Susa, der Weihnachtsgrinch - Barbara Bilgoni - E-Book

Susa, der Weihnachtsgrinch E-Book

Barbara Bilgoni

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Beschreibung

Susa wurde durch schlimme Begebenheiten in ihrer Vergangenheit zu einer verbitterten Weihnachtsverweigerin. Sie sieht sich aber nun durch ihr Patenkind, Tommy, mit gerade dieser Problematik konfrontiert. Und Kinder können hartnäckig sein. Ihm zuliebe macht sie gute Miene zum bösen Spiel. Wird es Tommy, der noch Hilfe von anderer Seite, einem äußerst charmanten jungen Mann, bekommt, gelingen, die Patentante auf den richtigen weihnachtlichen Weg zurückzubringen?

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Barbara Bilgoni

Susa, der Weihnachtsgrinch

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© 2021 Barbara Bilgoni

Instagram: barbarabilgoni

Mail: [email protected]

https://www.barbara-bilgoni.at/

Buchdesign coverdesign-4you.com

Korrektorat: Carolin Kretzinger

Paperback

ISBN:  978-3-3474-5782-9

e-Book

ISBN:  978-3-3474-5783-6

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Die Personen und die Handlung des Buches sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Wumm! Die Haustür fiel ins Schloss, dass alles nur so schepperte. Die eingelassene bunte Glasscheibe, Tiffanystyle nennt man das wohl, war kurz davor, aus dem Rahmen zu fallen. Auweh, das hatte Susanna, von Familienmitgliedern und allen Freunden nur liebevoll Susa genannt, nicht beabsichtigt. Aber von der Dachrinne drohte eine Schneelawine abzurutschen und sie hatte einfach vermeiden wollen, dass ihr die ganze weiße Pracht in ihren Mantelkragen rieselte. Kalter Schnee auf warmer Haut – das war so gar nicht ihr Ding. Und eine Hand hatte sie auch nicht frei gehabt, deshalb hatte sie im Korridor der Tür einfach einen kräftigen Tritt mit dem Stiefelabsatz verpasst. Dann war sie eilig die Stufen zu ihrer Wohnung hinaufgelaufen.

Wieso sie keine Hand frei hatte? Nun, die Sache ist die: Es war Mitte November, Weihnachten kündigte sich derart penetrant in allen Auslagen an, ebenso in den Zeitschriften und im Rundfunk, dass auch wirklich niemand an den Eyecatchern und schön präsentierten Waren vorbeigehen konnte. Keiner, auch nicht Susa, konnte daher übersehen, welch schreckliches Ereignis in fünf Wochen wieder stattfinden würde. Und da kaufte man eben ein wie eine Blöde. Die Werbung macht´s! Kling Kasse, klingelingeling …

Susa hatte zu dem Fest der Liebe ein sehr zwiespältiges Verhältnis. Man durfte es ja nicht laut sagen, aber wegen ihr hätte man Weihnachten ersatzlos streichen können. Sie legte da keinen Wert drauf.

Als sie vier Jahre alt gewesen war, war ihre Urgroßmutter ganz plötzlich von einem auf den anderen Tag verstorben und zwar ausgerechnet zwei Wochen vor Weihnachten. In diesem zarten Alter hatte sie das traurige Ereignis gar nicht richtig begreifen können. Sie spürte aber, dass die ganze Familie traurig war. Und natürlich merkte sie, dass ihre geliebte Urli plötzlich nicht mehr da war. Einfach so! Und niemand konnte ihr das richtig erklären, dass Menschen plötzlich fort sind, ohne „Leb wohl“ zu sagen. Irgendwann hatte sie dann einfach nicht mehr gefragt, jedoch hinterließ die Urli eine riesige Lücke in ihrem Leben.

