- und allfällige Zitationsfehler, die der Korrektur entgangen sind.

Für die Vergessenen

und meine Tochter Sophie

If we stopped fighting, you would soon find out.

Winston Churchill über die Folgen, wenn man den Kampf gegen Hitler einstellen würde. Aus einer Rundfunkrede, 30. März 1940

Meine Eindrücke aus Europa bestätigten mir, dass der Zweite Weltkrieg ein ideologischer – besser: ein Europäischer Bürgerkrieg gewesen ist.

J.R. von Salis, Grenzüberschreitungen, 1978

Die Heimat wird es nie ermessen.

Aus dem Brief eines deutschen Soldaten in Stalingrad, 1943

Das Brechen mit einem herrschenden Dogma, das sich in Abermillionen Köpfen festgesetzt hat, ist schwierig und benötigt vermutlich ebenso viel Zeit, wie der Aufbau seiner Herrschaft beansprucht hat. Der offizielle Diskurs kann – und das eben erweist etwas als eine Herrschaft - durch keine, wie auch immer geartete Meinung signifikant beeinflusst werden. Darum spielt es eine vergleichsweise geringe Rolle, ob das vorliegende Buch von jemand gelesen und verstanden wird, der am herrschenden Diskurs teilnimmt, oder ihn gar offiziell vertritt. Das Buch richtet sich an die, welche Trost suchen und dazu einer unabhängigen, originellen Sehhilfe bedürfen, der eines Psychiaters, eines Philosophen, eines parteilosen Zeitgenossen, eines Lebemanns, eines ganz und gar unabhängigen Denkens.

Eine tiefverborgene Traurigkeit schlummert in uns. Wo sind wir?

Die Welt ist im Umbruch. Was heute noch gilt, wird morgen mit Füssen getreten. Wer heute frei atmet und frei denkt, wird morgen der Blamierte sein, möglicherweise sogar der Verfolgte. Alles wendet sich nun gegen sich selbst. Autoaggression und Selbstverletzung sind im Westen zu den zentralen kulturellen Treibern geworden. Der Westen erträgt sein Unbewusstes nicht mehr, er entleibt sich, um es loszuwerden. Er will gehen, will abtreten. Er spricht, wie alle Sterbenden, von Erneuerung und Wiederauferstehung, vom großen, neuen Äon. Der Westen hat angefangen, sich in größtem Stil selbst zu belügen, es macht ihn geil, es ist für ihn neu. Das hat er noch nie probiert, doch jetzt probiert er es. Jede spezifische Differenz soll verschwinden in dieser neuen, schönen Welt. Der westliche Mensch fährt nun auf den Ozean des Einerlei hinaus, im Boot des Sexus, und dabei – welche Lust! - wird ihm alles zur Kopulation. So endlich kann er sterben - und doch eben gerade weiterleben.

Das vorliegende Buch ist kein Buch, das auf einfache Weise Stellung nimmt.

