Kaktusblütenzeit - Amanda Kissel - E-Book
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Kaktusblütenzeit E-Book

Amanda Kissel

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Beschreibung

Wenn die große Liebe einen kleinen Haken hat … Der Liebesroman »Kaktusblütenzeit« von Amanda Kissel jetzt als eBook bei dotbooks. Neue Stadt, neues Leben – neue Liebe? Ilka hat ihre Traumstelle beim Kulturmagazin »Zuckererbse« gefunden und ist dafür aus der tiefen Provinz in die große Stadt gezogen. Bei einem Event im Botanischen Garten lernt sie den charmanten Julius kennen, der für eine große Zeitung schreibt. Obwohl die Begegnung nur kurz ist, muss Ilka seitdem ständig an ihn denken – und als sie sich bei einer Fortbildung wiedersehen, funkt es gewaltig! Doch da gibt es ein Problem: Julius’ Exfrau, die immer noch der Meinung ist, die Hauptrolle in seinem Leben zu spielen … und die so gar nicht damit einverstanden ist, dass er eine neue Liebe finden will! Plötzlich steht Ilka vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens: Muss sie auf das große Glück, das zum Greifen nah scheint, verzichten – oder darf sie darum kämpfen? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der gefühlvolle Liebesroman »Kaktusblütenzeit« von Amanda Kissel. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 341

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Über dieses Buch:

Neue Stadt, neues Leben – neue Liebe? Ilka hat ihre Traumstelle beim Kulturmagazin »Zuckererbse« gefunden und ist dafür aus der tiefen Provinz in die große Stadt gezogen. Bei einem Event im Botanischen Garten lernt sie den charmanten Julius kennen, der für eine große Zeitung schreibt. Obwohl die Begegnung nur kurz ist, muss Ilka seitdem ständig an ihn denken – und als sie sich bei einer Fortbildung wiedersehen, funkt es gewaltig! Doch da gibt es ein Problem: Julius’ Exfrau, die immer noch der Meinung ist, die Hauptrolle in seinem Leben zu spielen … und die so gar nicht damit einverstanden ist, dass er eine neue Liebe finden will! Plötzlich steht Ilka vor der schwersten Entscheidung ihres Lebens: Muss sie auf das große Glück, das zum Greifen nah scheint, verzichten – oder darf sie darum kämpfen?

Über die Autorin:

Amanda Kissel wurde in Neustadt an der Weinstraße geboren und arbeitet als Lehrerin. Mit ihrem Mann und drei Kindern lebt sie mitten im Pfälzerwald.

Von Amanda Kissel erscheinen bei dotbooks auch:

»Das kleine Haus am Wald«

»Sommer im kleinen Haus am Wald«

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eBook-Neuausgabe Juli 2021

Dieses Buch erschien bereits 2018 als Selfpublishing-Buch.

Copyright © der Originalausgabe 2018 Ursula Kissel

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / GreyLilac / april70

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-96655-629-3

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Amanda Kissel

Kaktusblütenzeit

Roman

dotbooks.

Für Rolf

Teil IKÖNIGIN DER NACHT

Kapitel 1

Es war ein warmer Sommerabend im Juni, und die Sonne ging gerade feurig unter. Gelb-orangene Wolken türmten sich wie bauschige Kissenberge am Himmel auf. Da Ilka noch nicht zu Abend gegessen hatte, kaufte sie sich an einem der Stände im Mannheimer Luisenpark eine Brezel und setzte sich auf eine Bank, die zum Ausruhen einlud. Es war fast halb zehn, gleich würden sich die Türen des Kakteenhauses für die Besucher öffnen.

Überall waren Plakate aufgehängt, die das heutige Event, für das unzählige Besucher gekommen waren, ankündigten. Besuchen Sie die Königin der Nacht, stand da in purpurfarbenen Buchstaben zu lesen, Selenicereus grandiflorus. Sonderöffnungszeit: 21.30 – 0.00 Uhr.

Da Ilka den ganzen Tag nichts Besonderes zu tun gehabt hatte – fast alle Umzugskisten waren ausgeräumt, ihre neue Wohnung sah mittlerweile recht gemütlich aus – hatte sie sich im Internet gründlich über diese Kakteenart informiert. Erst am Tag zuvor erkannte man an den sich öffnenden Knospen, dass die Blüte bevorstand. Deshalb war die Veranstaltung im Luisenpark sehr kurzfristig bekanntgegeben worden. Aber sie hatte ja sonst keine Pläne für diesen Abend. Die Blüte würde nur von sehr vergänglicher Schönheit sein und nach wenigen Stunden verwelken.

Während sie wartete und ihre Brezel aß, beobachtete sie die Familien und Paare, die sich vor dem Kakteenhaus scharten. Die bunten Blumenmeere schimmerten schwach in der Abenddämmerung, intensiver Geruch schwebte in der Luft, die von heiteren Gesprächen und Gelächter erfüllt war. Wieder einmal fühlte sie sich sehr allein. Sie war neu in Mannheim, erst vor einer Woche zugezogen. Die Zeit, die vor Antritt ihrer neuen Stelle vor ihr lag, verbrachte sie mit Herumschlendern in der Stadt, Spaziergängen in den Parks, dem Erkunden von Cafés. Zum ersten Mal war sie völlig auf sich allein gestellt. In dem südpfälzischen Dorf, aus dem sie kam, hatte sie sich die letzten Jahre mit ihrer Freundin Susanne eine Wohnung geteilt, bis diese mit ihren achtundzwanzig Jahren – sie waren gleich alt und kannten sich aus der Schule – noch einmal neu anfangen wollte und für ein Studium der Kunstgeschichte nach Wien zog. Seitdem blieben ihr nur noch Telefonate mit ihrer Freundin.

Ilka stand rasch auf, denn die Türen des riesigen Gewächshauses öffneten sich endlich. Sie stand weit hinten in der Schlange, die sich nur langsam vorwärts schob. Angestellte des Parks passten auf, dass alles in geordneten Bahnen ablief, sich niemand vordrängte oder den Betrieb aufhielt, indem er übermäßig lang die Kaktusblüten bestaunte.

Es dauerte fast eine Stunde, bis Ilka zu der Königin der Nacht vordrang. Inzwischen legte sich Dunkelheit wie eine Decke über das Glasdach der Halle, und indirekte Lichtquellen tauchten alles in warmen Schein. Sie hatte insgeheim befürchtet, die Blüten könnten bereits abgefallen sein, doch sie blühten prächtig.