Als Susa sechzehn war kam ihr Lieblingslehrer, nämlich der Albert, so durften die Schüler ihn alle nennen, Mitte Dezember bei einem Autounfall ums Leben. Ein unvorsichtiger Radfahrer hatte seinen Weg gekreuzt, Albert hatte den Wagen zwar verreißen können, aber dadurch krachte er in einen geparkten Lastwagen. Das Resultat war verheerend. Der Lehrer verlor noch an der Unfallstelle sein Leben. Zu schwer waren seine Verletzungen. Der Radfahrer konnte übrigens nie ausfindig gemacht werden. Alle Schüler hatten damals für das

Begräbnis schulfrei bekommen. Sie wollten ihrem Lieblingslehrer die letzte Ehre erweisen und hatten für einen Kranz gesammelt. Die Zeremonie war sehr bedrückend und war am Tag vor dem Heiligen Abend abgehalten worden. Susa war danach tagelang paralysiert gewesen. Weihnachten fand für sie in jenem Jahr schlicht und einfach nicht statt.

Voriges Jahr kam plötzlich Post. Ohne Absender! Ein dickes Kuvert. Neugierig hatte Susa den Umschlag geöffnet und darin Fotos gefunden. Aufnahmen von Berni mit einer anderen. Berni! Die Liebe ihres Lebens. Er war in letzter Zeit öfter verreist gewesen, beruflich natürlich! Ha, wer´s glaubte. Die Aussprache am Abend hatte es in sich gehabt. Berni war zwar sehr zerknirscht gewesen, hatte aber unmissverständlich klar gemacht, dass er die andere mehr liebte und Schluss machen mochte. Und das am neunzehnten Dezember.

Wenn man das alles weiß, dann ist es schon verständlich, dass Susa die Nase von Weihnachten gestrichen voll hatte. Zu viele böse Erinnerungen!

Sie konnte sich allerdings den üblichen Geschenkeübergaben nicht gänzlich entziehen. Die stillste Zeit im Jahr ohne Präsente das war einfach undenkbar. Immerhin war sie bereits Tante und Patentante und Tochter und Schwester. Da kam schon was zusammen. Und eben diese Einkäufe waren schuld daran, dass sie heute keine freie Hand gehabt hatte, um die Tür sacht und leise zu schließen.

Wenigstens war der Tiffanyscheibe nichts passiert. Die hatte die Hausgemeinschaft nämlich erst kürzlich einsetzen lassen. Das Jugendstilmotiv, das sie gewählt hatten, war wirklich wunderschön. Das Kunstwerk hatte allerdings auch seinen Preis gehabt. Oh, là, là!

*

Sie stellte ihre Einkäufe vorsichtig ab. Es waren ja auch zerbrechliche Dinge dabei. Nun konnte sie endlich aus diesen blöden Stiefeln schlüpfen. Modern sahen sie ja aus, aber das war auch schon alles. Weder warm noch bequem waren sie. Sorgfältig stellte Susa das Paar auf eine beigefarbene Abtropftasse, denn sie hatte auch im Vorzimmer Teppichboden und den wollte sie nicht nass machen und verschmutzen. Sie schälte sich aus ihrem Mantel, hängte ihn über einen Kleiderhaken und dann an die Garderobe und schlüpfte in dicke, weiche Wollsocken. Die liebte sie sehr, denn die hatte ihre Oma Gerli ihr gestrickt und die wärmten die eisigsten Füße. Und das brauchte Susa jetzt ganz dringend. Die waren für das ungemütlich nasskalte Winterwetter genau richtig. Leider lebte Oma Gerli nicht mehr.

