Titanic voraus! - Adrian W. Fröhlich - E-Book

Titanic voraus! E-Book

Adrian W. Fröhlich

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Beschreibung

Ein Essay, der die dahingleitende, hellerleuchtete westliche Kultur vom Eisberg der Wirklichkeit aus betrachtet, mit dem sie in Bälde kollidieren wird.

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Sozialismus ist Dreck, egal was irgendwelche Hosenscheißer Ihnen erzählen, und im Sozialismus ist alles weniger wert, viel weniger wert, nicht zuletzt das Leben selbst. (...) Ich hatte gerade erst begonnen, zu lernen, zu verstehen, zu sehen, was diese ganze «Aufklärung» bedeutetet, ich hatte «zu krabbeln» begonnen, auf dem Pfad, den Giganten vor mir gegangen waren, und nun lassen Zwerge in Palästen den Pfad verrotten.

Dushan Wegner, 10.05.2019

(…) umgekehrt ist der Prozess aus Sicht der Political-Correctness-Bewegung. Hier steht die Wahrheit in Form der Doktrin bereits fest, weshalb sich Debatten im Grunde erübrigen. Der Debattenraum wird im Namen einer Ideologie somit erst teilprivatisiert und dann schrittweise universalisiert, bis der Privatstandard der Doktrin als einzig neuer zulässiger Meinungskorridor erscheint.

Milosz Matuschek, 29.04.2019, NZZ

It will be nice if you stop interfering in our internal business and stop funding hundreds of radical left wing NGOs in Israel that seek its destruction. Use the hundreds of millions of € you use for this to fund hospitals, schools and churches in Germany!

Yair Netanyahu, Tweet an Aussenminister Maas, 11.05.2019

Inhaltsverzeichnis

Eine kurze Einführung

Die gesellschaftliche Bedeutung des Narzissmus

Die Smenokratie setzt sich durch

Vom Klima zur Climatology

Der ewige Versuch der Linken

Die Nachkriegsdoktrin und der Marxismus

Aus der Fabrik der Wahrheitsproduktion

Und täglich grüsst die Propaganda

Alchimistische Bevölkerungsversuche

Die Polit-Baustellen unserer Zeit

Im Ringkampf der Kräfte

Der neue Stil

Vorschlag fürs eigene Handeln

EINE KURZE EINFÜHRUNG

Sag mir, Mellon, wann liessen wir zu, dass das Böse stärker wird als wir?

J.R.R. Tolkien, «Der Hobbit»

Karl Poppers Offene Gesellschaft hat wenig mit dem zu tun, was sich heute so nennt.1 Vor allem dachte er sie ideologiefrei und mit begrenzter Toleranz. Das einzige, was umgesetzt wird, ist die Neuinterpretation der Demokratie als eine Staatsform, in der nicht unbedingt die Mehrheit entscheiden müsse.

Doch ist, was beispielsweise George Soros’ Open Society Foundations OSF betreibt, nur einfach das, was getan werden muss, wenn es mit der Offenen Gesellschaft überhaupt konkret werden soll. Rechte fokussieren bei ihrer Kritik auf den Angriff der OSF auf die Demokratie der Mehrheiten, OSFler jedoch auf die Verbreiterung der Zivilgesellschaft. In der Umsetzung dieses Anliegens entsteht die Smenokratie, über die weiter unten eingehender nachgedacht wird.2

Doch was ist Offene Gesellschaft, auf den Punkt gebracht? Man kann sie rein philosophisch-programmatisch beschreiben, dann ist Popper immer noch die beste Referenz. Oder man beschreibt sie gleichsam von der Aktion her, die zu ihren Gunsten zu entfalten ist, dann sind beispielsweise die OSF eine bessere Referenz.

Wir nun beschreiben jene Realität und jene Konzepte, welche die Verfechter der Offenen Gesellschaft benutzen, verändern und hinterlassen, sehen das Projekt somit pragmatisch und unverstellt von aussen. Dabei zeigt es sich, wie folgerichtig, Jahrzehnte lang vorbereitet, und wie gefährlich sie in Wirklichkeit für die Kultur ist.

