Ingas Reise - Barbara Bilgoni - E-Book

Ingas Reise E-Book

Barbara Bilgoni

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Beschreibung

Im dritten Teil der "Nice Girls"-Trilogie geht es nochmals richtig zur Sache. Mel, Ria, Silvie und Claudia ziehen in das neue Haus in der Cottage. Inga fasst einen für sie sehr folgenschweren Entschluss. Ihr Leben dreht sich um 180 Grad, Abenteuer stehen auf dem Programm. Der Hippie-Spirit schwebt auch über diesem Buch und der Leser taucht nochmals tief ein in den ,Summer of Love´.

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Seitenzahl: 159

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Barbara Bilgoni

Ingas Reise

Summer of Love

© 2022 Barbara Bilgoni

Facebook: Barbara Bilgoni

Instagram barbarabilgoni

Mail: [email protected]

https: www.barbara-bilgoni.at

Umschlag: tredition GmbH, Barbara Bilgoni, canva

Korrektorat: Carolin Kretzinger

Druck und Distribution im Auftrag des Autors/der Autorin:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland

ISBN

Paperback:

978-3-347-65720-5

Hardcover:

978-3-347-65721-2

e-Book :

978-3-347-65722-9

Großschrift:

978-3-347-65723-6

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor/die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine/ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors/der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Die Personen und die Handlung des Buches sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Vorwort

Die illustre Mädelsgruppe um Angie, das Spät-Hippiemädchen, hat sich in einer Wohngemeinschaft am Wiener Opernring zusammengefunden. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten klappte das Zusammenleben schließlich ganz gut. Gemeinsam wurden die bizarrsten Abenteuer gemeistert, darunter eine kleine Spionageaffäre, ein fieser Mordverdacht, menschliche Dramen um Yvonne und Claudia, auf die Angie als Teilzeit-Leihoma zu achten hatte. Mel und Ria fanden ihr Glück, Angie ihren Kumpan aus längst vergangenen Tagen. Eine Nobelimmobilie wurde verkauft und wieder zurückerstanden. Inga, das sauertöpfische Wesen aus besserem Haus, erfuhr wohl die gravierendste Wandlung und wurde von der Kinder- und Tierverweigerin zur Katzenbesitzerin und Patentante.

Nun geht es endlich weiter. Und wie immer ziemlich turbulent!

Viel Spaß beim Lesen!

Ingas Reise

Summer of Love

Montagmorgen, fünf Uhr früh: Inga hatte sich aus ihrem Kasten ihr farbenprächtigstes Baumwollkleid im Batiklook1 herausgepickt. Leider musste sie einen Mantel überziehen, denn es war erst Februar und daher in Wien noch immer empfindlich kalt.

Drei Koffer waren gepackt. Mit mehr Gepäck wollte sie sich auf ihrem Flug nicht belasten. Ohnehin hatte sie ihre alten Chanel-Kostüme und Seidenkleider alle weggegeben. Die passten nun nicht mehr. In ihrem einst ziemlich blaustrümpfigen und sauertöpfischen Wesen hatte sich eine totale Wandlung vollzogen. Das Jahr in der WG mit ihren Mitbewohnerinnen hatte ihr einen Weg für ihr weiteres Leben aufgezeigt, an den sie früher niemals zu denken gewagt hatte. Nicht nur war ihre Nachfolgerin in Ex-Ehemann Georg Breitners Damenriege, Moni, eine ziemlich gute Freundin geworden. Sie hatte Ria auch Othello, den rabenschwarzen Kater, abgeschwatzt. Nein. So stimmte das auch nicht ganz! Eigentlich hatte das Tier sie freimütig zum neuen Frauchen erkoren. Ja, so war das, um bei der Wahrheit zu bleiben.

Außerdem hatte sie, die Kinder gar nicht mochte, weil die laut, schmutzig und unbequem waren, einem kleinen krebskranken Mädchen, Claudia, in letzter Minute mit einer Knochenmarkspende das Leben gerettet. Nun, zwar nicht ganz freiwillig, aber immerhin. Angie hatte da gehörig ihre Hand im Spiel gehabt. Der Effekt war für die Kleine aber Gott sei Dank der gleiche. Und dazu bekam Claudia in Inga auch noch eine sehr betuchte Patentante, ihre Mama einen neuen Job und beide eine tolle neue Wohnung.