»Mach Platz, Alter, ich will auch ein paar Fotos machen«, raunzte ein Jugendlicher mit zu viel Gel in den Haaren seinen Begleiter an und rammte ihm den Ellenbogen in die Seite.

Ein junges Mädchen, das zu ihnen gehörte und gelangweilt Kaugummi kaute, verzog das Gesicht. »Hast du´s bald? Naturkunde geht mir schon in der Schule auf den Sack.«

Ilka versuchte sich auf die Kaktusblüten zu konzentrieren, die schneeweiß leuchteten und einen starken Vanilleduft verströmten. Majestätisch rankte sich die Pflanze am Spalier empor, eine wahre Königin der Nacht.

»Meinst du, ich bin zum Spaß hier, Alter?«, fuhr der Jugendliche mit den gegelten Haaren das Mädchen an.

Rechts neben Ilka stand ein Mann, der sich Notizen machte, und ein Fotograf mit professioneller Ausrüstung, der ein Foto nach dem anderen schoss. Ob das wohl zukünftige Kollegen von ihr waren?

Die Jugendlichen waren inzwischen noch lauter geworden, die zwei Jungs hielten ihre Smartphone-Kameras auf die Kaktusblüten, ohne überhaupt richtig hinzusehen und rempelten sich gegenseitig an, um näher an die Absperrung vor den Pflanzen zu kommen. »Lass mich jetzt mal …«

»Nein, du hast genug, jetzt bin ich dran, Mann. Ich brauch die Bilder nötiger als du für mein Bio-Referat. Du weißt doch, dass ich zwischen Fünf und Sechs stehe! In zwei Wochen gibt´s Zeugnisse!«

Wieder schubsten sie sich, und dieses Mal trafen sie Ilka, die unsanft gegen den Mann an ihrer Seite fiel. Er fing sie auf, ließ sein Notizbuch und seinen Stift fallen und hielt sie in seinen Armen.

»Hoppla!«

Sie hatte vollkommen das Gleichgewicht verloren und sah ihn einen winzigen Moment lang an, bevor sie sich wieder aufrappelte. Er sah sehr gut aus, hatte dunkle Haare und dunkle Augen und war einige Jahre älter als sie, vielleicht Mitte dreißig. Er musterte sie ebenfalls kurz und ließ den Blick über ihren braunen Bob und ihr gelbes Sommerkleid schweifen, bevor er sie wieder frei ließ.

»Danke«, murmelte sie, während sie noch den Geruch seines holzigen Duftwassers in der Nase hatte.

»Alles okay mit Ihnen? Haben Sie sich wehgetan?«, fragte er besorgt.

»Nein …, ich glaube nicht.«

Die Jugendlichen hatte Ilkas Sturz nicht weiter beeindruckt, sie rangelten noch immer um den besten Platz und das beste Foto.

»He, könnt ihr euch nicht zivilisiert benehmen?«, wies Ilkas Retter sie zurecht.

Das Mädchen fing an zu kichern, während die Jungs ihn mit langen Blicken maßen. »Was? Chill mal dein Leben, Opa, und mach die Biege.«

Ilka konnte sich ein Lächeln kaum verkneifen, und auch um die Lippen des Dunkelhaarigen zuckte es. »Macht ihr mal besser die Biege in eure Bettchen, Kinder, und lasst die Leute, die es wirklich interessiert, in Ruhe gucken.«

»Habt ihr inzwischen nicht genug Fotos von dem dämlichen Grünzeug?«, ließ sich das Mädchen vernehmen. »Das müsste doch reichen für das Referat. Der Bahl kann euch doch sowieso nicht leiden. Besser als eine Vier minus wird es nicht werden.«

»Wo sie recht hat …«, sagte der Teenie mit dem Gel in den Haaren, und sie verzogen sich alle drei.

»Ich hab auch genug Bilder im Kasten«, sagte der Fotograf. »Ich geh schon mal vor, ich muss mal für kleine Jungs.«

»In Ordnung. Wir treffen uns draußen, Carsten.«

»Hier, Sie haben im Eifer des Gefechts ihr Notizbuch verloren«, sagte Ilka und reichte es ihm.

»Oh, danke. Es wäre eine Katastrophe, wenn ich das nicht mehr hätte.« Er ließ noch einmal den Blick über sie schweifen, länger diesmal und wohlwollend, so als gefiele ihm, was er sah.

Langsam verließen sie Seite an Seite das Gewächshaus und ließen die Menschenmenge hinter sich. Glühwürmchen leuchteten in der Dunkelheit des Parks. Es war eine schöne Nacht, und sie schien plötzlich voller Verheißung.

Er blieb vor ihr stehen und drehte sich zu ihr um. »Sie haben da eine ganz schöne Schramme am Arm.«

»Oh«, sagte sie erstaunt. »Ist mir gar nicht aufgefallen. An der Stelle bin ich wohl an der Absperrung entlanggeschrammt.«

»Kulturbanausen waren das«, meinte er, und sie lachten beide. »Die hatten keinerlei Sinn für die Schönheit der Königin der Nacht.«

»Ja, wissbegierige Kinderchen stellt man sich anders vor.«

Vor den Ständen und Buden befanden sich nur noch vereinzelt Besucher. Ilka sah, dass auch Sekt und Bowle angeboten wurde.

»Darf ich Sie zu einem Sekt einladen?«, fragte sie, ungewohnt mutig im Schutz der Dunkelheit. »Als Dank dafür, dass Sie mich gerettet haben?«

»Gerettet?« Er lachte. »Na gut. Warum nicht? Dankeschön.«

Sie kaufte zwei Sekt in Plastikflöten und sie prosteten sich zu. Er sah attraktiv und nett aus, und sie hatte sich vom ersten Augenblick an zu ihm hingezogen gefühlt. Seine dunklen Augen ruhten auf ihr.

»Ich heiße Ilka. Ilka Schwan.«

»Julius Meyer.«

Sie deutete auf seinen Notizblock. »Gehören Sie auch zur schreibenden Zunft?«

»Mhm. Sie auch?«

»Ja. Nächste Woche fange ich beim Kultur- und Freizeitmagazin Zuckererbse an.«

»Das kenne ich. Obwohl ich es selten lese. Ich komme einfach nicht dazu. Ich schreibe für die Mannheimer Rundschau.«

»Auch für den Kulturteil?«, fragte sie interessiert.

Er sah sie verständnislos an.

»Na, wegen der Kakteen …«, stammelte sie.