Ich wurde 1953, im Jahr von Stalins Tod geboren, im letzten Jahr des Koreakrieges, und nur acht Jahre nach Hitlers Selbstmord im Berliner Führerbunker. Die frühesten Erinnerungen an meine Umwelt in der Berner Altstadt, die erstaunlich lebhaft geblieben sind, datieren wohl von 1956/57. Es gab damals unsere Zeit noch nicht. Es existierte noch keine Raumfahrt, es gab noch keine Computer, die diesen Namen verdienten, die Ära Castro in Kuba begann erst gerade, und es gab noch keinen J. F. Kennedy, die Beatles waren in Hamburg noch nicht aufgetreten, es gab sie noch gar nicht. Es gab keinen Pop, keinen Rock (nur den klassischen Rock’n’Roll, den Twist – und kitschige Schlager, Seemannlieder von der Waterkant…), keine Grünen, keine Linksautonomen, keine Terroristen weltweit (ausser in Palästina und Israel). Israel begann gerade nachhaltig zu existieren, der allentscheidende Sechs-Tage-Krieg lag aber noch in weiter Ferne. In der Schweiz war alles noch auf die alte Landesverteidigung getrimmt, alles erschien grau, diszipliniert, misstrauisch, ehrenhaft. Bundesräte waren noch absolute Respektspersonen. Begegnete mein Vater einem von ihnen in der Berner Altstadt, so lüftete man gegenseitig den Hut und grüßte steif. Das britische Weltreich löste sich damals ins Commonwealth auf. Winston Churchill, ein Mythos, lebte noch. Ich erinnere mich vage an Anthony Eden, von dem Vater erzählte, etwas besser an MacMillan und recht gut an die folgenden Premiers, die heute historisch sind. Ich erinnere mich sehr gut an De Gaulle, ein Herr von unnahbarer Größe, unbestechlichem Geist, absoluter Integrität, cäsarischer Diktion und bourbonenhaftem Auftreten. An Ludwig Erhard, die Zigarre, und an das Reden vom Wirtschaftswunder. Europa lag in Trümmern. Österreich lag in Armut, Deutschland war – trotz des Wirtschaftswunders - fundamental zerstört und kein richtiger Staat (was es heute noch nicht ist, schaut man ganz genau hin). Walter Ulbricht - eine schäbige, subalterne Gestalt - und seine Auftritte sind mir noch in Erinnerung, der Mauerbau und die Panzer. Es war, als ob der Weltkrieg noch immer nicht zu Ende sei, als erhebe sich irgendetwas, etwas Revanchistisches aus dem Staub, ein Gespenst, hüben wie drüben, in einer allgemeinen Paniklandschaft, eingedenk der noch kaum zurückliegenden Verbrechen all der Armeen, von denen man heute kaum noch spricht. 1960 dann die Olympiade in Rom, die wir – eine Première im Dorf – durch das Medium eines kleinen, gemieteten TV-Geräts in Schwarzweiss verfolgen konnten. Ich war damals sechs Jahre alt und bereits entschieden erotisch – der Anfang - in Wilma Rudolph verliebt, die schwarzamerikanische Läuferin. Diese Frau hatte mir ungeheuer imponiert, ich weiss bis heute nicht wieso. Sie erschien mir als etwas absolut Wunderbares. Man nannte sie die schwarze Gazelle. Die afrikanische Dekolonisation, die Ermordung Tschombés, Lumumbas, der Aufstieg Mobutus, die Macht der Apartheid, Ian Smith im starken Rhodesien (heute das verlotterte Zimbabwe unter Mugabe). Der Biafra-Krieg in Nigeria. Heute vergessen, als habe es ihn nie gegeben. Ojukwu hieß, glaube ich, der Rebellenführer, ich bewunderte ihn. Die Rückkehrs Juan Perons an die Macht, das Glitzern eines verdünnten Faschismus, auch im Phänomen Gamal Abdel Nasser leuchtete es auf und verwies in die Vergangenheit, sprach von der Zukunft. Der ewige König Faisal, Golda Meir, Moshe Dayan. In Spanien der nicht minder ewige Generalissimus Franco, den Hitler noch abwertend als Feldwebel apostrophiert hatte. Man könnte stundenlang aufzählen. Und natürlich dann Vietnam. Vietnam. Vietnam. Ununterbrochen! Ich sehe sie immer noch, die Bomber am Bildschirm, die Napalmwolken am Boden, die GI, wie man die amerikanischen Soldaten damals nannte, Zigarette im Mundwinkel, den Stahlhelm schräg auf der Birne, entweder grinsend oder unglaublich leidend. Die Tet Offensive, all die Meldungen über nummerierte Hills, die man am Einnehmen sei, und die man doch nie einnehmen konnte. Das Getöne Nixons und Johnsons und immer wieder Ho Tschi Minh mit seinem Bärtchen, die Weltikone des Widerstands, und Che Guevara, der überall mit anwesend war, wo zwei junge Menschen zusammenkamen. Rudi Dutschke, die APO, der Mai in Paris. Danny le Rouge, De Gaulle, Sartre. Lange Zeit hindurch war ich nur Zeitzeuge und folgte dabei den Interpretationen meiner Eltern. Ab etwa 1967 begann die Ablösung der Jugend von der Welt der Autorität, der empörte, genussvolle Dauerprotest, das dionysische Lebensgefühl, die nie endenden Diskussionen, die langen Haare und die freie Liebe, und die Gram der Alten, die den Weltkrieg durchlitten hatten und sich nun von den eigenen Kindern verraten fühlten, ja angegriffen wussten, als wären sie alle Nazis gewesen. Die Mondfahrt 1969 erlebte ich in Südfrankreich, in jugendlich-revolutionärer Gesellschaft, ein Kaisersommer in jeder Hinsicht. Wir waren Freie, Sieger, wir wollten weg, fort, aufbrechen, nach Shangrila, in die Südsee, nach Griechenland, in die Arme von tausend Frauen, wir wollten leben, in der Sonne, draussen, ungewaschen, ungekämmt, innerlich aufgeräumt, die einen unter Drogen, die anderen randvoll mit Ideologie. Ich selbst beschäftigte mich mit Philosophie, war unentschieden, voller tiefer Probleme, wenn nötig stundenlang monologisierend. Die Welt der Alten war grau, zinnsoldatenhaft, verlogen, gemein, brutal, hoffnungslos, konservativ bis ins Mark, und immer noch faschistisch, wie wir dachten, revanchistisch. Und doch war sie auch schön. Postkartenschön. Sie war voller gestanzter Erinnerungen, steckte voller Gold, von dem auch wir noch schürfen mochten. Wir hatten keine Ahnung vom europäischen Bürgerkrieg zwischen 1914 und 1945, von diesem Riesenkampf, und wir vermuteten überall Nazis, die herumschlichen und Ämter besetzten, aus denen sie längst hätten vertrieben werden sollen. Es gab damals keinen Grund mehr, irgendetwas zu verteidigen, ausser der radikalen Freiheit des Individuums, der freien Liebe, des ewigen Wanderns, living on the road, wie der sagenhafte Jack Kerouac. Verbrüderung und Verschwesterung hatten um sich gegriffen: So und nicht anders müsse man es nun machen! Gleich daneben explodierten die Granaten und Napalmbehälter der USA, schossen die Israeli auf Araber, prasste der vom Westen protegierte Schah in Persien in St. Moritz. Überall Freiheitsfronten, alle marxistisch. Überall Befreiungskriege, alle sozialistisch. Noch keine Massenmigration, sondern Aufstand dort, wo man sich durchsetzen wollte. Alle glaubten ans eigene Land, ans eigene Volk, es war ein marxistisch verbrämter Nationalismus, der die ganze Welt umtrieb. Musterhaft Fidels Revolution und das neue Kuba, direkt vor der Nase des Erzfeindes, eine Meisterleistung. Gewaltig Maos Kulturrevolution, eine Häutung der Roten, die dunkelrot werden wollten. Gewaltig die Macht der Sowjetunion, die Grösse ihres Raumfahrtprogramms, die Tödlichkeit ihres Geheimdienstapparats, der Gulag. Samisdat (Selbstverlag), Solschenizyn, jeder wusste Bescheid. Die Sowjetunion erschien gewaltig und fremdartig wie der Mond. In der Schweiz immer noch das alte Milizheer von sechshunderttausend Mann (sic!) und flächendeckende Verteidigung der eidgenössischen Scholle. Widerstandnester, Gegenangriffsräume, geplante Minenfelder, Panzersperren überall. Doch die Soldaten waren marxistisch infiziert, der Kampf an der Haarfront tobte stellvertretend für Eigentlicheres. Irgendwann fing ich an, dem Geschehen mit anderen Augen zu folgen. Ich erkannte, dass wir Jungen denselben Fehler machten wie die Alten bei der Interpretation der Welt, wir schauten zu wenig genau hin und hatten Angst. Mir wurde früh bewusst, dass diese Angst einen Grund hatte, er lag im Umgang mit Auschwitz. Die Shoa wurde als indiskutables Verbrechen angesehen - oder total verdrängt. Es etablierte sich eine merkwürdige Art der Meinungsbildung rund um diese Insel der Unberührbarkeit herum, die uns plausibel anmutete, aber neurotisch war. Man betrachtete zwar die Welt, aber man klammerte die Shoa aus, eben weil sie nicht ausgeklammert werden kann, doch war man damit kategorisch überfordert. Es blieb nur die Verdrängung. Noch war die Lösung nicht die Autoimmunisierung. Sie wird zum Schicksal des Europäers des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Ich werde davon berichten. Die Masse der Alten war im Grunde wie jene der Jungen irgendwie immer noch antisemitisch eingestellt, verdrängte das aber um jeden Preis und leugnete es überall, wo es an die Oberfläche kommen wollte. Es bildete sich eine seltsame Doppelbödigkeit aus, unten ein schwelender Antisemitismus, darüber eine betonte Israelbegeisterung, die man sich so naiv und direkt, sommerlich erhitzt, heute gar nicht mehr vorstellen kann. Alle wollten ins Kibbuz! Man sah nicht, dass man selbst zwar kein Nazi war, aber dennoch Antisemit blieb, quasi auf Vorrat, es könnte ja sein, dass man das irgendwann noch brauchen würde. Die totale Akzeptanz der Shoa als Sakrament unserer Epoche gab es nicht. Das hätte in unabsehbare Verwerfungen geführt. Stattdessen verschrieb man sich der marxistischen Befreiungsideologie, worin der Antisemitismus gratis als entmachtet miterworben werden konnte, ohne dass man sich damit wirklich auseinanderzusetzen hatte. Wer links und marxistisch war, war - eo ipso, gratis - Antifaschist, und als solcher war man - eo ipso, gratis - kein Antisemit – auch wenn man ganz tief drin doch einer war, auf Vorrat, das heisst, als Kapital. Nach dem Ende des Kalten Krieges änderte sich alles. Die Masse verstand es nicht, bis heute begreift sie nicht, was das Ende des Kalten Krieges für sie im Grunde bedeutet. Jetzt setzte sich nicht nur die 68er Generation nach ihrem langen Marsch durch die Institutionen endgültig durch, in all ihrer narzisstischen Dauerpuerilität. Heute herrschen ergraute Kinder, vor allem in Deutschland. Jetzt gibt es keinen Gratis-Antifaschismus und Gratis-Antisemitismus mehr, nun muss man dafür bezahlen. Jetzt ist man entweder ein Faschist oder ein linksliberaler Humanist, wie die neuste Verkleidung des Sozialismus nobel heisst. Gleichzeitig stellt die neue Faschismusdebatte ein falsches, erfahrungsbefreites Faschismusbewusstsein in den Raum. Ich lernte in den Fünfzigern und Sechzigern noch Altnazis kennen, im Umfeld der Bekannten meiner Eltern, wie auch Altkommunisten, und später dann traf ich Sympathisanten und auch Mitglieder der RAF. All diesen Menschen war eine eiskalte Rationalität eigen, die man heute nirgends mehr antrifft. Von der giftig luziden, empathielosen, brutalen psychophysischen Präsenz eines überzeugten Altnazis macht man sich heute keinen Begriff mehr. Niemand ist mehr so. Nur im Umfeld der RAF habe ich noch solche Menschen gespürt, die es darin mit Nazis aufnehmen konnten. In keinem Filmepos kommt dieser Typus richtig zur Darstellung, eben darum, weil niemand einen Begriff davon hat, was der Mensch ist, wenn er sich der absoluten Rationalität verschreibt, dem absoluten Kalkül, aus dem jedes Mitgefühl ausgetrieben ist. Was der Mensch ist, wenn er sich als Maschine definiert, nicht auf Gladiatorenniveau, sondern als Herrschaftsmaschine, kann heute niemand mehr ermessen. Man kann – als besonders bürgerliches Beispiel - bei J.R. von Salis nachlesen, wie solche Eiseskälte gewirkt hat auf Menschen einer aufgeklärten, empathischen, großbürgerlich-gefestigten Gesittung. Salis hatte nach dem Weltkrieg Gelegenheit, in Österreich und in der Tschechoslowakei an Gesprächen teilzunehmen, an denen Kommunisten und Sowjets beteiligt waren. Er schreibt über diese Begegnungen: „Was für merkwürdige Menschen sind diese kommunistischen Intellektuellen (…). Kalt, fanatisch, bedenkenlos, unmenschlich, scharfsinnig… Russland ist eine Mauer, es will nicht verhandeln, und wenn es verhandelt, bringt es alle Einigungsversuche zum Scheitern.“1 Diese Kälte und diesen Fanatismus meine ich. Ich habe beide gespürt, in meinen frühen Lebensjahren. Nur wer es in seinem Gefühl hat, kann ermessen, was 1945 zu Ende gegangen ist, kann verstehen, welcher Kampf geführt wurde, und wie überwältigend der Sieg in Wirklichkeit war, in der Tat war er ebenso gewaltig, wie jener des Octavian über die letzten Ausläufer der Bürgerkriegsparteien. Die übliche Warnung „Wehret den Anfängen!“ ist unter den herrschenden Umständen nicht viel mehr als eine Redensart. Aus den heutigen Pseudo-Nazis können niemals echte werden, hierzu fehlt es an allem. In unserer Zeit kann keiner mehr eine solche Kälte entwickeln und durchhalten, und zwar nicht auf dem Troglodytenniveau des narzisstischen Terroristen unserer Tage – das ist wieder etwas ganz anderes -, sondern auf dem Niveau des Geistes des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts in Europa. Die Gefahr geht heute von der Vagheit und Pseudo-Intellektualität aus, die unsere Kultur regiert. Es hat sich in Europa ein Geist etabliert, den es zu untersuchen gilt. Die Tatsache, dass heute eine Staatsbeamtete öffentlich sagen darf, dass Deutschland keine eigene Kultur besitze, mit Ausnahme der Sprache, und dass dies von der Masse der Rezipienten nicht nur durchgewunken, sondern womöglich sogar geteilt wird, deutet auf eine Katastrophe hin, die noch ganz und gar ihres Tacitus harrt, doch ein solcher ist nirgends in Sicht.2 Wer sich mit meinen Thesen befasst, wird feststellen, dass ich versucht habe, dem Geschehen mit tiefgreifenden Erklärungen zu begegnen, die man in dieser Form und Terminologie nicht vorfindet. Das Buch enthält neue Erklärungskonzepte. Ich bin kein Historiker oder Politologe, ich bin forschender, denkender Zeitzeuge, dessen Standpunkt erst wird.