Susas erster Weg führte sie in die kleine, gemütliche Küche, wo sie den Wasserkessel aufsetzte und einen Beutel Gewürztee in ihr Lieblingshäferl hängte. Auf dieses Getränk freute sie sich schon den ganzen Nachmittag. Es schmeckte herrlich aromatisch nach Anis, Ingwer, Zimt, Vanille und Kakaoschalen. Zum Knabbern legte sie drei Spekulatiuskekse auf die Untertasse. Jetzt blubberte auch schon das Wasser und sie konnte den Tee aufgießen und alles in ihr stylisches Wohnzimmer tragen. Dann holte sie die Tragetaschen aus dem Vorraum und stellte sie neben den kleinen Art-déco-Tisch, auf dem bereits ihr Getränk und das Gebäck verlockend dufteten. Jetzt wollte sie herrlich gemütlich alle Einkäufe auspacken und mit ihrer Liste abgleichen. Susa ging das „Unterfangen Weihnachten“ immer systematisch und geordnet an. Doch zuvor entzündete sie noch rasch die Holzscheite in ihrem Eisenkamin, den sie erst kürzlich erworben hatte. Sie liebte es, den Flammen beim Lodern zuzusehen und das leise Knistern zu hören. Das gab ihr so ein heimeliges Gefühl von Wärme und Nähe und dabei dachte sie auch wieder an ihre Oma Gerli, die so einen ähnlichen besessen hatte.

Darauf hatte die der damals noch kleinen Susa und deren Bruder immer Bratäpfel gemacht, wenn es draußen kalt war und der Wind um die Häuser pfiff. Die Kinder liebten dieses kleine Schmankerl sehr und stritten immer darum, wer den größeren Apfel bekommen sollte. Er schmeckte süß und nach Vanille und Gewürznelken.

„Ach Oma! Wenn ich doch bloß wüsste, wie genau du diese Winterspeise gemacht hast. Ich hätte dich einfach beizeiten nach dem Rezept fragen müssen“, dachte Susa nun wehmütig.

Es war schon komisch mit diesen Familienbanden. Wenn man klein war, dann war die Familie groß und turbulent. Für die meisten Kinder war es vollkommen natürlich, dass sich alle um sie herum tummelten. Nie wäre einem Kind eingefallen, daran zu denken, dass Uroma, Oma und Großtante

nicht mehr da sein könnten. Aber leider passierte es trotzdem irgendwann. Und dann kam man darauf, dass man noch so viele Fragen gehabt hätte, die man nicht gestellt hatte. Wie war zum Beispiel das Leben der Uroma verlaufen? Immerhin hatte sie beide Kriege mitgemacht, Hunger, Angst und Entbehrung erlebt. Sie hatte den Uropa an der Front verloren. Er war in Russland gefallen. Leider konnte nie genau festgestellt werden, wo sein Leichnam vergraben war. Uroma hatte Zeit ihres Lebens getrauert und nie mehr einen anderen Mann angeschaut. Das Hochzeitsbild hing bis zum Schluss über ihrem Bett im Schlafzimmer. Susa hatte es immer ehrfürchtig betrachtet …

Teddybär mit Brummstimme für ihre Nichte Tilly – da! Das Buch „Daniel bei den Delfinen“ für ihr Patenkind Tommy – da! Gmundner Keksschale, Muster „Rosa Tupferl“ für Mama – da! Der Druck „Der arme Poet“ von Spitzweg für Papa – da! Das Parfum für ihre Schwägerin Mona, – da! Die exklusive vegane Gesichtscreme für ihre beste Freundin Kathi – da! Sie verglich alles mit der Liste. Fast alles konnte abgehakt werden.

Ach, Mist! Das Navi für ihren Bruder, Lorenz, fehlte noch. Irgendwie hatte sie die ganze Zeit so ein unbestimmtes Gefühl gehabt, dass der Einkauf noch nicht komplett war. Na, vielleicht konnte ihr das ihr Kollege Walter diese Woche besorgen. Der hatte wohl irgendwelche Freunde, die Autozubehör vertrieben. Mit etwas Glück sprang sogar noch

ein kleiner Rabatt heraus. Ihre Kasse würde es ihr zu danken wissen. Immerhin saß sie seit vier Jahren mit Walter im selben Büro der Spedition. Sie verstanden sich ganz gut. Manchmal brachte sie ihm aus der kleinen firmeneigenen Teeküche einen Latte Macchiato mit und er revanchierte sich mitunter, indem er ihr einen Schokoriegel aus dem Automaten unten im Erdgeschoss mitbrachte.

