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Beschreibung

Schlagfertigkeit, Humor und selbst die Beleidigung sind ein Kulturgut. Sie gehören auf den Straßen New York Citys, wo sich Autofahrer grässlicher Beschimpfen als neapolitanische Kanaltaucher, ebenso wie ins Russische, dass mit einer parallelen Beleidigungssprache glänzt, bis in die Hauptstadt der Arschlöcher: Berlin. Dort wird jeder zart besaitete Bundesausländer, der das Glück hat beim ersten Brötchenkauf Panikattacken in einer noch nicht servicenivellierten Bäckerei zu landen, Panikattacken bekommen. Bestimmte Kapitulateure sind auf der Alb besser aufgehoben, oder im Prenzlauer Berg.

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Kristjan Knall

Keine Gnade

Von Schlagfertigkeit bis Vernichtung

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Auf in den Kampf

 

 

Die Welt wird besser, aber das nützt uns nichts, denn wir werden schlechter. Wieso die Welt besser wird? Nichts von Corona, hungernden Kindern in Whocareistan gehört, oder der klaffenden Schwere zwischen arm und reich? Gegenfrage: Weist du, der Unterschied, zwischen einem Schrapnell und einer Statistik ist? Global verhungern weniger Menschen, es sind weniger Menschen arm, ja, es sterben weniger Menschen im Krieg, es gibt weniger Teenagerschwangerschaften und das traditionelle Fernstehen stirbt - endlich. Die Schere leisten wir uns im Luxus Raubtierkapitalismus, aber das könnte Marx Frau Johanna Bertha Julie Jenny Marx besser erklären. Das Einzige, was konsequent nicht aufhört, sind Selbstmorde. In dem deutschesten aller Deutschländer suizidieren sich drei mal mehr Zivillisten als an Verkehrsunfällen sterben, und anderthalb mal so viele wie an Unfällen generell. Weltweit sind es 80000 Menschen im Jahr, so viel wie in Essen, Darmstadt und 113 mal Kotzen (Brandenburg, wo sonst?) zusammen. Wir sterben an einer besser werdenden Welt. Wieso?

 

Aus dem gleichen Grund, wieso du, um einen großen Philosophen unserer Zeit, Kin Kool Savas, zu zitieren, zu weinen anfängst. Wieso du dich violett ärgerst. Und mit dir Millionen von Kollateralschäden in spe, die das nie gelernt haben, was in der schlechten alten Zeit der krasse Standard war: Schlagfertigkeit. Sein nützlicher Bruder Humor. Und die finstere, päderastische Stiefschwester der Rhetorik: die Beleidigung.

 

Weinen ist Trend. Gefühlen sind Argumente. „Safe-Spaces“ die Abschottung von allem unpässlichen, Dauerurlaubsorte. Entwicklung wird als „Cultural Appropriation“ gescholten. Die von rechten vorgeworfene und missbrauchte „Cancel Culture“ wird hoffähig. Wir trauen uns nicht mehr an unseren Gegner heran. „Wir kennen Sie nicht, wir wollen Sie nicht kennen, denn sie sind der Feind“, sagte der schnuckelige Edward Norton als sehr unschnuckeliger Neonazi Derek in American History X. Was aber, wenn wir von unseren Feinden lernen können? Wenn der Feind am Ende kein Feind ist, sondern nur eine beleidigte vegane Leberwurst? Höflichkeit ist besser, aber manchmal hilft sie nicht. Wenn dir ein SUV den kleinen Zeh planiert, wenn gefühlt starke Männer Frauen erniedrigen, wenn der latent homosexuelle Neonazi deinen Freund „Negerkuss“ schimpft. Wenn es ein „wir“ gibt, ist es hilflos. Ein Haufen Heulsusen. Wir sind dekadent, im schlechtesten Sinn. Wir verwechseln Beleidigung mit Atavismus. Dabei ist sie Zivilisation. Wie die französische Revolution.