Rousseau schreibt, dass das allgemeine Gute überall offensichtlich sei, und dass es nur des guten Willens bedürfe, es auch wahrzunehmen. Grosse Worte: «Bon sens»! «Evidence»! Leider sind wir heute ganz entschieden auf dem Weg ins verrechtlichte Zeitalter. Der «bon sens» ist längst durch den «faux sens du juge» abgelöst worden, und was die «évidence» angeht, wagt heute niemand mehr, sie so naiv in den Raum zu stellen wie Rousseau. «Evidence» ist heutzutage nur allzu rasch etwas Faschistisches. Seit Rousseau hat sich eine riesige Masse an Neuschreibern, Abschreibern, Ruminatoren, Kommentatoren und anderen Wichtigtuern, die damit ihr Geld verdienen, auf dem Feld des politischen Gedankens niedergelassen, an deren Legionslager niemand mehr vorbeikommt. Der politische Gedanke ist daher schon lange toter als tot. Seither wird mit ihm gewuchert, was das Zeug hält.

Wir haben drei Kernlügen in unserer Zeit, die so evident sind, dass sie ebenso unsichtbar sind wie die Sonne, in die keiner blickt, der sein Augenlicht nicht riskieren will. Die erste lautet, dass der Faschismus eine Ausgeburt des Pöbels sei, der sich durch die Wahrheit übervorteilt vorkomme. Das unterschlägt, dass diese Einschätzung vom Antifaschismus stammt und nirgends eine neutrale ist. Die zweite stipuliert, dass das Gute seinem Wesen nach progressiv sei, und dass es dort, wo es sich mit ihm anders verhalte, korrumpiert worden sein müsse. Eine Perversion des Rousseauschen Grundgedankens. Dessen Urmensch war nicht progressiv, sondern naiv. Er war kein Gegner der Verhältnisse, er lebte sie, und er war kein Feind des Eigenen, er kannte es einfach nicht. Die dritte Lüge schließlich lautet, dass man auf politischem Weg, mit oder ohne Gewalt, zum spekulativen Naturzustand zurückkehren könne. Doch kann niemand über die Republik hinaus irgendwohin gehen, es sei denn in die Despotie, deren natürliches Habitat das Reich ist.

Mein dänischer Freund Viggo – ein Bauer und ein König - hat sich vor zwei Jahren das Leben genommen. Er hat, weit mehr als ich, weil bereits 1929 geboren, die Problematik dieser Zeit durchlitten und blieb dennoch der Vernunft treu. Nie glitt er ab in einen Sozialismus oder in einen Faschismus. Er sah alles. Er sah, wie wir immer stärker in verrückte Zeiten hinübergleiten, wie schon einmal, doch diesmal mit umgekehrtem Vorzeichen. Es ist Wahn vom selben Wahn. Es wird mit ihm auf gleiche Weise enden, in und auf einem europaweiten Trümmerfeld.

1 Von Salis, J.R., Grenzüberschreitungen, Insel, 1978, zweiter Bd., S. 298

2 Dies habe Frau Özoguz 2017 gesagt, wie mir mitgeteilt wurde. Auch Frau Nahles stehe solchen Gedanken anscheinend nicht fern.

Die Arbitrage

Das Geschäft, das man macht, wenn man eine Ware vom Ort ihrer Billigkeit zum Ort ihres Mangels bringt und dort verkauft. Human Arbitrage: Die wohl einzige Arbitrage, bei der die Logistikkosten nicht limitierend sind, weil die Ware und/oder der Käufer sie übernehmen. Eine Arbitrage, die ohne fundamentalisiertes Menschenrecht nicht möglich wäre. Die aktuelle Form der Sklaverei. Ein linkes Geschäft, kein rechtes.

Das Fracking

Das Aufspalten von energieträgerhaltigen Gesteinsschichten durch Injektion einer Flüssigkeit, wodurch der Energieträger austritt. Cultural Fracking: Beschickung einer Kultur mit einem Sprengmittel – Ethos, Ideologie, Religion, Kapital, Menschen - unter hohem Druck, mit dem Ziel, den eingeschlossenen Geist der Kultur entweichen - sich provozieren, sich zeigen, sich entfalten - zu lassen, ihn zu fassen, seine Wirkrichtung umzudrehen, oder ihn abzufackeln.

Der Kapitalsozialismus (KS)

Die aktuelle Form des (utopischen) Sozialismus im Westen. Zunächst handelt es sich – noch unverdächtig - um den kapitalistisch finanzierten Sozialstaat, der immer mehr zur Zwillingsgesellschaft wird, zwei Drittel, die dem Kapitalismus huldigen und ein Drittel, der einem bezahlten Sozialismus verbunden ist und davon lebt. Auf der nächsten Ebene handelt es sich um den geschäftstüchtig gewandelten Sozialismus, der nun selber kapitalistisch vorgeht über den Scheinmarkt von Zehntausenden von NGOs und NPOs, die sich global konkurrenzieren, aber auch ergänzen. Sie werden von der Republik und von beteiligten Terakapitalisten finanziert. Letztere liefern das Anschub- und Risikokapital, in unheiliger Allianz mit dem global operierenden, organisierten Verbrechen, das die periimperiale Logistik aufbaut und betreibt. Auf der dritten Ebene handelt es sich um die künstlich herbeigeführte, globale und mit Macht forcierte Human Arbitrage und ein vielfältig betriebenes, die Arbitrage flankierendes, kulturelles Fracking - zur Reduktion des Widerstands in der Bevölkerung -, im verdeckten Auftrag und zum Nutzen des Terakapitals, im Einklang mit dem utopischen Sozialismus und einem bildungsfreien, emotionalen Humanismus, der nichts mehr mit dem rationalen und gebildeten Humanismus zu tun hat, sondern nur wieder neu das bedeutet, was die zweite Ebene betreibt: institutionelles, lukratives Helfen, Nachhelfen, Umschichten und Ausstatten. Das Programm zuhanden der eigenen Klientel. Das Ende des Kapitalsozialismus liegt dereinst erneut im Kommunismus. Dieser wird dann zur Option, wenn dem System das Kapital ausgeht, was bedeutet, dass durch das Fracking überkommener Strukturen und Kulturen der nettoleistende Stand ausgehöhlt und unter seine kritische Masse abgesenkt worden ist.

Der Sozialismus hat die Lektion des Kalten Krieges gelernt. Er hat gelernt, dass er blockartig gegen den Kapitalismus nicht bestehen kann. Nun lernt er, mit ihm zu koexistieren, ihn partizipativ umzuprogrammieren, um am Ende seinen Kollaps einzuleiten. Eine clevere Strategie. Es handelt sich nicht um eine Verschwörung, sondern um ein auf der Hand liegendes Geschäftsmodell der Extraklasse, das man aber nur erkennt, wenn man komplett frei von Sentimentalitäten denkt. Das Terakapital benützt Menschenrecht, Humanismus und Sozialismus, um das größte aller Geschäfte der Moderne tätigen zu können, die globale Human Arbitrage. Hier ist weit mehr Geld zu verdienen als an jeder Börse. Das Geld stammt von den Tüchtigen und aus deren Republik, aber auch von der Ware Mensch selbst, die gehandelt wird. Ein absolutes Novum in der Geschichte der Sklaverei. Damit das Geschäft aufgeht, muss überall auf der Welt die lokal gewachsene Kultur gefrackt, die Arbitrage muss mit aller Macht ins Riesenhafte forciert werden, damit jede Alternative in sich zusammenfällt, weil keine Zeit und kein Raum für Vernunft mehr bleiben.

Das Buch behandelt diese und viele andere, damit verbundene Themen auf unorthodoxe Weise und zeigt auf, wieso es so weit kam.

Inhalt

Begegnung in Sils (1)

Standortbestimmung

Konstanten

Variablen

Ausblick

Der Mensch als Selbstzweck

Die Deklaration von 1948

Problem im Menschenrecht

Illusion der abendländischen Politik

Vom Ende der Aufklärung

Und was will nun werden?

Eine Annäherung

Vom Fracking

Wege und Holzwege

Über die Doktrin

Double Society

Unbewusstes, Urmenschliches

Begegnung in Sils (2)

BEGEGNUNG IN SILS (1)

