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Ulrike Herrmann

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Beschreibung

Warum kommt es zu Finanzkrisen? Warum sind die Reichen reich und die Armen arm? Wie funktioniert Geld? Woher kommt das Wachstum? Schon Kinder stellen diese Fragen – aber die Ökonomen können sie nicht beantworten. Ihre theoretischen Modelle haben mit dem realen Kapitalismus nichts zu tun. Leider kosten die Irrtümer der Ökonomen nicht nur Milliarden, sondern sogar Menschenleben. Wer verstehen will, wie die Wirtschaft tatsächlich funktioniert, muss die Klassiker kennen: Adam Smith, Karl Marx und John Maynard Keynes. Sie werden an den Universitäten kaum, falsch oder gar nicht mehr gelehrt. Dabei haben diese drei Theoretiker die besten Antworten gegeben. Es ist höchste Zeit, sie neu zu entdecken.

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Ebook Edition

Ulrike Herrmann

Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung

Die Krise der heutigen Ökonomie oder Was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können

Mehr über unsere Autorinnen, Autoren und Bücher:

www.piper.de

© Ulrike Hermann 2016‎

Titel der Originalausgabe:‎

»Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung«, Westend Verlag GmbH, Frankfurt 2016‎

© Piper Verlag GmbH, München 2022

Covergestaltung: zero-media.net, München; nach einem Entwurf von Buchgut, Berlin

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung: Die Krise der heutigen Ökonomie
2 Ein Philosoph entdeckt die Wirtschaft: Adam Smith
Die Mutter bleibt der wichtigste Mensch – ein Leben lang
Eine Eliteuniversität enttäuscht: Adam Smith langweilt sich in Oxford
Wirtschaft in Glasgow: Monopole und Sklavenhandel
Begegnung mit der Konkurrenz: die Physiokraten
Das Werk eines Pensionärs: Der Wohlstand der Nationen
Smith fordert den Freihandel – und wird Zollbeamter
3 Vom Bäcker bis zum Freihandel: Der Wohlstand der Nationen (1776)
Der Irrtum der Merkantilisten: Gold macht nicht reich
Das zentrale Prinzip: Die Arbeitsteilung erklärt (fast) alles
Gemeinnutz durch Eigennutz: Wie die Makroökonomie entdeckt wurde
Ein Rätsel, das ein Rätsel bleibt: Wie entstehen Preise und Gewinne?
Das Los der Arbeiter: Reicher als »viele Könige in Afrika«
Freihandel weltweit: Die Anfänge der Globalisierung
Kolonien und Sklaverei: Ausbeutung macht ärmer
Die Brücke von Smith zu Marx: David Ricardo (1772–1823)
4 Ein Kommunist analysiert den Kapitalismus: Karl Marx
Unkonventionelle Ehe: Jenny ist älter
Das Erbe von Hegel: Die Dialektik des Prozesses
Marx erfindet das Proletariat
Mehr als nur »ein Talent«: Friedrich Engels
Die Lage der arbeitenden Klassen in England
Die Revolution war schneller: Das Kommunistische Manifest
Das Elend des Exils: London
Von Marx zum Marxismus
5 Der Sozialismus wird wissenschaftlich: Das Kapital (1867)
Ausbeutung ist fair: Die Logik des »Mehrwerts«
Kapital ist kein Besitz, sondern ein Prozess
Die Dialektik des Kapitals: Konkurrenz endet im Monopol
Irrtum I: Die Arbeiter sind nicht verelendet
Irrtum II: Ausbeutung gibt es – aber nicht den Mehrwert
Irrtum III: Geld ist keine Ware
Auch ein Genie darf irren: Die Bedeutung von Marx
6 Der Kapitalismus interessiert nicht: die Neoklassiker
Nur der subjektive Nutzen zählt
Ein Rätsel, das ein Rätsel bleibt: Wo kommen die Preise her?
Die Realität wird ignoriert: Großkonzerne sind angeblich unwirtschaftlich
Schumpeter spottet über die Neoklassik: nur »Jammergestalten«
Krisen? Welche Krisen?
7 Wo bleibt das Geld?! John Maynard Keynes
Die Eltern sind stolz: Keynes schafft es nach Eton
Ein fähiger Mathematiker, aber kein Genie
Nichts zu tun im India Office: Keynes schreibt seine Dissertation
Reparationen sind unbezahlbar: Keynes verfasst einen Bestseller
Als Dozent verdient er zu wenig: Keynes wird Spekulant
Der private Keynes: Bloomsbury und Lydia Lopokova
Keynes’ langer Abschied von der Neoklassik
Unheilbar krank
8 Sicher ist nur die Unsicherheit: Die allgemeine Theorie (1936)
Die Neoklassik versteht ihre eigene Theorie nicht
Sparen ist keine Tugend – sondern gefährlich
Kleiner Exkurs: Wo kommt das Geld her?
Das ungelöste Rätsel der Neoklassik: Wie funktioniert der Zins?
Es zählt nicht der Zins – sondern die Spekulation
Der Homo oeconomicus hat keine Chance – weil es das Risiko nicht gibt
Die Übermacht der Finanzmärkte
Versagt der Markt, muss der Staat eingreifen
Kein Freihandel mit Geld
9 Der heutige Mainstream: Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung
Mitten im »Wirtschaftswunder«: Die Neoliberalen planen ihren Siegeszug
Ein Lobbyist der Industrie: Ludwig Erhard
Die Wende von 1973: Das Finanzkasino öffnet wieder
Milton Friedman: die »Konterrevolution« gegen Keynes
Der Monetarismus versagt – aber die Finanzmärkte boomen
Eine falsche Theorie wird teuer: Die Finanzkrise kostet Billionen
Nach der Krise ist vor der Krise
10 Was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können
Anmerkungen
Literatur

1 Einleitung: Die Krise der heutigen Ökonomie

Warum sind die Reichen reich und die Armen arm? Wie funktioniert Geld? Woher kommt das Wachstum? Wann kommt es zu Wirtschaftskrisen? Wieso gibt es Arbeitslosigkeit? Schon Kinder stellen diese Fragen – aber die Ökonomen können sie nicht eindeutig beantworten. Oft ignorieren sie diese Fragen sogar und schrauben lieber an mathematischen Modellen, die mit der Realität nichts zu tun haben.

