Lumsk - Adrian W. Fröhlich - E-Book

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Adrian W. Fröhlich

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Beschreibung

In drei Texten befasst sich der Autor mit den aus seiner Sicht wichtigsten Themen unserer Zeit, dem Projekt, den Menschen zu synthetisieren, der Religion, der Ideologie und dem Kampf um die Vernunft in einer wahnhaft gewordenen Politik. Die Untersuchungen sind bewusst essayistisch, vorläufig und bruchstückhaft. Sie greifen Themen wieder auf, die der Autor bereits in zahlreichen seiner anderen Büchern, die im Einzelfall in die Tiefe gehen, behandelt hat. Lumsk ist dänisch und bedeutet tückisch. Tückisch sind die Gefilde, in die sich der Autor vorwagt, und tückisch ist jede Gewissheit, von der wir im Alltag ausgehen. Fast überall zeigt es sich, dass man den Menschen lebenslang belügt und betrügt, bis er anfängt, selber zu denken.

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Seitenzahl: 218

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Dieses Buch erscheint in einer Drôle de Pandémie, welche die Welt stärker verändert als alles, was Politik ohne Krieg verbricht. Es behandelt diese Pandemie, die hauptsächlich eine Massnahmenseuche ist, nicht direkt, stellt sie aber im dritten Essay in den grossen Zusammenhang des Übergangs.

Vermeintlich steuert die Welt auf ein neues ökonomisches System zu, welches den Anforderungen an eine klimagerechte Menschheitsentwicklung gerecht zu werden vermöge, die gleichzeitig eine Weltgesellschaft allgegenwärtiger sozialer Gerechtigkeit hervorzubringen imstande sei. In Wahrheit jedoch steuert das Schiff in eine neue Weltzeit der Finsternis, die durch Diktatur, Religion und radikale Umverteilung gekennzeichnet ist. Sie gerät jetzt in die Phase des Verzehrs alles Erreichten.

Wenn man mich angesichts dieser Perspektive – oder überhaupt - fragt, welche Themen ich für die wichtigsten halte, mit denen man sich heute als zivilisierter Mensch befassen muss, sind es drei. Das wichtigste Thema ist für mich das der Machbarkeit des künstlichen Menschen. Anders als für die meisten, die sich damit beschäftigen, ist der Androide für mich kein Science-Fiction-Problem, sondern das wahre und letzte Thema der abendländischen Philosophie. In diesen Androiden münden alle Bestrebungen der Philosophie, aber auch die der Kernwissenschaften Physik, Psychologie und Biologie aus. Er ist die Antwort des zivilisierten Menschen auf die Religion. Religion ist das radikal veraltete Konzept für den Umgang des Menschen mit seiner Sterblichkeit, das solange unbesiegbar ist, als es uns nicht gelingt, uns selbst vollständig zu reproduzieren. Diese Reproduktion schafft der Mensch jedoch nicht, ohne vorher eine grundlegende Einsicht in das Wesen der Wirklichkeit (damit des Universums) gewonnen zu haben, wozu er die genannten Disziplinen seines Geistes gleichermassen benötigt. Als das zweite Thema möchte ich – es ist mit dem ersten verknüpft - den «Ring der Macht» bezeichnen, jene fatale Zirkularität des Denkens und Handelns, die das Wesen sowohl der (unaufgeklärten) Religion als auch der (postmodernen) Nachkriegsdoktrin ausmacht. Damit verbunden ist aber bereits das dritte Thema, die Überwindung des Menschenrechtsmonismus in der Politik. Ein Durchbruch gelingt hier nur durch Regeneration der Vernunft, jener übergeordneten, abwägenden Urteilskraft in uns allen, die Denken, Fühlen, Intuieren und Empfinden gleichermassen berücksichtigt, und die von Natur aus substanzpluralistisch ist.