Wo sind heute die Sartres, die Nietzsches, die Marxe, die Voltaires, die wirklich Gescheiten, Bewussten, Gerechten? Sie und ich, wir sind allein und müssen mit etwas umgehen lernen, das grösser und mächtiger ist, als alles, was wir kennen. Hier sind ein paar meiner Gedanken. Selbst mögen Sie ganz andere haben. Wichtig ist, dass wir sie äussern. Der Grundgedanke dieses Buches sei zusammengefasst: Die verfasste Republik spielt seit 1945 vor der Kulisse eines neuen, immer stärker hervortretenden Reiches. Es ist das Imperium Humanum, das uns zeitgemässe Bedeutung verleiht. Jede und jeder von uns ist darin ein Prinzeps. Die Gesellschaft ist zweigeteilt, sie zerfällt in die Gesellschaft des Kolosseums und in die Gesellschaft der Leistung. Zugleich ist sie eine republikanisch-demokratisch-nationale und eine imperiale, smenokratische und globale. Zwischen diesen Dichotomien wirken die Dynamiken, die in der heutigen Politik und Kultur tonangebend sind, weil sie weitgehend bewusstlos arbeiten, was sie unüberwindlich macht. Hat nicht der neue Mark Anton – oder erinnert er uns an jenen Nero, den uns Tacitus und die Christen eingeordnet haben? - in Washington vor einiger Zeit gesagt: „A nation without a border is not an nation“?3 Geben wir es zu, uns Heutigen erscheint dies zunächst beliebig, oder aber wir halten es für Schwachsinn. Wenn wir jedoch genauer darauf hinhalten, werden wir am Ende erfahren, dass es sich um eine Wahrheit handelt. Wie immer, wenn heute von Schwachsinn die Rede ist. Nicht um eine unliebsame, sondern schlicht um eine Wahrheit. Wird nicht jeder Inhalt durch seine Begrenzung definiert? Oder genauer: Existiert diese Grenze nicht dort, wo sich der betreffende Inhalt nicht mehr nachweisen lässt? Ausgeschüttete Milch etwa endet dort, wo man sie mit chemischen Mitteln nicht mehr nachweisen kann. Dort nämlich wird die Grenze des Milchseins überschritten. Umgekehrt definiert die Grenze immer das, was sich diesseits davon befindet, selbst wenn es ein Potpourri ist. Wo endet nun ein Staat? Wo endet eine Nation? Wenn sie dort zu Ende sind, wo ihr Grundgesetz und ihr corpus juris ihre Gültigkeit verlieren, so kann dies bedeuten, je muss es bedeuten, dass immer dann eine Nation oder ein Staat zu Ende ist, wo sich Grundgesetz und Gesetzeswerk nicht mehr anwenden, beziehungsweise durchsetzen lassen. Doch wir können dem weit mehr anschließen und sagen, sie endeten auch dort, wo sich ihre Alltagskultur, wie auch immer sie definiert sein möge, offensichtlich nicht mehr durchsetzen und einklagen lassen darf. Wenn ein Staat nun darauf verzichtet, seine geografischen Grenzen zu bewachen, so verschwindet die Begrenzung des Staates oder der Nation damit nicht einfach, sondern verschiebt sich sowohl ins Innere des geografischen Raums, welchen traditionellerweise jener Staat und jene Nation beanspruchen, als auch nach ausserhalb überall dorthin, wo man sich freiwillig an die Regelwerke jenes Staates und jener Nation halten will oder hält. So stellt sich heraus, dass eine Nation immer begrenzt ist, oder sie existiert nicht. Wir sind berechtigt, selbst den geflohenen Rohingya den Status einer Nation zuzubilligen, obschon sie derzeit staatenlos leben. Damit sind unsere Gedanken aber nicht ausgeschöpft, mein Freund, wenngleich heutzutage die Durchdringungskraft unseres Geistes gering geworden ist, wie der Blick auf die Verlautbarungen unserer Intellektuellen unmissverständlich beweist. In der Tat denken die allermeisten von ihnen nur noch bis zur Nasenspitze. Was ich oben entwickelt habe, legt den Schluss nahe - zwingt ihn uns geradezu auf -, dass innerhalb der geografischen Grenzen einer Nation oder eines Staates, die darauf verzichten, ihre Grenzen zu bewachen und zu verteidigen, Nation und Staat überall dort enden, wo ihr Grundgesetz, ihr Gesetzeswerk und ihre Alltagsmodalitäten der über Generationen hinweg tradierten und entwickelten Kultur keine Geltung mehr besitzen oder zu erlangen vermögen, sei es durch selbstverschuldete und selbstauferlegte Lässigkeit bei ihrer Durchsetzung oder durch die Renitenz derer, die sich ihnen unterziehen müssten, es jedoch konsequent verweigern oder erfolgreich unterlaufen. Damit also wären – sind – wir gezwungen, alle jene Bewohner desselben Territoriums, die sich nicht an die Regeln halten, beziehungsweise, denen gegenüber wir weitgehend darauf verzichten, sie bei ihnen so durchzusetzen, wie bei uns selbst, als nicht zu unserer Nation gehörig zu betrachten und nicht als Subjekte unseres Staates zu katalogisieren. Verletzen wir diese Regel, verletzen wir im Prinzip die Idee der Nation und auch jene des Staates, so wie sie auf uns überkommen sind. Geben wir diesen Menschen dennoch eine staatliche Identität, und zählen wir sie dennoch zur Nation, zerfällt der Staat augenblicklich in ein Puzzle blosser Verwaltungselemente, und die Nation verliert ihren tieferen Sinn.4 Konsequenterweise müssten wir also in diesem Falle aufhören, von unserer Nation, ja überhaupt von der Nation zu reden, und wir müssten aufhören, von unserem Staat, ja überhaupt vom Staat zu reden. In Wahrheit existierte nur noch eine Bevölkerung, deren einziges Identifikationsmerkmal der Umstand ist, dass sie auf einem bestimmten geografischen Territorium lebt. Den Begriff der Nation hätten wir ganz aufzugeben und ihn durch jenen des Imperiums – des Reichs - zu ersetzen. Dies darum, weil die nächst grössere, begrenzbare Einheit, die an jene der Nation anschließt, jene des Reiches ist, wie man es von alters her aufgefasst hat. Denn auch eine Nichtnation hat eine Grenze, die dort zu ziehen ist, wo das eben beschriebene, neue System seine Gültigkeit verliert, eine Grenze, die man als Reichsgrenze bezeichnen muss. Wie du weißt, mein Freund, ist unser Geist immer noch durch die Erfahrung mit dem Dritten Reich getrübt. Hier nun ist nicht von einem Reich wie dem Dritten die Rede, sondern von einem Reich, wie es das Heilige Römische Reich war, beziehungsweise jenes der Römer selbst, das Imperium Romanum. Die römische Nation war auf die Bürger beschränkt, doch das Reich selbst setzte diese Nationalität für die Gesamtheit seiner Bewohner gerade nicht voraus, und dennoch handelte es sich nicht um ein Kolonialreich. Sowohl das Dritte Reich, wie auch die Kolonialreiche der Europäer sind nicht Beispiele für jenes Reich, das hier gemeint ist und gemeint sein muss. Wie du siehst, Freund, besitzt jener amerikanische Mark Anton, der im Augenblick regiert, durchaus einen scharfen Verstand, und es ist einmal mehr so, dass seine Kritiker, schaut man genau hin, Wichte sind. In einer Zeit der Wichtelherrschaft unabhängig zu denken und zu reden, das ist unser Geschäft, Freund, und hierzu sind wir gemeinsam unterwegs. Lass uns damit bis an unser Lebensende nicht mehr aufhören, möge uns deswegen auch noch so viel Schmutz ins Gesicht geworfen werden! Man kann nun aber keine Epoche verstehen, wenn man nicht ihre schärfsten Kritiker ernstnimmt. Hier gibt es keine Grenze, und hier haben wir soweit zu gehen, dass es schmerzt. Denn sonst missachten wir ein Gebot der reinen Vernunft, nur dort inne zu halten und umzukehren, wo das Reich des Tieres beginnt.

Wenn man keine Berührungsängste hat, so findet man heute auf dem Netz in ihrer Offenheit erstaunliche und erstaunlich gute Arbeiten, die auf den Punkt bringen, was den westlichen Zeitgenossen – zumindest in Zentraleuropa – heute umtreibt. Noch vor wenigen Jahren wären solche texte undenkbar gewesen. Das zeigt, wie unfrei wir bisher gewesen sind im Westen, aber auch, wie rasch wir erneut unter die Knute einer Zensur gelangen werden. Denn diese Gedankenfreiheit, die wir heute auf dem Netz antreffen, beflügelt derzeit die „Rechten“, nicht die Linken. Ein Fakt, der an sich bereits sensationell ist. Doch das wird nur von relativ kurzer Dauer sein. Kein herrschendes System kann es sich leisten, seine Kritiker nicht zu knebeln. Es sei denn, während der kurzen Jahre der Revolte.5 Im Folgenden seien Passagen abgedruckt, die uns eine solche Standortbestimmung zeigen, die, wie ich meine, ganz und gar neu ist, zumal sie nicht von einem intellektuellen „Silberrücken“ stammt, wie bisher unabdingbar war, sobald es ernst wurde mit der Aussage.6

„Im Prinzip läuft die Entwicklung auf eine Auflösung des National- und damit auch des Sozialstaates in Deutschland hinaus. Ersterer ist in den Augen der politischen und medialen Eliten sowieso nur noch ein Relikt dunkler Zeiten und durch die europäische Idee zu ersetzen.“

„Die unkontrollierte Masseneinwanderung und die offensichtlich von höchster Stelle gewollte Transformation – „Das Volk ist jeder, der hier im Land lebt“ – werden in absehbarer Zeit die Grundlagen des Sozialstaates zerstören, der auf fragilen Voraussetzungen beruht: Solidarität, Gegenseitigkeit, Vertrauen, ein funktionierender Rechtsstaat, die Aufgabe tribalistischer Strukturen und eine weitgehend kulturelle Homogenität seiner Bürger.“

„Wenn wir ehrlich sind, wer hätte sich – obwohl es natürlich für nüchterne Analytiker Anzeichen dafür gab – Anfang 2015 vorstellen können, wo wir uns heute befinden?

