Inside Signa - Rainer Fleckl - E-Book

Inside Signa E-Book

Rainer Fleckl

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Beschreibung

Ein Selfmademan wie aus dem Bilderbuch, gehypt als schillernder Visionär, geliebt von Politikern und Tycoonen: Mit seinen Milliardengeschäften hielt er die Wirtschaftswelt in Atem, ehe sich sein Immobilienreich als Luftblase entpuppte. Wie war das möglich? Die Signa-Aufdecker Rainer Fleckl und Sebastian Reinhart zeichnen ein Psychogramm René Benkos, werfen einen Blick hinter die Kulissen einer Welt der Villen, Yachten, Jets und Celebrities und liefern neue Fakten über groteskte Deals, Politnetzwerke und den Zerfall eines Imperiums.

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Seitenzahl: 201

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Rainer Fleckl, Sebastian Reinhart:Inside Signa

Alle Rechte vorbehalten

© 2024 edition a, Wien

www.edition-a.at

Coverfoto: Ricardo Herrgott / picturedesk.com

Cover: Bastian Welzer

Satz: Bastian Welzer

Gesetzt in der Premiera

Gedruckt in Deutschland

12345—27262524

ISBN: 978-3-99001-771-5eISBN 978-3-99001-772-2

Rainer FlecklSebastian Reinhart

INSIDE SIGNA

Aufstieg und Fall des René Benko

INHALT

Das Sommerfest

Anfänge

Aufstieg

Höhepunkt

Fall

Ende

Das Imperium zerfällt

»Der Niedergang Roms war die natürlicheund unausweichliche Folge seinerübermäßigen Größe.«

Edward Gibbons,Verfall und Untergang des römischen Imperiums

PROLOG: DAS SOMMERFEST

14. Juli 2017. Es ist Hochsommer in Europa. Seit Wochen läuft im Radio der Song »Despacito« rauf und runter. René Benko ist gerade mit seinem Privatjet vom Typ Global 700 am unscheinbaren Flughafen von Brescia-Montichiari gelandet. Er liegt im norditalienischen Hinterland, irgendwo zwischen brachliegenden Lagerhallen und ödem Ackerland. Nach einem zweistündigen Flug von Ibiza nach Norditalien steigt er aus und eilt über das Rollfeld zum bereitstehenden Helikopter. Wer Benko sehen will, muss nach oben schauen. Er ist auf dem Weg zum wichtigsten Ereignis des Jahres.

Mit dem Helikopter geht es für ihn nach Sirmione, ein kleiner Ort am Gardasee mit einem gut erhaltenen historischen Ortskern, der sich malerisch in den See hineinerstreckt. Eine Burg wie aus einem Disney-Film ragt über diese Landzunge.

Der Flug bringt eine komfortable Zeitersparnis. Keine mühsamen Staus. In den Sommermonaten kommt der Verkehr rund um das Südufer des Gardasees nahezu täglich zum Erliegen.

Zu viel für jemanden, dessen Sekunden kostbar sind. Keine zehn Minuten dauert der Flug und Benko landet im Vorgarten der Villa Ansaldi, einem mondänen Bau aus der Gründerzeit. Mit ihren weißen Türmchen und Erkern lädt sie ein in eine andere Welt. Die Welt des René Benko.

Direkt am Wasser gelegen, verfügt die Villa über einen aufwendig gepflegten Garten. Von der Sonnenterrasse aus blickt man auf das türkise Wasser des Sees. Das Anwesen wird streng von Sicherheitspersonal überwacht. Die Szenerie kann durchaus mit George-Clooney-Werbefilmen mithalten. Ganz offiziell handelt es sich um den Sitz einer Firma. Benkos Firma. Jahrelang zahlt die Signa Miete an eine Luxemburger Gesellschaft im Einflussbereich des Aufsteigers. Im ersten Stock hat Benko ein eigenes Büro. Von hier aus schaltet und waltet der Signa-Gründer im Sommer. Neben seiner Jacht ist die Villa Ansaldi der Dreh- und Angelpunkt. Hierher lässt er regelmäßig Geschäftspartner samt Familie einfliegen. Aber auch Sitzungen seines Signa-Beirates sollen hier stattgefunden haben.