In den Untersuchungen begeben wir uns überall in heimtückisches Gelände, weswegen uns der Titel der Buches - lumsk! - darauf aufmerksam machen soll, dass wir, wie Odysseus auf seiner Irrfahrt, in steter Gefahr schweben, einem lauernden Ungeheuer zum Opfer zu fallen, ehe wir uns dessen versehen. Die Vorläufigkeit unserer Gedanken muss Prinzip sein, wir müssen fähig sein, uns ständig neu einzustellen, um erkenntnisfähig zu bleiben und nicht selbst einem Machtring zu verfallen.

Langendorf, im September 2020

Das Coverbild habe ich 2019 selbst aufgenommen. Es zeigt eine Serviette des Traditionsrestaurants Lumskebugten in Kopenhagen, wo ich besonders gerne speise.

INHALT

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Holopragma und Realität als Complementa

Zusatzerläuterungen zu Mr. Data und das BraitenbergUniversum, Schöpfung reloaded und Abschnitten in Angriff auf Syrakus

Essay, 2020

Das Schwierigste überhaupt

Beginnen wir mit dem Schwierigsten! Mit der Ontologie, der Ordnung der Dinge. Beginnen wir ein wenig sonderbar mit Folgendem. Christliche Choräle oder die Rufe des Müezzins sind im Grunde genommen lediglich Verstärker der Aufwallung, sie führen gewissermassen zur Eigenresonanz des Senders und Empfängers. Wir sind stets beide zugleich. Transitiv, also in Bezug auf ihr Objekt, über das sie, wie wir denken, etwas aussagen möchten (Christus, Allah), bedeuten sie nichts. Das anlässlich des Wortes «Gott» Bedeutende ist nur das Empfundene (und dazu gehört alles Subjektive, das Gedachte, das Vorgestellte, das Wahrgenommene) selbst. Das Kriterium des «Zutreffens» ist die Eigenresonanz der Empfindung (die sich bis zum Zerspringen aufschaukelt, wird sie nicht gebrochen. Man kann auch sagen, sie sei die Symmetrie). Dass dies alles aber auf ein Ding jenseits dieser Erfahrung hindeute, ist Metaphysik. Die «Grösse Gottes» ist zunächst nur die Tiefe der Empfindung beim Aussprechen seines Namens, und nicht etwas, was «Gott» selbst bewirkte oder beträfe. Denn nichts an diesem «Gott» wäre jemals von irgendwem ausserhalb der Erfahrung gesehen und erfasst worden, ausser wiederum nur als eine solche Erfahrung. Doch ist jenes «zunächst nur» bereits alles! Das Ding – ob nun ein Küchentisch oder «Gott» oder das Leben selbst - ist «zunächst nur» das Ergebnis eines etablierten, vollkommenen Zirkels zwischen Sender und Empfänger. Wir können auch sagen: Das Ding ist fundamental zirkulär. Was wiederum meint, es entwickelt sich ausschliesslich in der Erfahrung zu etwas, was ausserhalb der Erfahrung steht, wie wir ihm unterstellen, als würde uns das erlösen.

Bis hier fassten wir bereits die gesamte Ontologie zusammen, angefangen bei den Vorsokratikern bis hin zu Quine und Davidson, ja sogar Derrida und Foucault, und ganz sicher war Immanuel Kant mit von der Partie, und Husserl. Mehr noch, drangen wir doch bereits in die künftige Wissenschaft der Androidologie ein. Selbstverständlich können Sie davon nichts erkennen, aber das macht nichts. Sie werden es sehen, wenn Sie so weit sind.