Aber zurück zu unserer Inga und ihren drei Koffern. Sie hatte sich entschlossen, sich auf die Reise zu begeben, in ihre verwichene Jugend. Bei Angie hatte sie sich den Gusto dafür geholt und wollte nun auf ihre schon etwas älteren Tage den ,Summer of Love´ endlich auch erleben. Es war ja bekanntlich fast nie zu spät, das Versäumte nachzuholen.

Die damalige Ära war dank ihrer Eltern spurlos an Inga vorübergegangen. Diese hatten ihr nämlich, als sie im heiratsfähigen Alter war, einen Fabrikantensohn ausgesucht, der in ihren Augen eine gute Partie für die Tochter war. Man musste ja an die Zukunft des Kindes denken.

Georg, so hieß der Gute, war der künftige Juniorchef einer renommierten Seidenmanufaktur. Schließlich hatten sich die beiden gefügt und geheiratet. Georg erbte dann tatsächlich den Betrieb und Inga war pflichtbewusst stets an seiner Seite. Sie verkümmerte seelisch immer mehr, ließ sich geduldig seine Spirenzchen2 gefallen, bewirtete treu sorgend seine Geschäftspartner und zog die gemeinsame Tochter, Greta, groß, sehr lieblos.

Nun stand sie mit ihren Koffern auf dem Trottoir vis-à-vis der Staatsoper, umringt von Angie, Mel, Ria, Moni und Silvie, der Mutter der kleinen Claudia. Die verbandelten Männer Sammy und Bruno hatte man nicht dazugebeten. Das war reine Mädelssache. Alle waren etwas gedrückter Stimmung, denn es hieß, endgültig Abschied zu nehmen. Abschied von Inga, die aufbrach in Richtung versäumter Jugend, Leichtigkeit und Freiheit, aufbrach nach Amerika.

Das Taxi näherte sich und alle halfen beim Verstauen des Gepäcks. Angie drückte Inga noch schnell ein kleines buntes Päckchen in die Hand, liebevoll verpackt.

„Aber erst drüben aufmachen“, zwinkerte sie ihrer Freundin verschwörerisch zu.

„Und vergiss nicht! Es gehen heute zwei Flieger ab in die USA. Pass auf, dass du den richtigen erwischst. Also, hopp, hopp. Und melde dich mal. Ich selbst hab´s ja nie bis über den Großen Teich geschafft, aber ich bin in Gedanken bei dir. Mach´s gut!“

Nun verabschiedeten sich nacheinander alle Mädels tränenreich von Inga. Ria übergab ihr noch leicht schniefend das Transportkörbchen mit Othello. Der durfte nämlich auch mit in die USA. Niemals hätte Inga ihr Schätzchen zurückgelassen. Und schon stieg sie ins Taxi und los ging die Fahrt. Inga hielt ihren geliebten Kater samt Transportbehälter auf dem Schoß, der kam ihr nicht in den Kofferraum. Auf gar keinen Fall!

Der Tierarzt hatte dem Stubentiger eine leichte Sedierung verabreicht, damit er nicht so nervös und zappelig war. Sonst würde der stundenlange Flug für das arme Tier eine Qual werden, und nicht nur für ihn. Vierzehn Stunden sind schon ein erkleckliches Zeitl für eine Katze. Dies auszuhalten, ist eine Kunst. Und Othello hatte ja ein enormes Temperament, das gar nicht so leicht zu zügeln war.

Das Taxi brachte Frauerl und Haustier wohlbehalten nach Schwechat zum Flughafen. Der Fahrer organisierte für Inga noch einen Gepäckwagen, platzierte die Koffer darauf, nahm seinen Fuhrlohn dankend entgegen und rauschte wieder Richtung Wien.

Inga stellte Othellos Körbchen ganz oben drauf und schickte sich an, die Halle des Airports zu betreten. Zuallererst wollte sie einmal den schweren und unhandlichen Ballast loswerden also suchte sie den Check-in.

