Kaisersterben – Historischer Kriminalroman - Sophie Reyer - E-Book

Kaisersterben – Historischer Kriminalroman E-Book

Sophie Reyer

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Beschreibung

An einem kalten Morgen des Jahres 1889 geschieht es: Kronprinz Rudolf, der einzige Sohn von Kaiser Franz Joseph und Elisabeth, genannt Sisi wird tot aufgefunden. Kommissar Nachtmann weiß nicht, wie er damit umgehen soll – zumal bald schon eine Hofdame der Kaiserin angibt, dass Rudolf von seiner Geliebten vergiftet worden sei. Vergiftet? Woher dann die Schusswunde im Schädel des Kronprinzen? Eine wilde Spurensuche beginnt. Schließlich taucht die Leiche der Geliebten auf, was das Königshaus zu vertuschen versucht …

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Sophie Reyer

Kaisersterben

Historischer Kriminalroman

Impressum

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv

Cover: © by Steve Mayer mit einem eigenen Motiv von edeebee, 2025

Korrektorat: Ilka Richter

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau (OT), Gemeinde Oberkrämer. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

www.baerenklauexklusiv.de / [email protected]

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten

Das Copyright auf den Text oder andere Medien und Illustrationen und Bilder erlaubt es KIs/AIs und allen damit in Verbindung stehenden Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren oder damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung erstellen, zeitlich und räumlich unbegrenzt nicht, diesen Text oder auch nur Teile davon als Vorlage zu nutzen, und damit auch nicht allen Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs nutzen, diesen Text oder Teile daraus für ihre Texte zu verwenden, um daraus neue, eigene Texte im Stil des ursprünglichen Autors oder ähnlich zu generieren. Es haften alle Firmen und menschlichen Personen, die mit dieser menschlichen Roman-Vorlage einen neuen Text über eine KI/AI in der Art des ursprünglichen Autors erzeugen, sowie alle Firmen, menschlichen Personen , welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren um damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung zu erstellen; das Copyright für diesen Impressumstext sowie artverwandte Abwandlungen davon liegt zeitlich und räumlich unbegrenzt bei Bärenklau Exklusiv. Hiermit untersagen wir ausdrücklich die Nutzung unserer Texte nach §44b Urheberrechtsgesetz Absatz 2 Satz 1 und behalten uns dieses Recht selbst vor. 13.07.2023

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Das Buch

Kaisersterben

1. Rudolf: Geboren

2. Nachtmann: die Verschwundene

3. Rudolf: Nestwärme

4. Nachtmann: Vergiftet

5. Rudolf: Schönbrunn

6. Nachtmann: der verstörte Diener

7. Rudolf: Wowo

8. Nachtmann: Die Kaiserin

9. Rudolf: Fremde Mutter

10. Nachtmann: Kaiserin und Coburg

11. Rudolf: Erste Feste

12. Nachtmann: Vergiftet

13. Rudolf: Der Graf

14. Nachtmann: die Hofdame

15. Rudolf: Krönung und Tod

16. Nachtmann: Angriff und Aufbahrung

17. Rudolf: Die Schönheit der Vögel

18. Nachtmann: Ein Schlaganfall, eine Leiche

19. Rudolf: Jagen

20. Nachtmann: die letzte Ehre

21. Rudolf: Immer dieser Adel

22. Nachtmann: Jagd

23. Rudolf: Liebe und Kampf

24. Nachtmann: Fragen und Befragungen

25. Rudolf: Hohles Leben

26. Nachtmann: Kränze

27. Rudolf: Flucht in den Orient

28. Nachtmann: Ida wird erwischt

29. Rudolf: Die Trauung

30. Abschiednehmen: Rede mit Priester

31. Rudolf: Und doch kein Sohn

32. Vertuschungen

33. Rudolf: Gutshof Mayerling

34. Einräumungen

35. Rudolf: Und immer Liebe und Tod

36. Nachtmann: Scheitern

Epilog

Das Buch

An einem kalten Morgen des Jahres 1889 geschieht es: Kronprinz Rudolf, der einzige Sohn von Kaiser Franz Joseph und Elisabeth, genannt Sisi wird tot aufgefunden. Kommissar Nachtmann weiß nicht, wie er damit umgehen soll – zumal bald schon eine Hofdame der Kaiserin angibt, dass Rudolf von seiner Geliebten vergiftet worden sei. Vergiftet? Woher dann die Schusswunde im Schädel des Kronprinzen? Eine wilde Spurensuche beginnt. Schließlich taucht die Leiche der Geliebten auf, was das Königshaus zu vertuschen versucht …