Sie müssen sich damit abfinden, dass ich sehr sprunghaft denke, nicht weil ich ein sprunghaftes Gemüt hätte, sondern weil eben alles mit allem zusammenhängt. Das klingt wie Mystik, doch sie ist ein Irrweg. Es geht nicht um Mystik. Das beste Beispiel für das, was ich gerade entwickelte, ist – ja! - der Sex. Es kommt bei ihm nur darauf an, was uns zur Eigenschwingung anregt. Dieses geheimnisvolle Etwas kündet eben nicht vom Objekt selbst, dessen Name wir aussprechen und zugleich vernehmen, sondern ganz und gar umgekehrt von der Eigenart unseres (Körper)Baus. Doch ist dieser Körper, oder genauer: ist dieser Bau nicht nur, was wir normalerweise glauben. Er ist darüber hinaus, kraft seiner Erfahrung, der Spiegel der Dinge, die ohne ihn nicht wären, was sie zu sein scheinen, die Konstruktion der Welt selbst. Auch «das Gute», «das Böse», das «Harmonische» etc. sind keine metaphysischen Mächte, als die wir sie stipulieren, sondern (verborgene, mächtige) Konstruktionseigenschaften dieses Körpers, der Sender und Empfänger zugleich ist. Es handelt sich um Eigenschaften der Bioware, um es auf den Punkt zu bringen (damit meine ich aber nicht die Genetik, das wäre zu einfach). Sie haben nichts mit Moral oder Kunst oder Kultur zu tun, denn auch diese Dinge sind ja lediglich Gleiches vom Gleichen, sind Eigenschaften dessen, der sie erfährt, der bei ihrem «Namen» gleichsam in Eigenschwingung (in Symmetrie) gerät (es handelt sich aber natürlich nicht um einfache physikalische Schwingungen, es ist unendlich komplexer, doch die Richtung stimmt).

Stellen Sie sich vor, Sie besässen keinen Körper und wären reiner Geist, reines Bewusstsein, und Sie hätten nie die Erfahrung eines Körpers gemacht, dann wären Sie nicht in der Lage, die Wirklichkeit als eine solche zu erfassen, als das Gegebene, Widerständige, Geformte, das sie zu sein scheint. Sie müssten sie – ganz nach Platon – als einen Teppich reiner Ideen auffassen, doch vermögen wir nicht anzugeben, wie das gehen soll und wie sich das anfühlen würde, es bleibt eine schwache Bildhypothese. Wissen Sie, warum das so ist? Weil wir einen Körper haben. Doch was bedeutet er? Eigenresonanz, ja. Das heisst, er ist Teil dessen, dem wir gegenüberstehen. Darum können wir nicht durch Wände laufen. Unser Körper steht der Welt gegenüber, aber nur als ein Teil derselben, nicht absolut gesehen. Der ontologische Abgrund öffnet sich nicht zwischen meinem Körper und der Welt, sondern zwischen meiner Erfahrung und dem, was wir Ding nennen. Die Vorstellung, wir könnten losgelöst (absolut) existieren, nimmt bereits Ausgang von der Erfahrung, und diese setzt die Körperlichkeit voraus. Die Ideenschau ist nur eine solche Vorstellung. Beruhte sie darauf, dass es das Absolute gibt, zerfielen die Wirklichkeit und mein Bewusstsein sogleich. Das führt in die Aporie der bloss relativen Existenz des Absoluten, eine Aporie, die in der modernen Physik zur Grundlage der Relativität wurde.

Wir sind also bereits bei Einstein. Das geht Ihnen zu schnell, gewiss, aber nicht mir. Denn wir sind bereits dort. Platons Höhlengleichnis enthält jenen Grundfehler, den die Relativität eliminiert hat. Der Sterbliche in der Höhle, ein offensichtliches Körperwesen, erfahre dort die Welt, als habe er keinen Körper, doch um ihm dies zu eröffnen, soll er als Körper hinauf ins Licht der Sonne gehen und dort körperhaft jene Ideen «schauen», die er vor seiner Geburt körperlos bereits gesehen habe. Wäre dem so, so wäre jene Welt im Sonnenlicht ebenso wenig eine absolute wie die in der Höhle, sondern eine körperliche, und das Gleichnis wäre zerstört. Wäre da nicht der kleine Umstand, dass der Sterbliche in der Höhle «angekettet» sitzt, was bedeutet, dass er die Dinge erfahre, als habe er keinen Körper, denn er kann ihn nicht bewegen und somit nicht spüren. Doch genau das ist falsch. Er kann sie nur erfahren, weil er sich selbst erfährt, sowohl drinnen wie draussen, weil er selbst zu ihnen gehört, selbst «Ding» ist. Demnach ist das Höhlengleichnis erkenntniskritisch wertlos, oder man erkenne in ihm einen ersten Beleg für das Holopragma. Dieses besagt – wir werden darauf vertieft eingehen -, dass die Dinge zugleich ihre Vorstellung sein müssen, weil sie sonst nicht existieren könnten. Das Holopragma ist ein relativistisches Universum, doch weit darüber hinaus eben nicht das Universum allein, sondern ebenso seine Bedingung. Dies zu verstehen, ist die Schwierigkeit.