Sie kramte aus ihrer Tasche das Flugticket, den Reisepass und natürlich das Gesundheitszeugnis für Othello heraus, außerdem den Impfpass mit der Tollwutimpfung und den EU-Heimtierausweis. Gechipt war der Gute natürlich auch. Mehr und mehr kam Inga zu der Erkenntnis, dass Othello weitaus umfangreichere Reisepapiere brauchte als sie.

Sie fuhr mit dem Riesengefährt zu einer netten Flughafenangestellten, auf deren Namensschild Helga Müller stand, und legte ihre Unterlagen auf den Tresen. Dann half ihr ein junger Mann, die drei Koffer auf das Förderband zu hieven. Er hatte wohl etwas Mitleid mit ihr. Das Gepäck wurde mit Banderolen versehen, welche sicherstellen sollten, dass sie auch dort ankamen, wo Inga und Othello landeten. Inga bekam ihr Flugticket und einen extra Schein für ihren Kater und hatte jetzt noch genügend Zeit für ein Getränk.

Sie suchte sich ein geeignetes Lokal, stellte den Katzenbehälter auf einen Sessel, nahm selbst auch Platz und orderte eine Melange. Mit sanfter Stimme sprach sie beruhigend auf Othello ein, der war aber ohnehin bereits tiefenentspannt. Er saß auf einer dicken Lage Zellstofftüchern, um eventuelle kleine Malheurchen aufzufangen. Ihm war das Ganze ziemlich schnuppe. Sollten sich andere aufregen, er döste vor sich hin. Er machte sich bloß Sorgen, ob sie eventuell über das Bermudadreieck fliegen würden. Er glaubte aber eher nicht. Da hörte man ja die absonderlichsten Dinge. Wär doch zu schade, wenn ein strammer, pechschwarzer Kater von irgendwelchen außerirdischen Wesen gekidnappt wurde oder auf unerklärliche Weise im Nichts verschwand.

Noch einmal ließ Inga das letzte Jahr Revue passieren. Ihre zögerliche Ankunft in der WG, die täglichen kleinen Streitigkeiten, die Unstimmigkeiten mit Angie, ihr Auszug samt Übersiedlung zu Greta, ihrer Tochter, und Wilbur, deren Mann.

Wie sehr hatte sie sich in den beiden getäuscht. Hatte sie doch gedacht, dort herzlich willkommen zu sein. Sie fand sich aber unversehens in ein fensterloses Kammerl gesteckt, welches ihr gar nicht sehr zusagte, wieder.

Hach, wie froh war sie gewesen, als ihre Mädels sie doch wieder zurückholten in die illustre Gemeinschaft am Opernring. Dann das ganze Remmidemmi mit dem Haus, ihre Stammzellenspende für ein kleines krankes Mädchen, Claudia, ihr plötzlicher Sinneswandel samt Entschluss der Langzeitreise nach Kalifornien. War das ein wildes Jahr gewesen!

Nein, sie bereute diese Idee keinesfalls. Man sollte öfter einmal etwas riskieren im Leben und neue Wege beschreiten. Jetzt war es endlich an der Zeit für sie. Ein Mega-Abenteuer wartete dort drüben. Sie hatte gar keine großen Pläne gemacht und wollte bloß ein Zipfelchen des ,Summer of Love´ erhaschen und endlich irgendwie ,frei´ sein. Zu viele Zwänge hatten sie bis jetzt in ein enges Korsett gepresst und sie hatte sich jahrelang gefügt. Nun war das aber alles Vergangenheit und vor ihr lag eine herrliche Zukunft. Hoffentlich!

War das wirklich so? Sie hatte vorab einmal für vierzehn Tage ein Motel-Zimmer in San José gebucht. Das wäre ihre Schaltzentrale. Von dort würde sie sich im Internet nach einer WG umschauen, wo sie dann längere Zeit bleiben konnte. Sie hoffte, dass sie etwas Passendes finden würde.

Erschrocken sah sie auf die Uhr und hörte im selben Moment auch schon den Aufruf im Lautsprecher. Das Boarding für ihren Flug hatte bereits begonnen. Eilig zahlte sie ihren Kaffee, schnappte Handtasche, Transportkörbchen und Boardingpass samt Begleitschein für Othello und eilte zum richtigen Schalter. An die fünfzig Menschen warteten dort schon darauf, das Flugzeug besteigen zu können. Als sie endlich an der Reihe war, nahm ein Angestellter ihre Tickets entgegen, versicherte sich durch einen Blick in Othellos Behältnis noch einmal, dass es dem Tier gut ging, und wünschte eine angenehme Reise.