***

Kaisersterben

Historischer Kriminalroman von Sophie Reyer

Prolog

»Alles ist besser als die Wahrheit!«

Fanatisch klingt der Satz, doch er kommt von Herzen. Was mitschwingt, ist klar: Man muss ihn vertuschen, diesen Tod. Den Tod des Abseitsstehenden, des Vogelliebhabers, des Jägers und Andersdenkers. Damit das Leben weiter gehen kann, wie es immer schon war.

»Alles ist besser!«, sagt der Kaiser also und wendet sich ab.

1. Rudolf: Geboren

Dass seine Mutter gebetet hat, erzählt man ihm, später. Sisis Körper sehnte sich danach, Milch zu geben, ein neues Leben im Arm zu halten. Und so tat sie, was sie selten tat, vor allem in diesen Tagen: Sie richtete ihr Wort an den Höchsten. Und Gott erhörte sie und schenkte ihr wieder ein Kind.

Rudolf wird zwischen Blüten und Kristalllüstern empfangen, – bei einem der wenigen Male, in denen Kaiser Franz Joseph und seine Frau Elisabeth miteinander schlafen. Bald schon kann man es sehen: Die Kaiserin ist wieder schwanger. So beginnt Rudolf, und wie alle beginnt auch er in etwas Warmem, eingehüllt, in einen Kokon aus Fleisch, Liebe und Haut.

Am Anfang ist alles vage. Rudolf hört Stimmen von draußen, die da sind, lange bevor er ein eindeutiges Ich hat. Die Tage sind leicht, denn die Plazenta nährt ihn, und sie nährt ihn immer. Dafür muss Rudolf nichts tun. Er lebt von ihrem Licht, ihrer Wärme und ihrem Wasser. Manchmal dringen Sätze von draußen zu ihm, doch es sind nicht Worte, es sind Gefühle, die Rudolf wahrnimmt. Er hört, wie seine Mutter spricht: »Nun muss ich mich wieder in den Garten schleppen, denn es ist meine Pflicht, meinen Bauch zu produzieren!«

Und dann hört er ein Kichern, sanft wie der Wind. Es ist das der Hofdame. Um Rudolf beginnt es zu schaukeln, der Bauch ist ein Boot, das schwankt, wenn die Mutter geht, doch dieses Schwanken macht ihm keine Angst.

Die Kaiserin seufzt.

»Ich habe es satt«, gesteht sie der Hofdame, »diese Etikette, dieser Schwindel, der falsche Glanz!«

»Ja, Eure Hoheit!«, tönt es als Antwort.

Rudolf lauscht und fühlt, lernt vom atmenden Fleisch der Mutter und staunt. Die Mutter geht umher, eine wippende Bewegung, und Rudolf spürt ihren Atem, der ihn wiegt wie die Wellen des Meeres.

»Kann man nicht frei sein?«, seufzt Sisi. »Frei von all diesem Zwang?«

»Ja, Eure Hoheit!«

»Ich fühle mich wie eine Hofkuh!«

Wieder Lachen, diesmal schriller.

»Ja, Euer …«

»Schweigt!«

So ist der Anfang. Die Welt um Rudolf herum ist ein orangefarbenes Universum. Jeden Tag wird der Raum um den Kaisersohn weit und weiter. Rudolf streckt die Hände aus, dehnt sich. Bald schon entdeckt er: Die Haut um sich herum lässt sich weiterbewegen, noch weiter. Er prüft, lotet die Grenzen aus. Es geht noch, denkt er und presst sich gegen das Fleisch, das ihn umgibt, immer wieder und wieder. Dann nicht mehr.