Liebevoll drehte sie den hellbeigen Plüschbären für ihre kleine Nichte Tilly hin und her. Die war im Sommer erst zwei Jahre alt geworden, aber sie war schon ein richtiges Persönchen. Sie wusste immer genau, was sie wollte. Daher war Susa beim Kauf des Bären besonders achtsam gewesen, um ja den richtigen zu erwischen. Tilly hatte das Tier nämlich schon mit aufgeregtem Gesicht in einer Auslage bewundert und gleich „Haben, haben!“ gejauchzt.

Susa neigte den Bären nach vorne und er begann, leise zu brummen. Das würde der Kleinen gefallen. Susa war glücklich, wenn sie an die Augen ihrer Nicht dachte. Weihnachten ist ja überhaupt nur für Kinder schön, dachte sie bei sich. Aber sie wollte kein Trübsal aufkommen lassen. Beherzt nahm sie einen Schluck ihres Tees und knabberte ein Kekserl dazu. Ah, das wärmte so schön von innen, herrlich! Aber trotzdem kein Vergleich mit Oma Gerlis Bratäpfeln. In der Zwischenzeit waren ihre fast gefrorenen Zehen wieder warm geworden. „Danke, Oma Gerli, für die herrlichen Socken!“

Behutsam legte sie ihre Geschenke alle in ein kleines Jugendstilkästchen. Morgen musste sie unbedingt an das Navi für Lorenz denken! Das war wichtig!

*

Am nächsten Tag fuhr Susa zur gewohnten Zeit ins Büro. Die U-Bahnen waren alle gestopft voll. Gerüche jeglicher Art stiegen ihr in die Nase. Die Leute waren mit ihren warmen Jacken doppelt so dick wie im Sommer, kein Wunder bei dieser Kälte! Man konnte sich fast nur mittels Ellbogentechnik vorwärts bewegen.

Susa klemmte ihre Handtasche in den „Öffis“ immer unter den Arm, denn man konnte ja nie wissen, wer sich so alles an einen heranpirschte und die Gunst des Augenblickes nutzen wollte. Ihrer Kollegin war es einmal passiert, dass man ihr die Geldbörse aus der Tasche gestohlen hatte. Leider hatten sich darin auch diverse Karten und Ausweise befunden. Die Wiederbeschaffung derer war umständlich und kostspielig gewesen. Bei der Station „Kettenbrückengasse“ quetschte Susa sich aus dem Waggon und ging dann die letzten hundert Meter zu Fuß. Obwohl es einen Lift gab, nahm sie stets sie Treppe. Sie war erst sechsundzwanzig Jahre alt.

„Den Lift heb ich mir für später auf“, war ihre Devise.

Sogar in so einer schnöden Firma wie einer Spedition hatte sich wohl der Hausmeister bemüßigt gefühlt, diverse Adventsdekoration im Gebäude zu verteilen. Susa verdrehte die Augen: „Auch das noch! Musste das sein?“

Elli, ihre Kollegin aus dem Nachbarbüro, kam ihr auf dem Korridor entgegen: „Süß, was der alte Wrbala da wieder alles aufgehängt hat! Findest du nicht? Er bemüht sich immer so sehr.“

„Ach, Elli! Du weißt doch. Von mir aus könnte man das ganze Brimborium abschaffen. Wer braucht das schon? Wir sind doch keine kleinen Kinder. Aber wenn er Spaß daran hat, dann soll er doch. Ich schau einfach nicht hin.“

„Du Grinch“, grinste Elli und ging kopfschüttelnd an ihr vorbei und in ihr eigenes Büro.