»Ach so. Nein. Normalerweise schreibe ich nur über Politik. Das ist mein Ressort.« Er seufzte. »Heute bin ich sozusagen nur als Aushilfe hier. Es ist Sommer, und viele meiner Kollegen sind im Urlaub. Sie haben einfach einen Deppen vom Dienst gesucht, den sie herschicken können, und dabei mich gefunden.«

Er machte ein übertrieben gequältes Gesicht, und sie lachten beide.

»Verstehe. Sie sind zu Höherem berufen.«

»Genau.«

Sie hatten ihren Sekt fast ausgetrunken, als der Fotograf sie erspähte und zu ihnen kam. »Ach, da bist du, Julius. Man kann dich keine fünf Minuten allein lassen.«

»Wieso, ich bin doch ganz brav«, sagte Julius und wechselte einen verschwörerisch-verständnisinnigen Blick mit Ilka.

»Jaja. Sekt im Dienst zu später Stunde.« Julius´ Kollege sah auf die Uhr.

Ilka wurde kalt ums Herz. Gleich würde er sich verabschieden und jeder würde seiner Wege gehen. Sie wünschte sich, diese verwunschene Nacht, die flimmernden Sterne, der betäubend starke Blumenduft würden noch lange dauern und sie könnte bis zum Morgen hier stehen und mit Julius plaudern.

»Können wir?«, fragte der Fotograf. »Meine Frau hat morgen Geburtstag, und wir wollen heute Nacht hineinfeiern.«

»Klar«, antwortete Julius. Er wandte sich wieder Ilka zu und sah sie halb lächelnd, halb bedauernd an. »Wir müssen los. Ich muss meinen Artikel heute noch schreiben. Es war schön, Sie getroffen zu haben.«

»Ja, das war es«, sagte sie leise. »Ich kaufe mir morgen die Mannheimer Rundschau, um Ihren Artikel zu lesen.«

»Das ist gut, dann steigert mein Einsatz die Verkaufszahlen – das hilft bei der nächsten Gehaltsverhandlung.« Er lächelte sie noch einmal an, berührte sie leicht an der Schulter und eilte mit dem Fotografen davon.

Wehmütig sah Ilka ihm hinterher, bis die Finsternis ihn verschluckt hatte. Langsam ging sie dem Ausgang entgegen, um nach Hause in ihre leere Wohnung zu kommen.

Am nächsten Morgen schlief sie lange, da sie nichts vorhatte und ihr auch langsam die Ideen ausgingen, wie sie ihre Zeit bis zu ihrem ersten Arbeitstag sinnvoll füllen konnte. Ihre Wohnung war in tadellosem Zustand, alle Bücher standen ordentlich in den Regalen, die Bilder von ihr und ihrem Vater hingen im Wohnzimmer an der Wand, es gab nichts mehr zu tun. Das blaue Samtsofa mit den bunten Kissen sah sehr einladend aus, auf dem Beistelltisch stand eine gelbe Rose in einer Vase, und in der Küche war alles bis auf den letzten Teller in die cremefarbenen Schränke geräumt. Eine Obstschale mit glänzenden rotbackigen Äpfeln und Bananen stand auf dem Küchentisch. Die Wohnung war fix und fertig, es war ein richtiges Zuhause, und doch fühlte sich Ilka, als gehöre sie nicht richtig hierher.

Sie seufzte. Sie wünschte, sie würde noch mit Susanne zusammenwohnen. Einsamkeit war bisher ein Fremdwort für sie gewesen, die letzten Jahre hatten sie und ihre Freundin spätestens am Abend Gelegenheit gehabt, bei einem Tee und Keksen stundenlang zu quatschen. Es drängte sie, ihr von Julius zu erzählen, an den sie pausenlos dachte.

Sie vertrödelte den Tag. Am Abend nahm sie an einem Zumbakurs teil, was ihr keine richtige Freude bereitete. Sie ging nur in der Hoffnung hin, Menschen kennenzulernen. Doch die Frauen, die topgestylt durch den Kurs hüpften, waren alle zu zweit oder dritt gekommen, unterhielten sich die ganze Zeit keuchend und verschwanden hinterher gemeinsam an der Saftbar, ohne sie zur Kenntnis zu nehmen.

In der Abenddämmerung setzte sie sich mit einem Eistee auf den winzigen Balkon ihrer Wohnung, der auf einen Hinterhof hinausging. Die Aussicht war alles andere als idyllisch, sie blickte direkt auf einen flachen Schuppen, in dem der Vermieter altes Gerümpel hortete, und die Mülltonnen. Doch von den umliegenden Gärten, verborgen hinter dem Schuppen, zog der Geruch von Gegrilltem zu ihr herüber, und von überall her vernahm man Lachen und Gespräche. Ihr Herz zog sich zusammen.

Beim vierten Versuch erreichte sie Susanne in Wien endlich.

»He, altes Haus, wie geht´s? Du hast Glück, dass du mich erwischst, Karin und Abdullah sind gerade da, und wir wollen nochmal raus.«

»Nochmal raus? Wohin denn? Und wer sind Karin und Abdullah?«, fragte Ilka und beobachtete einen Nachtfalter, der über das Balkongeländer taumelte.

»Studienkollegen. Sehr nett. Hier in Wien ist im Sommer überall was los. Festivals, Konzerte, Partys … Das würde dir auch gefallen. In unserer südpfälzischen Einöde war ja absolut tote Hose. Und Mannheim ist ja auch nicht gerade der Nabel der Welt, oder?«

»Ach, weißt du …« Ilka konnte nicht mehr an sich halten und berichtete ihrer Freundin alles, was sich gestern im Luisenpark ereignet hatte.

»Er sah einfach toll aus. So wie dieser Schauspieler in dieser amerikanischen Serie, der den Teufel spielt, weißt du?«

»Verheiratet? Liiert?«

»Ich weiß nicht. Er hatte keinen Ring an, aber das hat ja nichts zu sagen.«

»Hm. Gibt es irgendeine Möglichkeit, ihn wiederzusehen? Du weißt ja, wo er arbeitet …«

»Ja, aber ich kann wohl schlecht in seiner Redaktion auftauchen.«

»Du könntest ihm nach Feierabend auflauern.«

Ilka lachte. »Hast du keine bessere Idee? So verzweifelt bin ich jetzt doch noch nicht.«

»Ich gebe dir einen Rat.« Susannes Stimme klang plötzlich ernst und abgeklärt. »Solch gutaussehende Männer sind doch meistens vergeben. Vergiss ihn einfach. Es wird ja wohl noch mehr Leute in Mannheim geben. Hast du sonst noch wen kennengelernt? Nicht nur Männer, auch Frauen?«

»Nein«, seufzte Ilka. »Leider nicht. Ich war beim Zumba, war ein paarmal Badminton spielen, habe einen Kochkurs gemacht und war auf einer Lesung, aber nirgends habe ich Bekanntschaften gemacht.«

»Na ja, das braucht eben seine Zeit. Du bist ja noch nicht lange in Mannheim. Gewöhn dich erst mal ein. Alles andere kommt wahrscheinlich von selbst. Vielleicht lernst du bei der Arbeit nette Leute kennen.«

Susanne erzählte noch ausschweifend von ihrem Studium und den vielen Menschen, die sie getroffen hatte und mit denen sie nun regelmäßig ihre Zeit verbrachte. Schließlich beendete sie das Gespräch abrupt, da Karin und Abdullah im Hintergrund ungeduldig wurden.