Weihnachtsmärkte, Karnevalsumzüge und größere Veranstaltungen müssen von schwer bewaffneten Polizisten, mit Straßensperren und strengen Einlasskontrollen gesichert werden;

Gewaltverbrechen von neuer Qualität, Vergewaltigungen, Messerstechereien, Massenschlägereien, Angriffe auf Polizisten, Rettungs- und Krankenhauspersonal sind Alltag geworden;

Pfefferspray, Schusswaffen, Überwachungs- und Sicherheitselektronik sind Verkaufsschlager;

Hunderttausende abgelehnte Asylbewerber, die vorher alle ungeprüft ins Land gelassen und willkommen geheißen wurden, können nun aus unzähligen Gründen nicht abgeschoben werden;

Die Kosten der „Willkommenskultur“ – Unterbringung, Integration, Sprachkurse, Hartz IV, Gesundheitskassen, Sicherheit – erreichen inzwischen schwindelerregende Summen (nach Schätzungen für 2017 zwischen 20 und 40 Milliarden Euro);

Politiker einer demokratisch gewählten Partei werden angegriffen, Hoteliers und Veranstaltungsorte vermieten auf Druck linker Gewalttäter keine Räume für Parteiversammlungen oder werden massiv von „toleranten und weltoffenen Gruppen“ bedroht;

Tausende deutsche Staatsbürger mit Doppelpass fordern bei einem Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim in Oberhausen lautstark die Einführung der Todesstrafe in der Türkei;

Die Opfer eines islamistischen Terroranschlags in Berlin werden praktisch totgeschwiegen; erst auf massiven Druck der Öffentlichkeit müssen die politisch Verantwortlichen (niemand tritt zurück) eine Gedenkveranstaltung mehr als drei Wochen nach dem Anschlag abhalten.“

„Die Liste der bis vor kurzem noch für ganz unwahrscheinlich gehaltenen Tatsachen lässt sich endlos fortführen. Der Gewöhnungseffekt hat dabei längst eingesetzt, nur noch spektakuläre Ereignisse lassen uns aufhorchen.“

„Ein Blick auf die ausländische Berichterstattung zeigt, dass viele Kommentatoren die hiesigen Entwicklungen mit zunehmendem Unverständnis betrachten. Deutschland ist mit seiner Position in Europa weitgehend isoliert. (...) Die Tabuisierung aller nationalen Interessen, die faktische Preisgabe des Landes, wird in den Augen der meisten anderen europäischen Staaten, wie auch von Ländern wie China, Japan oder den USA, als „deutscher Sonderweg“ betrachtet, als eine illusionäre und weltfremde Politik, die einer Selbstzerstörung gleichkommt.“

„Dass ursprünglich im linksextremen Spektrum angesiedelte Positionen („No borders“, „Kein Mensch ist illegal“) zur Staatsdoktrin in einem von einer (einst) konservativen Partei geführten Deutschland wurden, ist vielleicht die erstaunlichste Tatsache (...).“

„Die Realität sieht heute so aus: In den 30 DAX-Unternehmen mit mehr als 1,1 Billionen Euro Jahresumsatz und rund 3,5 Millionen Beschäftigten wurden gerade einmal 54 Flüchtlinge bzw. Zuwanderer fest angestellt, davon entfielen allein 50 auf die Deutsche Post.“

„Der unkontrollierte Zuzug aus mehrheitlich islamischen Ländern, so die Einschätzung des „Instituts der deutschen Wirtschaft“ in Köln (IW Köln), wird in den kommenden Jahren zu einem sinkenden Leistungsniveau des deutschen Bildungssystems führen. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen wird das multikulturelle Schweden bis 2030 ein Dritte-Welt-Land werden. (...) Kein Land ist im Ranking so stark abgestürzt wie Schweden. In Mathematik, in den Naturwissenschaften und beim Lesen liegt Schweden inzwischen unter dem OECD-Durchschnitt.“

„Neben der angeblichen Ankurbelung der Wirtschaft waren für die Verfechter der „Willkommenskultur“ auch die Lösung der demografischen Probleme, die Rentenfinanzierung und eine „Auffrischung des Genpools“ (Schäuble) erwünschte Nebeneffekte der Migrationswelle.“

„Zu dem Zeitpunkt an dem die Realität mit aller Macht die Ideologie ad absurdum führen wird, werden die Positionen der einst Diffamierten, wie die der AfD oder des „Packs“, voraussichtlich zu Forderungen der Regierung. Das deutet sich bereits in manchen kühnen Volten der einstigen Vorturner an, wenngleich die eigenen Irrtümer und das komplette Versagen nur in Ausnahmefällen eingestanden werden. Im Prinzip müsste man die Verantwortlichen in Politik – und vor allem auch in den Medien – jeden Tag in Endlosschleife mit ihren Haltungen der vergangenen zwei Jahre konfrontieren.“

„Hinzu kommt die Gewöhnung an veränderte Zustände, ein langsamer und schleichender Prozess der Aushöhlung des einst Vertrauten. Es wirkt wie ein Betäubungsmittel. Die Dinge entwickeln sich ebenso und nehmen ihren scheinbar vorbestimmten Lauf. Wie auf der staatlichen Ebene, fehlt auch in der Gesellschaft so etwas wie der Wille, sich zu behaupten, überhaupt etwas zu wollen. Dieser Wille ist für die Weiterexistenz der freiheitlichen und demokratischen Welt aber unabdingbar.“

"Warum begannen dann auch immer mehr bürgerliche Politiker, an unseren bewährten Staatssäulen zu zweifeln und zu nagen? 1989, nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Zusammenbruch des Ostblocks, was das Ende des Kalten Krieges bedeutete, verloren viele vollends den Kopf und meinten, nun sei der ewige Friede ausgebrochen. In pubertärer Naivität wollte man die Armee abschaffen oder doch völlig umbauen und suchte die Erlösung vom mühsamen Weg der Wahrung der Unabhängigkeit und Neutralität. Vielen war der souveräne Kleinstaat zu eng. Da kam die Integration in die damalige Europäische Gemeinschaft (EG), die heutige Europäische Union, als Rettung. Die EU wurde zur grossen Projektion der eigenen Wünsche und Interessen. Das Volkswohl interessierte schon lange nicht mehr. Kriege werde es keine mehr geben. Grenzen gehören der Vergangenheit an."7 Angenommen, wir wüssten nicht, wer das geschrieben hat, können wir diesem Statement einiges abgewinnen, doch sobald man uns sagt, von wem es stammt, überwältigen uns Ressentiments. Nicht uns beide natürlich, lieber Freund, denn wir glauben, davon frei zu sein, sondern die Masse der Rezipienten unserer Zeit. Anhand dieses einfachen, etwas grobschlächtig formulierten Sachverhalts, den uns der Schweizer Milliardär und Politiker Blocher hier auseinandersetzt, lässt sich unterscheiden zwischen denen, die zu unabhängigem Denken fähig sind und jenen, die glauben, unabhängiges Denken wäre linkes und linksliberales Denken. Was Blocher skizziert, und worauf die Masse der heutigen Rezipienten hinarbeitet, ist das Reich, das stets nächst grössere System für das gerade kleinere, das man als überholt erachtet.8 In dieses Reich geht man stets hinein, und aus der Enge des eigenen Landes tritt man immer hinaus. Sich ins europäische Reich zu denken, ist ein Akt der Befreiung und wird von vielen unmittelbar als ein solcher empfunden, auch wenn sie gar nicht wissen, was ihnen Freiheit eigentlich ist, und woraus sie besteht, wenn nicht ausschliesslich aus solchen Akten, die nebulös bleiben, wie immer, wenn es ums Imperium geht, das noch nicht endgültig ist, das noch am Werden und Heranwachsen ist, wie der mächtige Baum, der erst die Grösse des Busches hat. Der Mensch ist – infolge seiner wurzellosen Intelligenz – bemerkenswert dumm, wir wissen es, und wir nehmen uns davon nicht aus. Immerhin wissen wir, dass wir Dumme sind, während die Masse es für sich selbst bestreitet, um es niemals erfahren zu müssen, denn es ist schmerzhaft, und Schmerz ist, was die Menschen von allen Dingen am meisten hassen.