»Au«, stöhnt nämlich die Mutter.

Da weiß Rudolf, dass da die Grenze seines Wachstums ist.

»Mir ist schwindelig!«

Ja: Es gibt eine Grenze. Denn was Rudolf nun hört, ist das Geräusch von etwas, das fällt. Das helle Boot, in dessen Bauchraum Rudolf kauert, macht einen Ruck, und Rudolf mit ihm.

»Die Kaiserin ist in Ohnmacht gefallen!«

»Sie muss essen, auf nüchternen Magen spazieren gehen soll man doch nicht, wenn man guter Hoffnung ist!«

Worte, Stimmen, Bewegungen, Rudolf ruckelt hin und her in seinem Gehäuse aus Licht und Fleisch.

Da, noch eine Stimme, doch eine, die sich von den anderen unterscheidet, ihm nahe ist, er weiß selbst nicht, wie.

»Sisi, wie ist dir?«

Es ist der Kaiser, sein Vater, begreift Rudolf da. Und er spürt Hände, die sich auf die Haut legen, die zwischen ihm und der Welt liegt wie eine Wand. Hände, die eine Verbindung herstellen.

»Mir ist nur etwas auf den Magen geschlagen!«, hört Rudolf die Mutter sagen.

Ihre Worte klingen dünn, sind eine Linie, die weit weg ist.

Magen, denkt Rudolf. Bald wird auch er einen Magen haben, um zu verdauen, doch davon weiß er nichts. Noch sieht er, wie alle Wesen in seinem Alter, ohne Augen. Rudolf lauscht. Hört den Rhythmus, den Atem der Mutter, der seinen Takt vorgibt. Ein Summton mit Unterbrechungen ist er, manchmal hektisch und voller Angst und Trauer. Doch er trägt Rudolf, und langsam bildet sich sein Blick und er erkennt, dass er in gelblichem, wohltuendem Licht schwimmt: Rudolf hat Augen bekommen.

So beginnt das Schauen. Rudolf ist noch nicht draußen in der Welt und hat schon ein Gesicht. Rundherum umgibt ihn ein zärtlicher Schimmer, umgibt ihn Wasser, umgibt ihn ein goldiges Licht. Rudolf spürt: Während etwas in der Mutter stirbt und in ihn übergeht wird es gleichzeitig geboren in ihm. Er und die Kaiserin sind jetzt in einem Fleisch. Sind eine wabernde Masse, venendurchzogen, zwei schimmernder Blutkreisläufe unter einer filigranen Haut. Sie gehören zusammen, am Anfang.

Jetzt wird es spannend, aber mit den Tagen wird es auch enger. Das dehnbare Häutchen zwischen Rudolf und der Welt ist nicht mehr endlos verschiebbar, und die Ohnmachtsanfälle der Mutter häufen sich.

»Was für ein anstrengendes Kind«, stöhnt die Kaiserin. »Dabei ist er nicht mal geboren!«

Rudolf weiß, dass sie Recht hat: Er frisst sich aus, frisst ihr alles weg, und dennoch ist es nicht genug, denn da ist eine äußere Begrenzung, die sein Wachstum hemmt. Rudolf pocht, drängt, klopft. Mittlerweile ist er groß geworden, hat Herzrhythmusstörungen und Lungenprobleme vom Liegen. Er versucht weiterhin, in dem Wasser der Gebärmutter zu schaukeln. Übt die Atembewegungen der Kaiserin, will ihren Rhythmus nachahmen, doch der wird immer hektischer. Rudolf möchte sich gegen das Zwerchfell der Mutter drücken, immer bei ihr bleiben. Aber das Leben muss weiter werden, denn er ist gewachsen und braucht Platz. Die Enge macht keinen Spaß. Jede Geburt ist ein Sterben, und der Körper von jeher ein Grab. Noch weiß er es nicht, doch bald schon wird er es lernen. Denn dann kommt der Abschied. Der Raum wächst nicht mehr mit. Sisi gebiert.