Am Abend vor ihrem ersten Arbeitstag kam Ilka nicht zur Ruhe. Nervös ging sie in der Wohnung auf und ab, richtete ihre Kleidung für den nächsten Tag, stellte schon mal das Müsli auf den Küchentisch und überprüfte noch einmal den Fahrplan der Straßenbahn. Sie war keine Berufsanfängerin, sie hatte in ihrem Heimatort schon einige Jahre als Journalistin bei der lokalen Zeitung gearbeitet, aber es nagten Zweifel an ihr, ob sie gut genug war für ein angesehenes Magazin und ob die Kollegen sie offen und freundlich empfangen würden.

Das Telefon klingelte. Es war ihr Vater, der ihr Glück wünschte für den morgigen Tag. Sie freute sich, seine warme Stimme zu hören.

»Das wird schon, mach dir keine Sorgen«, beruhigte er sie. »Ich ruf dich morgen Abend wieder an, um zu hören, wie es war. Und noch was, Ilka …« Er klang plötzlich so ernst, dass sie aufhorchte. Einen Moment lang lag Schweigen in der Leitung, das sie beinahe ängstigte.

»Ilka … Ich muss dir etwas sagen. Romy ist wieder da. Sie ist zurück.«

Schockstarr umklammerte sie das Telefon. Momente lang sagte keiner von beiden ein Wort, Ilka hörte lediglich das schwere Atmen ihres Vaters.

»Nein«, flüsterte sie. »Was will sie dieses Mal?«

Kapitel 2

In der Nacht schlief sie kaum. Sie warf sich hin und her, und wenn sie doch mal kurz wegdämmerte, verfolgten sie wirre Träume von Julius und Romy. Letztere piesackte sie mit fiesem Grinsen, während Julius ständig versuchte, sie zu besänftigen und Schaden von Ilka abzuwenden.

Ilka stand auf, noch bevor der Wecker klingelte, und duschte kalt. Ihr Gesicht sah ihr blass und müde aus dem Spiegel entgegen, die kinnlangen braunen Haare standen in alle Richtungen ab.

»Na toll«, murmelte sie, »ich gebe ja ein tolles Bild ab an meinem ersten Arbeitstag.«

Mit Makeup und Glätteisen versuchte sie zu retten, was zu retten war. Sie zog ihr dunkelblaues Kleid mit den weißen Punkten an und hoffte, darin angemessen seriös für das Kulturmagazin Zuckererbse auszusehen. Sie hatte Angst, unangenehm aufzufallen, denn sie hatte keine Ahnung, welche Regeln hier in der Stadt galten. Bei der Lokalzeitung, für die sie bisher gearbeitet hatte, war es egal gewesen, in welchem Aufzug man auftauchte. Im Sommer war selbst die Chefin in Flip Flops und Shorts gekommen.

In der Straßenbahn war es schon so früh am Morgen heiß und stickig. Endlich stand sie vor dem Bürokomplex am Neckar, in dem die Redaktionsräume der Zuckererbse die dritte Etage belegten.

Theodor Kleiber, der Chefredakteur, den sie vom Vorstellungsgespräch kannte, erwartete sie bereits und führte sie in sein Büro, dessen Wände ganz aus Glas waren. Er hatte einen hervorragenden Blick auf alle Schreibtische, die sich außerhalb seines Glaswürfels befanden.

Da werde ich ganz schön auf dem Präsentierteller sitzen, dachte Ilka nervös.

»Guten Morgen, hallo, hereinspaziert«, begrüßte Theodor sie überschwänglich und drückte ihr die Hand, dass es wehtat. Er war Mitte sechzig, weißhaarig, klein und durchtrainiert und trug ein rosa Polohemd, eine weiße Jeans und Mokassins ohne Socken. »Setz dich, Ilka, es ist dir doch recht, wenn wir uns duzen? Wir duzen uns hier alle in der Redaktion, das macht alles einfacher.«

»Gerne«, sagte sie und setzte sich auf einen der ledernen Besucherstühle vor seinem riesigen Schreibtisch, er jedoch machte keine Anstalten, sich zu setzen. Er war ständig in Bewegung, ordnete ein paar Papiere, schrieb schnell eine WhatsApp auf seinem Handy, klickte im Stehen am PC herum.

»O-Saft?«

»Dankeschön.«

Er goss ihr ein und schob das Glas zu ihr hinüber. »Kurzes Briefing, Ilka, dann kannst du loslegen.«

Auf seinem Handy gingen piepend mehrere Nachrichten ein, die er beantwortete, während er mit ihr sprach. Ilka machte das kribbelig. Schließlich warf er sein Handy auf die Tischplatte, grinste sie wohlwollend an und setzte sich endlich. »Immer schön effizient arbeiten, das ist mein Motto. So kriegt man immer mehrere Dinge gleichzeitig geschafft.«

Ilka verkniff sich die Bemerkung, dass man bei dieser Arbeitsweise die meisten Aufgaben wohl kaum sehr sorgfältig erledigen konnte.

»Wir hatten ja schon beim letzten Gespräch ein bisschen drüber gesprochen, wie du dich hier betätigen kannst. Das Schöne an unserer Arbeit bei der Zuckererbse ist, dass wir eigentlich schreiben können, worüber wir wollen. Hast du Bock auf Bülent Ceylan, dann besuch eine Show von ihm und schreib darüber. Willst du ein bisschen Fitness machen, geh zum Faszientraining und lass dir einen Artikel darüber einfallen. Besuche neue Restaurants. Ausstellungen. Verfasse Freizeittipps. Irgendwie passt ja alles zum Thema Kultur und Freizeit, nicht wahr?«

»Hm«, machte Ilka zustimmend, während sie sich schon den Kopf darüber zerbrach, welche Themen sie angehen sollte. Theater? Kino? Konzerte?