Doch beginnen wir anders. Es gibt verdienstvollerweise einige ausgezeichnete Geschichtsdarstellungen im Filmformat, wie beispielsweise eine TV-Serie über den Ersten Weltkrieg. Sie ist bemerkenswert wahrhaftig für das zeitgenössische Erzeugnis eines Publizitätsmediums. Wer sich die Abfolge dieser filmischen Nacherzählung der Geschichte des Weltkriegs anschaut und dann bedenkt, in welchem Zustand sich unsere heutige Welt und Politik befinden, namentlich in Deutschland, aber auch in Frankreich und England, der wird, wenn er ehrlich ist, aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.

Lediglich Hundert Jahre nach diesem Riesenkampf grosser Völker, dieser kollektiven Höchstleistung und geradezu abnormen Disziplin, dieser Bedeutsamkeit, wohin man auch blickt, dieser welthistorischen Grösse, die aus jener gefilmten Welt auf uns einwirken - was uns alles so fremd geworden ist, als berichte man über die Bewohner eines fernen Exoplaneten -, dreht sich heute die ganze Welt um Sexuelles, um die Vielgeschlechtlichkeit des Seins, um eine Islamisierung Europas, ja der USA, um die Aufnahme von Millionen Schwarzafrikanern und Arabern, von Afghanen und Pakistani mitten im Herzen des Westens als den Nachfolgern der Schwaben und Sachsen, der Schotten und Schweden. Alles handelt heute von einer Negierung der Verwurzelung, von der Negierung der eigenen Kultur, als habe es nie jenes alte, grossartige Europa gegeben, das 1914 in den Krieg zog um die Wurzeln zu verteidigen, die nun mit Motorsäge und Bagger extrahiert werden, als habe irgend ein Dämon es befohlen. Eine solche Kluft wie die zwischen damals und heute, hat es historisch noch nie gegeben.

Wie war, wie ist das möglich? Man wagt gar nicht daran zu denken, wäre es jenen Soldaten und ihren Witwen möglich, durch ein Fernrohr in unsere Zeit zu blicken, wie sie selber darüber urteilen würden. Sicherlich würden sie erst einmal nichts davon glauben, und insistierten wir, dass genau dies geschehe, hielten sie uns für verrückt, für Verbrecher, für zutiefst seelisch und geistig Zerbrochene. Worauf wir sie dann reflexartig hinweisen möchten, auf den langen Frieden beispielsweise, auf den allgemeinen Wohlstand und auf die mehr als nur politische Gleichheit etwa, darauf würden sie lediglich spucken, als auf etwas, das abseits jeder Ehre und Tugend steht. Sie hielten uns, jeden Einzelnen von uns, egal von welcher politischen Ausrichtung, für ehrlosen Abschaum.

Eine übermächtige Scham hat sich längst unserer Seelen bemächtigt und treibt uns, weil wir sie keine Sekunde lang aushalten, in geradezu tobende Extroversionen, damit wir uns der Schande nicht stellen müssen. All die Leitartikler, die Redaktoren, die Politiker und Intellektuellen unserer Zeit entdecken wir als infantiles Personal, sobald wir genauer hinschauen.

Wir tun es möglichst selten. Der Anblick und die Einsicht wären viel zu schmerzhaft. Im freien Fall konsumieren wir, fressen wir, saufen wir, kopulieren wir. Die Schwerkraft ist kaum noch zu spüren, solange wir nach unten fliegen. Im Gegenteil, es sieht nach Auftrieb aus. Und es sind alles Lügen! Die Medien lügen, doch sie sind damit nicht mehr allein. Die Welt wurde zu einer einzigen, unüberwindlichen Lüge. Die Lüge ward Geschichte, wie Orwell prophezeite.

Doch stimmt das? Gibt es nicht auch eine ganz andere Sicht? Eine Welthoffnung, an deren Umsetzung mit Macht gearbeitet wird? Die gibt es. Noch ist die Lage aber undeutlich, und was heute betrieben wird, ist «Weltpolitismus». Was auch immer das sei. Ich gehe hier auf Spurensuche, kritisiere und hebe hervor, unterlege mit Modellen und Erklärungsansätzen, wie sie sich mir in den letzten vierzig Jahren immer mehr aufgedrängt haben.

Ich habe in meinen Büchlein Smenokratie und Endspiel in Theben und in Imperium Humanum vieles, was in diesem Buch hier erneut zur Sprache gelangt, schon einmal dargestellt. Doch, wie mir heute scheint, noch nicht ganz so, dass es auf den Punkt gebracht ist. Es sei also noch einmal - ich hoffe, ein letztes Mal – versucht! Welches Stück wird im Welttheater unserer Epoche eigentlich wirklich gespielt?