 

Wir kommentieren die Welt auf Twitter, als würde sie das ändern. Die Bundesregierung ignoriert in stupider Regelmäßigkeit Petitionen mit Millionen von Unterschriften des unwerten Fußvolks. Wenn wir schreien, dann ins Leere, zeitversetzt, impotent. So funktioniert Kommunikation nicht immer. Kommunikation ist keine Simulation, keine Komfortzone. Kommunikation ist Krieg. Der Rennfahrer Ayrton Senna sagte: der zweite ist der Erste Verlierer. Dann fuhr er sich tot. Es gibt keinen ersten und zweiten Gewinner, kein win-win, nicht immer singen alle im Nachhinein Kumbaya. Manchmal gibt es Täter und Opfer. Letztere werden mehr, deswegen haben erstere leichteres Spiel. Bis wieder ein zu kurz gekommener mit albernem Bart in die Welt durchmarschiert. Winston Churchill sagte: „Besser einander beschimpfen als einander beschießen.“

 

„Wollen wir denn auch noch Weltmeister im Jammern werden?“, fragte Ex-Kanzler und lebende Shisha Helmut Schmidt. Es gibt einen fundamentalen unterschied zwischen Schlagfertigkeit und Selbsthilfe. Leider sind 99% der Schlagfertigkeitsbücher letzteres. Hast du jemals einen Schlagfertigen getroffen, der seine Fähigkeit aus Büchern hatte? Bist du ein gefühltes armes Schwein, wird dir Schlagfertigkeitslektüre nicht helfen. Musst du dir jeden Morgen am Spiegel sagen, wie viel du dir wert bist, schlag ihn lieber ein. Das hier ist was anderes. Das hier sind nicht nur die wenigen Techniken, die funktionieren, sondern eine Anleitung, wie du Selbsthilfebullshit vermeidest. Hast du eine Agenda, ein Ziel, stehen dir nur die Details (Menschen) dir im Weg? Bist du bereit einige zu verprellen? Bist du bereit gnadenlos Klartext zu reden? Dann bist du hier richtig. Schlagfertigkeit gibt es nicht umsonst.

 

Schlagfertigkeit, Humor und selbst die Beleidigung sind ein Kulturgut. Sie gehören auf den Straßen New York Citys, wo sich Autofahrer grässlicher Beschimpfen als neapolitanische Kanaltaucher, ebenso wie ins Russische, dass mit einer parallelen Beleidigungssprache glänzt, bis in die Hauptstadt der Arschlöcher: Berlin. Dort wird jeder zart besaitete Bundesausländer, der das Glück hat beim ersten Brötchenkauf Panikattacken in einer noch nicht servicenivellierten Bäckerei zu landen, Panikattacken bekommen. Bestimmte Kapitulateure sind auf der Alb besser aufgehoben, oder im Prenzlauer Berg.

 

Bei pathologisch positivem Christian-Linder-Geschwäsch wird dir schlecht? Du willst nicht wissen, wie toll dieser und jeder Guru ist, in welchem Sternchen-Hotel er absteigt, wie viel seine Seminare kosten? Du brauchst keine Komplimente, kein Mantra , keine Rechtfertigungen? Wilkommen. Das hier ist kein Allheilmittel. Du wirst danach nicht tausend Freunde haben, nicht mal auf Facebook. Es wird dich nicht zum Millionär werden lassen. All die Versprechen in der Schlagfertigkeits-Selbsthilfeliteratur klauen dir nur Zeit. Wenn du Motivation und Lügen brauchst geh in die Kirche. Aber wenigstens wird es dich nicht langweilen. Kein grauen Kästen, in denen Regeln und Übungen zusammen gefasst sind. Mach dir nichts vor: du bist so faul wie ich. Du liest, um zu lachen. Die Forschung sagt: So bleiben Fakten in Erinnerung. Dazu werden alle Schlagfertigkeitsgurus verbal vermöbelt, denn negatives bleibt besser im Kopf als Positives. Du bist kein Arschloch, die Evolution, die dich vor dem Selbstzahntieger retten will, ist Schuld. Das einzige was wirkt: Lernen durch Lachen und Hass.

 

Komm auf die dunkle Seite der Rhetorik. Ohne Joker ist Batman nur ein Verrückter in Unterwäsche. Richte maximale Verheerung bei denen an, die es verdient haben. Vielleicht werden sie sogar besser. Vielleicht forderst du die Macht heraus, vielleicht rettest du die Demokratie, köpfst den König, vielleicht setzt man dir ein Denkmal im B-Tarif. Falls nicht, hast du deine Feinde wenigstens aus der Visage.