»Nur von den Bereichen Literatur und Kochen/Backen solltest du dich fernhalten«, sagte Theodor.

»Ich soll also nichts über Bücher schreiben?«

»Genau. Dazu haben wir Ignaz Winkler. Du wirst ihn gleich kennenlernen. Er hat den Schreibtisch neben deinem. Er liest den lieben langen Tag und schreibt dann Rezensionen und Buchempfehlungen. Was für ein Job für einen Mann.« Theodor verdrehte die Augen. »Aber nichts für ungut. Der Herr Kollege ist eben ein bisschen speziell, das wirst du noch merken.«

Theodor zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und wischte über den Schreibtisch. »Hier müsste mal dringend wieder Staub … Ach ja, und bitte keine Koch- und Backrezepte schreiben, habe ich das schon erwähnt?«

Ilka nickte. »Mit Kochen und Backen habe ich es sowieso nicht so.«

»Gut. Für diese Themen ist nämlich das verdreifachte Lottchen zuständig.« Er wedelte mit dem Finger in eine bestimmte Richtung. Ilka folgte seinem Blick und sah drei jüngere Frauen, die außerhalb des Glaskäfigs an drei aneinandergeschobenen Schreibtischen saßen und die Köpfe zusammensteckten. Sie sahen mit ihren stylischen Klamotten, dem perfekten Makeup und den langen seidigen Haaren – eine war naturblond, eine blond gesträhnt, die dritte brünett – nahezu identisch aus.

»Die drei sind Teilzeitkräfte und teilen sich eine Vollzeitstelle – die eine ist junge Mutter, die beiden anderen reich verheiratet. Sie suchen den ganzen Tag ausgefallene Rezepte aus dem Netz zusammen. Von mir aus könnten wir die Rubrik gerne streichen, aber den Lesern scheint sie zu gefallen. Manchmal habe ich den Eindruck, die Koch- und Backecke kommt besser an als Kunst und Kultur.«

Er starrte die drei durch die gläserne Wand hindurch an. »Lieselotte, Marie-Lotte und … verdammt, den Namen der dritten vergesse ich immer!«

Ilka wollte schon Lotte vorschlagen, biss sich aber noch rechtzeitig auf die Lippen.

»Luise!«, rief Theodor triumphierend.

Die drei Damen steckten ihre Köpfe über einer bunten Zeitschrift zusammen und lachten. Theodor klopfte an die Glaswand und drohte ihnen mit dem Zeigefinger, woraufhin sie sich sofort wieder ihrer Arbeit am PC widmeten, nicht ohne ihm zuzulächeln. Theodor strich sich geschmeichelt über sein weißes Haar.

»Ganz nett, das dreiköpfige Lottchen. Aber ich rede zu viel. Ich bin eine alte Klatschbase«, sagte er entschuldigend. »Dann ist ja vorerst alles geklärt, oder Ilka? Wenn du noch Fragen hast, melde dich.«

Damit war sie entlassen. Theodor schob sie aus seinem Glaswürfel hinaus ins Großraumbüro und führte sie zu ihrem Schreibtisch.

Der Mann am Platz daneben erhob sich sofort und begrüßte sie. »Hallo! Du bist die neue Kollegin!«

»Scharf kombiniert, Ignaz«, sagte Theodor ironisch. »Also, dann ran an die Arbeit alle zusammen.«

Er verschwand wieder in seinem Büro und Ilka sah, wie er gleichzeitig eine Nachricht auf seinem Smartphone eingab und im Duden blätterte. Ilka schwirrte der Kopf.

»Theodor ist der Meister des Multi-Taskings«, bemerkte Ignaz. »Jedenfalls behauptet er das selbst ganz stolz. Er macht immer fünf Sachen gleichzeitig, aber natürlich kommt nie etwas Brauchbares dabei heraus. Aber dafür hat er ja seine Leute. Als Chef muss er ja nicht so produktiv sein.«

Ilka atmete hörbar aus. Ihr war, als habe sie die ganze Zeit unbewusst die Luft angehalten.

»Ich bin Ignaz Winkler. Willkommen. Wir sind direkte Tischnachbarn, wenn du nichts dagegen hast.«

»Ich bin Ilka Schwan. Dann … werde ich mal meinen Arbeitsplatz einrichten.«

Unschlüssig legte sie ihre Tasche auf den Schreibtisch, da Ignaz vor ihr stehen blieb und keine Anstalten machte, sich wieder an seinen Computer zurückzuziehen. Sie sah kurz zu ihm auf, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen. Er war ungefähr Anfang dreißig und bestimmt zwei Meter groß, dünn und schlaksig. Er hatte dunkelblonde Haare, die etwas zu lang waren, um als modern zu gelten.

»Ich lass dich gleich arbeiten«, sagte er. »Vorher zeige ich dir noch das Wichtigste in dieser Redaktion, das Allerheiligste sozusagen – die Schokoschublade.«

»Die Schokoschublade?«, wiederholte Ilka lachend.

»Ja, genau.« Mit schwungvoller Geste zog er die oberste Schublade seines Schreibtisches auf, die vollgestopft war mit diversen Schokoriegeln und Fruchtgummitüten. »Manchmal braucht man das Zeug für die Nerven. Du darfst dich jederzeit bedienen.«

»Danke, das ist sehr nett von dir.«

»Nimm dir am besten gleich was. So ein Neuanfang kann ganz schön an die Nieren gehen.«

Ilka stimmte seufzend zu und nahm sich einen Karamellriegel. »Danke, das kann ich jetzt wirklich gebrauchen.«

Sie fühlte Blicke im Rücken und drehte sich um. Tatsächlich, das verdreifachte Lottchen und auch andere Mitarbeiter, die im ganzen Raum verteilt saßen, sahen neugierig zu ihr hin.

»Ich sollte mich mal vorstellen gehen«, meinte sie verunsichert.

»Kann nicht schaden«, sagte Ignaz.

So machte sie die Runde durch das Großraumbüro, begrüßte alle und wechselte ein paar Worte mit den meisten Kollegen. Nur die drei Damen von der Rubrik Kochen und Backen gaben sich wortkarg, musterten sie aber von oben bis unten.

»Man sieht sich«, sagte Lieselotte nur und wandte sich wieder den beiden anderen zu.