Von hier aus schreibt René Benko am 14. Juli 2017 gegen 11:30 Uhr an einen seiner engsten Mitarbeiter:

Wichtige Tische die neben uns sein sollten bzw. gut positioniert damit sie sich auch »wichtig fühlen«

Berninghaus #14

Tönnies / Pecik #4

Walid #5

Berger #9

Svindal #11

Bodenseer #12

Alles muss perfekt sein. Der Chef mischt sich wie üblich persönlich ein. Bis zur exakten Sitzordnung wird seit Monaten alles bis ins letzte Detail geplant. Ein ganzes Team wurde dafür abgestellt. Intern läuft das exklusive Event unter dem Titel »Festa d’Estate 2017«. Alles folgt einer genauen Choreografie. Benko überwacht jede Bewegung. Alles dreht sich um ihn. Es ist der Höhepunkt des Jahres. Sein 40. Geburtstag soll standesgemäß gefeiert werden. Wochenlang werden innerhalb der Signa Listen auf- und abgeschickt. Von der Tischverteilung bis zum Showact dient alles einer einzigen Botschaft: René Benko ist ganz oben angekommen.

Einer darf auf der Liste nicht fehlen. Er ist dreißig Jahre alt. Und gilt als die Zukunftshoffnung eines Landes. Sie kennen einander schon lange, schätzen einander und wollen beide hoch hinaus.

Auf einer internen »Transferliste« taucht sein Name erstmals auf. Für den Taxi-Shuttle vom vier Kilometer entfernten Hotel zur Villa Ansaldi. Eine Mitarbeiterin bittet einen hochrangigen Benko-Manager:

… könnten Sie morgen bitte um 18:30 beim Transfer vom Hotel Acquaviva zur Villa schauen, dass folgende Gäste mit Ihnen dabei sind:

[…]

»Hr. Kurz«

[…]

Sebastian Kurz, junger Außenminister der Republik Österreich, ist gerade in der Gegend unterwegs. Am 13. Juli 2017 stattet Kurz dem Landeshauptmann von Südtirol, Arno Kompatscher, einen offiziellen Besuch in Bozen ab. Anschließend geht es über die Brennerautobahn weiter Richtung Süden. An das südliche Ende des Gardasees. Nach Sirmione.

Am 15. Juli 2017 ist es dann so weit. Jetzt kommt es darauf an. All die monatelangen Planungen müssen »on point« sein, wie Benko so gerne zu sagen pflegt. In Benkos Welt ist kein Platz für Fehler. Nur eine kleine Unachtsamkeit, ein verschobenes Detail, und das ganze Bild, das Benko über Jahre gezeichnet hat, zerfällt. Schicht um Schicht hat er es gezeichnet, doch er weiß, dass ein falsch platzierter Farbtupfer alles zerstören kann.

Gegen 19 Uhr treffen die ersten Gäste in der Villa Ansaldi ein. Der Wettergott meint es gut mit Benko oder hört gar auf seinen Befehl. Die meisten Geladenen kommen sommerlich in Weiß gekleidet. Der legere Dresscode ist vorgegeben. Vor der Villa räkelt sich eine Dame im Pool auf einem Podest, sie trägt einen schwarzen Schwimmanzug und eine silberne Badehaube. Im Hintergrund stehen spärlich bekleidete Tänzerinnen, ganz in Weiß, am Rande des Beckens. Sie legen eine dynamische Performance hin. Direkt daneben, im Garten, stehen vier in Weiß gekleidete Musikerinnen mit Cello und Violine. Ein kleines Streichquartett. Sie dürfen die Gäste beim Eintreten in den Garten der Villa musikalisch begleiten. Eine surreale Szenerie, die wohl mehr an eine James-Bond-Kulisse erinnert, wie Teilnehmer später berichten.

Die exklusivsten Gäste der Benko-Feier bevorzugen die Anreise standesgemäß über das türkisblaue Wasser, stilecht im Motorboot aus tiefrotem Mahagoniholz, Marke Riva. Darunter die weltbekannte Musik-Ikone Tina Turner, deren Schweizer Freundeskreis seit Jahren mit René Benko bestens bekannt ist. Tina Turner verbrachte auch schon mal einen Jahreswechsel bei Benko in Oberlech am Arlberg.

Mit viel Aufwand wurde für die Festgäste eigens ein offener Pavillon errichtet. Unter freiem Himmel nehmen die Besucher in braunen Korbstühlen langsam die ihnen zugewiesenen Plätze ein. An den Säulen des Pavillons sind Kristallleuchter montiert.