 

Deutschdisclaimer

Die Recherche zu Schlagfertigkeit ist entweder die Hölle, oder man muss, wie bestimmte Schundautoren, Realsatirefetischist sein. Aus unerfindlichen Gründen ist das Genre verseucht von manisch kichernden Rheinländern, die weder schlagfertig, noch lustig sind. Die nur knapp als Mensch qualifizieren. Ein Soldat aus der Eifel findet in den USA läuft alles besser. Stimmt, aber nur aus Kopfwunden von Schwarzen. Ein Podcast eines „Personal Trainers“, „Rhetorik und Life Coaches“, wahrscheinlich im Hauptjob „Facility Managers“, aber eigentlich nur absoluten Vollidioten, verschwendet Lebenszeit. „Wir haben schon 70 Teilnehmer! Tolle Stadt, tolles Publikum!“, „Nur hier exklusiv...“, „Euch verkauft ihr immer!“ Nach gefühlt stundenlanger Eigenwerbung im für das Genre typischen „Yeah, was kostet die Welt, vergoldet?!“- Ton preist er seine Schlagfertigkeit. Es muss auf einem Kongress mit einem Vortrag die Zuhörer quälen. El Chefe ist dünnervig wie ein Frettchen auf Koks:

 

El Chefe: „Wir haben nicht viel Zeit, können Sie den Vortrag auf eine halbe Stunde kürzen“?

 

Vollidiot: „Ich antworte, schlagfertig: ‚Natürlich, Chef!`“

 

Techniker, fünf Minuten vor der Präsentation: „Oh nein, etwas noch nie dagewesenes ist passiert, die Technik streikt!“

 

El Chefe [zitternd, hin und her rennend, mit den schwarzen Kopfaugen manisch blinzelnd]: „Oh nein, was tun wir jetzt! Schaffen sie es trotzdem?“

 

Vollidiot: „Ich antworte, schlagfertig: ‚Natürlich, Chef`“

 

Das ist keine Schlagfertigkeit. Das ist nicht mal Humor. Das ist höchstens eine Beleidigung, an den Intellekt eines jeden Nichtdeutschen (Schweizer ausgenommen). Das ist Kadavergehorsam für das Bruttoasozialrodukt. Let`s face it: „Diskussionen in Deutschland, gleichgültig ob in den Medien im Bundestag oder am Arbeitsplatz, sind von einer solch erschütternder Nüchternheit, das viele jener Dichter und Denker, auf denen unserer kultureller Nationalstolz fußt, uns als Volk von Memmen, Weicheiern und Warnduschern bezeichnen würden.“i Das stellt der Hans Raeth in seinem leider grässlich gesteltztem „Die Kunst der Beleidigung“ fest. Das dauerhafte Runterschlucken lässt das Leben zum Witz verkommen: Neulich wollte ich meine Freundin am Frühstücktisch fragen, ob sie mir das das eiterige Kuheutersekret und das zerhechselte Schwein im eigenen Arsch und rüber reichen könne, doch sagte statt dessen: „Du Miststück hast mein Leben versaut!“ Wer nicht redet, muss sich suizidieren.

 

Deutschland ist ein Land, das seinen Kindern Märchen erzählt, in denen zwei Kinder zum Sterben im Wald alleine gelassen, fast gekocht und gegessen werden, und eine alte Frau ermorden. Doch wir uns kaum, das Wort „Beleidigung“ auszusprechen. Es heißt bei uns verklemmt „Ausdruck“. Zugleich ein freudianischer: was wir ablassen wollen, ist der Druck. Der Deutsche hat den Stock der ihn schlägt verschluckt. „Wir“ waren besser. Als Michel de Montaigne im 16. Jahrhundert Deutschland bereiste, sagte er, die Deutschen, wären zu emotional, um etwas zu vollbringen, schon gar keinen einheitlichen Staat. Was sie konnten, war dichten, witzeln, und schlagfertig sein. Es ist kein Zufall, dass die großen Rhetoriker wie Büchner, Heine, oder Tucholsky aus einen Land vor unserer Zeit der Digitalverblödung kamen. Und dass kein einziger Blinder je an Schizophrenie litt: wer sich nicht ablenken lässt, fokussiert sich. Man höre sich nur diese altmodischen, verzweifelt auf ein Comeback wartenden Beleidigungen an: Allmachtsdackel, Grützwurst, Miststück, oder, einer von Nietzsches Lieblingen: Hundsfott. Natürlich ist heute nicht alles schlecht. Das Internet segnet uns mit Alphakevins, Chabos und Covidioten. Wer früher neckische Poesie schreib, hip-hoppt heute. Nirgends kämpft Schlagfertigkeit besser im „Battle-Rap“, hier K.I.Z.: „Ich hab Ghetto-Abitur, guck auf das Armutszeugnis!“ Doch die diffuse Angst-Faszination der Mittel- und Oberschichten vor dem unkontrolliert-kranken globalen, aber ethnisiertem Subproletariat lässt uns das nicht goutieren. Wer sich dafür zu schade ist, aber frühe toskanische Dichtung abfeiert, gehört von Rapunzel in den Elfenbeinturm am unhippen Ende von Mordor gesperrt.