2. Nachtmann: die Verschwundene

Es ist dunkel, als Nachtmann hochschreckt. In seinem Kopf ein Surren – und die vage Erinnerung an einen Traum, die nur langsam wiederkehrt. Dass er wanderte, einen Berg hinab, erinnert sich der Kommissar. Der Weg war gefährlich; stets drohte er abzustürzen. Irgendwann wurde die Landschaft ebener und Nachtmann erkannte im Dunkel der Dämmerung, dass er sich auf einem Friedhof befand. Nachtmann erinnert sich: Gräber, dachte er und war seltsamer Weise erleichtert, wo Gräber sind, da gibt es auch Menschen! Und so kam er sicher ins Tal. »Wo Gräber sind, da gibt es auch Menschen!«, murmelt Nachtmann, als er an diesem Morgen seine Stube verlässt, um in die Arbeit zu gehen. Er denkt nach. Was das wohl bedeuten mag? Er versteht einfach nicht. Es ist ein heller Tag, als Nachtmann das Kriminalkommissariat in Wien betritt. Hell, freundlich und ein bisschen harmlos. Dennoch ist er beklommen, denn er spürt, dass irgendetwas nicht stimmt. Der Kommissar greift nach seiner Kaffeetasse, nachdem er sich aus dem Mantel geschält hat, versucht, auf andere Gedanken zu kommen. Aber wie? – er hat gar keine. Nur ein eine seltsame Leere, wenn er an die letzte Nacht und die Bilder denkt, die ihm im Schlaf begegnet sind.

»Guten Morgen, Kollege!«, tönt es da.

Es ist Bierstindl, der ebenfalls gerade angekommen ist und Nachtmann schief anlächelt, während er auf seinen Schreibtisch zugeht.

»Alles klar? Du siehst irgendwie ein bisschen erschöpft aus.«

»Aber nein!«, winkt Nachtmann ab.

Doch mit einem Mal wird ihm wieder bewusst, wie gut ihn sein Kollege kennt. Tatsächlich: Nachtmann ist erschöpft. Und gleichzeitig kommt er innerlich nicht zur Ruhe. Sein Herz klopft, seine Zunge liegt ihm schwer im Hals. Und er ist sich selbst auf komische Art und Weise fremd. Er seufzt. Im Grunde ist doch sein Leben wunderbar, denkt er. Er hat eine fixe Stellung, an der das Einzige, was ihn stört, die Tatsache ist, dass er zu viel Zeit im Büro beim Lesen von Akten verbringt und Verspannungen in den Schultern davon bekommt – und ist glücklicher Junggeselle.

Dennoch: Etwas stimmt nicht. Heute nicht. Als hätte Nachtmann geahnt, dass etwas Unvorhergesehenes geschehen würde, öffnet sich nun auch die Tür – und eine etwas untersetzte Dame um die Fünfzig kommt herein.

»Helene Vestera!«, sagt sie leise und nähert sich den beiden Kommissaren mit rauschendem Rock. Nachtmann legt den Kopf fragend in die Schräge.

»Wie können wir Ihnen helfen?«, meint er dann, erhebt sich und reicht der Frau die Hand. »Meine Tochter ist verschwunden!«, sagt diese mit noch leiserer Stimme, und Nachtmann kann sehen, wie ihr Unterlid nervös zu flackern beginnt.

»Name?«, fragt Bierstindl unbeeindruckt. Nachtmann sieht ihn strafend an.

»Sagte ich doch schon! Helene! Ich …«

»Der von Ihrer Tochter natürlich!«

Bierstindl wischt sich über die Spiegelglatze und sieht Helene Vestera von oben herab an. Das bleiche Gesicht der Frau wirkt mit einem Mal dünn, als wäre es aus Papier.

»Mary!«, sagt sie leise und streckt eine zitternde Hand aus, in der ein Foto zu sehen ist. Nachtmann greift danach, streicht kurz und gedankenverloren mit seinen Fingern über das Schwarz-Weiß. Das Bild zeigt ein fesches junges Mädchen, das freundlich aussieht, – sehr einfach, aber im Grunde ganz gutmütig und leutselig, genau wie die Mutter. Er reicht das Bild an Bierstindl weiter, der es jedoch nur mit einem kurzen Blick streift.