Der wichtigste Tisch ist ganz an der Spitze. Der Tisch mit der Nummer eins. Für die Nummer eins. Neben Benko darf Sebastian Kurz Platz nehmen. Ein weiterer hoher Vertreter der Republik gesellt sich an Benkos Tisch: der amtierende österreichische Innenminister Wolfgang Sobotka. Gemeinsam mit der für Benko tätigen Susanne Riess-Hahn mit ihrem späteren Ehemann, dem EU-Kommissar Johannes Hahn, Altkanzler und Signa-Aufsichtsrat Alfred Gusenbauer, Russland-Türöffner und Investor Siegfried Wolf und Kristall-Erbin Victoria Swarovski mit ihrem damaligen Ehemann.

Viele der mehr als hundert Gäste sind vornehmlich Teil seines unternehmerischen Netzwerks. Sie glauben an das Konstrukt Signa. Sie dürfen am rasanten Aufstieg Benkos mitverdienen. Es sind seine Investoren, Banker, Anwälte und seine Medienberater. Es sind jene Menschen, die das Imperium Signa mit René Benko aufgebaut haben. Dass es jedoch nicht auf Marmor, sondern aufWachs erbaut ist, wissen sie nicht.

Benko, aufgeknöpftes weißes Leinenhemd, am Handgelenk gerne eine 55.000 Euro schwere Hublot-Uhr, Modell Big Bang, eilt von Tisch zu Tisch. Bilder zeigen ihn später vertieft in Einzelgespräche. Mit ruhiger Stimme, fast flüsternd, als würde er seine Worte zu einem Geschenk an seine Gesprächspartner machen. Amüsieren sollen sich die anderen. Benko arbeitet, auch an seinem Geburtstag.

Von Immobilieninvestoren wie Ronny Pecik mit einer gewissen Nähe zu russischen Oligarchen bis hin zum deutschen Fleischfabrikanten Clemens Tönnies: Für alle hat Benko ein offenes Ohr.

Einigen Gästen ist ein Tischgespräch besonders in Erinnerung geblieben. Es dauerte besonders lange. Mit Noch-Außenminister Kurz hat Benko offenbar einiges zu bereden. Kein Wunder, denn der Wahlkampf um den österreichischen Nationalrat kennt keine Sommerpause. Im Oktober wird gewählt. Und schon wenige Wochen später, im August 2017, werden zwei Männer öffentlichkeitswirksam in gerichtlichen Gewahrsam genommen, die Benko beide gut kennt.

Der eine war bis vor kurzem sein wichtigster Finanzpartner bei der Expansion in das deutsche Handelsgeschäft, der andere war als Benko-Berater in Serbien unterwegs, auch bei der möglichen Übernahme der österreichischen Casinos Austria AG stimmte er sich gemeinsam mit Benko ab. Die Bilder von Benko-Co-Investor Beny Steinmetz und Benko-Berater Tal Silberstein vor einem israelischen Untersuchungsrichter werden durch die österreichischen und deutschen Gazetten gehen. Die »Causa Silberstein« wird das dominierende Thema im Wahlkampf werden und den Ausgang der Parlamentswahl zu Ungunsten des amtierenden SPÖ-Kanzlers Christian Kern mitentscheiden. Davon weiß aber noch niemand. An diesem Abend wird gelacht, getrunken und auf eine Zukunft angestoßen, die nichts als Erfolg verspricht. Am Gipfel blickt man stets in den Himmel, nicht in den Abgrund.

Noch ist der laue Sommerabend am Gardasee nicht vorbei. Am Ende des Pavillons ist eine Bühne aufgebaut. In der Mitte steht ein schwarzer Konzertflügel. Eine Showeinlage jagt die nächste. Kaum Zeit zum Verschnaufen. Der Abend steuert stetig seinem Höhepunkt entgegen: Ein deutscher Soul-Sänger betritt die Bühne. Kurze Umarmung mit dem Gastgeber. Die Menge steht, klatscht und singt mit. Xavier Naidoo spielt »Dieser Weg«. Das Highlight des Abends.

Unter dem anschließenden Feuerwerk kann René Benko zufrieden sein. Und die meisten seiner Gäste sind es auch. Es ist vollbracht.