„Guten Morgen, Walter. Das war vielleicht wieder voll heute in der U-Bahn. Schrecklich! Und ich hab immer solche Angst, dass mir etwas gestohlen wird.“

„Guten Morgen, Susa! Ich hab es ja Gott sei Dank nicht weit und gehe zu Fuß. Ist aber auch nicht immer so ein Honiglecken, bei Wind und Wetter. Hier!“, er schob ihr grinsend einen Schokoriegel über den Tisch, „damit dich der Montag ein bisschen mehr freut.“

Susa lächelte ihn an und bedankte sich. „Ich hol dann auch gleich Kaffee für uns. Unser tägliches Morgenritual. Gibt’s was Neues? Sind die Lkws aus Bulgarien gut eingetroffen? Dort war ja schlechtes Wetter, mit richtigen Winterstürmen und Schneeverwehungen, hab ich im Fernsehen mitbekommen. Da bangt man immer, ob die Fahrer die Ware auch gut und unfallfrei abliefern können.“

„Die werden in einer Stunde erwartet. Einer der Fahrer hat sich per Funk gemeldet. Sie bringen ja diesmal handbemalte Christbaumkugeln und andere Deko für den Weihnachtsmarkt am Rathausplatz. Wär ja schön blöd, wenn der Markt eröffnet wird und nichts ist zum Verkaufen da! Stell dir mal die Kinderaugen vor. Nicht auszudenken! Ich hab mich früher auch immer gefreut, wenn mich mein Opa mitnahm auf den Markt. Der war nicht so streng wie Mama und Papa. Da durfte ich alles durcheinandernaschen, was ich wollte. Und ich liebte die herrlichen Verkaufsstände und die lebensgroße Krippe, direkt vor dem Rathaus.“

Ach, schon wieder das leidige Thema! Nicht mal in einer Spedition wurde man davor verschont. Sie seufzte, rollte mit den Augen, drehte sich um und ging die beiden Kaffees holen.

„So, Walter. Hier, bitte, dein Kaffee! Aber verbrenn dich nicht wieder. Weißt eh, so wie gestern“, sie grinste ihn an.

Walter hatte nämlich am Vortag gerade telefoniert und war wohl in Gedanken gewesen. Unachtsam nahm er einen Schluck und verbrühte sich die Lippen, sodass er zu fluchen begann wie ein Bierkutscher. Sein Telefonpartner hatte das auf sich bezogen und beleidigt aufgelegt. Später wurde Walter zur Chefin, Frau Mitterhuber, gerufen und bekam einen Rüffel. Er erklärte ihr zwar die Situation, aber Rüffel blieb Rüffel.

Susa fuhr ihren Computer hoch und klickte auf die Mails. Das war täglich ihre erste Aufgabe. Die Post kam fast ausschließlich nur mehr elektronisch herein. Je nach Anliegen der Absender leitete sie die Schreiben dann an den oder die Zuständige zur Bearbeitung weiter. Manche behielt sie direkt für sich. Das konnte schon mal an die zwei Stunden dauern, bis alles gesichtet war.

Mit diversen Auftragsbestätigungen war der Vormittag vergangen und schon war es Zeit für die Mittagspause. Sie klopfte an Ellis Bürotür, denn die beiden aßen meistens gemeinsam eine Kleinigkeit auf dem Naschmarkt. Dort gab es unzählige Stände mit Leckereien aus aller Herren Länder und auch kleine Lokale, wo man gemütlich sitzen konnte.

Elli deutete ihr, dass sie gleich fertig wäre. Und schon verabschiedete sie sich von ihrem Telefonpartner und schnappte ihre dicke Winterjacke sowie ihre Tasche. Die jungen Frauen liefen die Stiegen hinunter und hinaus auf die Straße.

„Heute hätte ich Lust auf Moussaka. Ich habe nachts nämlich von einem Griechenlandurlaub geträumt“, sagte Susa und Elli war begeistert. „Genau! Super Idee! Immer Leberkässemmel wird auf Dauer auch fad. Ich bin dabei. Dort vorn hat der Kostas sein Lokal. Da schauen wir, ob wir zwei Plätze kriegen.“ Und sie schlugen sofort die Richtung zum alten Griechen ein.