 

„Comeback“ ist das Englische Wort für Schlagfertigkeit. Nicht ganz, ihr Pedanten, es ist das Wort für die schlagfertige Erwiderung. Für den Engländer ist es keine Theorie, sondern eine Praxis. Eine, die über das größte jemals implodierte Imperium hinwegtröstet, über Wetter mieser als auf dem Saturn, über Essen das in jedem anderen Land als Sondermüll entsorgt werden müsste. Im Castor.

 

„Die deutsche Sprache ist eine der schönsten und ausdrucksvollsten aller Sprachen - wenn man sich ihrer Kraft bedient!“, schrie Klaus Kinski. Doch wir trauen uns nicht. Wer Englisch spricht, dem fällt, wenn er nicht flobotomiert ist, auf, dass man Tonnen mehr flucht. Englisch flutscht besser vom Gaumen. Frau ist schneller, schlagfertiger, lustiger. Vielleicht ist Englisch nicht so präzise, aber dafür haben wir Computer, Panzer, oder Deutsch. Auch die Rumänen brillieren mit „dute in pizda mati“: „Geh zurück in die Fotze deiner Mutter“, oder abstrusem wie: "Da Bog da ti zena rodila stonogu pa ceo zivot radio za cipele": möge deine Frau einen Tausendfüßler gebären, damit du lebenslang für Schuhe arbeiten musst. Die VICE, Spezialisten für die Überscheidungsmenge zwischen Unsinnigem und dem Bösen, wählten einen serbischen Ausdruck zum härtesten Europas. Das Land mit den ältesten Kriegsgesängen weiß, wie man standesgemäß flucht. „Mögest du deiner Kinder mit dem Geigerzähler suchen“, ist bei Ihnen nur Vorspiel. Zarte Seelen lesen bitte in nächsten Absatz weiter und geben ihren Lebensberechtigungsschein bei dem Herren mit der Axt ab: „Ich ficke die erste Reihe auf der Beerdigung deiner Mutter.“

 

Eine Beleidigung ist nicht unbedingt schlagfertig. Schopenhauer sagte: Wenn einem die Argumente ausgehen, sollte man zur Beleidigung greifen, denn: "Eine Grobheit besiegt jedes Argument". Wie mit seinem philosophischen Gassenhauer dem kategorischen Imperativ hatte er nur halb recht. Was zählt, ist nicht die Grobheit, sondern die, locker deutsch formuliert, Passgenauigkeit. Beleidigen ist Grenzenüberschreitung üben. Es ist das Einschlagen des Affen auf der Schreibmaschine, auf der er Hamlet schreiben will. Auch Schlagfertigkeit bedeutet Grenzen zu überschreiten. Sich in Gefahr zu begeben. Raus aufs verbale Schlachtfeld zu ziehen. Wieso nicht? Es ist riskant, es kein einen das Ansehen, den Job, und in Neukölln den Kopf kosten. Wie sagte der Menschenfreund Friedrich II.? „Hunde haben alle guten Eigenschaften des Menschen, ohne ihre Fehler zu besitzen.“ Ach nein, das auch, aber berühmt wurde er für: „Ihr verfluchten Racker, wollt ihr denn ewig leben?“

 

Weil wir alle gefühlt schön deutsch sind fangen wir langsam und ordentlich an: Bei der Schlagfertigkeit im Geschäftsleben und unserem liebsten Quälgeist: der Polizei. Ungeduldige, Joker und Anarchisten können gleich zum zweiten Teil, dem Humor springen. Dort bekommen Sexisten, Todesfetischisten, Karnivoren und Veganer ihr Fett weg. Die Harten, Profis und Gregor Gysi können gleich zum Dritten Teil, den Beleidigungen blättern, verdammt nochmal. Wem die Strukturierung noch nicht autistisch genug ist: Es gibt 10 Regeln für Schlagfertigkeit, 11 für Humor und 6 für Beleidigung. Es wird hart, dreckig und gemein. Das hier ist kein Buch für jeden. Mehr noch: Viele sollen es nicht lesen. Wer braucht beleidigende Chefs, lustige Leichenfresser, oder schlagfertige Nazis?