Die Ökonomie steckt in der Krise. Selbst Laien fällt auf, dass die herrschenden Wirtschaftstheorien nicht stimmen können. Die britische Königin Elisabeth II. regiert seit mehr als sechzig Jahren, aber denkwürdige Zitate hat sie kaum geliefert. Eine Frage ist jedoch in Erinnerung geblieben, die sie nach dem Finanzcrash 2008 stellte: »Wie konnte es passieren, dass niemand diese Krise vorhergesehen hat?«

Nicht weniger legendär ist die Antwort der britischen Ökonomen. Sie gaben in einem dreiseitigen Brief zu: »Um die Sache zusammenzufassen, Ihre Majestät; hier hat die kollektive Vorstellungskraft vieler kluger Menschen versagt.«1

Nicht nur die Queen wundert sich, warum »viele kluge Menschen« keine besseren Theorien produzieren. Auch Kanzlerin Angela Merkel kann mit vielen Ratschlägen nichts anfangen, die sie von Wirtschaftswissenschaftlern erhält. Im Sommer 2014 war sie nach Lindau eingeladen, wo sich die Nobelpreisträger für Ökonomie trafen. Die Kanzlerin schonte die Herren nicht. Höflich, aber bestimmt warf sie ihnen vor, einen absurden Wahrheitsanspruch zu vertreten. Die Ökonomen sollten »die Ehrlichkeit haben, die Fehlerquoten oder die Unschärfen anzugeben, wenn man es nicht ganz genau weiß«.2

Leider sitzen die Wirtschaftswissenschaftler nicht isoliert in einem Elfenbeinturm, wo sie keinen Schaden anrichten können. Im Gegenteil, sie sind so mächtig wie keine andere Disziplin. Sie gehören zu den obersten Politikberatern und sind in allen Expertengremien vertreten. Es ist nicht übertrieben: Die Irrtümer der Ökonomen kosten nicht nur Milliarden, sondern sogar Menschenleben.

Selbst berühmte Volkswirte sind inzwischen überzeugt, dass ihr Fach mit einer rationalen Wissenschaft nichts mehr zu tun hat, sondern sich in quasi-religiöse Sekten zerlegt, die doktrinäre Glaubenssätze verbreiten. So stellte der US-amerikanische Ökonom Paul Romer kürzlich fest: »Die Ökonomie funktioniert nicht mehr, wie es bei einer wissenschaftlichen Disziplin üblich sein sollte. Dieses Problem scheint sich zu verschärfen.« Und er warf seinen Kollegen vor, »wie auf einem inter-religiösen Treffen« nur noch »Dogmen zu rezitieren« und dafür »andächtige Stille« zu erwarten.3

Enttäuscht ist auch der Nachwuchs. Viele Studenten ahnen, dass ihnen die Volkswirtschaftslehre ein Zerrbild der Wirklichkeit vermittelt. Sie haben sich in einem Netzwerk Plurale Ökonomik zusammengeschlossen, um die einseitige Lehre zu reformieren. Denn in ihrem Studium kommen wichtige Themen nicht vor. Sie lernen nichts über das Geldsystem und auch nichts über die Wirtschaftsgeschichte. Stattdessen wird nur eine einzige Theorie gelehrt: die sogenannte Neoklassik, die vor allem auf mathematische Modelle setzt.

Es gehört zu den Wundern der Mainstream-Ökonomie, dass sie unbeirrt an ihren Dogmen festhält, obwohl mehrere Finanzkrisen gezeigt haben, dass diese Modelle nicht stimmen können. Doch die Neoklassik hat sich unangreifbar gemacht – indem sie den Markt der Lehrbücher beherrscht. Wer die Studenten in den ersten Semestern prägt, muss sich um seine Anhänger nicht mehr sorgen. Die Theorieschlacht ist gewonnen.

Zum Dogmatismus der Mainstream-Ökonomie gehört, dass sie die wichtigsten Theoretiker ihres eigenen Faches einfach ignoriert. Adam Smith, Karl Marx und John Maynard Keynes werden an den Universitäten kaum, verzerrt oder gar nicht mehr gelehrt. Dabei haben diese Theoretiker ihre Disziplin begründet und umgewälzt. Auch andere Ökonomen waren wichtig, aber nur diese drei haben die Koordinaten ihres Faches jeweils neu definiert. Ohne sie gäbe es die moderne Volkswirtschaftslehre überhaupt nicht.

Doch Mainstream-Ökonomen tun gern so, als wären Smith, Marx und Keynes »überholt« und nur noch Gespenster der Geschichte. Dabei wird der beliebte Trick benutzt, dass automatisch als »modern« gilt, was in der Gegenwart verfasst wird. »Heutig« ist, was heute entsteht. Doch diese Tautologie verdeckt, dass sich in der Ökonomie ein beispielloser Vorgang abspielt: Die meisten Theoretiker sind direkt in eine Art fiktives Mittelalter zurückgekehrt. Die heutige Ökonomie tut so, als wären Smith, Marx und Keynes gestrig – dabei halten sie sich selbst im Vorgestern auf.

In der Ökonomie hat sich eine Schule durchgesetzt, die ihre Modelle so konstruiert, als würde die Wirtschaft nur aus Tauschhandel bestehen und als hätte es die Industrialisierung nie gegeben. Es mag ungeheuerlich klingen, aber die meisten Volkswirte haben keinen Begriff davon, was es bedeutet, in einem voll ausgereiften Kapitalismus zu leben, in dem Großkonzerne herrschen und Banken das Geld aus dem Nichts schöpfen. Daher sind diese Ökonomen stets so verblüfft und überfordert, wenn es zu Finanzkrisen kommt.

Die Irrwege der Mainstream-Ökonomen lassen sich jedoch nur verstehen, wenn man die Alternativen kennt: also Smith, Marx und Keynes. Wie alle Theoretiker waren sie Kinder ihrer Zeit, so dass manche ihrer Ideen durch die historische Entwicklung widerlegt wurden. Aber anders als die heutigen Ökonomen haben sie die wesentlichen Fragen gestellt – und sich in der realen Welt umgesehen. Deswegen sind ihre Analysen noch immer aktuell, und selbst ihre Irrtümer verraten mehr über den Kapitalismus und seine dynamische Geschichte, als es die Theorien der Mainstream-Ökonomen jemals könnten.

Der Titel meines Buchs ist also durchaus ironisch gemeint: Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung zielt direkt auf Mainstream-Ökonomie, die noch immer so tut, als könnte man sich in die heile Welt der kleinen Wochenmärkte zurückziehen, wo nur Äpfel und Birnen gehandelt werden.

Aber natürlich spielt der Titel auch darauf an, dass es nicht so einfach ist, den Kapitalismus abzuschaffen – eine Erfahrung, die schon Marx machen musste. Der Kapitalismus ist ein totales System, das nicht nur die Wirtschaft, sondern alle Lebensbereiche durchdringt. Aber genau deswegen ist er so spannend. Das Abenteuer namens Kapitalismus lässt sich am besten erfahren, wenn man seine klügsten Theoretiker kennt. Also Smith, Marx, Keynes.4

2 Ein Philosoph entdeckt die Wirtschaft: Adam Smith

Der Name Adam Smith polarisiert bis heute: Viele glauben, er sei ein Erzliberaler gewesen, der leidenschaftlich für »freie Märkte«, ein »freies Individuum« und die Entmachtung des Staats gekämpft hätte. In Großbritannien wurde 1977 sogar eigens ein Adam Smith Institute gegründet, um für die Lieblingsthemen der späteren Premierministerin Margaret Thatcher zu agitieren: Privatisierung des Staatseigentums, Deregulierung der Finanzbranche und Steuersenkungen für die Reichen.1

Doch diese Sicht auf Adam Smith ist nicht nur verengt, sondern beruht zudem auf einem Missverständnis: Smith war ein Sozialreformer, der gegen die Privilegien der Reichen kämpfte. Er war zwar für den Wettbewerb und freie Märkte, aber nicht als Selbstzweck, sondern weil er die Vorrechte der Grundbesitzer und der begüterten Kaufleute beschneiden wollte. Würde Smith heute leben, wäre er wahrscheinlich Sozialdemokrat.