Der Tag danach.

Viel steht nicht auf der Tagesordnung. Nur ein Termin ist vermerkt. Von neun bis elf Uhr soll Sebastian Kurz noch einmal in der Villa Ansaldi vorbeikommen. Gegen zwölf Uhr soll der Privatflieger planmäßig Richtung Ibiza abheben. Benko und seine Familie werden die nächsten Tage am Mittelmeer auf seiner 62-Meter-Jacht RoMa verbringen. In einer Bucht vor Ibiza. Dort wird ein paar Tage später ein anderer österreichischer Politiker auf einen Sprung vorbeischauen. Sein Name ist Heinz Christian Strache. Ein paar Tage danach wird er unwissentlich in eine Videofalle tappen. Das Ibiza-Video und seine Auswirkungen werden die Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft noch einige Jahre beschäftigen. Auch Benko. Aber niemand sieht die Schatten unter der Sonne Ibizas.

Wenige Wochen später, Mitte August 2017. Benko ist wieder zurück in der Villa Ansaldi. Er meldet sich wieder bei seinem engen Mitarbeiter. Der Signa-Chef hat ein dringendes Anliegen. Er ist mit der Abrechnung seiner Sommerparty beschäftigt:

Gibt es schon eine Aufstellung nach einzelnen Positionen (Xavier, Band, Künstler, Zelt, Catering, etc.), was das Fest gekostet hat, müssen uns nämlich überlegen, wie wir dieKosten dann final aufteilen

Prompt, keine drei Minuten später, antwortet der Mitarbeiter:

Ja gibt es ca 650tsd und bekommst morgen

650.000 Euro für ein einziges Sommerfest am Gardasee. Allein der Kurzauftritt von Xavier Naidoo wird später mit 280.000 Euro zu Buche geschlagen. Verbucht werden die Kosten auf einem Konto der »Signa Communications«, einer Tochtergesellschaft der Signa Holding. Ein fröhliches Fest auf Firmenkosten. Für Benko eine übliche Vermischung zwischen Privatem und Beruflichem.

Alles muss seine Ordnung haben. Auch für die Gäste. Um rechtliche Probleme für diese zu vermeiden, wurde bereits im Zuge der Einladung darauf hingewiesen, »dass der Wert der Konsumation (Speisen und Getränke) sich auf rund EUR 65 pro Person beläuft und damit unter den üblichen Schwellenwerten bleiben sollte. Sollten Sie sich dennoch entscheiden, einen Kostenbeitrag für die Veranstaltung zu leisten, laden wir Sie ein, direkt vor Ort EUR 65 zu entrichten. Die gespendeten Beträge werden für karitative Zwecke verwendet. Selbstverständlich werden Sie über diesen Betrag eine Quittung erhalten.«

Davon machten die Festgäste zahlreich Gebrauch. Wolfgang Sobotka taucht später auf einer internen Spenderliste auf. Fünfhundert Euro war ihm der Abend für sich und seine Begleitung wert. Eine Spende von Sebastian Kurz scheint in den Dokumenten nicht auf.

ANFÄNGE

Wer besser verstehen will, wie René Benko tickt, was ihn treibt und weshalb er sein Signa-Konstrukt so viele Jahre lang so glänzend zu verkaufen wusste, der muss im Geschichtsbuch ein paar Seiten nach hinten blättern. Irgendwann in den 1990er-Jahren hatte ein junger Innsbrucker Teenager keine Lust mehr auf Schule. Ihm schwebte ein anderes Leben vor. Ausgestattet mit ordentlich Mut und einer gehörigen Portion Instinkt, die nicht viele in diesem Alter haben. Und dem Willen, Geld zu verdienen, um ein besseres Leben führen zu können, frei nach dem Motto: Koste es, was es wolle.

Benko klettert nach oben

Das Geld wurde René Benko wahrlich nicht in die Wiege gelegt. 1977 wurde er in Innsbruck geboren, sein Vater ist Gemeindebeamter, seine Mutter Kindergärtnerin. Von Unternehmertum erstmal keine Spur.