„Ja, meine zwei Göttinen! Was kann ich euch Gutes tun? Hab euch schon länger nicht mehr hier bei mir gesehen. Ich hoffe, ihr wart nicht krank.

Kommt doch herein. Hier ist es schön warm und kuschelig. Ich hab da ein Plätzchen für euch.“ Und schon zog der Wirt sie durch die Tür und hinein in sein überheiztes Lokal. Einige Touristen saßen an den Tischen und aßen Souvlaki, Stifado oder Fisch.

„Wir hätten gern zwei Mal Moussaka für uns. Aber schön heiß und ofenfrisch!“, rief Elli. „Darauf haben wir uns schon sooo gefreut.“

Kostas verschwand in der Küche und kam bald darauf mit dem Gewünschten an den Tisch der beiden Mädels.

„Mhm, wie das duftet. Ich seh gleich das Meer vor mir und einen muskulösen Griechen. Einen scharfen Adonis!“, zwinkerte Elli ihm zu.

„Mädchen, du bringst mich in Verlegenheit!“, erwiderte er leicht errötend. Bei ihm konnte sie sich das erlauben, denn Kostas war fünfundsiebzig Jahre alt und würde ihr das sicher nicht krumm nehmen. Das Lokal war das Ein und Alles für den betagten Mann.

Susa und Elli ließen es sich munden. Zu trinken gab´s allerdings nur Mineralwasser, denn sie mussten ja noch zurück ins Büro. Dafür rief ihnen der Lokalbesitzer am Ende noch nach: „Kommt doch nach Dienstschluss vorbei. Da gibt´s dann Ouzo. Meine Elena und ich haben heute Hochzeitstag. Den fünfzigsten. Ich kann es kaum glauben. Also, kommt bitte! Macht uns die Freude! Wir wollen mit euch anstoßen.“

Die beiden versprachen es und machten sich auf den kurzen Rückweg. Der Nachmittag verging sehr schnell. Die Bulgaren waren endlich eingetroffen und luden die ganze Fracht im Hof der Spedition ab. Am Abend würden die Standler des Christkindlmarktes kommen und ihre Bestellungen abholen. Endlich war die Arbeitszeit um und Elli und Susa traten aus dem Firmengebäude. Da staunte Susa nicht schlecht, denn Freundin Kathi mit Tommy stand vor dem Tor und wollte sie spontan abholen.

„Hi! Wir dachten, wir schauen mal bei dir vorbei. Wir hatten hier in der Gegend zu tun.“

Jetzt war guter Rat teuer. Konnte sie die beiden einfach zu Kostas mitnehmen? Aber sicher! Die Griechen galten schließlich als sehr gastfreundlich. Da kam es auf die zwei sicher nicht an.

Schon von Weitem winkte ihnen das alte Wirtspaar zu. Sie wurden bereits erwartet. „Es tut mir leid, ihr Lieben. Ich habe noch zwei Gäste mit. Bitte nicht böse sein!“, entschuldigte sich Susa.

„Aber das macht doch nichts. Ihr seid alle herzlich willkommen. Das muss man doch feiern, dass ich es mit diesem Brummbär so lange ausgehalten habe!“ Elena gab Kostas einen sanften Klaps auf den Hinterkopf, der sich mit einem leichten auf ihren Po revanchierte. Elena wurde rot: „Ach, die Männer haben immer nur das Eine im Sinn. Zu alt können sie dafür gar nicht werden. Jetzt geh und hol den Schnaps und für unseren kleinen Mann da bring ein Baklava mit. Das wird ihm sicher schmecken.“

Alle standen an der Stehbar versammelt, die bereits ein bisschen in die Jahre gekommen war. Sie wackelte schon sehr. Die vier ließen das Jubelpaar hochleben und Tommy verputzte die Süßspeise bis auf das letzte Brösel. Er klebte danach wie eine Honigwabe und Kathi hatte alle Hände voll zu tun, ihn halbwegs sauber zu bekommen. Er würde sonst in der U-Bahn am Haltegriff picken bleiben und nicht mehr loslassen können.