Seine Zeitgenossen haben dies genau verstanden. Im frühen 19. Jahrhundert wurde Smith von den Konservativen kritisiert, nicht von den Linken.2 Auch Karl Marx war ein großer Bewunderer von Smith, hat ihn gründlichst studiert und dessen zentrale Begriffe übernommen.

Smith war der erste große Wirtschaftstheoretiker. Vor ihm gab es vor allem »Hausväterliteratur«, die im 16. bis 18. Jahrhundert sehr populär war. In diesen Ratgebern wurde von der Viehzucht bis zur Kindererziehung alles abgehandelt, was ein männlicher Familienvorstand damals wissen musste. Selbst Kochrezepte fehlten nicht.

Die vormoderne Ökonomie war kein eigenes Fach, sondern gehörte – wenn überhaupt – zur Ethik. Diese Verquickung zeigte sich auch noch beim wichtigsten Lehrer von Adam Smith, bei Francis Hutcheson, dessen Kurze Einführung in die Moralphilosophie 1753 posthum erschien. Im III. Buch widmete sich der Philosophieprofessor aus Glasgow Den Prinzipien von Wirtschaft und Politik, doch mit unserem heutigen Verständnis von Wirtschaft hatte der Text nichts zu tun: Behandelt wurden nur die Pflichten von Eltern und Kindern sowie von Herren und Dienern. Themen wie Eigentum, Erbfolge, Verträge oder Geld kamen bei Hutcheson zwar auch vor – aber in Buch II, das den Titel Elemente des Naturgesetzes trug. Geld wurde damals also noch nicht als ein Teil der »Wirtschaft« begriffen, womit sich Hutcheson in bester Tradition befand: Seine thematische Anordnung hatte er direkt aus der Antike übernommen.3

Mehr als 2 000 Jahre lang hatten die Europäer in den immergleichen, eher unökonomischen Kategorien gedacht – bis Adam Smith kam. Sein Buch Der Wohlstand der Nationen erschien 1776 und damit nur 23 Jahre nach Hutchesons Werk, war aber völlig anders aufgebaut. Hutcheson hatte noch in den Begriffen der Ständegesellschaft gedacht, während Smith den beginnenden Kapitalismus beschrieb.

Obwohl ihn nur wenige Jahre von seinem Lehrer trennten, lebte Smith bereits in einer anderen Zeit. Spätestens ab 1760 wurde offenkundig, dass in England eine Entwicklung eingesetzt hatte, die in der Menschheitsgeschichte ohne Beispiel war. »Industrielle Revolution« würde sie später heißen. Diese neue Epoche benötigte eine neue Theorie – und Adam Smith lieferte den ersten großen Entwurf.

Smith selbst verstand sich als Philosoph, denn die Ökonomie war noch kein eigenständiges Fach. Überhaupt waren die ersten Wirtschaftstheoretiker eine äußerst buntscheckige Schar: Unter ihnen waren auch Schriftsteller, Juristen, Börsenspekulanten, Verwaltungsangestellte, Mathematiker und Ärzte. Eine sichtbare Zäsur fand erst 1903 statt, als die Universität Cambridge die Ökonomie als Prüfungsfach zuließ. Seither ist sie eine akademische Disziplin.

Smith litt nicht an Minderwertigkeitskomplexen. Er traute sich zu, die ganze Welt zu erklären – und wollte ein neues, umfassendes philosophisches System begründen. Sein Interesse spannte sich von der Ästhetik bis zur Astronomie, von der Erkenntnis- bis zur Rechtstheorie. Dieser Gesamtentwurf ist nie fertig geworden, auch weil Smith ein überaus langsamer Arbeiter war. Es blieb bei zwei Büchern, die sich mit der Moral und der Wirtschaft befassten. Smith selbst hielt seine Theorie der ethischen Gefühle (1759) für das bessere Werk, doch tatsächlich hat Der Wohlstand der Nationen (1776) seinen bleibenden Ruhm begründet.

Das Buch ist witzig und elegant geschrieben, aber trotzdem nicht immer leicht zu lesen. Bereits der schottische Philosoph David Hume merkte an, dass es »zu viel Aufmerksamkeit verlangt«, um ein größeres Publikum zu erreichen. Im Vergleich schneidet Smith jedoch bestens ab: Die Hauptwerke von Marx und Keynes sind weitaus mühevoller zu verdauen.

Bei allen drei Theoretikern bietet es sich an, mit ihrem Leben einzusteigen, denn ihre Theorien sind von ihren Erfahrungen nicht zu trennen. Doch während Marx und Keynes so viel Material hinterlassen haben, dass jeder Abriss ihr Leben nur streifen kann, ist es bei Smith genau umgekehrt: Er wollte unbedingt verhindern, dass Privates öffentlich wurde, und hat kurz vor seinem Tod fast alle seine Manuskripte und Briefe verbrennen lassen.4 Aber selbst das lückenhaft Bekannte hilft, ihn als Theoretiker besser zu verstehen.

Die Mutter bleibt der wichtigste Mensch – ein Leben lang

Smith wurde 1723 im schottischen Kirkcaldy geboren, einer kleinen Hafenstadt, die am Nordufer des Firth of Forth liegt und etwa 18 Kilometer von Edinburg entfernt ist. Bereits bei seiner Geburt war Smith Halbwaise: Sein Vater, der ebenfalls Adam hieß, war sechs Monate zuvor gestorben.5

Beide Eltern stammten aus der schottischen Oberschicht und gehörten zur »minor gentry«, also zum niederen Landadel – obwohl der Name »Smith« denkbar alltäglich klingt. Die Briten haben ein überaus feines Gespür für Standesunterschiede, doch diese soziale Hierarchie wird nicht immer durch Adelstitel oder Namenszusätze ausgedrückt.

Über Smith’ Vorfahren ist wenig bekannt, aber sein Vater stamm-te offenbar aus einer einflussreichen Familie, die wichtige Verwaltungsposten innehatte.6 Auch Smith’ Vater wurde gut versorgt: Er hatte in Aberdeen und Edinburg Jura studiert und wurde dann mit 26 Jahren der Privatsekretär von Hugh Campbell, dem 3. Earl of Loudoun. Dank der Patronage seines Herrn stieg Smith schließlich zum obersten Zollbeamten in Kirkcaldy auf und dürfte kurz vor seinem Tod etwa 300 Pfund im Jahr verdient haben. Dies war damals eine stattliche Summe: Der Durchschnittslohn schottischer Arbeiter lag wahrscheinlich bei maximal 30 Pfund im Jahr.7

Dass Smith’ Vater zur Oberschicht gehörte, machten auch seine Ehen deutlich: Seine erste Frau Lilias war die älteste Tochter von Sir George Drummond of Milnab, der als Bürgermeister von Edinburg gedient und im schottischen Parlament gesessen hatte. Da Lilias früh starb, vermählte sich Smith’ Vater 1720 ein zweites Mal: Diesmal fiel seine Wahl auf Margaret Douglas, die Tochter eines begüterten Grundeigentümers und Enkelin des 3. Lord Balfour of Burleigh.