Falls Sie das alles nicht begriffen haben, macht es nichts. Man braucht fast ein ganzes Leben, um es zu begreifen. Wichtig ist nur, dass man sich auf dieses Ziel hin fortbewegt. Falls man den in der Tat immer noch revolutionären Anspruch pflegt, denken zu wollen.

Kehren wir zurück und fassen wir es etwas salopp so zusammen: Biologische Wesen sind zu 100% Eigenresonanzkästen, sind Musikinstrumente. Es ist am Ende einerlei: Körper und Empfindung, Name und Bedeutung.

Ich springe erneut, um Ihnen die Dimension dieser Entdeckung zu veranschaulichen: Eine gerechte Justiz wäre eine solche, die den Resonanzkörper des Tätersspiegelt. Sie wäre ein weiterentwickeltes Hammurabigesetz. Jeder Körper – und der ist stets sein Bewusstsein - wäre so zu beurteilen und zu bestrafen, wie er sich selbst erfährt, wenn er in Eigenresonanz gerät. Die heutige Vorstellung von Straf- und Sühnefähigkeit ist lächerlich, wenn man erkennt, an welchem Ort wir alle eigentlich stehen. Mit anderen Worten, Sie glauben nicht nur das Falsche in Bezug auf die Ontologie, sondern auch in Bezug auf die Ethik, in Bezug auf die Wirklichkeit und Ihren Körper. Sie irren sich überall. Doch nicht etwa, wie man immer wieder vorbringt, weil der Mensch «es» nie wissen werde, sondern umgekehrt, weil er es von Anfang an weiss, dieses Wissen aber ununterbrochen gleichsam abschiesst.

All das, was ich Ihnen hier auf wenig Platz entwickelt habe, wusste ich bereits als Fünfzehnjähriger, konnte es damals aber noch nicht in Worte fassen. Dass ich es wusste, bewies mir meine platonische Parmenides-Lektüre in diesem Alter, die mir gleichsam auf der Stelle diesen Ort, an dem wir stehen, offenbarte. Bereits nach wenigen Seiten dieses Dialogs Platons, den nur wenige lesen, weil er sehr schwierig wirkt, wusste ich alles. Ich wusste weniger, was Platon mir sagte, ich wusste weit mehr durch das Geschriebene hindurch. In der Folge ging es nur noch darum, es überall nachzuweisen, und so war mir die Lektüre selbst schwierigster Philosophen kinderleicht. Mir erging es damit wie einem geborenen Mathematiker, wenn er als Kind in die Zahlenwelt eintaucht. Es ist, als würde man in seinem Kopf das Licht anzünden. Genauso erging es mir damals.

Sie ermessen jetzt vielleicht, dass dies in den wenigsten Köpfen je geschieht, dass in ihnen das Licht angezündet wird. Es geht um viel mehr als nur um ein Verstehen und Begreifen von «Wissen» oder «Information», es ist eine weitere Dimension, die des Schauens, die plötzlich existiert. Der Mathematiker sieht die Theorie, der Philosoph sieht die Ontologie. Dieses Anzünden des Geistes ist für jeden wirklichen Fortschritt der Menschheit notwendig. Die Menschen Dinge zu lehren, damit sie Berufe ausüben können oder sich nicht übers Ohr hauen lassen, ist das Eine, das Andere ist, sie zu befähigen, das Neue zu sehen, welches ja stets das Uralte ist, das im Finstern herumliegt, bis im Kopf das Licht angeht.