Menschenrecht, Shoa, Narzissmus, Geldlust, Menschenmarkt, Neomarxismus, Smenokratie, Prinzipat, Egotheismus, Sexualrache, Reichstrunkenheit und Sofortismus kämpfen in unserer Epoche um die Podestplätze. Das Aufflackern des Republikanismus schürt hier und dort Hoffnung, wo am Ende keine mehr ist.

Im Verlauf dieser Untersuchung werden wir die Feststellung machen, dass Hitler die letzte Hürde war, die genommen werden musste, damit endlich heranreifen konnte, was wir heute nun vollenden: die Abschaffung unserer Herkunft, die Abschaffung von uns selbst als Alteuropäer und Altamerikaner.

Und, es muss gesehen werden: Ein uralter Hass hat sich ausgebreitet, der über Jahrtausende hinweg aus Europa verschwunden schien, der Hass auf das Eigene, das Geschaffene, das Hergestellte, die Leistung. Der Hass derer, die zurückblieben, als die anderen auszogen in die Weite der Zukunft, um etwas «hervorzubringen» und «bestehen» zu lassen. Ein Hass, dessen vorsprachliche Argumente Vergewaltigung und Mord sind. Ihm gegenüber üben wir heute eine seltsame, morbide, todessüchtige Nachsicht.

Zivilisation kann nämlich, so stellen wir fest, durch ein Progrämmchen unaufhaltsam vernichtet werden:

Before intentional action(x): Loss of energy (increase of frustration or resistence), if performed? If yes, don't execute. Else: Check again.

Wenn wir x einen bestimmten Wert annehmen lassen, z.B.: x=patriotic, oder x=unpatriotic, kann die Zivilisation aber auch in eine bestimmte Richtung pervertiert werden, ohne dass man sie ganz abschaffte.

In der Tat reicht es, einen derart einfachen Eingriff vorzunehmen, um die Kontrolle über die ganze Welt zu übernehmen. Selbst Hilfe dagegen ruft diesen Algorithmus auf und verschlimmert die Lage.

In ihm ist übrigens auch die relevante Psychologie enthalten. Man kann den Algorithmus etwas despektierlich das Neuroseprogramm für Androiden nennen, welches sie endgültig zu Hominiden stempelt. Wer genügend lange darüber nachdenkt und weiss, wovon hier die Rede ist, wird es leider bestätigen müssen. So einfach ist es wirklich. Dass unsere Zeit nicht mehr in der Lage ist, derartige Dinge aufzudecken, belegt, dass der Zenit unserer Intelligenz überschritten ist, dass wir nun – und das seit einigen Jahrzehnten schon - dümmer und dümmer werden.

Wie passt das zur Vision, die heute ja ebenfalls am Werk ist? Die Dinge sind im Umbruch. Es lässt sich noch nichts Gewisses sagen. Und doch lässt sich überraschend Vieles sagen.

1 Karl R. Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, Teil 1: Der Zauber Platons. Francke, 1957, Teil 2: Falsche Propheten: Hegel, Marx und die Folgen, Francke, 1958

2 Siehe auch: Fröhlich, A.W., Smenokratie, BoD, 2018, sowie: Imperium Humanum, BoD, 2018

DIE GESELLSCHAFTLICHE BEDEUTUNG DES NARZISSMUS

Wir können uns heute besser vorstellen, wie es seinerzeit zu den Nazis hatte kommen können. Eine rasante, in ihrem Anspruch und der Dreistigkeit, mit der sie vorangetrieben wurde, verrückte Veränderung - eine Revolution - durch eine über jedes historische Mass hinaus selbstbewusste, blasierte und im Grunde aggressive Avantgarde führte zu den «Goldenen Zwanzigern».

Die Gesellschaft wurde explosionsartig auseinandergetrieben in das Lager der Hedonisten, die wir kulturell heute so unendlich hoch einschätzen - Intellektuelle, Künstler, Steinreiche, Kriegsgewinnler, Antitraditionalisten, «Juden», Legionen von Profiteuren, Glücksrittern und Gesellschaftshuren -, und in jenes der Tugendbolde - Traditionalisten, Konservative, Aristokraten, Bauern, Mittelständler und Exmilitärs. Letztere hatten den Krieg verloren, die Deutungshoheit und das Recht, auf defiziente Moral hinweisen zu dürfen.