Smith’ Vater starb im Januar 1723 im Alter von 43 Jahren. Die Todesursache ist unklar, aber er ließ seine Witwe gut versorgt zurück – jedenfalls für damalige Verhältnisse. Die Liste des Nachlasses ist überliefert, und sie zeigt, dass auch die Oberschicht ärmlich lebte, wenn man heutige Standards anlegt. Selbst Kleidungsstücke waren so wertvoll, dass sie einzeln verzeichnet wurden. Smith’ Vater besaß unter anderem einen blauen Leinenmantel, einen scharlachroten Mantel, ein seidenes Nachthemd und einen weißen Leinenanzug.8

Das Geburtshaus von Adam Smith ist längst abgerissen, aber die Nachlassliste seines Vaters verzeichnet akribisch, wie es eingerichtet war. Im Esszimmer befand sich ein großer ovaler Tisch mit fünfzehn Flechtstühlen, an den Wänden hingen unter anderem Bilder der Jungfrau Maria und der Heiligen Drei Könige. Es wurde mit Silberbesteck gegessen, und auch die Schalen waren zum Teil aus Silber. Im Schlafzimmer stand ein blaues Himmelbett, und in einer Abstellkammer befanden sich die Reitutensilien von Smith’ Vater: zwei Sättel, Stiefel, Sporen, eine Flinte und ein Paar Pistolen. Wie die Waffen zeigen, war es damals kein gemütlicher Bürojob, beim Zoll zu arbeiten und den grassierenden Schmuggel zu bekämpfen.

Margaret Smith war 29 Jahre alt, als sie erst Witwe wurde und dann sechs Monate später ihren Sohn Adam gebar. Sie hat nie wieder geheiratet, sondern sich ganz auf ihr einziges Kind konzentriert. Auch für Adam war Margaret lebenslang der wichtigste Mensch: Er hat nie eine Familie gegründet und fast immer mit seiner Mutter zusammengewohnt, die fast neunzig Jahre alt wurde und nur sechs Jahre vor ihrem Sohn starb.

Diese innige Mutter-Sohn-Beziehung hat schon die Zeitgenossen irritiert, und Smith’ erster Biograph Dugald Stewart war erkennbar bemüht, sich diplomatisch auszudrücken: »Als Baby war er schwächlich und kränklich und benötigte all die zärtliche Zuwendung seines überlebenden Elternteils. Ihr wurde vorgeworfen, ihn mit grenzenloser Nachsicht zu behandeln, aber dies hatte keinen nachteiligen Einfluss auf seinen Charakter oder sein Naturell.«9

Seine ersten Schuljahre verbrachte Smith in Kirkcaldy, und ein Mitschüler gab später zu Protokoll, dass Adam schon damals Bücher liebte und ein außerordentlich gutes Gedächtnis hatte. Außerdem fielen bereits jene Eigentümlichkeiten auf, die er sein ganzes Leben behalten sollte: »Er sprach mit sich selbst, wenn allein, und war in Gesellschaft geistesabwesend.«10

Kirkcaldy hatte damals etwa 1 500 Einwohner, und Adam Smith erlebte dort die Reste des feudalen Mittelalters: Die Arbeiter in den Salzsiedereien wurden noch immer fast wie Sklaven behandelt, die als Leibeigene an ihren Arbeitsplatz gekettet waren und sich nicht frei bewegen durften. Wurde eine Salzsiederei veräußert, wurden die Arbeiter mitverkauft.11 In seinem Buch Der Wohlstand der Nationen war es Smith später ein Anliegen zu zeigen, dass Sklaverei unwirtschaftlich ist und sich Freiheit auch ökonomisch auszahlt.

Eine Eliteuniversität enttäuscht: Adam Smith langweilt sich in Oxford

Mit vierzehn Jahren immatrikulierte sich Smith an der Universität Glasgow, was früh erscheint, damals aber keineswegs ungewöhnlich war. Der schottische Philosoph David Hume begann sein Studium in Edinburg sogar schon mit zwölf Jahren.

Die Ausbildung in Glasgow war noch weitgehend traditionell. Die beiden ersten Jahre waren Latein und Griechisch gewidmet, doch da Smith diese Sprachen gut beherrschte, konnte er gleich im dritten Jahr einsteigen. Dort sah der Lehrplan täglich zwei Stunden Logik vor, außerdem Geometrie, Griechisch, Metaphysik – sowie ein Fach, das den Namen »Pneumatik« oder auch »Pneumatologie« trug.

Hinter diesem seltsamen Ausdruck verbarg sich die Lehre von der Natur Gottes und anderer geistiger Wesen. Allerdings war dieser Ansatz bei den jüngeren Professoren in Verruf geraten, und Francis Hutcheson als zuständiger Dozent beschränkte sich darauf, »ein paar einfache und fast schon offensichtliche Wahrheiten« zu vermitteln – und überließ die Pneumatologie ansonsten den Physikern, die damals noch »experimentelle Philosophen« hießen.

Der Lehrplan wurde einfach umgewidmet: Statt der »alten« Pneumatologie wurde nun eine »neue« unterrichtet; man beschäftigte sich nicht mehr mit der Natur geistiger Wesen – sondern mit den mechanischen Eigenschaften von Luft, Flüssigkeiten und Gasen. Es wurden so profane Dinge wie Druck, Dichte oder Elastizität gemessen. Dafür schaffte die Universität Glasgow Luftpumpen, Barometer, Waagen sowie »Magdeburger Halbkugeln« an, mit denen sich die Existenz der Erdatmosphäre nachweisen ließ.

Trotzdem durchlitt Smith noch genug Stunden der »alten« Pneumatologie, um sich später darüber zu beschweren, dass »die Theorie der Geister, von denen man so wenig weiß, genauso viel Raum beanspruchte wie die Theorie der Körper, über die sich so viel herausfinden lässt«.

Mit siebzehn Jahren wechselte Smith ans Balliol College in Oxford, um dort weiter Philosophie zu studieren. Er hatte ein Stipendium namens »Snell Exhibition« erhalten, das bis heute existiert und an Studenten aus Glasgow vergeben wird. Ursprünglich sollten sich die Stipendiaten auf einen Dienst in der Kirche vorbereiten, doch diese Vorschrift wurde schon zu Smith’ Zeiten nicht mehr beachtet.

Es kann sein, dass allein Smith’ Brillanz ihn für ein Snell-Stipendium empfahl. Doch genauso gut ist es möglich, dass Protektion im Spiel war: Sein Cousin William Smith war der Privatsekretär des 2. Duke of Argyll, eines der größten Landbesitzer Schottlands – und letztlich bestimmte der Duke, was sich an der Universität in Glasgow abspielte.12

Ein Snell-Stipendiat erhielt 40 Pfund im Jahr, doch reichte dies kaum für ein standesgemäßes Studentenleben. Zudem verlangte Oxford auch noch »außerordentliche und höchst extravagante Gebühren«, wie Smith in einem Brief an seinen Cousin William klagte.13 Überhaupt war das Verhältnis zwischen den schottischen Stipendiaten und dem Balliol College denkbar schlecht. Denn das College ließ gern Snell-Plätze umbesetzt, um das Stiftungsgeld für eigene Zwecke abzuzweigen. Zudem hatten die Schotten das Gefühl, dass sie unhöflich behandelt wurden und »immer die schlechtesten Zimmer« erhielten. 1744 waren die Snell-Stipendiaten so erbost, dass sie eine Beschwerde an den Senat der Universität Glasgow schickten. Doch der Master des Balliol College blieb ungerührt: Da die Schotten »einen totalen Widerwillen gegen das College« hätten, sollten sie doch besser woanders hingehen. Das Stiftungsgeld wollte Oxford natürlich behalten.