Schon konnten die beiden durch den langen, engen Gang direkt in die Maschine marschieren und ihren Sitz aufsuchen. Inga hatte einen am Gang gewählt, weil sie dort nicht ganz so eingezwängt war, wie direkt am Fenster. Ohnehin graute ihr davor, während der ganzen Reise Othello zu halten. Aber es ging nicht anders. Im Frachtraum wollte sie ihn nicht sitzen lassen und in die Überkopf-Fächer für das Handgepäck durfte sie ihn nicht schieben. Unter dem Sitz wollte sie ihn auch nicht verwahren. Außerdem hätte er es dort finster. Das wäre sowieso nichts. Sie bat daher die Stewardess um Erlaubnis, ihn am Schoß halten zu dürfen. Gott sei Dank willigte diese ein, was sicher nicht ganz regelkonform war.

Neben ihr nahm eine nette, alte Dame Platz, die sich sogleich nach dem Tier erkundigte. Sie machte sich auch erbötig, Inga den Kater von Zeit zu Zeit abzunehmen, worüber sich diese sehr freute.

Es stellte sich heraus, dass Agnes, so hieß das alte Mädchen, daheim auch Katzen hielt. Sie kannte sich also aus, steckte sogleich einen Finger durch die Gitterstäbe und kraulte dem willigen Othello hingebungsvoll die Wange.

Es dauerte keine zwanzig Minuten, alle hatten ihre Plätze eingenommen, schon erfolgte pünktlich um acht Uhr der Start. Inga war ja früher schon sehr viel geflogen, damals immer mit Georg, ihrem Ex-Mann. Sie war also kein bisschen nervös. Agnes ging es da wesentlich schlechter, denn sie hielt sich verkrampft an den Armlehnen fest und presste die Augen zu. Sie war ziemlich schmähstad3. Fast mochte man glauben, sie sprach ein stummes Gebet gen Himmel und auch gleich noch ein Ave Maria dazu. Inga tat die Dame leid. Sie versuchte, sie in einen Small Talk zu verwickeln, was jedoch nur zum Teil gelang. Agnes war nicht wirklich gesprächsbereit. Als die endgültige Reisehöhe erreicht war, ließ ihre Angst ein wenig nach. Und sie bekam wieder ein bisschen Farbe um die Nase. Endlich begann sie zögerlich:

„Wissen Sie, Kindchen! Ich bin etwas ängstlich beim Fliegen. Mein Mann war im Krieg Pilot bei der Armee und ist bei einem Angriff abgestürzt. Er war auf der Stelle tot, was ja in dem Fall noch ein Glück war. Seit damals bin ich Witwe. Und obwohl das schon so lange her ist, ich kann es einfach nicht vergessen. Aber jetzt möchte ich meine Tochter und meine Enkelkinder in den USA besuchen. Da geht es gar nicht anders. Ich musste eben über meinen Schatten springen. Es wird schon gut gehen.“ Und sie bekreuzigte sich inbrünstig.

Inga, die die Dame ablenken wollte, begann von ihrem Patenkind Claudia zu erzählen und was die Kleine im letzten Jahr alles mitgemacht hatte. Mit wachsender Aufmerksamkeit lauschte Agnes der ergreifenden Geschichte. Ab und zu schniefte sie leise vor sich hin und wischte sich verstohlen die Äuglein. Dann sprach sie auch über ihre Enkel. Die waren schon Teenager und hatten ihre Oma erst einmal gesehen. Umso aufgeregter waren daher alle über den Besuch der alten Dame.

Der Pilot meldete sich nun zu Wort, erklärte etliche technische Details wie Flughöhe, Wetterlage und Dauer des Fluges. Inga hörte bloß mit halbem Ohr zu. Wen interessierten diese Nebensächlichkeiten schon. Sie konnte an den ganzen Fakten eh nichts ändern.