Die Veränderung kam in ihrer Radikalität überraschend und war nicht demokratisch legitimiert. Sie war ein reines Diktat. Es hatte dazu nie einen öffentlichen Meinungsbildungsprozess gegeben. Dagegen erhob sich die Reaktion, die schon bald ebenso ins Extreme ging wie die Welt, die sie bekämpfte. Sie wollte wiederherstellen, was zerstört wurde, schoss dabei übers Ziel hinaus und lieferte gleich noch eine theoretische Generalerklärung für die laufende Umwälzung nach, den angeblichen Plan einer jüdischen Weltverschwörung.

Wir vermögen das heute zu erkennen, weil wir gerade ein Remake davon erleben. Seit rund fünf Jahren ist eine vergleichbare Veränderung im Gang. Diesmal betrifft sie den gesamten, nördlichen Okzident, als habe er einen Universalkrieg verloren, und als ginge es jetzt um radikale Neuausrichtung.

Doch hat es für diese Umwälzung, die das Spektrum zwischen Ethos, Moral, Gesellschaftswissenschaft, Geisteswissenschaft, Sprachwissenschaft, Emanzipation und Feminismus betrifft, ebenso wenig eine demokratisch-öffentliche Debatte gegeben, wie seinerzeit in den Zwanzigern.

Vielmehr treten die Phänomene auch bei dieser Revolution unvermittelt auf und werden mit unnatürlicher Eile, werden im Laufschritt miteinander vernetzt, als befürchte man den Verlust des Momentums durch das Eintreten von Widerstand. Sie wirken als Diktat, dessen demokratische Legitimation post hoc eingeklagt wird, indem man sich der neomarxistisch-dialektischen Kritik bedient, und - hier wird es spannend – als das Ergebnis einer in dieser Dimension im Okzident seit den fast zweitausend Jahre zurückliegenden Anfängen der Christianisierung der grossen, alten Welt der Hellenen und Romanen nie mehr gesehenen Kausalumkehr bereits bei und in der Wahrnehmung der Welt.

An dieser Stelle kommt der Narzissmus ins Spiel, die wohl stärkste, intrapsychische Triebkraft in diesem neuen Jahrhundert. Um ihn und seinen Beitrag zu verstehen, müssen wir uns eines vereinfachenden Bildes bedienen.

Eine Psyche, deren Selbstkonstrukt schlecht abgegrenzt ist, das diffus wirkt und daher inflationär ins Grosse tendiert - stets unbewusst bleibend -, entspricht bildhaft einem Individuum, dessen Leib so gross ist, dass die Anderen wie materielle Einschlüsse in ihm drinstecken. Dieser Leib wird jede Bewegung dieser Einschlüsse als schmerzhaft, gewalttätig, anmassend und offensiv auffassen, ohne die Möglichkeit, die Situation von aussen betrachten zu können oder gar zu wollen.

Ein Ich mit einem solchen Selbst-Leib wird sich nicht selbst als aggressiv, als übergriffig und expansiv erfahren. Aber jeder noch so geringe Ausdruck von Autonomie des Anderen wird ihm als ein Ausdruck unmässiger Aggression und grenzenloser Anmassung erscheinen.

Damit erlebt das übergrosse, inflationäre Selbst sich nur immer wieder selbst als der Andere, jedoch lediglich projektiv. Die eigene Aggression, die eigene Arroganz, den eigenen Übergriff ordnet es systematisch dem Anderen zu, der sich in Wahrheit aber dagegen wehrt, als ein blosser «Einschluss», und damit als ein Eindringling, behandelt zu werden.

Das narzisstisch aufgeblähte Selbst nimmt sich in seinen Negativa spiegelbildlich im Anderen wahr und bekämpft den Anderen, der sich wehrt, als einen Aggressor, anstatt dass dieses Selbst lernt, sich selbst zu deflationieren, abzugrenzen und auf normale Dimensionen zu verpflichten, um dann zu erfahren, dass der Andere im Grunde harmlos ist und bloss seingelassen werden will.