Doch nach oben wollte Benko schon immer. Früh soll er das Klettern für sich entdeckt haben, mit 14 Jahren war er laut Medienberichten Jugendstaatsmeister im Hallenklettern. Äußerlich könnte der damalige René kaum unterschiedlicher von seinem gegenwärtigen Ich sein: Lange Rastalocken fielen ihm über den Rücken. Sein Auftreten hatte etwas von einem Hippie. Er war beliebt, vor allem bei den Mädchen, sportlich und ehrgeizig. In der Schule war er nicht herausragend, aber gut. Bemerkenswert waren seine Fehlstunden: Je älter er wurde, desto mehr häufte er an. Nach dem Gymnasium wechselte er auf die Handelsakademie, kurz HAK, mit wirtschaftlichem Schwerpunkt. Bald war er vormittags öfters außerhalb der Schule anzutreffen als in den Klassenräumen. Gerüchte machten zwischen seinen Mitschülern die Runde: Benko habe im Lotto gewonnen.

So einfach war es dann doch nicht. Benko hatte bloß erkannt, dass sich ihm außerhalb der Schule mehr Möglichkeiten boten. Sein Weg sollte kein gewöhnlicher sein. Schon damals wollte er es anders machen, schneller sein als die anderen, jene Pfade nehmen, die andere gar nicht bemerkten. Oder die sie aus anderen Gründen nicht nehmen wollten.

Er absolvierte ein Praktikum im Immobiliensektor, schmiss mit 17 Jahren die Schule und lernte die richtigen Leute kennen. Etwa den Innsbrucker Immobilienstar Johann Zittera, dessen Ferrari sich Benko angeblich gerne lieh, wenn es galt, potenzielle Investoren zu beeindrucken. Oder den Banker Helmut Holzmann, der ihm die Tür in die Finanzwelt öffnete. Benko war immer schon ein guter Netzwerker, jeder Handschlag wurde von einer Idee begleitet.

Benko investierte in Häuser in der Innsbrucker Altstadt, machte gemeinsam mit Zittera aus nicht genutzten Dachböden Luxus-Dachgeschosswohnungen. Er lernte von dem Immobilienguru, wie man Wohnungen plant, umbaut, verkauft. Es war der Grundstein für seine Karriere.

Mit 18 Jahren zog er von zu Hause aus, zu seiner damaligen Freundin. Benko hatte kein Problem damit, seinen eigenen Weg zu gehen. Er wusste, welche Opfer er dafür bringen musste. Er sah Chancen und hatte den Mut, sie zu ergreifen. Als er 19 Jahre alt war, brauchten die Besitzer des Tiroler Wellness-Tempels Lanserhof frisches Geld. Der Lanserhof wurde 1984 eröffnet und galt als Zentrum für ganzheitliche Medizin. Bis seine Besitzer in Geldnot gerieten und die Immobilie günstig anboten. Benko sicherte sich eine Kaufoption und fand bald einen Finanzier: Christian Harsch, Besitzer des Luxushotels Schwarzer Adler in Kitzbühel.

Hier zeigte Benko zum ersten Mal eine Fähigkeit, mit der er es bald zur Meisterschaft bringen sollte. Er brachte alles mit, was es brauchte, um es bis nach oben zu schaffen: eine schnelle Auffassungsgabe, Mut zum Risiko, Arbeitswillen und das Knüpfen richtiger Kontakte. Ihm fehlte nur eine Ressource: Kapital. Dafür benötigte er Investoren wie Christian Harsch. Diese zu finden und für sich einzunehmen wurde bald Benkos Königsdisziplin.

Nach dem Lanserhof-Deal war Benko mit zwanzig Jahren Schilling-Millionär. Seine ehemaligen Schulkollegen konnte der Schulabbrecher bloß noch belächeln. Aber waren jene Fähigkeiten, die Benko schon so früh zu einem so erfolgreichen Geschäftsmann machten, angeboren? Oder hat er sie erworben, zusammen mit einer Einstellung, die ihm später zum Verhängnis werden sollte?

The Wolf of AWD

Um jeden Preis nach oben. So könnte man die Einstellung des jungen Benko wohl bezeichnen. Und genau solche Leute waren die perfekte Beute für den Allgemeinen Wirtschaftsdienst, kurz: AWD.