Für Smith bedeutete Oxford jedoch nicht nur einen Schock, weil die Schotten so unfreundlich behandelt wurden. Vor allem staunte der Siebzehnjährige, wie schlecht die Lehre an dieser angeblichen Eliteuniversität war. Smith hatte erst sieben Wochen am Balliol College verbracht, da schrieb er seinem Cousin William schon süffisant: »Es wäre die eigene Schuld, falls jemand seine Gesundheit in Oxford durch übermäßiges Studium gefährdet; unsere einzige Aufgabe ist, zweimal am Tag zur Andacht zu gehen, und zur Vorlesung zweimal die Woche.«

Oxford war eine reiche Universität, die bestens mit Zustiftungen und kirchlichen Zuwendungen ausgestattet war. Zudem mussten sich Oxford und Cambridge keine Sorgen machen, dass ihnen die Studenten ausgehen könnten, denn bis ins 19. Jahrhundert gab es in England nur diese beiden Universitäten. Reichtum und mangelnder Wettbewerb führten aber zu Problemen eigener Art: Oxford war zu einer Versorgungsanstalt für unverheiratete Kleriker verkommen, die ihren Lehrstuhl als Pfründe ansahen, auf dem sie gemütlich zu verweilen gedachten, bis sich anderswo eine bessere Position anbot. Smith beklagte sich später: »An der Universität Oxford hat der größte Teil der Professoren seit vielen Jahren selbst den Anschein aufgegeben, sie würden unterrichten.«

Die Dozenten sahen Oxford nur als eine Zwischenstation auf ihrem kirchlichen Karriereweg an, weil Fellows nicht heiraten durften und sich daher andere Stellen suchen mussten, wenn sie eine Familie gründen wollten. Also investierten sie wenig Zeit in ihre Lehre und Forschung. Wie es der Bibelforscher George Stanley Faber ausdrückte: Eine Stelle in Oxford sei »ein wunderbares Frühstück, ein mittelmäßiges Mittagessen und ein höchst erbärmliches Abendmahl«.14

Es ist nicht bekannt, womit sich Smith in Oxford beschäftigt hat, doch vermuten seine Biographen, dass er rund um die Uhr las – und in dieser Zeit wahrscheinlich auch die Schriften von David Hume kennenlernte. Später sollte ihn eine lebenslange Freundschaft mit dem zwölf Jahre älteren Philosophen verbinden.

Hume war einer der wichtigsten britischen Philosophen, und seine Beiträge zur Ethik und zur Erkenntnistheorie werden bis heute diskutiert. Allerdings setzte sein Ruhm nur langsam ein. Als Smith ihn in Oxford las, war Hume fast unbekannt. Zwar hatte er sein Hauptwerk Ein Traktat über die menschliche Natur (1739/40) bereits mit 27 Jahren veröffentlicht, doch zunächst interessierte sich niemand dafür. Hume schrieb später ironisch: »Als Totgeburt fiel es aus der Presse und fand nicht einmal soviel Beachtung, um wenigstens unter den Eiferern ein leises Murren zu erregen.«15

Nach nur sechs Jahren hatte Smith genug von Oxford, obwohl Snell-Stipendiaten bis zu elf Jahre bleiben durften, und kehrte 1746 nach Schottland zurück. Er war jetzt 23 Jahre alt und stand vor einem Problem, das viele Universitätsabsolventen kennen: Es hatte keine Stelle und war faktisch arbeitslos. Denn den naheliegenden Karriereweg hatte Smith ausgeschlagen; er wollte auf gar keinen Fall in den Dienst der Kirche treten. Also zog er wieder bei seiner Mutter ein – und las einfach weiter.

Zwei Jahre blieb Smith in Kirkcaldy, »ohne konkrete Zukunftspläne«, wie sein erster Biograph Dugald Stewart schreibt. Dann verschaffte ihm seine Zeit in Oxford doch noch ein Einkommen: Dank der Jahre in England hatte Smith seinen schottischen Akzent abgelegt – was auch viele andere Nachwuchstalente in Edinburg erreichen wollten. Denn 1707 hatten sich England und Schottland zum »Vereinigten Königreich« zusammengeschlossen, und im Süden eröffneten sich für Schotten neue Karrieremöglichkeiten, wenn sie sich denn verständlich machen konnten.16

Smith sollte ihnen dabei helfen, vornehmes Englisch zu sprechen: als freischaffender Vortragsredner, der über Rhetorik und Literatur philosophierte. Pro Jahr nahm er mit seinen Klassen etwa 100 Pfund ein, wie wir aus einem Brief von Hume wissen, der Smith damit neckte, dass ein gewisser John Stevenson sogar fast 150 Pfund mit seinen Auftritten verdienen würde.

Jedenfalls waren die Vorträge so lukrativ, dass Smith drei Jahre lang davon leben konnte, bis er 1751 zum Professor für Logik und Metaphysik in Glasgow berufen wurde. Ein Jahr später wechselte er auf den begehrten Lehrstuhl für Moralphilosophie. Jetzt verdiente er bis zu 300 Pfund pro Jahr, so dass er es sich leisten konnte, seine Mutter und seine Cousine Janet Douglas nach Glasgow zu holen, die ihm den Haushalt führten – und nebenher auch die Studenten versorgten, die gegen eine recht hohe Miete bei Smith wohnen durften.

Überhaupt waren die Studenten Smith’ wichtigste Einnahmequelle: Er bekam zwar auch ein Gehalt, lebte aber vor allem von den Gebühren, die die Studenten für seine Vorlesungen zu entrichten hatten. Smith war außerordentlich beliebt, wie später ausgerechnet wurde. 1759 hatte er eine öffentliche Klasse mit etwa achtzig bis neunzig Studenten sowie eine private Klasse mit weiteren zwanzig Studenten – obwohl an der Universität Glasgow überhaupt nur 300 Studenten eingeschrieben waren. Angeblich gab es in den örtlichen Buchläden sogar Gipsbüsten von Smith zu kaufen, die sich die Studenten in ihre Zimmer stellten.

Smith war kein brillanter Redner, aber dennoch hörten ihm die Studenten gern zu, denn seine Leidenschaft steckte an. Zudem gab er sich große Mühe, seine Vorlesungen interessant und nachvollziehbar aufzubauen. Erst legte er die Thesen dar, die er beweisen wollte, und dann illustrierte er sie mit vielen Beispielen aus dem Alltag. Smith hatte einen Sinn fürs Amüsante, fürs Paradox und scheute sich nicht, die Mächtigen zu kritisieren. Sein Publikum sollte nicht nur belehrt, sondern auch gut unterhalten werden. Genau diese rhetorischen Prinzipien prägten später sein Buch Der Wohlstand der Nationen, das auch deswegen zu einem Klassiker der Ökonomie geworden ist, weil es das reale Leben widerspiegelt.