Das Konzept des Menschen als solcher ist falsch, es ist veraltet, weil überaus und nutzlos metaphysisch. Es geht von der radikalen Unterscheidung zwischen Körper und Geist aus. Meine Untersuchungen jedoch zeigen, dass sich dies als eine ziemlich primitive Vorstellung herausstellt, die sich bis heute, trotz Kant, Husserl, Sartre und Quine, hält. Auch die Künstliche Intelligenz transportiert diesen Irrglauben. Es sind Vorstellungen von klugen Köpfen, in denen das Licht nie angezündet wurde.

Alles ist der Körper

Wie Sie sehen, hängt in Wahrheit alles mit allem zusammen: Metaphysik mit Politik, Politik mit Musik, Musik mit Sex, Sex mit Kunst, Kunst mit Ontologie. Es ist ein Kontinuum. Doch nicht, wie wir immer sagen, ein Kontinuum im reinen Objektiven, Thematischen oder Begrifflichen, «Geistigen». Diese Zusammenhänge sind auch der Grund, wieso beispielsweise Bertrand Russell auch ein Politiker war und Newton ein Alchimist und Mystiker. Was man zunächst einmal für inkommensurabel hält, ist in Wahrheit ein zusammenhängendes Ganzes. Aber eben wiederum nicht im Sinne der Ganzheitler und «Holisten», welche das Ding wiederum völlig überzeichnen. Die Einheit wird immer wieder verspielt oder abgeschossen, wie ich sage, indem man sie übertreibt oder negiert.

Das Kontinuum ist die Struktur unseres Körpers, seine Konstruktion bis in alle Feinheiten hinein, ein ebenso riesiges Ding wie das Universum selbst. Es gibt keine rein philosophische Betrachtung der Welt, die nicht zugleich eine Sextheorie, eine Justiz, eine Politik wäre. Doch hat das niemand begriffen, nicht einmal die dialektischen Materialisten, insbesondere auch kein zeitgenössischer Philosoph. Stattdessen werden veraltete Konzepte immer neu aufgelegt, Marxismen und leeres Geschwätz. Ich komme darauf zurück.

Bis 1965 deutete alles daraufhin, als würde bei der Fortsetzung der abendländischen Geistesentwicklung die grosse Kehre gelingen, die zwischen 1905-1930 in der Relativitätstheorie und in der Quantenmechanik ihren Anfang meisterlich genommen hatte. Doch dann, mit dem Weltkrieg und der «Atombombe», mit sowohl der Hitlerei als auch der Antihitlerei, die zur Verflachung des Geistes führten, folgte der Bruch. Die Philosophie, die Politik, die Ethik brachen nach dem Wirtschaftswunder und der enthusiastischen Zeit des Aufbruchs ins Weltall wieder weg und fielen um ein Jahrhundert zurück. Daraus sind heute bereits zweieinhalb Jahrhunderte geworden, ein Rückfall in voraufgeklärte Denkweisen, vor allem in den USA und in Deutschland. Das Ergebnis nahm am Ende auch der Physik ihren genialen Nachwuchs. Die jetzigen Physiker sind hochintelligente Teildenker und vermögen geistig nicht mehr ganz zu integrieren, was bis zum Ende des Krieges noch fast allen gelang. Man ermisst es an den Versuchen etwa von Smolin, den Naturalismus zu überwinden. Ein löbliches Projekt, aber im Detail zu simpel.

Ich erkannte in den Siebzigern schon, dass etwas falsch lief und begab mich auf den Weg, danach zu suchen. Er führte mich in die Einsamkeit und schliesslich – um es tolkienisch zu sagen - bis nach «Mordor». Folge ich meinen eigenen Denkmustern, muss ich feststellen, dass ein Streit in der Natur selbst entbrannt ist, der sich in unseren Körpern austobt, deren Bauweise sich langsam verändert und teilweise wieder rückbildet. Nicht der «Geist» ist es, der zurückfällt, es ist das Holopragma selbst und mit ihm der Körper selbst, die sich zurückentwickeln. Das Ende der Zucht ist auch das Ende der Bedeutungsentwicklung. Wir alle nehmen an diesem Zerfall teil. Rassismus ist nur eine metaphysische, und auch recht primitive Form, davon zu sprechen. Die Wandlung ist radikal und betrifft das Holopragma als ein Ganzes. Es ist, als würde es zerknittern.