Erschöpft setzte Ilka sich an ihren Schreibtisch. Die Vorstellungsrunde war für sie einem Spießrutenlauf gleichgekommen, sie hätte glatt noch einen zweiten Schokoriegel gebrauchen können. Aus ihrer Tasche zog sie nun ihre Schreibsachen und ein gerahmtes Foto, das sie neben ihren Monitor stellte. Es zeigte ihren Vater und sie selbst. Das Bild war vor etwa fünf Jahren aufgenommen worden, als sie gemeinsam Urlaub an der Nordsee gemacht hatten. Sie waren beide sonnengebräunt gewesen, die Haare vom Wind zerzaust, das schäumende Meer im Hintergrund, und sie lachten in die Kamera.

»Dein Freund?«, fragte Ignaz. »Er ist deutlich älter als du. Entschuldige, geht mich natürlich gar nichts an.« Hastig wandte er sich wieder seiner Arbeit zu.

»Das ist mein Vater«, erklärte Ilka. »Und ja, er ist deutlich älter als ich.«

Ignaz entspannte sich und grinste. Als sie unter seinen Schreibtisch sah, bemerkte sie, dass seine Füße in ausgetretenen Hausschuhen steckten. Er folgte ihrem Blick.

»Ich mach es mir hier immer gemütlich. Weißt du, die meisten Kollegen sind ja täglich viele Stunden unterwegs und besuchen Veranstaltungen, über die sie schreiben. Ich nicht. Ich bin immer hier. Ich wohne sozusagen hier in der Redaktion. Zuhause ist niemand, der auf mich wartet.« Er deutete auf die hohen Bücherstapel, die auf seinem Schreibtisch standen. »Ich bin hier der Bücherwurm.«

»Ich weiß, das hat Theodor mir schon gesagt.« Sie sah sich die vielen Bücher an und verspürte fast so etwas wie Neid. »Das muss schön sein, den ganzen Tag zu schmökern … Das würde ich auch gerne tun.«

»Die Stelle ist leider schon besetzt«, grinste Ignaz und schaute kurz hinter einem Roman mit einer verlockenden Waldlandschaft auf dem Cover hervor. »Apollonias Kiste. Von Ursula Kissel. Umwerfend. Ist wohl eher für Frauen geschrieben, aber das stört mich nicht. Von Familiengeheimnissen und romantischer Liebe kann man nie genug kriegen.«

So lange sich die Familiengeheimnisse nur zwischen zwei Buchdeckeln befinden und nicht im richtigen Leben, dachte Ilka mit einem Stich im Herzen. Romy spukte wieder durch ihre Gedanken. Romy war wieder da. Jahre voller Enttäuschung, Bitterkeit, Lügen und Streitigkeiten zogen an ihr vorbei.

Sie zwang sich, den Computer hochzufahren und nach Veranstaltungen zu recherchieren, über die sie schreiben konnte. Doch immer wieder tauchte Romys Gesicht vor ihr auf. Würde Romy sich dazu herablassen, sie zu kontaktieren?

Bis zur Mittagszeit hatte sie es geschafft, sich diverse Ausstellungen, Konzerte, Café-Neueröffnungen und Sportangebote zu notieren, die sie besuchen konnte. Als sie von ihrem Bildschirm hochblickte, stellte sie erschrocken fest, dass sich außer ihr und Ignaz keine Menschenseele mehr in der Redaktion befand.

»Wo sind sie alle hin?«

»Kantine«, murmelte Ignaz mit vollem Mund und verschlang eine Apfelhälfte fast vollständig.

»Es hätte mich ja auch mal jemand fragen können, ob ich mitgehen möchte an meinem ersten Tag«, sagte sie enttäuscht. »Und was ist mit dir?«

Ignaz deutete auf den Apfel und die halb aufgezogene Schokoschublade. »Ich gehe nicht in die Kantine. Dort ist mir zu viel Geschnatter und Geklüngel. Ich mag es, über Mittag allein in der Redaktion zu sein, da kann ich in aller Ruhe lesen und meine Rezensionen schreiben. Dafür gehe ich um drei nach Hause.«

Der Bildschirm von Ilkas Smartphone leuchtete auf und zeigte die Vorschau einer E-Mail. Romy, durchfuhr es sie wie ein Blitz. Sie konnte das Handy nicht anfassen, um die Mail zu öffnen, sie hatte das Gefühl, sie würde sich die Finger verbrennen. Ihr wurde innerlich ganz heiß.

»Ich koche mir zu Hause«, erzählte Ignaz, der ihren Gemütszustand nicht zu bemerken schien. »Ich habe einen kleinen Küchengarten, in dem ich mir fast alles ziehe, was ich brauche. Ich bin sozusagen autark. Ich habe Kartoffeln, Tomaten, Bohnen …«

»Mhm«, machte sie abwesend. Warum schrieb ihr Romy? Was wollte sie? Sie wollte immer irgendetwas, ihr würde es nie in den Sinn kommen, sich einfach so zu melden.

»Paprika, Kohl, Radieschen. Zusätzlich züchte ich noch viele Kräuter. Rosmarin, Petersilie, Schnittlauch, das übliche eben, aber auch noch Salbei …«

»Mhm …«

»Basilikum, Thymian, Oregano …«

»Mhm …«

»Ich habe so einen alten Dampfkochtopf von meiner Mutter, den benutze ich immer zum Kochen. Traumhaft. Es entfaltet sich ein Aroma darin, das kannst du dir nicht vorstellen …«

»Äh …« Ilka presste die Lippen zusammen und starrte ihr Smartphone an. Sollte sie sich durchringen, die Nachricht zu öffnen?

»Meine Mutter befürchtet immer, irgendwann explodiert der Dampfkochtopf und fliegt mir um die Ohren. Aber ich bleibe beim Altbewährten. Diese modernen Küchenmaschinen für tausend Euro, die die ganze Arbeit selbst erledigen, sind nichts für mich. Beim Schneiden und Schnippeln von Gemüse kann ich immer so gut abschalten. Kochst du auch, Ilka?«

»Äh, was?« Ilka schreckte aus ihren schwermütigen Gedanken hoch. »Ich … Gemüse …?«

Ignaz biss krachend in die zweite Apfelhälfte. Stumm schaute sie ihn an und verspürte plötzlich einen Heißhunger auf einen Döner. Dann bemerkte sie, dass Theodor in der Tür seines Glaswürfels stand und sie beobachtete. Unangenehm berührt verknotete sie die Hände im Schoß. Sie kam sich mit einem Mal fehl am Platz vor, wie sie da mit Ignaz inmitten seiner Äpfel und Schokoriegel im leeren Großraumbüro saß.