Über dem Silsersee lag letztes Tageslicht. Wir – mein Cousin Hagenbusch und ich - blickten auf seine spiegelnde Fläche hinunter und auf das ferne Maloja, die im Abendlicht glänzten. Beide standen wir am Fenster in Hagenbuschs Suite und tranken Whisky. Seit Tagen hatten wir uns hier einquartiert. Der Cousin war auf der Durchreise nach Wien, und ich, ich hatte ihn hier besucht. Setz dich, mein Lieber, forderte er mich auf. Du bist dir im Klaren, dass dein geplantes Buch zur Politik unserer Epoche eine gefährliche Sache ist? fragte er und verzog dabei kaum merklich das Gesicht. Er strich sich die langen, weissen Haare aus der Stirn und sah mich durchdringend an. Weißt du, auf uns hat keiner gewartet, lächelte er, und unser Standpunkt ist denen da draussen viel zu elitär, zu ungewohnt, zu rational, zu gebildet, ganz einfach nichts von dem, was sie kennen, und womit man sie täglich speist. Das, mein Freund, ist gefährlich. Den Menschen etwas zu servieren, wonach sie nicht verlangen, und was keiner von ihnen bestellt hat, kommt einem Affront gleich. Ihre Mägen können diese Speise nicht verdauen, sie werden Bauchschmerzen kriegen und tagelang an Durchfall leiden, mein Guter, wenn sie unserer Gedanken auch nur ansichtig werden. Gib ihnen Nazizeug, gib ihnen Kommunismus, gib ihnen jedwelchen Dreck, und du wirst sie damit umgehen sehen, als verstünden sie etwas davon, als sei es etwas von ihnen selbst. Doch gib ihnen freien Geist und reine Vernunft, und sie werden sich winden, als wären sie der Lindwurm, den der heilige Michael mit seiner Lanze aufgespießt hat. Du hast zweifellos recht, mein Cousin, erwiderte ich. Der heilige Michael, gewiss, ein würdiger Vergleich. Lass uns den Lindwurm aufspießen! Und mögen sie tagelang vom Durchfall an ihre Toiletten gefesselt bleiben! Wir sind alt und haben nichts zu verlieren. Ein bisschen Spass zu haben, das werden wir doch noch dürfen, auch wenn wir die Letzten sind, nicht wahr? Skol! rief Hagenbusch, und ich erwiderte: Skol, Freund! So lass uns beginnen! Oder sollen wir erst speisen? Es ist Zeit für das Diner, wie ich gerade sehe. Es gibt immer Letzte. Sagte das nicht Fritz Wotruba? Ich erinnere mich, es irgendwo bei Salis gelesen zu haben, meinte Hagenbusch. Wichtig sei bloss, nach Wotruba, dass es immer Letzte gebe, präzisierte ich.9 Dann lass uns speisen, meinte er und erhob sich. Das ist die bessere Wahl, wenn wir denn überhaupt eine haben. Solange wir noch wählen können, mein Guter, leben wir noch. Und so betraten wir den düsteren Speisesaal über knarrendes Parkett und setzten uns an Hagenbuschs Tisch, von wo wir einen letzten Blick auf das erlöschende Tal warfen, gerade noch rechtzeitig, bevor die Fensterscheiben pechschwarz wurden. Der Hotelpianist klimperte im Nebensaal spätromantische Weisen. Die Flasche steht auch schon da, meinte Hagenbusch, Château Margaux. Es ist verrückt, mein Lieber, dass wir uns all das hier so einfach leisten können. Mich kostet es nichts, es sind Beträge, die ich aufgehört habe wahrzunehmen. Ist das nicht beschämend? Dort draussen leiden Milliarden und haben nichts, und wir sitzen hier und prassen – dazu machte er eine müde Geste über den Tisch –, als müsse man für all das nicht arbeiten. Ich glaube nicht, dass wir berechtigt sind, die Menschen etwas zu lehren. War das nicht immer so? warf ich ein. War Cicero arm? Montesquieu, Washington? Nun gut, viele waren arm, die Großartiges schrieben. Auch Nietzsche war nicht mit weltlichen Gütern gesegnet. Darum, mein Freund, obliegt es uns, ganz besonders gerecht zu sein. Doch was ist gerecht? Es gibt viele Arten, gerecht zu sein, die populärste ist, anderen zu helfen. Dann lass uns anderen helfen, sagte Hagenbusch und wartete, bis der Kellner ihm das Glas aufgefüllt hatte. Ich verteile meine Milliarden ebenso wie andere, die welche haben. Doch was wir tun sollten, ist weitaus schwieriger. Wir sollten den Leuten dazu verhelfen, ihre eigenen Gedanken und Gefühle ausgesprochen und angesprochen zu erfahren, in einem gebildeten Gewand, nicht roh, wie bei ihnen selbst, sondern verfeinert, gereinigt und vielleicht sogar leuchtend, damit sie erkennen, was für grosse Gedanken in ihnen hausen, welch gewaltige Gefühle die ihren sind. Das sei unsere Gerechtigkeit, jene, zu der wir etwas beitragen können. Was für ein Anspruch! Lachte ich und hob mein Glas, das inzwischen auch gefüllt worden war. Wenn mir davon auch nur ein Quentchen gelingt, bin ich zufrieden. Wortlos löffelten wir die Bouillon, die wir bestellt hatten, mit Mark und Schnittlauch, wie anno dazumal. Wir hatten Hummersuppe auf der Karte, doch danach stand uns der Sinn nicht. Was für eine Wunderspeise ist doch dieses Mark, lobte mein Cousin den Inhalt seines Suppenlöffels, den er zum Munde führte. Schon die Neandertaler waren wild darauf, wenn sie einander fraßen, jaja, man hat Überreste eines Kannibalenmahls in Galizien gefunden. Sie saugten es direkt aus den Röhrenknochen, wir dagegen schlürfen es vom Löffel. Zwischen dem Knochen und meinem Mund steht heute die Industrie, doch tun wir eigentlich immer noch dasselbe wie zu Urzeiten, wir essen, was die Natur uns bietet. Ich möchte jedoch, bemerkte ich zu ihm, unseren Pianisten und seine Kadenzen nicht gegen einen Knochophonisten oder ein neandertalisches Höhlenorchester eintauschen. Wir mussten beide lachen. Nun, brummte Hagenbusch, vielleicht tanzten die auch schon Walzer, wer weiss? Sie kannten die Flöte. Darauf hätte man auch Johann Strauss blasen können. Gewiss, theoretisch, gab ich zu. Doch ist es leider sehr unwahrscheinlich. Nicht unwahrscheinlicher, als dass wir unserer Zeit etwas zu sagen haben, erwiderte er und trank mir zu. Seien wir ehrlich, wir sind Zuspätkommende, und erst noch verdammt eitle. Das gilt für alle, meinte ich sarkastisch. Neandertal, mein Lieber, Neandertal! Genau genommen Homo sapiens. Es stand am Ende 1:0 zwischen dem FC Sapiens und dem FC Neandertal. Wir haben sie besiegt, mein Freund. Nach einer Weile des Schweigens lenkte ich unsere Aufmerksamkeit auf jenes Blocher-Zitat, von dem wir in Hagenbuschs Suite gesprochen hatten. Die Blocherschen Passagen sind bemerkenswert. Sie fassen gut zusammen, was äusserlich betrachtet in der kleinen Schweiz abging und abgeht. Doch es passt mutatis mutandis auch auf das viel grössere und mächtigere Deutschland. Nach dem Ende des Kalten Krieges brach auch dort die schöne neue Welt der nun zügig fundamentalisierten und etwa fünfzehn Jahre lang konkurrenzlosen, finalisierten Nachkriegsdoktrin (NKD) an. Da wurden die herkömmlichen Dinge zu eng, und man projizierte eigene politische Utopien auf Europa und das radikal darüber hinausweisende, zu Beginn noch ganz und gar kryptische Menschenreich, das die Republik und ihren Citoyen - zunächst sachte und dann immer selbstbewusster - zu übersteuern anfing. Immer mehr geriet das sogenannte Volk, verstanden als Stimm- und Wahlbevölkerung traditioneller Herkunft, ins Abseits des politischen Interesses und mit ihm das Gesetz, als die unverrückbare Basis der politischen Wirklichkeit. Immer stärker zeigte sich ein Wille, über das Bürgerliche hinaus das Menschliche zu meinen, über das Gesetzliche das Vorfindliche zu stellen, das Gesetzliche anzupassen, das Bürgerliche zu überfahren, und das rein Menschliche zu instaurieren. Ganz allmählich - und doch bemerkenswert rasant - entwickelte sich innerhalb von zwanzig Jahren die Realutopie der Civitas Hominis, die noch vor die Republik und ihren Citoyen und vor das Gesetz tritt, die Interessen vertritt, die von höherer Natur sind. Diese Hinwendung zu hehren Zielen jenseits der realen Demokratie, der realen Wirtschaft, der realen Politik, der realen Aufklärung war und ist immer noch - wohl das letzte Mal - vorwiegend deutsch und hat darüber hinaus etwas Vulgärgermanisches, wenn man diesen Terminus für einmal gelten lassen will. Es ist ein radikaler Illusionismus in Bezug auf die menschliche Gemeinschaft, die als eine Gemeinschaft gesehen wird, die auch ohne allzu feste Strukturen, ohne einen Limes, ohne allzu scharfe Logik, ohne allzu freie Vernunft, ohne allzu lokale Tradition, allein auf gesteigerten, mütterlichweiblichen Konsens und auf eine idealbarbarische Basisvolksherrschaft gegründet werden könne und müsse. Dazu brauche man nur alle Menschen dieser Erde rückzuführen auf ihren angeblichen Rousseauschen Naturzustand. Man müsse sie befreien von allem allzu Eingrenzenden, allzu Hierarchischen, zugleich müsse man sie der altehrwürdigen, durch die Emanzipation revitalisierten mütterlich-weiblichen Zurückhaltung und gewaltfreien Anständigkeit unterwerfen, müsse ihre Sprache regeln und damit ihre Gedanken disziplinieren, damit sie miteinander in endgültiger Friedfertigkeit ein Reich des Ausgleichs, der