Die AWD, geleitet von Carsten Maschmeyer, der später als Partner der deutschen Filmschauspielerin Veronica Ferres eine zweite Karriere auf Adabei-Seiten machen sollte, war ein deutscher Finanzdienstleister, der Anfang der 1990er-Jahre nach Österreich expandierte. Maschmeyers Werdegang ist mit jenem von Benko vergleichbar. Er kommt aus einfachen Verhältnissen und war Leistungssportler. Er ist gut aussehend und charismatisch. Er begann, Medizin zu studieren. Um sich das Studium finanzieren zu können, arbeitete er nebenbei in einer Vermögensberatung. Und bemerkte bald, dass die Medizin nicht seine Berufung war. Dass er wegen zu vieler Fehlstunden exmatrikuliert wurde, war dem Mann mit dem kantigen Gesicht und den stechenden Augen egal. Denn 1987 stieg er in den Allgemeinen Wirtschaftsdienst ein, den er bald schon übernehmen sollte. Das Ziel der Firma war es, Menschen als unabhängiger Dienstleister in Finanzaspekten zu beraten. Sie waren weder Bank noch Versicherungsgesellschaft. Damit konnten sie sich den Kunden gegenüber als unabhängig verkaufen. Doch was bedeutete diese Unabhängigkeit?

Bald expandierte die AWD aus Deutschland nach Österreich. Sie arbeitete mit einem ebenso simplen wie riskanten Geschäftsmodell: Die »Finanzberater«, wie sich die Keiler gerne selbst sahen, verkauften neben allerhand Lebensversicherungen und Bausparverträgen auch höchst spekulative Produkte wie Schiffs- oder Immobilienfonds. Im Österreich der Nullerjahre gab es vor allem ein »todsicheres« Anlageprodukt, das zigtausendfach verkauft werden sollte: Aktien von Immofinanz und Immoeast. Und wie der Zufall so will, hieß eine von Benkos ersten eigenen Firmen just Immofina.

Wie die Rechercheplattform Addendum im Jahr 2019 enthüllte, drückte Benko lieber die Schulungsbank der AWD-Ausbildner als die Schulbank seiner Handelsakademie in der Innsbrucker Karl-Schönherr-Straße. Das Grundgerüst für seinen Aufstieg bekam er dort vermittelt. Das selbstsichere, mitunter überhebliche Auftreten im persönlichen Gespräch sowie das Überzeugen mit kleinsten Zahlendetails über einzelne Anlageprodukte. Eine Fähigkeit, die Benko verinnerlichte wie kaum jemand anderer. Das wusste bereits sein damaliger AWD-Chef in Tirol gegenüber Addendum zu berichten: »Er hat damals schon größer gedacht, wollte Altersheime und Gesundheitszentren finanzieren, Dinge, die für uns als AWD nicht drinnen waren.«

Zum besseren Verständnis: Der AWD war alles andere, nur kein gewöhnlicher Direktvertrieb von Finanzprodukten in einer ohnehin nicht rasend nobel beleumundeten Branche. Der AWD setzte viele Jahre auf Provisionsmodelle, die seine Kundenkeiler an den von ihnen vertriebenen Produkten partizipieren ließen, worin Verbraucherschützer Jahre später, spätestens nach der Lehman-Pleite und der darauffolgenden Finanzkrise 2008, einen permanenten Interessenkonflikt erkannten, der zu Streitigkeiten bis vor den Obersten Gerichtshof führen sollte.

Einer der Vorwürfe: Wer etwa für ein riskanteres Produkt höhere Provisionen bezieht, könnte in Versuchung geraten, einem eher konservativ veranlagten Kunden nicht unbedingt zum Abschluss eines guten, alten Bausparvertrages zu raten, bei dem man sich schon zu Beginn ganz genau ausrechnen kann, was am Ende der Laufzeit herauskommt. Dazu kam, dass beim AWD keine besondere berufliche Qualifikation vonnöten war – vor 2008 versuchten viele Glücksritter, der Spur des Geldes an den internationalen Finanzmärkten zu folgen.

Wer Martin Scorseses Film The Wolf of Wall Street mit Leonardo DiCaprio als skruppelosen Banker Jordan Belfort gesehen hat, der weiß, wie viel das richtige Auftreten wert ist. Aggressive Verkaufstaktiken gepaart mit einer seriösen und vertrauenserweckenden Ausstrahlung können Menschen dazu bringen, ihre gut versteckten Ersparnisse hervorzuholen und in eine todsichere Sache zu investieren. Für wen der Gewinn jedoch todsicher ist, darüber irren diese Investoren zumeist.