 

Wallah, wer ist dieser Knall, diesdas, isch kenn ihn nicht? Wieso, zuallerletzt, soll ich qualifiziert sein, euch was zu erzählen? Erstens, weil ich genügend Leute in Grund und Boden geredet habe und die mich entweder mögen oder, öfter, hassen. Ich bin kein Typ, der nicht polarisiert. Zweitens, weil mir das scheißegal ist. Drittens, und am wichtigsten, weil die absolute Instanz für Wahrheit, der Verband der öffentlichen Bibliotheken Berlins, auf seiner Website, wenn man auf die wahnsinnige Idee kommt „Beleidigung Schmähschrift“ einzugeben, nur sechs Bücher anzeigt. Zwei davon sind meine. Oder, Racker, wollt ihr lieber „Kunstvolles Schmähen: Frühe toskanische Dichtung und mittellateinische Poetik“ lesen? Selbst wenn: „Die Poetiken bescheinigten der Schmähdichtung ihre Literarizität.“ii Beleidigung, Humor und Schlagfertigkeit sind nicht nur Mittel zum „Erfolg“, sondern ein Spiel, mit dem unser phänomenal trostloses Dasein zumindest unterhaltsam wird. Nach diesem Buch bekommst du entweder deinen Willen, hinterlässt verbrannte Erde – oder einen Regenbogen.

 

Das Schlachtfeld:

 

 Das Schlachtfeld:

I. Höfliche Schlagfertigkeitsstrategien

I. Höfliche Schlagfertigkeitsstrategien

Geschäftlich

Jetzt ist das ein Job. Steige ich auf, wäre es eine Karriere. Wenn das meine Karriere wäre, würde ich mich vor einen Zug werfen.

—JIM HALPERT, THE OFFICE

Gegner: Siegfried

 

Ein junger Mann zwängt sich durch einen Schacht. Der letzte, von 40. Niemand ist erschossen worden, ein Glück. Hinter ihnen der gemächlich vor sich hin gammelnde Fluss, auf dessen Oberfläche zu jeder Tages- und Nachtzeit Gewehrläufe gerichtet sind. Es sind die 80er Jahre und der Staat gegenüber meint, Menschen anhand ihres Ausweises vorschreiben zu können, wo sie hin gehen können. Sie hätten schwimmen können, über die Ostsee, aber dort ertrinken viele. Ein Glück gibt es das nicht mehr, an der Ostsee. Heute hat man wirkliche Probleme, wie Schlagfertigkeit.

 

„Allerdings ist heute, soviel ich weiß, eine Entscheidung getroffen worden.“iii Berlin, ein Filmset. An Ende der bekannten Welt, wo einst das bescheidene Haus mit dem Tunnel in die Freiheit stand, steht heute eine für unchristliche Summen gemietete Villa, ebenso schön gelegen wie geschmacklos. Goldene Löwen bewachen die pseudo-römische Treppe, Chrom schießt durch die Innenräume wie ein in den 90ern eingefrorener Blitz, von den Bildern an der Wand starrt der Sexualtherapeutengutherr wie in realis gefühlt immer ein paar Sekunden zu lange. Sie steht in einem Kreis von Menschen und erklärt. Muss erklären, das ist ihr Job. Die Menschen sind oft älter, was die „Teamhygiene“ durcheinander bringt, den Status. Schlimmer noch, sie sind oft Männer, von denen die meisten pathologisch statusbewusst sind. Dazu hat sie das Pech nicht groß zu sein, und trotz ihres bemüht hässlichen Kunsthochschulpullovers alle Kriterien zu erfüllen, die Sexisten als „heiß“ beschreiben würden. Ihr containerschiffgroßer BMW rammt den Nagel in jeden mentalen Phallus. Die Vermietung hat eine interessante Definition von „Kleinwagen“. Kommunikation war früher Ehre, ist heute Status, und immer ein Gemetzel. Sie muss das ausgleichen, ist freundlich, sachlich, fast grundschulpädagogisch. Es ist fast Satire, oder Theater. Doch kein Ziel ist zu niedrig, um nicht rein zu schlagen.