»Sie ist einfach nicht mehr heimgekehrt!«, erklärt die Frau.

»Verstehe«, sagt Nachtmann, diesmal seinem Kollegen zuvor kommend, »und haben Sie eine Idee, wo Ihre Tochter zuletzt war?«

»Bei der Gräfin Lairisch!«, erklärt Helene Vestera.

»Eine Freundin der Familie, nehme ich an?«, will Bierstindl wissen und faltet die Hände im Schoß. Die Frau nickt.

»Ich werde Sie detaillierter befragen. Mein Kollege macht inzwischen das Protokoll!«, erklärt Nachtmann, mit einem nickenden Blick auf Bierstindl. »Und außerdem werden wir einen Suchtrupp losschicken. Ist das in ihrem Interesse?«

Die Frau vor Nachtmann atmet sichtlich ein und aus und schließt dann kurz die dicht bewimperten Augen. Dann öffnet sie sie wieder, sieht Nachtmann mit einem Anflug von Tragik im Gesicht an. Sie hat die treuen, dummen Augen einer Kuh, denkt dieser – und mit einem Mal tut Helene Vestara ihm leid.

»Ich werde tun, was ich kann!«, sagt er und bricht auf.

3. Rudolf: Nestwärme

Es ist ein Spätsommer, in dem er beginnt. Ein Spätsommer, in dem der Wind am Fenster der Wohnung rüttelt.

Wie ein wilder Gesang klingt es. Das Fenster ist leicht geöffnet. Die Kaiserin liegt im Bett, Schweißperlen auf der Stirn. Hört die Geräusche, die vom Schlosspark zu ihr hinauf dringen. Vereinzelt raschelt Laub, und ein leichter Sturm wühlt die letzten Blätter auf. Sprachfetzen dringen zur Kaiserin in die prunkvolle Kammer hinauf, da tummeln sich die Dienerinnen und Diener am Hof, brabbeln mit perlenden Stimmen.

»Es ist so weit, die Kaiserin kommt nieder!«, tönt es, und Sisi weiß, es ist Sophia, ihre Lieblingshofdame, die sich ehrlich mit ihr freut. Sie dreht den Kopf zur Seite, blickt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht um. Plötzlich läuft ein Leuchten über ihr Gesicht, die Züge werden sanft, für den Schimmer eines Moments.

Sisi hebt den Kopf ein Stück weit in die Höhe, doch da durchzuckt sie der Schmerz. Sie stößt einen gellenden Laut aus, der den Wind übertönt. Ein Schrei, der sich verdoppelt. Neues Leben, das zwischen ihren Lenden herausrutscht. Hände greifen zu, ziehen an dem Bündel.

»Pressen!«, sagt die Hebamme und Sisi kann aus den Augenwinkeln sehen, wie ihre Tochter sich unter dem Geschrei duckt und rasch aus dem Zimmer läuft. Sie hechelt. Ihre Beine zucken auf, zucken in die Höhe.

»Verdammt!«, ruft Sisi.

Der Schmerz ist namenlos. Unbeeindruckt indes geht das Leben um sie herum weiter. Da sind ein paar Fetzen ungarisch zu hören, immer noch gemischt mit dem Rascheln des Laubes und dem eifrigen Geplapper der Kleinen von nebenan. Die Kaiserin versucht, tief zu atmen, versucht, ruhig zu bleiben. Sie presst, lässt sich vom Wind die Schläfen streicheln. Dann reißt der Schmerz ab. Etwas in Sisi lässt los. Ihr Kopf sinkt nach hinten und verstummt. Nun hängt nur noch ein Schrei in der Luft. Es ist der Schrei des neugeborenen Kindes.

»Ein Junge!«, sagt die Stimme der Hebamme.