Ich werde gleich wieder deutlicher. Gestatten Sie mir noch eine Wiederholung: Wären wir körperlos, wäre das gleichbedeutend mit der Nichtwahrnehmung unseres Körpers. Wir wüssten nichts vom Körper, auch nichts Propriozeptives. Wir hätten nur diskrete Wahrnehmungen ohne deren Verbindung. Doch wüssten wir auch nicht, da wir starr und unverbunden wären, dass es solche sind. Wir wüssten nichts. Und nicht nur das, «uns» gäbe es gar nicht. Wir könnten weder «näher herangehen», noch uns «umhören». Und täten wir es dennoch, wüssten wir es nicht. Wir wären wie die Sterblichen in Platons Höhle, und zwar so, wie sie darin tatsächlich empfunden hätten, und nicht so, wie Platon es ihnen fälschlicherweise zuschrieb.

Unser «Geist» ist nur «Geist als Körper», sonst ist er nichts. Umgekehrt, können wir unseren Körper gedanklich nur «verlassen», weil wir ihn zur Gänze sind.

Doch gilt das für alles andere auch, für die Welt und das Universum. Nichts wäre ohne unseren Körper! Wir erführen nichts vom «Ding». Es gäbe im Sinne irgendeiner Widerständigkeit, auf die der «Geist» treffen könnte, an dem er sich zum «Ding» formen würde, nichts.

Nun behaupten ja viele von uns, dann – wenn nämlich nichts wäre, kein Körper und kein Ding - wäre nicht zwingend wirklich nichts. Wir erführen es einfach nicht. Doch eine solche Sichtweise verweist immer wieder nur darauf, dass wir einen Körper haben, und dass wir es in allem, was wir wissen, wissen. Hätten wir aber nie einen Körper besessen, wäre nichts. Auf die Schwierigkeit, dies zu begreifen, stiess nun aber bereits Parmenides. Jenes Nichtsein kann ja nicht sein, sonst wäre es ein Seiendes. Wir sagen, jene Körperlosigkeit, von der wir ständig reden, wenn wir davon reden, dass der Geist etwas vom Körper Unabhängiges ist, ist nicht, doch kann dieses Nichtsein als ein Seiendes nicht sein. Ebenso wenig kann Platons Ideenwelt sein, sie wäre nämlich wieder die Welt in der Höhle, aus der man zu entrinnen trachtete. Wie Kant richtig feststellte, ist das «Ding an sich», wie er jenes nichtseiende Seiende sive seiende Nichtseiende genannthat, nichts, worüber wir irgendetwas wüssten oder in Erfahrung bringen könnten. Es ist bloss ein Postulat, das allerdings nun sein muss. Wie Sie, wenn Sie gefolgt sind, einsehen werden, ist das Holopragma nur darum ein solches, weil wir es als ein solches zwar denken, aber nie erfahren können, genauer: wir müssen es als ein solches denken, um es als «die Wirklichkeit» zu erfahren.

Alles ist, wie Sie vielleicht zu sehen anfangen, und was bereits Locke, Berkeley und Hume zur Begutachtung vorlegten, ausschliesslich die Geschichte unserer Wahrnehmung, die Geschichte unseres Körpers, mit Ausnahme des Unterstellten, dessen Seinsweise in der Unterstellung beruht und auf sie begrenzt ist. Und nur darum ist es auch die Geschichte des «Geistes». Unser Körper ist nicht nur «in der Welt», er ist darüber hinaus die Welt selbst, ist ihr Sein. Doch immer nur «lebend», also wahrgenommen als genau dies. Leben bedeutet demnach – auf eine kurze Formel gebracht - Teilhabe am Holopragma.