 

Er betritt die Bühne. Er ist neu, er ist Kameramann, technisch ihr Befehlsempfänger, älter als Sie, aber vor allem ist er er. Sie haben sich noch nie gesehen, absolut unverständlicherweise wird kein roter Teppich für ihn ausgerollt. Er kommt von hinten, sie sieht ihn nicht, sie erdreistet sich noch nicht einmal das Gespräch zu unterbrechen. Er muss wo anders hin, wo er viel dringender gebraucht wird, wie früher Munition auf den Wachtürmen am Ufer. Doch eins wirft er mitten in Ihr zum Begrüßungsabschied Gespräch, wie eine dicke, deformierte Schildkröte:

 

„Tu‘nicht so, als würdest du die bezahlten, dann müssen die ach nicht so tun, als würden sie arbeiten.“

 

Er hat sich entschieden: Siegfried hat die Schlacht eröffnet.

 

Modus: Reaktiv - Kalter Krieg

 

Der Stoiker Zenon von Kition sagte: „Die Mode ist eine charmante Tyrannei von kurzer Dauer.“ In den USA grassiert ein neuer Trend: Schönheitsoperationen. Bei Kindern. Eltern erlauben mehr und früher, was soll man sonst tun, gegen Mobbing? Doch nicht das Arbeitssystem ändern!

Ein Drittel aller US Arbeitnehmer fühlt sich auf der Arbeit gemobbt, 75% aller Schulschießereien gehen auf Mobbing zurück. Die USA, das Land der Unmenschen, steht beim Mobbingindex auf Platz 19. Deutschland? Auf Platz zwei.

 

Auf der Arbeit herrscht der kalte Krieg. Man steht konstant unter Beobachtung, Evaluation, in Konkurrenz. Es ist ein sich täglich bis zum Erbrechen wiederholender Agentenfilm. Man muss sich mit Samthandschuhen anfassen, wenn man nicht terminiert werden will. Obwohl interessanterweise, je höher die Gehaltsklasse, desto loser das Mundwerk. Natürlich ist das knallharte Hierarchie, aber nicht nur. Wer wagt, gewinnt.

 

Winston Chrurchill wurde ein von einer Dame entgegengeschmettert: „Wenn ich ihr Mann wäre, würde ich Ihren Kaffee vergiften“. Er nahm einen Zug an der Zigarre, wie so oft. Ganz nicht der Staatsmann antwortete er: „Wenn Sie meine Frau wären, würde ich ihn trinken.“ Schlagfertigkeit ist nichts, was mit dem Erfolg kommt. Man muss es sich verdienen, vorher. Man muss an einer Entität arbeiten, die um einiges komplexer, wichtiger und erfolgversprechender ist als die Karriere: der Charakter.

 

Das Gute am kalten Krieg Kapitalismus ist: er ist berechenbar. Der kürzlich verstorbene Kulturanthropologe, akademischer Anarchist, Anführer der Bewegung Occupy Wall Street und Miterfinder von deren Motto „We are the 99 percent" David Graeber stellte korrekt fest, dass es keinen Markt ohne politische Grenzen, wie die Einschränkung von Gewalt, gibt. Dass der Kapitalismus von den selbstlosen Gesten der Menschen subventioniert wird. Der Homo Economicus würde an jeder Ecke klauen, drohen und morden, wie es gute Monopolisten tun. So, wie der Coca-Cola in Mittelamerika Gewerkschafter töten ließ, wie Apple kostenlose Apps mit Schutzgeld im I-Store erpresst, wie alle Autobauer mit Abgascomputern bescheißen. Schlagfertigkeit bräuchte er nicht. Da wir aber – marktfeindliche! – Regeln fest gesetzt haben, ist der Krieg ökonomisch und verbal. Das ist besser als die pure Steinzeit und wäre 1802 progressiv. Unsere Arbeitswelt ist berechenbar: jeder wird den anderen maximal ausnutzen. Unter Kindergärtnern weniger als unter Managerinnen, die Brutalität steigt mit dem Einsatz. Aber niemand wird überrascht sein, wenn er in der Arbeitswelt verarscht wir – das ist ihre absolute Essenz. Darauf kann man vorbereitet sein.