Das Ganze ist «ich-synton», was bedeutet, dass der Narzisst nicht merkt, was er tut und verursacht. Er ist mit sich selbst deckungsgleich. Er erfährt sich nicht als das Problem, im Gegenteil erlebt er sich als umgeben von Aggressoren, Arroganten, und - eine seiner Lieblingseinschätzungen -, als umzingelt von lauter «Arschlöchern». Alles «Recht» sieht er bei sich selbst.

Der Andere verteidigt sich nur. Würde er wirklich in die Aggression gehen, sähe der Narzisst keine andere Möglichkeit mehr, als in eine Kampfparanoia einzutreten mit dem Ziel, den Anderen auszulöschen. Wenn jemand einem Narzissten gegenüber seine Autonomie verteidigt und seine Rechte wahrnimmt, erscheint er ihm als Aggressor, als überheblich, böswillig und verblendet. Der Narzisst nimmt so, für ihn selbst nicht einsehbar, lediglich sich selbst wahr und attackiert sich selbst, indem er den anderen attackiert. Die gespiegelte «Selbsteinsicht» des Narzissten ist umso grösser, je weniger der Andere sich «bewegt», dann nämlich erkennt der Narzisst seine innere Leere, sein Nichts, aber auch, je mehr der Andere sich «bewegt», dann erfährt er seine eigene Anmassung und bestraft sie, indem er den Anderen bestraft.

Alle Narzissten sind gerechtigkeitsfanatisch, was unmittelbar einsichtig ist. Das Unrecht, dessen Zeuge sie werden, sind sie selbst, und je stärker es hervortritt, umso verbissener bekämpfen sie es. Es sind Spiegelfechter. Darum sind sie auch unempathisch, weil in ihrem Universum, ausser ihnen selbst, kein anderer als ein Anderer existiert. Sie haben immer nur eine Beziehung zu sich selbst, eine in sich gebrochene.

Narzissten erkennt man spätestens dann, dass sie alle anderen als solche sehen, sobald man ihnen ernsthaft widerspricht. Ihr Auftreten spaltet die Welt in zwei spiegelbildliche Lager. Sie können ungeniert auf den Anderen zeigen und ihn als Narzissten brandmarken, bloss weil er sich wehrt. Er sei dann «überheblich».

Narzissten können Ursache und Wirkung nicht festmachen, ausser so, dass Kausalität in ihrer Welt gerade verkehrt herum funktioniert. Sie sind nicht in der Lage, sich selbst und den Anderen von aussen zu betrachten und die Welt als unabhängigen Untersuchungsgegenstand zu sehen. Daher ist ihre grösste Furcht, dass man sie von aussen betrachtet und mit anderen Akteuren vergleicht. Sie hassen nichts so sehr wie den Vergleich. Denn unbewusst wissen sie um den Befund.

Sie werden ihrer Umgebung als Erstes verbieten, sie mit anderen vergleichen zu wollen. Sie halten sich für unvergleichlich, aber nicht aus eingebildeter Grösse, wie man ihnen unterstellt, sondern aus dem Gegenteil, aus dem Nichts, das sie in Wirklichkeit sind. Sie spüren, dass sie nur überleben können, wenn sie an sich selbst nichts ändern müssen, und das geht nur, wenn man sie aus allem heraushält, mit nichts und niemandem vergleicht.

Mit anderen Worten: Narzissten sind Tyrannen und Diktatoren, sie sind fundamental ungerecht. Sie sind gefährlich für ihre Umgebung, oft sind sie Querulanten, viele von ihnen sind prozesssüchtig, und alle sind sie streitsüchtig und gleichzeitig triefend vor Sentimentalität, da alle ihre Gefühle gespiegelte und in sich gebrochene sind, den Zucker des Selbstmitleids enthaltend, nur sich selbst meinend, den Anderen und seine Intervention ausschliessend. Ihre Empathie tendiert gegen Null, wie das Bild, das wir von ihnen zeichnen, ahnen lässt. Sie sind oft kitschig und pathetisch. Nicht selten wirken sie charismatisch, verführerisch, aus dem einen Grund, durch Attraktivität zu verhindern, dass ihre Umgebung autonom wird, es würde sie unmittelbar schmerzen. Nicht weil sie dadurch kleiner würden, sondern weil sich diese fremde Autonomie quasi in ihrem eigenen Fleisch manifestierte, wie ein darin steckendes und unablässig umgewendetes Messerblatt.