Als sie sich am Abend auf den Heimweg machte, kaufte sie sich am erstbesten türkischen Imbiss einen Döner und verschlang ihn auf dem Weg zur Straßenbahnhaltestelle. Drückende Junihitze lastete über der Stadt, die Menschen sahen alle erschöpft und abgekämpft aus.

Die letzten Bissen ihres Döners schmeckten ihr bereits nicht mehr. Stattdessen überkam sie große Lust auf Gemüse. Das war bestimmt Ignaz´ Schwärmerei von seinem Küchengarten zuzuschreiben, obwohl sie nur die Hälfte mitbekommen hatte, so sehr war sie in Gedanken mit Romy beschäftigt gewesen. Sie musste sich angewöhnen, abends gesund zu kochen. Seit sie in Mannheim wohnte, hatte sie fast nur Fastfood gegessen, das durfte nicht mehr so weitergehen. Sie hatte eine schöne Küche, einen interessanten Job und sollte sich wieder wie eine verantwortungsvolle Erwachsene verhalten.

Hatte Romy sich jemals so verhalten?, schoss es ihr durch den Kopf. Wütend schloss sie ihre Haustür auf und trat in die angenehme Kühle ihrer Wohnung ein. Sie hatte Romy noch nicht wiedergesehen, und doch nahm sie bereits ihr ganzes Denken in Beschlag. Das musste aufhören.

Schade, dass es keine Möglichkeit gab, den attraktiven Journalisten aus dem Luisenpark wiederzusehen. Sie überlegte, ob sie noch einen abendlichen Spaziergang durch den Park machen sollte, in der Hoffnung, ihm dort zu begegnen, aber das war eine dumme Idee. Er war beruflich dort gewesen, die Wahrscheinlichkeit, dass er sich in seiner Freizeit und ausgerechnet jetzt dort aufhielt, tendierte gegen Null.

Sie fühlte sich staubig und müde, und duschte lange und ausgiebig, bevor sie sich nur im T-Shirt und Shorts auf ihren kleinen Balkon setzte. So langsam kühlte es etwas ab und die Abendluft wurde lau und samten. Vögel landeten zwitschernd auf dem Schuppen im Hof, die alte Frau, die im obersten Stockwerk wohnte, brachte einen Müllbeutel zur Mülltonne, deren Deckel sie laut zufallen ließ. Ilka gefiel der Gedanke, dass sich jenseits des Schuppens Leben in den ihr verborgenen Gärten abspielte, Kinder barfuß durch das Gras tollten und Erwachsene bei einem Glas Wein zusammensaßen.

Sie hielt das Telefon in den Händen, denn ihr Vater hatte ja versprochen, sie anzurufen. Um Punkt zwanzig Uhr klingelte das Telefon. Er war verlässlich wie immer, und ihr wurde warm vor Freude.

»Wie war dein erster Tag?«, fragte er und sie sprudelte all ihre Erlebnisse hervor.

»Um noch mal auf Romy zurückzukommen«, sagte sie dann, als er alles erfahren hatte. »Wann hat sie sich bei dir gemeldet?«

»Vor einer Woche«, seufzte ihr Vater.

»Vor einer Woche«, wiederholte sie bitter. »Sie hat es heute erst geschafft, sich auch bei mir zu melden. Sie hat mir eine E-Mail geschrieben.«

»Was schreibt sie?«, fragte ihr Vater eine Spur zu schnell.

»Ich weiß es nicht. Ich habe es bis jetzt nicht über mich gebracht, die Mail zu lesen.«

Ihr Vater seufzte erneut. »Ach, Ilka.«

»Was wollte sie von dir?«

»Was wohl? Das gleiche wie jedes Mal.«

Ilka zupfte unbewusst an einem losen Faden ihres T-Shirts. »Also Geld.«

Eine Weile herrschte Schweigen. Es waren keine Worte nötig, sie verstanden sich auch so, denn sie hatten vieles miteinander durchgemacht.

»Warum ist sie dieses Mal nicht in …. Borneo oder Thailand oder Sansibar … oder wo auch immer geblieben?« Sie hörte die Bitternis aus ihren Worten selbst heraus.

»Was weiß ich? Es hat mal wieder nicht geklappt. So wie immer.« Seine Stimme wurde plötzlich heiser, was für Ilka das Signal war, ihre eigene Enttäuschung hintenan zu stellen, um ihren Vater nicht noch mehr zu belasten. »Es tut mir wahnsinnig leid, Püppchen. Wenn ich könnte, würde ich alles ungeschehen machen.«

»Ich weiß«, sagte sie leise. »Es ist nicht deine Schuld, das weißt du doch.«

»Sie ist so verdammt selbstsüchtig und unzuverlässig. Sie hat dich einfach so verlassen. Wie konnte sie nur. Du musstest so viel durchmachen.«

»Das stimmt nicht. Ich hatte den besten Vater der Welt.«

Nachdem sie sich noch ein wenig gegenseitig getröstet und verabschiedet hatten, fühlte sich Ilka stark genug, Romys E-Mail zu öffnen. Sie setzte sich auf ihr Bett und las den kurzen Text.

Huhu, stand da.

Huhu? Nach all den Jahren Huhu?

Ich bin wieder im Lande. Wollen wir uns treffen?

Mit zitternden Händen legte sie das Handy auf den Nachttisch, putzte sich im Bad schnell die Zähne und kroch ins Bett, die Arme um die angezogenen Knie geschlungen. Es war noch nicht einmal neun Uhr, doch sie wusste nicht, was sie hätte tun sollen außer schlafen gehen.

Kapitel 3

Am nächsten Morgen hörte sie den Wecker nicht, wachte eine halbe Stunde zu spät auf und hatte keine Zeit mehr für einen Kaffee. Todmüde lief sie im Schlafzimmer umher, bis sie sich endlich entschieden hatte, was sie anziehen sollte. In einem blauen Rock und weißer Bluse hastete sie dann zur Straßenbahn, die gerade eingefahren war.

Die grelle Morgensonne tat ihr in den Augen weh. Sie hatte wieder schlecht geschlafen, da Romy die ganze Nacht durch ihren Kopf gegeistert war. Sie musste sich heute wohl durchringen, auf ihre Email zu antworten, aber sie hatte keine Ahnung, was sie ihr schreiben sollte.

In der Redaktion duftete es köstlich nach frischem Brot. Ignaz saß munter in Jeans und einem ausgewaschenen T-Shirt an seinem Schreibtisch und las wie am Vortag in Apollonias Kiste. Ilka beneidete ihn um seine gemütlichen Hausschuhe, denn ihr taten schon jetzt am Morgen die Füße weh von ihren neuen Schuhen, die sie sich letzte Woche für die Arbeit gekauft hatte.