Zunächst jedoch erschien 1759 sein Buch Theorie der ethischen Gefühle, das für Smith den Durchbruch bedeutete. Die erste Auflage war sofort vergriffen, was auch Hume zu verdanken war, der kräftig Werbung machte und das Buch allen Bekannten schickte, die Einfluss hatten. Hume war in London, als das Werk herauskam, und die Reaktionen der High Society schildert er in einem amüsanten Brief an Smith: »Ihr Buch ist zu bedauern, denn das Publikum scheint höchst geneigt zu sein, es zu beklatschen.« Sogar drei Bischöfe hätten es gekauft und sich nach dem Autor erkundigt. Auch der Duke of Argyll sei ungewöhnlich angetan, was wohl nur bedeuten könne, »dass er es entweder exotisch findet oder glaubt, der Autor könnte bei der Wahl in Glasgow hilfreich sein«.

In Humes Briefen wird deutlich, dass er gern noch enger mit Smith befreundet gewesen wäre. Doch Smith zierte sich. Er war schreibfaul, verfasste Briefe nur, wenn es sein musste, und verließ ungern sein Arbeitszimmer. Obwohl er Hume schätzte und bewunderte, wollte er noch lieber in Ruhe gelassen werden.

In Smith’ Theorie der ethischen Gefühle zeigte sich bereits, dass er die Wirklichkeit verstehen wollte. Er war kein Philosoph, der ein moralisches System abstrakt herleiten wollte, sondern ihn interessierte, wie ethisches Handeln in der Praxis funktioniert. Smith’ Buch kreiste um ein Paradox, das jeder aus dem eigenen Leben kennt: Menschen handeln oft egoistisch, aber gleichzeitig ist ihnen wichtig, dass es ihrer Umwelt gutgeht. Sie freuen sich, wenn andere glücklich sind – und leiden, wenn sie davon hören, dass jemand gefoltert wird. Der Mensch ist fähig zur »Sympathie«, wie Smith es nannte. Er meinte damit, dass Menschen moralisch empfinden, weil sie sich in andere hineinversetzen können. Mit dieser Erklärung lag Smith genau richtig, wie sich herausgestellt hat: In den 1990er Jahren wurden im menschlichen Gehirn die Spiegelneuronen entdeckt.17

Wirtschaft in Glasgow: Monopole und Sklavenhandel

Nachdem Smith seine Sicht auf die Moral dargelegt hatte, begann er mit seinem zweiten großen Projekt: die Wirtschaft zu erklären. Zwar ist Wohlstand der Nationen erst 1776 erschienen, doch hatte sich Smith schon früh mit ökonomischen Fragen beschäftigt. Bereits 1752 hielt er in einem Glasgower Club namens »Literarische Gesellschaft« einen Vortrag, der sich mit Humes Essay über den Handel befasste. Smith gehörte zudem dem »Politischen Ökonomie Club« an, wo sich die mächtigen Kaufleute der Stadt trafen.

Glasgow lebte vor allem vom Tabakimport. Aber es gab auch Zuckerraffinerien und Rumdestillerien; es wurden Leinenstoffe, Seife und Taue produziert. Mit klassischer Marktwirtschaft hatte diese Betriebsamkeit nichts zu tun, wie Smith vor Ort beobachten konnte. Im Gegenteil: Durch geschickte Heiratspolitik hatten sich die großen Handelshäuser in mächtige Syndikate verwandelt, die den gesamten Import kontrollierten. Die drei größten Syndikate teilten sich die Hälfte aller Tabakeinfuhren. Smith konnte daher nie naiv glauben, dass der Markt allein es richten werde. Er wusste genau, dass Geschäftsleute am liebsten Monopole bilden – und hat sich im Wohlstand der Nationen wiederholt darüber lustig gemacht.

Auch auf ein anderes Thema stieß Smith wahrscheinlich schon in Glasgow: Wie hängen Sklaverei und Wohlstand zusammen? Die schottischen Kaufleute waren zwar nicht direkt am Sklavenhandel beteiligt; viele profitierten aber indirekt, indem sie Anteile an Sklavenschiffen besaßen, die in Liverpool registriert waren. Zudem beruhte ihr ganzes Geschäftsmodell auf der Zwangsarbeit: Glasgow wurde durch Tabak reich, der in Virginia von etwa 300 000 Sklaven angebaut wurde.

Smith war jedoch nicht nur ein genauer Beobachter des Wirtschaftslebens, sondern hatte auch im Alltag mit Wirtschaftsfragen zu tun. Obwohl er gern als geistesabwesend porträtiert und karikiert wurde,18 war Smith administrativ begabt, wie seine Kollegen an der Universität Glasgow bald erkannten. Sie beauftragten ihn mit heiklen diplomatischen Missionen und schickten ihn in die Verwaltungsgremien. Unter anderem verhandelte Smith über Stiftungsgelder für die Universität, verbesserte die Buchführung, ließ das Rektoratsgebäude und die Anatomie renovieren, bestellte ein neues Chemielabor und kaufte eine Ausgabe von Diderots Encyclopédie, die erstmals das gesamte damals vorhandene Wissen katalogisierte.

Eher zufällig nahm Smith auch an einer Entwicklung teil, die die Welt verändern sollte: Er musste eine Werkstatt für James Watt beschaffen, der damals 21 Jahre alt war und die wissenschaftlichen Geräte der Universität Glasgow warten sollte. In diesem Labor hat Watt dann mit seinen Versuchen begonnen, die Dampfkraft zu optimieren, ohne die die industrielle Revolution nicht möglich gewesen wäre.

Gefördert und teils finanziert wurde Watt von dem Chemiker Joseph Black, der zu den engsten Freunden von Adam Smith gehörte.19 Doch trotz dieser intensiven Kontakte hat Smith nicht erkannt, wie bedeutend die Technik für das Wirtschaftswachstum war. Smith hat den Beginn der industriellen Revolution miterlebt – aber in seinen Texten kommt sie nicht vor. Maschinen spielen bei ihm kaum eine Rolle; stattdessen konzentriert er sich vor allem auf die Arbeitsteilung.

Ökonomen und Biographen würden gern nachvollziehen, wann Smith welche Gedanken kamen und wie sein Meisterwerk entstand. Doch gibt es kaum Mitschriften seiner Vorlesungen. Smith fürchtete, dass man ihm seine guten Ideen klauen könnte, und wehrte sich dagegen, dass Studenten Notizen machten. In einem Nachruf hieß es: »Der Doktor wachte im allgemeinen extrem eifersüchtig über den Inhalt seiner Vorlesungen … und war besorgt, dass sie transkribiert und veröffentlicht werden könnten. Er wiederholte oft, wenn er jemanden Notizen machen sah, dass ›er Kritzler hasse‹.«

Einige Studenten haben sich trotzdem nicht abschrecken lassen, Notizen anzufertigen, denn 1895 sowie 1958 wurde jeweils eine Mitschrift gefunden, die Smith’ Vorlesungen aus den Jahren 1762 und 1763 wiedergeben. Obwohl diese Unterlagen unvollständig sind, zeigen sie doch, dass Smith bereits in Glasgow zentrale Gedanken ausgearbeitet hatte, die später seinen Wohlstand der Nationen durchziehen würden. Am Ende der Vorlesungen provozierte Smith die Studenten mit einer Frage, die Ökonomen bis heute beschäftigt: Warum hat das Wirtschaftswachstum so spät eingesetzt? Warum erst im England des 18. Jahrhunderts – und nicht schon bei den antiken Römern?