Wie man sieht, ist der Narzissmus trickreich. Denn er überträgt sich leicht. Gerade heute, wo man dem «Weissen» seine «Suprematie» wegnehmen will, versagt man ihm seinen Narzissmus, den er entwickelt, weil ein noch stärkerer Narzisst ihn angreift, indem ihm dieser seine Leistung abspricht. Daher sehe man genau hin: Beruht ein Narzissmus auf Leistung oder nicht? Beruht er auf Leistung, auf individueller oder kollektiver, der sich das Individuum unterwirft, ist er ein bloss sekundärer, im Grund ist er adäquat, solange er nicht übertreibt. Beruht er hingegen nicht auf Leistung, sondern darauf, anderen diese abzusprechen und wegzunehmen, dann ist er primär, ist er gleichsam echt, und meistens ist er dann auch pathologisch.

Damit dieses Absprechen und Wegnehmen von den Ausgeglichenen toleriert werden kann und nicht sogleich abgestossen wird, erfindet der primäre Narzisst ein Erklärungssystem, worin nachgewiesen wird, dass die Leistung, die der Andere als die seine ausgibt, und die es offensichtlich – empirisch und logisch – auch ist, allen gehöre. Dass sie Diebstahl sei. Dieser Dreh erhebt die projektive Abwehr im narzisstischen Wahrnehmen in den Rang einer objektiven Welterklärung und stellt sie der Logik und der Empirie zur Seite. Sobald dies öffentlich geschehen ist, fängt die Gesellschaft an zu zerfallen. Dagegen wehrt sie sich und wird erst recht produktiv, aber auch reaktionär. Der langsame Zerfall führt also zuerst zu einer Blütezeit, danach aber in den Entscheidungskampf, weil dem narzisstischen Welterklärungsmodell keinerlei Korrektiv innewohnt. Die Maschine läuft und läuft und läuft. Wer sich nicht wehrt, geht unter.

Schliesslich beobachtet man das psychologisch bedeutsame Konversionssyndrom, auch Stockholm-Syndrom genannt. Eine bereits stark zerrüttete, verlorene Gesellschaft wird sich proaktiv auf die Seite der projektiven Abwehr stellen und anfangen, sich selbst zu verleugnen, sich selbst abzubauen, sich selbst zu verschenken, bloss um die Kontrolle über den eigenen Untergang zu behalten, die sonst an den Grossnarzissten geht, der hinter der Entwicklung steckt. Man nennt ihn Teufel, Gott oder den Weltprozess, was alles letztlich das Gleiche ist. Wer dieser Konversion anheimfällt, beginnt, sein Hab und Gut zu teilen, seine Herkunft und Wurzeln zu leugnen, zu verspotten oder zu verhökern, sie wegzuwerfen an allerlei Gegenteiliges, ja Nichtsnutziges. Doch er behält so das Kommando. Nur darauf kommt es ihm an. Indem viele dies tun, entsteht wiederum ein neues Feld für narzisstische Gratifikation. Man wird für seinen Wegwurf bewundert, belohnt, ausgezeichnet, und man wird nachgeahmt. Zerfall lohnt sich. Und was zerfällt, war es nicht wert, erhalten zu bleiben.

Das ist der Pakt mit dem Teufel. Es ist unsere Eitelkeit, die siegt. Diese Form des Herostratismus ist modern, sie wurde zur weltweit bestimmenden, kulturellen Kraft, im Zwanzigsten Jahrhundert, nach dem Fall des Faschismus. Der Faschismus wehrte sich dagegen, in die Konversion zu investieren, er reagierte. Doch er unterlag. Letztlich, weil er erkannte, dass der Gegner nur durch unvorstellbare Morde geschlagen werden könne, diese wiederum erregten den Gegner bis ins Maximale. Und da zeigte es sich, dass es auf dieser Welt viel mehr Menschen gibt, die entweder primär narzisstisch empfinden oder aus Liebe zur Selbstkontrolle sich der Konversion verschreiben, als man denkt.

Hier nun drängt sich uns das Phänomen des «Marxismus» auf. Eine Denkweise, die eine Erklärung für die Totalität liefern will, die nicht allein der Betrachtung dient, sondern als ein Werkzeug verstanden wissen will, die Welt der Anderen zu verändern, ohne dass diese Anderen die geringste Chance haben sollen, dagegen zu halten - weil sie in diesem Werkzeug bereits miterklärt und damit entwertet sind -, ist eine ebenfalls zutiefst narzisstische.