»Na, gut erholt von deinem ersten Arbeitstag?«, fragte Ignaz gut gelaunt und schob ihr eine Brotdose mit dem duftenden Brot hin. »Nimm dir eine Scheibe.«

»Danke«, murmelte Ilka. »Das kann ich jetzt gebrauchen, ich hatte keine Zeit zum Frühstücken.«

»Selbst gebacken. Nichts ist besser. Da kann kein Brot aus der Bäckerei mithalten.« Er hielt ihr die Dose hin. »Nimm dir nur eine große Scheibe.«

Die Schokoschublade, frisches Brot – Ignaz versorgte sie wirklich gut. Ilka machte sich eine geistige Notiz, auch mal etwas für ihn mitzubringen, ein Stück Kuchen vielleicht oder Kekse.

Während sie das Brot aß und ihren Computer hochfuhr, schlug sie die Mannheimer Rundschau auf, die sie schnell auf dem Weg von der Straßenbahn zum Büro gekauft hatte. Wie jeden Morgen las sie den Politikteil und suchte nach Artikeln, die Julius geschrieben hatte. Seinen Bericht über die Königin der Nacht hatte sie ausgeschnitten, zwischen die Seiten von Baudelaires Fleurs du Mal, ihrem Lieblingsgedichtband, gelegt und in ihr Bücherregal gestellt. Für die heutige Ausgabe der Mannheimer Rundschau hatte Julius einen langen, ironischen Kommentar zur Außenpolitik verfasst, den sie verschlang, so als würde sie Julius dadurch näher kommen.

»Ich habe mir letzte Woche einen neuen Brotbackautomaten gekauft«, erzählte Ignaz mit vollem Mund, den Roman auf den Knien. »Um Welten besser als der alte, den ich schon seit ein paar Jahren hatte. Der backt himmlisches Brot.«

»Mhm«, machte Ilka, jedes Wort von Julius´ Kommentar aufsaugend.

»Ich habe schon alle möglichen Sorten damit gebacken, Nussbrot, Kartoffelbrot, Pizzabrot …«

»Lecker«, murmelte sie abwesend.

»Ich habe eine Zeitschaltuhr an dem Automaten angebracht. Die stelle ich auf vier Uhr morgens, und wenn ich aufwache, habe ich das frischeste Brot, das man sich denken kann. Genial, nicht wahr?«

»Mhm.« Innerlich schmunzelte sie gerade über eine besonders sarkastische Äußerung Julius´ über den Besuch des Außenministers in den USA.

»Dann gebe ich immer mein selbstgemachtes Quittengelee über eine dicke Scheibe, das ist ein wahrer Genuss. Quitten habe ich nämlich auch in meinem Garten.«

»Oh.« Ilka hatte den Kommentar fertig gelesen und suchte nach weiteren Artikeln, die Julius verfasst hatte. Sie war so in die Zeitung vertieft, dass sie Theodor erst bemerkte, als er ihr direkt über die Schulter schaute.

Er räusperte sich vernehmlich. »Guten Morgen, Frau Kollegin.«

Ihr blieb vor Schreck der letzte Bissen Brot im Hals stecken und sie musste heftig husten, woraufhin er ihr fest auf den Rücken klopfte.

»Schön, dass du dich so umfassend über die Weltpolitik informierst, Ilka, aber du weißt schon, dass du nicht zum Zeitunglesen, sondern zum Zeitungmachen hier bist, oder?«

»Ja, natürlich, tut mir leid«, keuchte sie mit hochrotem Kopf. »Ich mache mich sofort an die Arbeit.«

»Schon Ideen für heute?«, fragte er, während er sich ungefragt eine Scheibe Brot nahm, gleichzeitig eine Nachricht auf seinem Handy las, mit einem Finger eine Antwort tippte und zwei von Ignaz´ Romanen durchblätterte. Ilka und ihr Kollege sahen ihm fasziniert zu.

»Äh ja«, beeilte sie sich dann zu sagen. »Ich besuche nachher eine neue Kneipe, über die ich schreiben will, und heute Abend gehe ich zu einem Poetry-Slam in Ludwigshafen.«

»Gut, gut«, sagte Theodor, schien jedoch bereits das Interesse verloren zu haben, denn er schenkte Lieselotte, die auf dem Weg zur Teeküche vorbeiflanierte, ein Lächeln.

Zur Mittagszeit knurrte ihr der Magen, deshalb wartete sie aufmerksam den Aufbruch der anderen Kollegen ab, um sich ihnen auf dem Weg zur Kantine anzuschließen. Als Lieselotte, Marie-Lotte und Luise an ihrem Schreibtisch vorbeikamen, stand sie schnell auf.

»Darf ich euch zum Mittagessen begleiten?«

Die drei Frauen unterzogen sie zuerst eines Ganzkörperscans, um dann gleichzeitig den Kopf zu schütteln.

»Das geht leider nicht, Süße«, sagte Luise mit einem bedauernden Lächeln auf den Lippen, das ihre Augen nicht erreichte.

»Wir haben private Angelegenheiten zu besprechen, das würde jetzt einfach nicht passen«, fügte Marie-Lotte hinzu, und sie zogen ab.

Ignaz, der vorgeblich in seine Lektüre vertieft gewesen war, schaute auf und blickte sie mitfühlend an. »Mach dir nichts draus, die drei Lotties sind alle etwas hohl in der Birne. Das ist kein Verlust, wenn sie dich nicht zum Essen mitnehmen. Schokoriegel?« Er zog mit einer einladenden Geste seine Schokoschublade auf.

»Danke, das ist lieb von dir«, sagte sie geknickt und nahm sich einen Riegel aus Vollmilchschokolade. »Aber ich darf mir nicht angewöhnen, so viel zu naschen, sonst nehme ich hier noch zehn Kilo zu.« Sie schaute auf die Uhr und überlegte. »Eigentlich könnte ich genauso gut gleich zu dieser neuen Kneipe fahren, dort eine Kleinigkeit essen und meinen Artikel schreiben. Dann schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe.«

»Gute Idee«, sagte Ignaz und packte eine große Tupperbox mit geschnittenem Obst aus, das sein Mittagessen darstellte.

»Möchtest du … mitkommen?«, fragte sie unschlüssig.

Er schüttelte den Kopf und biss krachend in einen Apfel. »Nein danke. Du weißt ja, ich genieße in der Mittagspause gerne die Stille in der Redaktion und schreibe in Ruhe meine Buchbesprechungen, damit ich früher gehen kann.«

»Okay.«