Verteilung, eine grosse Allmende bewohnen können, die am Ende sogar ohne Privateigentum auskommen werde, und ohne Zentralismus. Die Idee kam auf, man müsse den Anderen nur hinreichend liebkosen und bedingungslos willkommen heissen, ihn inkludieren, dann quittiere er diesen Akt als einen der Befreiung mit seiner Hinwendung zum reinen Guten, könne er doch nicht anders, da er - wie alle Menschen, das Axiom aller Axiome - von Natur aus gut sei. Gelinge das nicht, sieht man darin keine Widerlegung, sondern eine Anklage an die, welche ihm zu wenig Vorschub geleistet hätten. Durch radikale Güte und radikale Öffnung lasse sich der Andere überrumpeln, so dass auch er sich dem reinen Guten und Friedlichen zuwende. Ironischerweise betrieb man so nun plötzlich und immer offener einen in dieser geradezu dialektischen Radikalität seit langem nicht mehr gesehenen abendländischen Dschihad, eine abendländische Generalanstrengung des Individuums, sich selbst darin zu übertreffen, dass man das Prinzip der Güte und Öffnung auf die Spitze trieb, nicht um Gott zu gefallen, sondern der internalisierten Mama. Da passte es schliesslich geradezu wunderbar, dass an die Spitze dieser vulgärgermanischen, dialektischen Utopie in Deutschland eine Frau trat, die zur fast schon marienhaften Verkörperung der Idee wurde, und die auch immer öfter ganz offen - lobend oder zynisch - als Mutti bezeichnet wird. Dahinter steckte und steckt eine tiefe Sehnsucht nach dem vermeintlichen Urzustand des Menschengeschlechts, die psychologisch gesehen die unbewusste und darum übermächtige Erinnerung an die Mutter-Kind-Beziehung und an eine diese Beziehung bewahrende Triangulation ist. Selbstverständlich gab und gibt es keinen Naturzustand des Menschen, und schon gar keinen Rousseauschen, der ja nur die zweckdienliche Hypothese war, um der alten Gesellschaft der Adelsprivilegien und der Klerusherrschaft die gesamte Schuld am Bösen, Schlechten und Verkommenen in die Schuhe schieben zu können, ein dialektisches Postulat, das seine Aufgabe erfüllt hat. Die damit verbundene Vorstellung, dass der Mensch im Naturzustand ein unbeschriebenes Blatt sei, widerspricht jeder Menschheitserfahrung seit dem Anbruch des Hominidenzeitalters vor etwa zwei Millionen Jahren. In der deutschen Romantik wurde die angebliche Volksdemokratie der Germanen, soweit man sie rekonstruieren konnte und wollte, als Ausdruck jenes Zustands der Gesellschaft gesehen, die relativ nahe am besagten Naturzustand gelegen habe. Sie war darum auch moralisch gut und musste gesittet gewesen sein, weil etwas anderes angesichts der genannten dialektischen Hypothese unverständlich gewesen wäre. Mit der Wirklichkeit hat all dies nichts zu tun. So hat auch die Politik, die in den neunziger Jahren aufkam - und heute geradezu luxuriert - mit der Wirklichkeit nichts zu tun. In der Politik ist alles verlogen und alles Lüge, wie jeder Aufrichtige weiss, der sich mit Machtspielen auskennt, unterbrach mich Hagenbusch. Das ist nicht das Problem. Vielmehr ist diese neu-alte Utopie dumm. Dumm heit ist weit schlimmer als Verlogenheit, und sie ist auch weit schlimmer als ein Verbrechen. Dummheit beginnt im Einfachso und Irgendwo. Weder knüpft sie an etwas an, noch kann man etwas an sie knüpfen. Sie kontert die Wirklichkeit ohne tieferen Bezug zu ihr. Sie benötigt weder Realismus noch Logik. Sie provoziert entweder radikale Ablehnung oder radikale Zuneigung. Politische Dummheit spaltet die Gemeinschaft in zwei radikal voneinander getrennte Lager, in eines, das sich in voraussetzungsloser Zuneigung übt und ein anderes, in dem man sich vor Ablehnung geradezu windet. Während in Deutschland, das Teil der EU ist, die politische Fragwürdigkeit wieder ein Ausmass erreicht hat, vor dem – hinter vorgehaltener Hand - immer grössere Teile der traditionellen Bevölkerung zurückschreckt, und was sie antreibt, in die Reaktion zu gehen und sich der fortschreitenden Veräußerung immer mehr zu verschließen, richtet sich die analoge Reaktion in der Schweiz, die nicht Teil der EU ist, mehr gegen diese als gegen die innere Zumutung einer Pseudo-Rousseauschen Rückführung der Gesellschaft, die jedoch dazu das ihre auch in diesem Land beiträgt. Blocher schreibt, dass bei der EWR-Abstimmung 1992 die Bevölkerung punkto EU-Beitritt noch praktisch in zwei gleiche Teile gespalten gewesen sei. Heute aber wollten 80 Prozent der Bevölkerung nicht mehr in die EU. Eine analoge Umverteilung hat sich in Deutschland ergeben, seit sich dort die Politik der Rückführung aufs freibarbarische, fiktive reine Gute einer allerdings bloss erträumten, allgemeinen, globalen Allmendgesellschaft diskreditiert hat, weil sich herausstellt, dass sie in keiner Weise funktioniert. Es hat in der Geschichte zivilisierter Kulturen kaum je eine dümmere Politik gegeben als jene der aktuellen Ära. Der Niedergang des Ancien Régime in Paris vor der Revolution brachte zwar auch bourbonische Dummheiten hervor, keine aber von so heroischer Dümmlichkeit wie im derzeitigen Deutschland. Dahinter steckt allein die Angst, meinte ich. Oh, ja, gewiss, die Angst! Die Deutschen sind ein Volk, das nichts lernt, meinte Hagenbusch und wies unseren Kellner an, uns noch ein Flasche Margaux zu bringen. Doch glauben sie, dass sie das Volk sind, das beständig lerne. Sie glauben, die Lektion der Hitlerei gelernt zu haben. Doch was tun sie? Sie verabsolutieren den Antifaschismus zu einem fundamentalistischen Kult, der so weit geht, dass er selbst faschis tische Züge angenommen hat. Der Deutsche merkt nicht, dass man durchaus wie Hitler denken kann, indem man gegen Hitler denkt. Er merkt nicht, dass jeder Extremismus das Gleiche ist. Les extrêmes se touchent, sagen die Franzosen. In Deutschland ist das eine unbekannte Erkenntnis. Die Deutschen haben nach 1945 keine bürgerliche Kultur mehr hervorgebracht. Sie waren und sind so sehr darauf bedacht, jeglichen Anschein reaktionären Gedankengutes von sich fernzuhalten, dass sich das reaktionäre Gedankengut eben gerade in dieser Bemühung bequem wieder eingenistet hat. Nicht die heutige Rechte ist davon das Resultat, sondern die linksgrünliberale Idealanständigkeit, die mit einem dialektisch-grundsätzlichen Anspruch an die Welt auftritt, die vom Menschen, von der Ökosphäre, vom Ganzen spricht, wo eigentlich lediglich vom Citoyen, von der Wirtschaftsgemeinschaft und vom eigenen Land die Rede sein sollte. Doch der Deutsche will nicht nur mehr, er erkennt, dass er seinen Anspruch bis an die Grenzen des Menschlichen ausdehnen muss, um jene Gestalt anzunehmen, in der allein ihm wohl ist. Niemand im heutigen Deutschland erkennt, dass dies die neuste Version des alten Imperialismus und der alten Kulturarroganz ist, die man doch gerade als überwunden betrachtet. Dieser Irrtum zeugt von der politischen Dummheit, die hier seit Generationen am Werk ist. Sie bestimmte die ganze Geschichte der Bundesrepublik, namentlich seit Willy Brandt. Was die Deutschen für eine gelernte Lektion halten, ist in Wirklichkeit die Rückkehr der alten Arroganz im Gewande ihres ehemaligen Gegners. Man muss den Deutschen aber attestieren, dass sie gar keine Wahl hatten und haben. Sie sind die Untertanen aller realen und aller potenziellen Opfer der Geschichte, sie lecken den Fußboden vor jedem, dem ein Leid geschah, ob durch sie, oder durch andere spielt keine Rolle. Darauf wird weltweit auf gewissen Teppichetagen sehr genau geachtet. Die Deutschen sind ein unfreies Volk geworden, was sie dazu bewegt, sich ganz besonders frei zu geben, als Befreier aufzutreten und der Freiheit jedes Wort zu reden, das ihnen dazu einfällt. Doch steht hinter ihnen ein Schatten, sie sind Getriebene, sie müssen. Ich halte es daher für fatal, dass sich die EU in der Hand der Deutschen befindet. Sie würde zwar ohne die Deutschen nicht lange überleben, ohne Zweifel funktioniert sie nur wegen der Deutschen. Doch haben sich die Völker Europas damit einer Herrschaft unterworfen, die dumm ist und bleiben muss, bemerkenswert unfrei, bemerkenswert sich selbst täuschend. Europa wollte seinerzeit nicht unter die entfesselten Deutschen der Nazizeit geraten, stattdessen geriet es nun unter die Herrschaft der gefesselten Deutschen der Merkel-Zeit. Beide Schicksale sind gleichermassen von Übel. Die europäischen Kulturen werden durch dieses Experiment Schaden nehmen. Ich verstehe nur zu gut die Ambivalenz der ehemaligen Ostblockstaaten gegenüber diesem Europa, in das sie aus dem ebenso trivialen wie blutigen Grund, Russland entrinnen zu können, gehören wollten und wollen. Es wird sich aber zeigen, dass einige von ihnen zu Russland zurückkehren werden, weil Moskau inzwischen das kleinere Übel ist, und sie selber sind stärker als jemals zuvor in ihrer eigenen Geschichte.