Gegen Maschmeyer und die AWD wurde übrigens in Wien ein Prozess wegen Verdachtes auf gewerbsmäßigen Betrug beziehungsweise Gründung einer kriminellen Vereinigung angestrengt. 2013 wurde der Rechtsstreit beigelegt.

Geld wie Stroh

Doch zu der Zeit, als Lehman einen Dominoeffekt an den Märkten auslöste und Finanzberater zu personae non gratae wurden, war René Benko längst zu anderen Ufern aufgebrochen. Der Tiroler Unternehmer hatte seine Immofina in Signa umbenannt und bereits sein Kaufhaus Tyrol nahe dem goldenen Dachl in Innsbruck erworben, das 2005 abgerissen, mithilfe von Stararchitekt David Chipperfield neu hochgezogen und 2010 wieder eröffnet werden sollte. Zu den dazugehörigen Genehmigungen ist überliefert, dass sich Kurzzeit-Kanzler Alfred Gusenbauer (Regierungschef 2007 bis 2008) gehörig ins Zeug gelegt haben soll, um dem aufstrebenden, 1977 geborenen Unternehmer seinen ersten Prunkbau zu ermöglichen, der weit über die Tiroler Heimat hinaus hohe Strahlkraft entwickeln würde. Über Gusenbauers Bemühungen für Benko wird später noch einiges zu lesen sein.

Bereits mit Anfang zwanzig, so erzählte es einmal der einstige AWD-Tirol-Chef, soll Benko »Business-Class« und im schwarzen Kamelhaar-Mantel gerne von Innsbruck nach Wien geflogen sein, um seine Immobilienprojekte in Ostösterreich voranzutreiben. Immer wieder pendelte der junge Benko zwischen Sein und Schein. Als Immofina-Geschäftsführer konnte er sich bald eine Gage von 40.000 Euro pro Monat genehmigen. Das Geschäft prosperierte, und das war wohl auch einer Parallele zwischen AWD und der Anfangszeit in der Immofina geschuldet: Die Struktur der Immofina mit ihren sogenannten Signa Property Funds und Signa Real Estate Capital Partners war zumindest am Vertriebsmodell des AWD angelehnt. Einzelne Fonds hatten eine Einstiegshöhe von unter 100.000 Euro. Sogar der kirchliche Pensionsfonds der Diözese Linz war laut News-Recherchen bei einzelnen Projekt-Fonds der Signa investiert. Benko hatte ein einfaches, aber wirkungsvolles Versprechen für seine Investoren: Ihr vertraut der Signa euer Geld an, und die Signa wird es für euch vermehren. Wer konnte da Nein sagen? Noch dazu, da es zu funktionieren schien.

René Benko hatte mit Anfang zwanzig zwar noch nicht Geld wie Heu, dafür aber gleichsam Geld von Stroh, konkret von Karl Kovarik, dem Erben der Stroh-Tankstellen, die 1987 an die OMV verkauft worden waren. Vom äußeren Erscheinungsbild her eher der Typ Wiener Praterstrizzi, mit Goldkette und Schnauzbart, stand Kovarik dem jüngeren Benko gerne mit väterlichem Rat zur Seite – und mit Geld.

Als der 22-jährige Benko den um 29 Jahre älteren Kovarik kennenlernte, dürfte der ehemalige Stroh-Mann gut 300 Millionen Euro auf der hohen Kante gehabt haben. Einen Teil davon investierte Kovarik in einen rund 48-Prozent-Anteil an der Immofina beziehungsweise Signa Holding, womit die junge Unternehmensgruppe nicht nur neues Selbstbewusstsein tankte, sondern nun auch mit dem nötigen Treibstoff für größere Projekte ausgestattet war. Dem rasanten Aufstieg steht nichts mehr im Wege.

Welche Schlüsse können wir aus Benkos Jugendjahren ziehen? Auffällig ist aus heutiger Sicht, dass der glänzende Verkäufer Benko es immer wieder schaffte, erfahrene Unternehmer von seinen Immobilienprojekten zu überzeugen; hier mag ihm die AWD-Schulung zusätzliche Überzeugungskraft verliehen haben. Auffällig ist weiters, dass scheidende Investoren im Laufe der Signa-Geschichte immer wieder durch neue Geldgeber ersetzt wurden. Und durchaus bemerkenswert erscheint, dass Benkos Interesse für die AWD, auch noch rund zwanzig Jahre nach seiner Tätigkeit für den von Carsten Maschmeyer gegründeten Finanzvertrieb bestehen sollte.