Langsam kommt Sisi zu sich. Doch es dauert, bis sie die Kraft hat, sich aufzurichten. Sie dreht den Kopf zur Seite, auf dessen Stirn ein zarter Schweißfilm glänzt. Ihre Finger strecken sich langsam in die Luft, greifen nach dem Wesen, das man ihr überreicht.

Ein Sohn, denkt sie und dann: »Danke, lieber Gott!«

Feierlaune herrscht auf dem Hofe: Ein Nachfolger ist geboren! Ein kleiner strammer Bursche, der die zarten hellen Glieder der Kaiserin hat! Für einen Moment ist alles voller Glück: Die Arbeitslosigkeit und die Flaute der Zeit kann man nicht ganz ausblenden, soviel weiß der Kaiser – doch er schüttelt die Sorgen ab, streicht seiner Frau das rehbraune Haar aus der blassen Stirn, als er sie am nächsten Tage auf ihrer Liegestatt aufsucht.

»Wir werden ihn zum Oberst und Oberstinhaber des 19.Linieninfanterieregiments erheben!«, sagt Kaiser Franz Joseph und zwirbelt sich den Bart. Seine Frau verdreht die Augen.

»Er ist doch erst einen Tag alt«, sagt sie und betrachtet Rudolf, der in ihren Armen liegt.

»Umso besser!«

Rudolf sieht noch nichts, doch er spürt, wie der Blick der Mutter auf ihn herabtropft, tief und unendlich traurig.

»Hoffentlich machen sie dich nicht zum Zirkuspferdchen wie mich«, wispert Sisi, während sie seinen Körper hält. Ihre Hände stülpen sich über seinen Hinterkopf wie eine Schale. Rudolf spürt Mutters Hände atmen und gibt ein Seufzen von sich, das tief sitzt. Anstrengend und laut sind die Dinge um ihn herum, die Wärme ist verschwunden und das orangerote Licht einem grellen Leuchten gewichen, dass bis unter seinen geschlossenen Lidern dringt und Kopfschmerzen macht. Doch am Schlimmsten sind die Geräusche – laut und hektisch, dröhnend und schrill. Rudolf spürt, dass nirgendwo Zuflucht ist – es sei denn, die Mutter legt ihre Hände auf seinen Hinterkopf. So wie jetzt. Da wird ihm etwas Weiches in den Mund geschoben, beängstigend groß und süßlich zugleich, und etwas in Rudolf weiß sofort Bescheid: Milch! Er beginnt zu saugen, doch in dem Moment greifen härtere Hände zu, ziehen ihn von der Quelle der Süßigkeit weg.

»Aber Schwiegermama!«, hört er seine Mutter rufen. »Lass …«

Die Antwort der Schwiegermutter Sophie kommt hart und schneidend: »Heute solltest du nicht mehr stillen!«, sagt sie. »Heb dir das fürs Volk auf!«

»Ich bin doch keine Kuh!«, ruft die Kaiserin da laut aus, doch Sophie ignoriert sie.

Rudolf weint, schreit, will zurück in die mütterliche Wärme, das Nest ihrer Berührungen. Doch es hilft nichts. Sophie hat ihn schon in die Wiege gelegt und schickt nach einer Amme. Die nächsten Tage verbringt die Kaiserin alleine. Der Andrang der Milch ist stärker und stärker, doch sie muss ihn zurückhalten, – Sisi weiß: Sie muss die natürlichen Muttergefühle zugunsten der Etikette hintenanstellen, denn das Stillen vor anderen ist eine Repräsentationspflicht. Und eine Kaiserin gehört sich eben nicht selbst, leider.

Am 22. August findet Rudolfs Taufe im Schloss Laxenburg statt. Was für ein Fest! Alles ist auf den Beinen. Hohe und höchste Gäste begeben sich in den Zeremoniensaal, Luster glitzern und ein riesiges Buffet mit Törtchen, Brötchen, Gebäck und Wein wird errichtet. Wiener Erzbischof Kardinal Othmar Ritter von Rauscher – Zeitgenossen nennen ihn auch ›Plauscher‹, weil er so viel redet – hält eine flammende Predigt. Doch Rudolf versteht nicht. Wasser auf Rudolfs Haut. Zu viele Menschen und auf einmal wieder Milch. Jetzt mag er kaum saugen. Schließt die Augen und sehnt sich zurück in den orangeroten Bauchraum des Schiffes im Bauch der Mutter. Wie anstrengend so eine Welt ist!