Dann wünschte er noch gute Reise und verabschiedete sich wieder. Es folgte die Erklärung der Sicherheitsvorkehrungen seitens des Kabinenpersonals. Schließlich musste auch jeder Bescheid wissen, was im Notfall zu tun sei. Alle hofften natürlich, dass es nie derart weit kommen würde. So etwas passierte ja immer nur den anderen. Hoffentlich!

Längst war das Flugzeug über der Wolkendecke und vom Land darunter war nichts mehr zu sehen. Die Flugbegleiterinnen begannen nun geschäftig, eine Mahlzeit zu servieren. Agnes bot sofort an, Othello zu halten, während Inga aß. Danach würden sie tauschen. Überhaupt war das alte Mädchen ziemlich nett und Inga heilfroh über die angenehme Sitznachbarin. Von hinten drückte ihr ein präpotenter Fluggast die Knie in den Rücken. Inga drehte sich um und blickte ihn strafend an. Das war ihm jedoch ziemlich egal. Er stieß sie weiterhin unerbittlich in ihre Wirbelsäule.

Während Inga ihr Mahl verzehrte, schlummerte Agnes mit dem Korb auf dem Schoß ein. Inga wollte sie jedoch nachher nicht wecken, weil sie dachte, die Frau könnte ein wenig Entspannung sicher gut gebrauchen. Sie holte also aus ihrer Handtasche einen Reiseführer heraus, und begann sich über Kalifornien zu informieren:

Der Staat ist der flächenmäßig drittgrößte und bevölkerungsreichste Amerikas. Er liegt im Westen des Landes und grenzt an den Pazifischen Ozean, die Bundesstaaten Oregon, Nevada und Arizona sowie Baja California auf der gleichnamigen Halbinsel. Der offizielle Beiname Kaliforniens lautet ,Golden State´.

Kalifornien liegt an der Nahtstelle zweier tektonischer Platten, der sogenannten San-Andreas-Verwerfung, daher kommt es in der gesamten Region immer wieder zu Erdbeben. Im Osten des Staates liegt die Sierra Nevada. Die drei größten Nationalparks in dieser Region sind der Yosemite-Nationalpark, der Kings-Canyon- und der Sequoia-Nationalpark. Die einwohnerreichsten Städte sind Los Angeles, San Diego, San José und San Francisco.

Der Ausdruck ,Summer of Love´ bezeichnet den Sommer des Jahres 1967, als die Hippiebewegung in den USA auf ihrem Höhepunkt angelangt war. Er versucht, das Lebensgefühl zu beschreiben, das in diesem Sommer im kalifornischen San Francisco herrschte. Als Beispiel dafür gilt der Song „San Francisco“, gesungen von Scott McKenzie, geschrieben von John Phillips, Sänger von The Mamas and the Papas. Der kulturelle Höhepunkt des ,Summer of Love´ war das ,Monterey International Pop Festival´ vom 16. bis 18. Juni 1967.

Inga ließ ihre Gedanken zurückwandern ins Jahr 1967. Damals war sie noch im Gymnasium gewesen, eigentlich war das sogar eine strenge Klosterschule. Die Nonnen waren hinterwäldlerisch, kein bisschen zugänglich und sehr strikt in ihren Vorgaben und Anforderungen. Die Schülerinnen trugen weiße Schürzen über der Bekleidung. Hosen waren absolut verboten, kurze Haare ebenso. Die Mädchen mussten sich Zöpfe flechten.

Natürlich hatten auch sie heimlich Jugendlektüre wie „Bravo-Hefte“ unter der Matratze gehabt und wussten daher ein bisschen etwas über die Hippie-Bewegung, konnten davon aber nur träumen. Na ja, es kam schließlich die Matura, die Inga selbstverständlich mit Bravour bestand und dann hatte sie relativ schnell geheiratet. Agnes neben ihr bewegte sich. Verblüfft schaute sie auf den Katzenkorb auf ihrem Schoß. Dann dürfte ihr aber wieder eingefallen sein, was dieser zu bedeuten hatte. Inga orderte beim Flugpersonal nun die Mahlzeit für ihre Nachbarin und nahm ihr Othello bereitwillig ab.

„Sie müssen sehr müde sein, denn Sie haben fast zwei Stunden geschlafen“, meinte sie voller Mitgefühl zu Agnes.