Am 16. August 2017 schreibt Benko an seine Assistentin kurz und knapp: »Bitte das Buch besorgen«.

Benko meinte damit ein besonderes Buch: Mein Auftrag: Rufmord. Untertitel: Carsten Maschmeyer im Visier. Ein Rufkiller packt aus. Darin geht es laut Klappentext um die »größte Rufmord-Kampagne der deutschen Wirtschaftsgeschichte«.

Weiter hießt es in der Inhaltsangabe:

Mehr als zehn Jahre lang hat ein Insider alles drangesetzt, das Ansehen des bekanntesten deutschen Unternehmers der Finanzwelt zu ruinieren. Carsten Maschmeyer und der von ihm gegründete AWD waren Zielscheiben von Stefan Schabirosky. Im Auftrag des größten AWD-Konkurrenten entwickelte dieser seinen teuflischen Plan. In seiner dramatischen Enthüllungsgeschichte beschreibt der ehemalige Handelsvertreter, wie er Staatsanwälte täuschte, Börsenkurse manipulierte und Deutschlands Top-Journalisten instrumentalisierte.

Der Autor des Buches, Stefan Schabirosky, ein ehemaliger Mitarbeiter des AWD, behauptete darin, vom direkten Konkurrenten DVAG angeheuert worden zu sein, um Medien gefälschte Berichte über Maschmeyer und die AWD zuzuspielen und sie so zu diskreditieren. Das Buch liest sich wie ein Krimi, versetzt mit ein wenig Verschwörungstheorie, wobei die Medien sehr schlecht wegkommen und Carsten Maschmeyer zum Opfer eines »teuflischen Plans« gemacht wird.

Medien wie Das Erste wehrten sich gegen Schabiroskys Vorwürfe, seine Informationen ungeprüft übernommen zu haben. Außerdem widersprachen sie seiner Darstellung: Er sei weder der Einzige noch der wichtigste Informant gewesen, der unlautere Geschäftspraktiken der AWD weitergab. Carsten Maschmeyer selbst sah die Sache wohl wie in dem Buch Auftrag: Rufmord beschrieben. Viele Jahre versuchte er, gerichtlich gegen negative Berichterstattung über ihn, die er als falsch und verzerrend empfand, vorzugehen.

Das Schicksal Maschmeyers war Benko ein Mahnmal. Er begriff früh, dass Medien Unternehmer wie er einer ist ihn zu Stars machen können. Oder sie zu Fall bringen. Wer die Storys kontrolliert, braucht die Wahrheit nicht zu fürchten. Später sollte Benko aus Maschmeyers Beispiel lernen. Statt sich gegen Medien zu stellen, wird er versuchen, sie zu übernehmen.

AUFSTIEG

Der Aufstieg des René Benko und seiner Signa ist auf drei Säulen gestützt. Investoren, die Benko meisterhaft für sich zu gewinnen verstand und die ihn stets mit frischem Geld versorgten. Ein politisches Netzwerk, das ihm viele Türen öffnete und bei riskanten Deals auch mal ein Auge zudrückte. Und eine Mannschaft aus Rechtsberatern, die jenes System Signa aufzubauen halfen, das bald nur noch von einem einzigen Mann durchschaut werden konnte: von Benko höchstpersönlich.

DIE FINANZIERS

Nach seinen Lehrjahren bei der AWD und ersten großen Projekten mit der Immofina, benannte Benko diese 2006 in Signa um. Signa ist übrigens der Plural von Signum, was für Signatur oder Symbol steht. Im Duden findet man als Beispiel: ein Signum der Macht. Genau das sollte die Signa für Benko werden. Was er dafür brauchte: finanzstarke Investoren.

Sie sahen in Benko einen Midas, der alles zu Gold machte, was er anfasste. Umgekehrt war es für die Signa essenziell, scheidende Investoren mit neuem Geld zu ersetzen.

Wir haben bereits geschrieben, dass es Benko verstand, Geldquellen aufzutreiben. Nicht immer jedoch waren diese von zweifelsfreier Herkunft.

Der griechische Reeder