In Glasgow kam Smith nicht mehr dazu, eine Antwort zu liefern, denn seine Karriere als Professor endete 1764 abrupt. Smith’ Theorie der ethischen Gefühle hatte auch einen mächtigen Politiker beeindruckt, Charles Townshend, der zudem Stiefvater und Vormund des jungen Duke of Buccleuch war. Der achtzehnjährige Herzog war einer der reichsten Grundherren Schottlands und verfügte auch über gewaltige Besitzungen in England. Um seine Bildung abzurunden, sollte er den europäischen Kontinent bereisen, und Townshend setzte nun alles daran, Smith als Begleiter für seinen Stiefsohn zu gewinnen. Damit der Philosoph gar nicht erst in Versuchung geriet abzulehnen, wurde er mit einem exorbitanten Gehalt gelockt: Als Tutor sollte er 500 Pfund pro Jahr erhalten – und anschließend lebenslang 300 Pfund pro Jahr. Smith würde also nie wieder arbeiten müssen und könnte sich fortan ganz seinen Studien widmen. Er sagte sofort zu.

Es war damals üblich, dass Söhne aus gutem Hause auf eine »Grand Tour« gingen, die sie mehrere Jahre durch Europa führte. Stationen wie Venedig, Rom und Neapel waren eigentlich ein Muss, aber Townshend hatte seine eigenen Vorstellungen von der Grand Tour des Stiefsohns: Er sollte sich vor allem in Frankreich aufhalten.

Denn Townshend trieb ein Rätsel um, das die Historiker noch immer interessiert: Wie konnte es sein, dass Frankreich sämtliche Kriege gegen Großbritannien verlor? Warum wurde die größte Nation Europas ständig geschlagen? Die Schwäche Frankreichs war besonders seltsam, weil es damals etwa 21 Millionen Einwohner zählte – während es nur etwa 7 Millionen Briten gab.

Seit 1689 hatten Frankreich und Großbritannien fast permanent Krieg gegeneinander geführt, und erst 1763 war der sogenannte Siebenjährige Krieg zu Ende gegangen, in den ganz Europa verwickelt gewesen war. Deutsche wissen von diesem Krieg vor allem, dass es dem preußischen König Friedrich II. endgültig gelang, Schlesien zu annektieren, das lange zu Österreich gehört hatte. Aber zugleich war der Siebenjährige Krieg auch der erste echte Weltkrieg, der auf fast allen Kontinenten ausgetragen wurde und die Kolonialreiche neu ordnete. Frankreich verlor die meisten seiner Besitzungen in Indien und in Nordamerika an die siegreichen Briten, die damit zur unangefochtenen Weltmacht aufstiegen.

Townshend war überzeugt, dass man die Schwäche Frankreichs verstehen musste, wenn man analysieren wollte, was militärische Macht begründet. In einem Brief schärfte er seinem Stiefsohn und Smith ein, was die beiden in Frankreich erforschen sollten: Warum »diese heimtückische & riesige Monarchie, so gewaltig in ihren Ausmaßen … berühmt für ihre Waffen, gefürchtet wegen ihrer Marine und mit florierender Wirtschaft … sich durch irgendeinen geheimen Defekt in ihrer Konstitution als die unfähigste Macht zu Land und zu See erwiesen hat, die die modernen Zeiten hervorgebracht haben«.

Es wurde sogleich zum Stadtgespräch in Edinburg, dass Smith den jungen Herzog nach Frankreich begleiten sollte. Der Historiker David Dalrymple schrieb spöttisch an den Schriftsteller Horace Walpole: »Ich fürchte, dass Mr. Charles Townshend aus einem sehr fähigen Ethikprofessor einen sehr mittelmäßigen Reisebegleiter macht. Mr. Smith hat zwar umfassendes Wissen … aber er ist linkisch und hat so wenig Sprachtalent, dass er niemals lernen wird, sich verständlich auf Französisch auszudrücken.« Diese Skepsis war unberechtigt. Es ist zwar unklar, wie gut Smith’ Sprachkenntnisse waren – aber sie reichten aus, um auch sehr komplizierte ökonomische Zusammenhänge auf Französisch zu verstehen.

Begegnung mit der Konkurrenz: die Physiokraten

Im Frühjahr 1764 trafen Adam Smith und der junge Herzog in Paris ein, wo sie von David Hume begeistert empfangen wurden, der dort als Sekretär des britischen Botschafters weilte. Doch die beiden durften nicht bleiben, sondern reisten nach nur zehn Tagen nach Toulouse ab, weil Townshend offenbar fürchtete, dass sich sein Stiefsohn von den Attraktionen in Paris allzu leicht würde ablenken lassen.

Achtzehn Monate verbrachten Smith und der junge Herzog in Toulouse, das damals zwar die zweitgrößte Stadt Frankreichs war, aber trotzdem ziemlich verschlafen. Smith langweilte sich und teilte Hume im Juli 1764 mit: »Ich habe angefangen, ein Buch zu schreiben, um mir die Zeit zu vertreiben.« Seither fragen sich die Smith-Exegeten, ob mit diesem Buch wohl Der Wohlstand der Nationen gemeint war. Sicher ist dies nicht. Es kann genauso gut sein, dass Smith damals ein anderes Werk begonnen hat, das unvollendet blieb und das er kurz vor seinem Tod vernichten ließ.20

Erst im Herbst 1765 durften Smith und sein Zögling Toulouse verlassen und trafen Weihnachten in Paris ein, um diesmal neun Monate zu bleiben.21 Hume war zwar schon nach England abgereist, hatte aber Empfehlungsschreiben für alle wichtigen Salons hinterlassen. Smith gab sich größte Mühe, sein Äußeres an die Ansprüche der eleganten Pariser anzupassen, und schaffte gleich mehrere Gehröcke an. Trotzdem war der erste Eindruck nicht unbedingt einnehmend. Die Schauspielerin und Autorin Marie-Jeanne Riccoboni beschrieb ihn als »hässlich wie der Teufel« wegen seiner großen Zähne und der rauen Stimme.

In den Pariser Salons lernte Smith auch eine Gruppe Intellektueller kennen, die sich selbst die »Économistes« nannten, also die »Ökonomen«. Diese Begegnung war für ihn ein Schlüsselerlebnis, und er würde sie später als die »intelligentesten Männer Frankreichs« bezeichnen. Die Économistes gruppierten sich um den königlichen Hofarzt François Quesnay, der 1758 sein Tableau économique veröffentlicht hatte, das das allererste Kreislaufmodell einer Volkswirtschaft darstellte. Der Gedanke war eigentlich schlicht und trotzdem revolutionär: Die Ausgaben des einen sind die Einnahmen eines anderen. In einer Volkswirtschaft hängt jeder Sektor mit jedem anderen Sektor zusammen. In diesen Kreislauf sollte der Staat möglichst wenig eingreifen: »Laissez faire et laissez passer« wurde zum Wahlspruch der Économistes.