Der Pianist war unter den Gästen herumgegangen und trat nun auch an uns heran, fragend, ob wir einen Musikwunsch hätten. Wie liebenswürdig von Ihnen, lächelte mein Cousin. Wir sind glücklich mit Ihren Melodien und Kadenzen, Maestro. Nur für den Fall, dass Ihnen nichts mehr einfällt, wären vielleicht einige Takte Fats Waller oder Dave Brubeck eine Möglichkeit, ein wenig Leben ins Sanatorium zu bringen, ohne gleich den Bogen zu überspannen. Der ältere, beleibte Musiker grinste und blickte uns sehr freundlich an. Ich weiss, was Sie meinen, erwiderte er, nur bin ich in solchen Sachen zu wenig geübt, um unterhaltend zu sein. Was für ein Jammer! bedauerte ich. Aber vielleicht ein bisschen Boogie-Woogie? fragte er uns. Mein Gott, auf Ihr Risiko, mein Guter, rief Hagenbusch, die Herzinfarkte und Schlaganfälle, die sich ereignen werden, gehen zu Ihren Lasten! Als sich der gewitzte Mann entfernt hatte, betrat eine grosse Gesellschaft mit zahlreichen Kindern den Saal, um uns Lügen zu strafen. Das Sanatorium verwandelte sich augenblicklich in ein Tollhaus, waren doch die meisten Kinder offensichtlich ungezogen und wussten sich an einem solchen Ort nicht zu benehmen. Mein Cousin meinte, zu seiner Zeit sei das anders gewesen. Er habe stocksteif dasitzen müssen, mit dem buchstäblichen Lineal im Rücken, und geschwiegen, bis jemand das Wort an ihn richtete. Das waren noch Zeiten, sagte er fast ein bisschen nostalgisch, ich habe sie gehasst damals, und heute liebe ich die Erinnerung daran. Es war wunderbar still und hoch bewusst. Heute ist alles lärmig und unbewusst, ein Sauhaufen, rief er mit gespielter Abscheu. Wir mussten beide lachen. Sind wir nicht Idioten? Heute verherrlichen wir, was wir einst ins Pfefferland wünschten. So ist es mit allem, auch mit der Politik. Es ist alles eitel. Dummes Geschwätz, zu allen Zeiten, nur im Rückblick nimmt es jene Grösse an, die ihm zugekommen wäre, hätte es damals jene edlen Motive gehabt, die wir ihm heute unterstellen. Ich erinnere mich, dass der Primgeiger eines Hotelorchesters meinen Vater, wie jetzt dieser Klimperer uns, nach seinen Wünschen gefragt hat, und mein Vater wünschte sich eine Schrammelmelodie! Mein Gott, wie ich mich geschämt hatte damals! Doch heute würde ich jene Melodie mit Tränen in den Augen geradezu verzehren. Sentimental sind wir geworden, und pathetisch! Du sagst es, pathetisch. Und warum? Weil wir nicht echt sind, ganz einfach, sagte er und hob sein Glas. Auf dein Wohl, lieber Cousin! Auf das deine! Auf die, die wir sind, doppelte er nach, in der Hoffnung, wir priesen nicht gerade das pure Nichts. Selbst wenn, meinte ich vorsichtig, selbst wenn! Lieber ein schönes, reines Nichts als ein verschwiemeltes, kotiges Sein. Prosit, mein Guter! Verschwiemeltes, kotiges Sein, du sagst es. Eine Eigenschaft, die sich nahtlos in die Politik übertragen lässt. Verschwiemeltes, kotiges Sein bestimmt unsere Nationen, ihre dämliche Politik und führt zu diesen sagenhaften Erfolgen, von denen es in dieser Politik nur so wimmelt. Anstelle von Fats Waller erklang das Lied von Pippi Langstrumpf aus dem Nebensalon, wo der Flügel stand, und wo jetzt die Kinder tollten. Doch die Eltern riefen zur Vernunft auf, holten ihre Kleinen nach und nach in den Saal und setzten sie an die Tische, an denen sie essen sollten, worauf sie aber keine Lust hatten. Der Pianist legte die angekündigte Spielpause ein und begab sich an die Bar, wie wir durch die geöffneten Saaltüren sehen konnten. Der Geräuschpegel war angestiegen, überall scherbelte und klimperte es von Tellern, Gläsern und Bestecken, die Gespräche drehten sich um akute Erziehungsfragen in Bezug auf den Essens-Comment, wobei viele der Erwachsenen keine besseren Manieren hatten als ihre Sprösslinge, denen sie sie beibringen sollten. Dieses kotige Sein, von dem du gerade sprachst, fing ich an, unsere Diskussion wiederaufzunehmen, lässt sich idealtypisch in der Verhandlungslage zwischen der EU und der Schweiz beobachten, beziehungsweise riechen. Ist wieder etwas passiert? wollte Hagenbuschwissen. Natürlich, gerade eben. Es ist eine Kette nicht abreißender Possen, und ich muss sagen, die Europäer taktieren dabei geschickt wie immer. Es ist wunderbar, Ihnen dabei zuzuschauen, als der Machiavellist, der man ist. Lass es mich vermuten, unterbrach mich Hagenbusch, die Schweiz taktiert in ihrem eigenen Konfigurationsraum? Sie ist zwar Partei, gibt aber zugleich das Universum vor, in dem allein sie Partei sein will? Ist das so? Genau, du sagst es, eigener Konfigurationsraum. In der Tat, das ist das Wort. Aber, was du damit sagen willst, lächelte der Cousin, ist doch, dass hinter diesem Blödsinn auch die Erfolgsgeschichte dieses Landes steht, nicht wahr? Ich kennte dich schlecht, wüsste ich nicht, dass du die Ambivalenz liebst, überall, in der Liebe und auch in der Politik, nicht wahr? Nicht von ungefähr bis du mein Alter Ego, lieber Cousin, und triffst wieder einmal ins Schwarze. Man bindet die unbefristete Anerkennung der Schweizer Börse an ein Rahmenabkommen zwischen der EU und der Schweiz. Das soll bis im Frühjahr 2018 geschehen. Allgemein gilt das in der Schweiz als viel zu ambitioniert. Man möchte nämlich gerne vorher noch den sogenannten Reset-Knopf drücken. Eine schweizerische Eitelkeit, eitel vor allem darum, weil man daran glaubt.10 Also, was vernehmen wir da? Brüssel ist das Imperium, nicht wahr, sozusagen, gegenüber dem kleinen Korinth, das etwas von jenem will. Es taktiert traditionell, wie wir es auch tun würden. Korinth muss Federn lassen, will es an den Titten des Imperiums saugen dürfen. Das ist ganz normal, nicht wahr. Absolut! lächelte Hagenbusch. Doch haben die Korinther einen neuen Außenminister, der seine Wahlen unter anderem damit gewonnen hat, dass er seinen Landsleuten im kleinen Bouleutherion, das an der Agora gelegen ist, du weißt schon, nicht wahr, so kleine räumliche Verhältnisse, putzig und einmalig, dass er ihnen versprach, punkto Verhandlungen mit Rom auf sein Kommando wieder bei null zu beginnen. Man ist ja schliesslich ein klassischhellenischer Verhandlungspartner, und nicht irgendeine persische Satrapie. Großartig, grinste Hagenbusch. So einfach ist das allerdings nicht, das mit dem Neubeginn. Vorerst möchte man damit fortfahren, alles auf die lange Bank zu schieben, Rom zu zwingen, noch ziemlich lange zu palavern. Oder Österreich-Ungarn, oder das Frankreich Ludwigs des Vierzehnten, oder Napoleon. Es gab ja viele Roms inzwischen. Man schloss sich Junckers Masterplan zum Schein an, möchte aber bis nach den Brexit-Ergebnissen zuwarten, weil man davon zu profitieren hofft. Für Europa ist es ein Freundschaftsvertrag, für die Schweiz hingegen hat dieser Vertrag weder etwas herablassend Freundschaftliches noch gar etwas offen Feindliches, sondern ist ein Staatsvertrag zwischen zwei gleichstarken Mächten. Real betrachtet wäre nichts gegen ein neutrales Verfahren zur Streitschlichtung einzuwenden. Vielmehr glaubt man entweder an das Recht oder man misstraut ihm. Traut man dem Recht, dann ist ein solches Schiedsgericht weder eine europäische, noch eine schweizerische Instanz, sondern eben nur ein Gericht, das gemeinsam akzeptiertes Recht spricht. Nun ist natürlich in der heutigen Zeit ein riesiger Anteil der auch von der Schweiz akzeptierten Rechtsnormen nicht mehr national, sondern international, und man hätte sich entsprechenden Instanzen zu stellen. Das ist bisher auch kein größeres Problem gewesen. Doch jetzt ergibt sich eines, weil jenes Schiedsgericht auch zu Dingen Stellung beziehen könnte, die mit Kernelementen schweizerischer Hauspolitik und schweizerischen Kulturverständnisses zu tun haben, beispielsweise mit dem Umgang mit Fremden, vor allem, wenn diese massenhaft auftreten wie in den letzten Jahren. In diesen Fragen will man allenthalben keine fremden Richter im Land. Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU und hat in solchen Fragen nicht Mitgliederpflichten nachzukommen. Sie ist eine souveräne Nation. Doch hat sie zahllose bilaterale Abkommen mit der EU geschlossen und gehört zum Schengenraum. Sie ist somit in einer Zwickmühle. Für die Schweiz ist der Finanzplatz Zürich von zentraler Bedeutung, also ergibt sich hier EU-seitig ein ideales Druckmittel, um die Schweiz nicht aus der Zwickmühle zu entlassen. Es ist völlig belanglos, was die Schweiz davon hält. Sie ist in die Mühle eingetreten, und darin wird sie bleiben. Ein Recht auf die Äquivalenzanerkennung ihrer Börse gibt es nicht, und die Haltung, Brüssel zu einer Goodwill-Aktion anzuschubsen, ist, mit Verlaub gesagt, lächerlich. Das hätte auch bei Metternich nicht funktioniert. Man wäre stillschweigend über solche Infantilität zur Tagesordnung übergegangen. Dass der Korinther Außen