„Ach, Kindchen! Ich hab etwas eingeworfen. Sie wissen schon. So kleine, gelbe Dinger. Mein Arzt hat mir die verschrieben. Eben weil ich so nervös war. Und da wird man halt ziemlich müde davon. Ich hab so schön geträumt. Aber jetzt hab ich Hunger!“ Und da kam auch schon ihr Essen und sie griff beherzt zu.

Inga ließ die Dame erst einmal in Ruhe speisen. Danach begannen die beiden wieder zu plaudern. Da ertönte plötzlich abermals die sonore Stimme des Flugkapitäns in den Lautsprechern:

„Meine Damen und Herren! Wie mir soeben vom Boden aus mitgeteilt wurde, nähern wir uns einer heftigen Schlechtwetterfront. Leider können wie sie nicht umrunden, weil die Ausmaße zu groß sind. Machen Sie sich daher auf gröbere Turbulenzen gefasst. Bleiben Sie bitte angeschnallt und stellen Sie Essen und Trinken ein. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.“

Na, bumm! Das hatte gesessen. Inga schluckte und Agnes wurde grasgrün im Gesicht. Sie begann zu zittern und brachte kein sinnvolles Wort mehr heraus. Inga warf einen Blick in Othellos Box. Der war immer noch tiefenentspannt. Um den würde sie sich keine Sorgen machen müssen. Jetzt wünschte sie sich, dass sie auch dieselbe Wunderdroge eingeworfen hätte wie ihr Kater oder ihre Nachbarin. Dann wär nun alles paletti. Aber so musste sie mit ihrer eigenen und der wenn auch gedämpften Angst von Agnes fertig werden. Wild entschlossen ergriff sie die bebende Hand der Sitznachbarin und versuchte, diese in ein Gespräch zu verwickeln. Sie erzählte kurzerhand ein paar Schnurren4 aus ihrem WG-Leben. Unter anderem auch von der unsäglichen Fliederbusch-Affäre, in der sich Angie wieder einmal als Hobbydetektivin wichtig und auch lächerlich gemacht hatte.

Und allmählich gelang ihr das Wunder und Agnes war von den Erzählungen so gefesselt, dass sie gar nicht mehr auf die Turbulenzen im Luftraum achtete. Nun fielen auch ihr lustige Begebenheiten ein, die sie ihrerseits Inga erzählte. Kurz darauf hörte man die beiden kichern wie übermütige Schulmädchen. Sie steckten die Köpfe zusammen und hatten einfach Spaß. Und schon war die Übelkeit vergessen.

Da meldete sich der Kapitän plötzlich wieder zu Wort:

„So, meine Damen und Herren. Das Schlimmste haben wir nun hinter uns. Wir durchfliegen jetzt nur noch schwache Ausläufer der Schlechtwetterzone. Die werden Sie fast nicht mehr wahrnehmen. Bitte bleiben Sie jedoch weiterhin angeschnallt, bis das endgültige Zeichen aufleuchtet, dass Sie den Gurt wieder öffnen dürfen. Wir haben jetzt so ungefähr die Hälfte der Strecke hinter uns. Ich wünsche noch eine angenehme Weiterreise. Jetzt serviert Ihnen das Bordpersonal kleine Erfrischungen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.“

Und schon begannen die Flugbegleiter, eine kleine Jause zu servieren. Inga und Agnes entschieden sich für Donuts und Kaffee. Danach war ihnen jetzt einfach. Österreicher lieben eben ihren Kaffee.

Dann begann Agnes von ihrer Familie zu erzählen. Ihre Tochter, Gabrielle, war beruflich nach Kalifornien gegangen. Sie arbeitete für einen großen Pharmakonzern. Tja, und wie das Leben halt so spielt, hatte sie sich in Übersee unsterblich verliebt, in Kenneth aus der Direktionsetage. Die beiden heirateten bald darauf, als sich Brian, das erste Kind, angekündigt hatte. Sie kauften ein nettes Häuschen am Rande von San José, so richtig im Bungalowstil, mit Vorgarten und Pool und freundlichen Nachbarn rundherum. Zwei Jahre später kündigte Susan, die Tochter, ihr Kommen an und von da an arbeitete Gabrielle nur mehr halbtags im Konzern. Kenneth verdiente ohnehin genug für alle vier. Er hatte einen guten Posten.