Als Smith 1766 die französischen Ökonomen traf, arbeiteten sie gerade die theoretischen und politischen Weiterungen von Quesnays Modell aus. Es kam zu einer einzigartigen Konstellation: Smith war vor Ort dabei, als die einzige andere große Wirtschaftstheorie entworfen wurde, die zu seiner Zeit entstand und mit seinem Modell konkurrierte.

Quesnay wurde von der gleichen Frage umgetrieben, die auch Townshend beschäftigte: Warum war der französische Staat ökonomisch so schwach? Die Antwort des Hofarztes lautete, dass die überkommene Feudalstruktur die Landbevölkerung ausbeutete und verarmen ließ. Quesnay prägte den berühmten Spruch »Pauvres paysans, pauvre royaume; pauvre royaume, pauvre roi« (Arme Bauern, armes Königreich; armes Königreich, armer König).

Diese Analyse wird bis heute von Historikern geteilt, allerdings zog Quesnay daraus theoretische Umkehrschlüsse, die allzu radikal waren. Er postulierte, dass nur die Natur Werte schaffe und dass allein die Landwirtschaft einen Staat reich machen könne. Handwerker und Manufakturen hingegen würden nichts zum gesellschaftlichen Wohlstand beitragen; Kaufleute und Gewerbetreibende seien eine »sterile Klasse«. Um die allumfassende Bedeutung der Landwirtschaft auszudrücken, wurde diese Theorie auch »Physiokratie« genannt, was vom Griechischen abgeleitet »Herrschaft der Natur« bedeutet.

Smith hielt es für einen »verhängnisvollen Irrtum«, dass Handel und Gewerbe angeblich keine Werte produzieren sollten, und nannte Quesnay »einen spekulierenden Arzt«. Mit typischer Süffisanz schrieb Smith, dass die Irrlehre zum Glück »nirgendwo Schaden anrichten« würde, denn auf der ganzen Welt sei kein einziges Wirtschaftssystem bekannt, das allein auf der Landwirtschaft beruhe. Diese Idee würde nur in den Gedanken »einiger Männer mit großer Bildung und großem Scharfsinn in Frankreich« herumspuken. Smith war überzeugt, dass Handel und Gewerbe sehr wohl Werte schaffen – weil der Wohlstand durch Arbeit entstehe, nicht durch die Gaben der Natur. Trotz dieser inhaltlichen Differenzen hat Smith Quesnay sehr geschätzt. Ihm hätte er sogar sein Buch Der Wohlstand der Nationen gewidmet, wenn der Franzose nicht schon vor dessen Erscheinen gestorben wäre.22

Im Herbst 1766 endete die Bildungsreise des Herzogs abrupt, die eigentlich noch nach Deutschland hätte führen sollen. Denn im Oktober erkrankte sein jüngerer Bruder Campbell Scott, der ihn fast auf der gesamten Reise begleitet hatte, und selbst der Hofarzt der französischen Königin konnte ihn nicht retten. Scott starb an einer Fieberattacke, so dass sich Smith und Buccleuch mit einer Leiche im Gepäck auf den Heimweg machen mussten.

Das Werk eines Pensionärs: Der Wohlstand der Nationen

Da Smith nun mit einer lebenslangen Pension ausgestattet war, kehrte er in seinen Geburtsort Kirkcaldy zurück, richtete sich dort mit Mutter und Cousine ein – und blieb bis 1773 in der kleinen Provinzstadt, um den Wohlstand der Nationen zu schreiben. Aus Frankreich hatte er vier große Kisten Bücher vorausgeschickt, die ihm so wertvoll waren, dass er 200 Pfund für die Versicherung ausgab – also fast ein Jahresgehalt.

Die Arbeit an dem neuen Buch war ein langsamer, mühevoller Prozess, aber Smith schien die selbst gewählte Isolation nicht zu stören. An Hume schrieb er: »Mein Zeitvertreib sind lange, einsame Spaziergänge am Strand. … Ich fühle mich sehr glücklich, behaglich und zufrieden. Ich war es, vielleicht, noch nie so sehr in meinem ganzen Leben.«

Obwohl das Buch 1773 eigentlich fertig war, feilte Smith noch drei weitere Jahre an dem Text herum. Es ist ihm lebenslang schwergefallen, Werke abzuschließen und abzugeben, aber diesmal hatte er einen besonders guten Grund: Die amerikanische Revolution kündigte sich an, die in der Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli 1776 kulminierte.

Die Ereignisse in Nordamerika wollte Smith noch unbedingt in sein Buch einarbeiten, lieferten ihm die britischen Kolonien doch das beste Beispiel dafür, wie sich eine Gesellschaft entwickelt, die den Feudalismus gar nicht erst kennengelernt hat – sondern gleich ins kapitalistische Zeitalter gestartet ist. Um die politischen Ereignisse besser verfolgen zu können, verließ Smith sogar die Einsamkeit in Kirkcaldy und zog nach London, um dort sein Buch zu beenden.

Am 9. März 1776 erschien das Werk endlich. Bis heute hält sich das Gerücht, das Buch habe zunächst nur wenig Beachtung gefunden.23 Doch tatsächlich war die erste Auflage sofort ausverkauft und auch ökonomisch ein Erfolg: Am Ende des Jahres konnte Smith Tantiemen in Höhe von 300 Pfund kassieren.

Hume lag schon im Sterben, als Smith’ Buch erschien, das er mit Ungeduld erwartet hatte. Er las es sofort und schrieb Smith am 1. April 1776 einen Brief, der die Stärken und gelegentlichen Schwächen des Werks prägnant zusammenfasst: »Lieber Mr. Smith, ich bin sehr zufrieden mit Ihrer Leistung, und die Durchsicht hat mich von einem Zustand großer Sorge erlöst. Das Werk wurde von so vielen Erwartungen begleitet, von Ihren eigenen, denen Ihrer Freunde und denen der Öffentlichkeit, dass mir vor seinem Erscheinen bange war, aber nun bin ich sehr erleichtert. Allerdings erfordert die Lektüre notwendigerweise sehr viel Aufmerksamkeit, und die Öffentlichkeit ist geneigt, nur so wenig davon zu geben, dass ich bis auf weiteres bezweifle, dass es zunächst sehr populär sein wird. Aber es hat Tiefe und Solidität und Scharfsinn, und wird durch so viele bemerkenswerte Fakten illustriert, dass es schließlich die öffentliche Aufmerksamkeit erlangen muss. … Wenn Sie hier neben meinem Kamin säßen, würde ich einige Ihrer Thesen bestreiten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Pacht für die Felder einen Teil des Preises für landwirtschaftliche Produkte ausmacht, sondern dass der Preis nur durch das Angebot und die Nachfrage bestimmt wird … Aber diese und hunderte anderer Punkte lassen sich nur in einem Gespräch diskutieren; und ich schmeichle mir, bis Sie mir das Gegenteil mitteilen, dass dies bald sein wird. Ich hoffe, es ist bald: Ich bin in einem sehr schlechten Gesundheitszustand und kann mir einen langen Aufschub nicht leisten.« Im August 1776 starb Hume, wahrscheinlich an Darmkrebs.