Indem wir unseren Körper erfahren, erfahren wir die Dinge. Unser Körper und die Dinge sind eins. Es gibt keine Vergangenheit und keine Zukunft, so wie wir es uns vorstellen, als «Zeiten» nämlich, die einmal «wirklich» waren oder es sein werden. Wir behaupten es jedoch immerdar trotzdem, weil es einfach das Plausibelste ist. Wollen wir es untersuchen, müssen wir entweder in die Logik, in die Kausalität oder in die absolute Symmetrie eintauchen.

Das bedeutet, wir müssen die vollkommene Reversibilität von allem «herstellen», was wir nur in der Vorstellung schaffen. Wir müssen uns an Logik und Kausalität, wie Tarzan an den Lianen, durchs Nichts hangeln.

Machen wir ein Beispiel. Wenn wir Dinosaurierknochen finden, glauben wir, das zugehörige Tier müsse einst gelebt haben. Das erscheint uns zwingend, logisch und kausal. Doch ist auch das nur eine Geschichte unseres Körpers! Wären wir in der Lage, tatsächlich in die Vergangenheit zurückzugehen - wäre also die vollkommene Symmetrie möglich -, so würde sich in der Tat zeigen, dass wir recht hatten. Aber das ist nur eine Scheinerkenntnis. Denn der Gang zurück – die Zeitreise - ist die conditio sine qua non für das Leben unseres Dinosauriers. Wir können – falls wir es können - nicht darum zurückkehren, weil es eine Vergangenheit gab. Es ist so: Es gab jene Vergangenheit, falls wir in sie zurückkehren können. Die Annahme einer absoluten, nicht erfahrenen und nicht erfahrbaren Gegebenheit «Vergangenheit» bleibt eine Hypothese, die wir nur entwickeln können, weil wir in uns selbst vor und zurück können, sogenannte Momente überbrückend, doch ist jede solche Brücke nur wieder ein weiterer solcher Moment. Wenn Sie dies einsehen, erkennen Sie, dass alles in der Welt, unser Körper inklusive, ein Holopragma ist, eine Art von Superholodeck. Es gibt nicht hinter allem die «Wirklichkeit», und dann gäbe es noch das, was wir erleben und erfahren. Es existiert kein Urbild hinter dem Abbild, ausser im Atelier des Malers. Doch wenn wir uns als Maler definieren, haben wir nichts begriffen, wir haben einfach nur das Problem ausser Reichweite verschoben, wie Platon. Platon, immerhin, denke ich, hat’s bemerkt und das Gleichnis zur Aufklärung verwendet, zur Aufklärung seiner selbst.

Die Schwierigkeit ist zu begreifen, dass das Holopragma alles, nur kein Holodeck ist. Haben wir nicht gerade gesagt, es sei ein Superholodeck? Ja, das war aber nur ein Bild, um uns in die Nähe eines Begreifens zu begeben. Was ist der Unterschied zum Holodeck? Auf das Holodeck können wir als Körper treten, um uns dort durch eine Illusion vorsätzlich täuschen zu lassen. Ins Holopragma können wir jedoch nicht treten, wir werden hineingeboren und entwickeln zugleich uns und die Welt, die uns umgibt, die davon abhängt, dass unsere Erfahrungslinie, die Linie, das Kontinuum unseres Bewusstseins nie abreisst. Auch der Schlaf dispensiert uns nicht davon, sondern beweist, dass es keinen Unterbruch gibt. Zwischen dem Einschlafen und dem Erwachen liegt nichts. Erwachen wir nicht mehr, ist eben dieses Nichts, und das Holopragma ist weg. Dass die Welt auch dann weiterbestehe, wenn wir schlafen, ist eine weitere holopragmatische Erzählung, wie jene, dass es jemals eine Vergangenheit gegeben habe.