4. Nachtmann: Vergiftet

Diese Stadt ist ein glänzendes Gewebe aus Gegensätzen. Tod und Eros, Liebe und Mord, Traum und Wirklichkeit, denkt Oscar Nachtmann, als er sich zu Fuß zum Tatort aufmacht. Das Leben in Wien ist schnell getaktet. Mit über zwei Millionen Einwohnern sind in diesen Tagen nur die Metropole London, Paris und Berlin größer; es gibt viel zu entdecken: Museen, Galerien, Opernhäuser, Kaffeehäuser, Schlösser, Palais. Und Nachtmann liebt Kunst und Kultur, liebt, wie der Wohlstand in Wien floriert. Die Stadt ist laut und groß. Ihm kann nicht langweilig werden, obwohl er ledig geblieben ist. Rasch bewegt sich Nachtmann durch die Straßen. In der Stadt pulsiert eine Dichte, die ihresgleichen sucht. Die Intensität auf den Straßen erschlägt ihn fast, als er nun die Brücke über dem Wienfluss überquert. Die Menschen sprechen die unterschiedlichsten Sprachen, gehören den unterschiedlichsten religiösen Gruppierungen an. Doch Nachtmann hat keine Zeit, lange drüber zu grübeln, denn er hat das Palais der Gräfin erreicht. Sein Herz klopft, sein Kopf ist voll bis zum Rand, als er läutet. Ein Diener erscheint, verneigt sich.

»Womit kann ich helfen?«

Nachtmann zückt seinen Ausweis.

»Ich würde gern mit Gräfin Lairisch sprechen!«, erklärt er. »Es geht um das Verschwinden einer Mary, …« Weiter kommt er gar nicht, denn der Diener schlägt bereits mit seinem Stock gegen den Boden, macht in einer scharfen Bewegung kehrt und schnarrt dabei: »Folgen Sie mir!« Nachtmann schlendert hinter dem Diener her über den Baldachin und den roten Teppich hinauf in das edle Haus. Hier riecht es nach Reichtum und Intellekt, denkt er. Mit bemüht strammer Körperhaltung bewegt er sich das Treppenhaus empor und blickt die Luster an, die von der Decke baumeln. Der Raum, in dem die Gräfin ihm empfängt, ist klein, die Wände nicht allzu hoch. Dennoch: Alles hier erinnert an Geistigkeit und Wohlstand, an Bildung und Engagement.

»Guten Tag, Gräfin Lairisch!«

Nachtmann nähert sich der zarten, rotgelockten Gestalt mit dem eng geschnürten Mieder, grinst schief und tut für einen Moment so, als wäre er gelassen, während er sich leicht verneigt und der Dame die Hand küsst. Doch er ist es nicht. Denn er weiß: allein aufgrund seiner Herkunft muss die Gräfin auf ihn herabblicken.

Das bedeutet: strammstehen, souverän wirken. Nachtmann seufzt. Allein Höflichkeit hilft in dieser Situation, denkt er. Und dass es ihm leidtut, dass er seinen Kollegen nicht an der Seite hat. Ja: Bierstindl ist ein Verbündeter, und gemeinsam kann man sich heimlich ein wenig über die ›Machtvollkommenheit‹, die hier zur Schau gestellt wird, lustig machen – alleine jedoch nicht.

Nachtmann sucht nach Worten, doch die zarte Person vor ihm kommt ihm zuvor. Sie deutet dem Kommissar, sich zu setzen, und dieser nimmt auf einem Sofa Platz.

»Sie ist – verschwunden«, sagt die Gräfin, während der Diener einen Stuhl trägt, und lässt sich ratlos auf dem Polster fallen.

»Wie?«

»Mary. Sie ist verschwunden. Vorgestern. Einfach so!«

---ENDE DER LESEPROBE---