Monaden

Wir sind jetzt an einem interessanten Punkt angelangt, nämlich bei Leibniz, oder anders gesagt, wir sind bei der Betrachtung des Holopragma auf einen Atomismus gestossen. Es gibt drei Atomismen in der Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte. Leukipp und Demokrit entwickelten den einen in der klassischen Zeit Griechenlands, und sie waren dabei so erfolgreich, dass ihre Werke in der Antike berühmter waren als jene Platons und Aristoteles’. Dank der Christen sind diese Werke verschollen, das heisst, sie wurden zerstört, die letzten im Jahrhundert der religionsbedingten Wissensvernichtung, im fünften Jahrhundert. Wir wissen über Demokrits Atomlehre lediglich aus Zweit- und Drittquellen, dabei war sein eigenes Werk vergleichsweise riesig. Der zweite Atomismus stammt ursprünglich von Giordano Bruno, den die Kirche um 1600 in Rom lebendig verbrannte. Er wurde von Leibniz gleichsam wiederentdeckt und neu begründet, der ihn Monadenlehre nannte. Im Unterschied zu Leukipps und Demokrits Atomismus sind die Leibnizschen Atome jedoch keine rein materiellen kleinsten Teile, sondern eigentliche Mikrowelten. Die dritte Atomlehre ist bekanntlich jene der modernen Physik, die zunächst der Spur der alten Griechen folgte, dann aber zunehmend feststellen musste, dass die Mikroweltenversion auf eine ganz neue Weise jene alte Sicht verdrängte.

Betrachten wir zuerst, was wir inzwischen wissen. Wir wissen, dass das Holopragma keine Aussenseite besitzen kann, dass es eine rein interne Angelegenheit ist und bleibt, weil die Erfahrung (der «Geist», das Subjekt, das Bewusstsein) in ihr ein konstitutives Element ist. Das Holopragma ist wie das Universum reiner Innenraum. Daraus geht aber sogleich hervor, dass wir es nie als ein Ganzes fassen können, und das wiederum bedeutet, dass es selbst kein «Ding» ist, kein Objekt, nichts «Wirkliches». In gewisser Weise dürfen wir sagen, die Wirklichkeit ist nicht wirklich. Das Holopragma verletzt die Definition des Wirklichen, dass wir uns bei unseren Erkenntnissen und Erfahrungen auf etwas ausserhalb beziehen, dass wir die Wirklichkeit bloss abbilden, und dass sie jenseits ihrer selbst bereits gegeben sei. Mit anderen Worten bestreiten wir, dass wir untersuchen, was ist, dass wir herausfinden, was ist, denn dies setzte voraus, dass da etwas sei, das sich herausfinden lässt. Nun wissen wir aber, dass das, was ist immer zugleich das ist, was bewusst ist, dass das Abbild gewissermassen sein eigenes Urbild ist. Damit tun wir etwas, was die Quantenphysiker ganz tief unten, bei der Messung subatomarer Vorkommnisse wiederentdeckten, dass dort unten im quasi unendlich Kleinen die Beobachtung das Ding «macht» und nicht umgekehrt. Zugleich aber behaupten wir nicht viel anderes, als was auch Quine mit seinem Holismus und seiner inscrutability of reference ausdrücken wollte, dass alles miteinander zusammenhängt, sobald wir es zu isolieren versuchen, auf welcher Ebene auch immer, dass wir zugleich aber nie von der einen auf die andere Ebene referenzieren können.1 Worauf sich ein Name wie «Blume» bezieht, bleibt letztlich unerforschlich, und zwar nicht, weil es dieses Unerforschliche gäbe oder auch nicht gäbe im Sinne des Seienden der klassischen Ontologie oder einer «wirklichen Wirklichkeit» im Sinne des metaphysischen Realismus, den wir im Alltag verwenden. Es bleibt schlicht offen. Das Kantische «Ding an sich», welches damit auch gemeint sein kann, hat lediglich die Existenzform eines Postulats, das jedoch denknotwendig ist.

Es ist ja auch so, dass wir uns das Universum nicht als reinen Innenraum vorstellen können, wollen wir es als ein Ganzes irgendwie fassen, zum Beispiel mathematisch. Denn entweder wäre es im klassischen Sinne unendlich, dann würden alle unsere Vorstellungen von ihm notwendig falsch sein, weil in der Unendlichkeit auch alle anderen Möglichkeiten enthalten sein müssten. Wenn wir nur lange genug warten oder weit genug reisen würden, würde uns dies klar. Das korrespondiert auch mit dem