 

Intern: Ruhe

 

Was für ein grässlicher Tag Augen zu haben: „Heute zeige ich euch, wie ihr mit diesen fünf einfachen Tricks schlagfertig werdet!“ Sein Hemd ist weinrot, seine Frisur ein zu Tode gefetteter Igel, sein Grinsen aus Stahlbeton, auf der FACS (Facial Action Coding System) Skala eine AU12. Die Augen lachen nicht mit. Das Stewardessenlächeln, oder das eines Lügners, denkt man. Die Worte schiebt er wie Billardkugeln im Mund umher. Sein Dialekt kommt aus der semantischen Hölle zwischen Bayern und Osteuropa. Er redet von „Technik“ und meint Standards. Er hat genau für DICH exklusive unschlagbare Techniken. Er kann keine 30 Sekunden an sich halten, bevor er sein kostenloses Selbsthilfe-“Programm“ anpreist. Es sind monetarisierte Youtube-Videos. Alle zwei Minuten schiebt sich die gleiche Werbung über das Bild: eine grotesk hübsche Frau sitzt im Geschäftskostüm im Zug: „Seit ich mit [Beschissapp] trade, trade ich viel öfter und habe höhere Gewinne.“ Einfache Botschaften für einfache, einsame Geister. In einem haben die Werbebullshitter unfreiwillig recht: Schlagfertigkeit ist wie guter Sex. Das Wichtigste passiert vorher.

 

Zurück zu Siegfried, was sollte die Frau, nennen wir sie Mailie, sagen? Falsche Frage. Richtig wäre: was sollte sie zuerst tun? Das gleiche wie Churchill, idealerweise nur ohne lungenkrebsverursachende Phalli im Gesicht. Der Zug an der Zigarre verschaffte ihm Zeit. Wem sofort nichts einfällt:

 

1. Die Fresse halten.

 

Vor 10000 Jahren (oder in Cottbus) galt es Zeichen der Höflichkeit den Kopf eines Feindes überreichen. Vor 100 Jahren mussten wir knicksen. Heute sollen wir antworten, egal, welcher ungenießbare Wortbrei uns serviert wird, oder es setzt eine mit dem Gürtel. Ein Angriff ist bestenfalls ein Witz, eine Aufforderung zum Spielen, die aber auf deine Kosten geht, wenn du sie nicht annimmst. Schlechtestenfalls ein Niedermachen, ein verbales die Hand an deinem Hinterkopf anlegen, um dein Gesicht vor den Kollegen in den Matsch zu drücken. Du bist Siegfried nichts schuldig. Mehr noch, steht er vor dir und bemüßigt sich, dich niederzumachen, lässt du die Volksarmee einen antifaschistischen Schutzwall des Schweigens aufbauen. Das alleine degradiert ihn zum Aggressor. Es ist nicht die beste Art, einen Arbeiter- und Bauernstaat zu retten (Safe-Spaces funktionieren nie, dazu später mehr), aber als Antwort auf einen Angriff nicht nur verdient, sondern wirksam. Millenials aufgepasst: In den 80ern nannte man das „cool bleiben“. Anspannung ist ein erster Sieg. Jeder gute Agent und Kriegsgefangene weiß: Viele reden sich um Kopf und Kragen. Nur Elfenkrieger wie du haben die Nerven, den Affront des Schweigens zu begehen. Im Englischen gibt es das Wort „awkwardness“, deutsch unbeholfen „Unbehaglichkeit“. Es ist die peinliche, persistente Stille. Lerne sie zu genießen. Unbehaglichkeit heißt, dass dir die Meinung der anderen nicht nur zu viel bedeutet, sondern dass du dich in sie hineinfühlst. Lass das. Geh in deine mentale Pinguinhöle. Stell dir vor das Leben ist ein absurdes Theater und sieh dir an, wie andere unnötig und selbstverschuldet leiden. Zum Glück wird hier niemand grundlos sterben.

 

2. Kontrolliere dein inneres Reptil

 

„Die Menschenheit ist ok, aber 99 % von ihnen sind Idioten.“iv Slavoj Žižek ist nichts für jeden. Seine Vorträge sind ein Rumgestotter, Grunzgewitter und Wolkenbruch aus Speichel. Seine marxistisch-freudianische Theorie ist, gelinde gesagt, virtuos strukturiert, komplex und eigenwillig. Am besten wird er im Nebensächlichen, wie wenn er in "A Perverts Guide to Cinema“ Filme - selbstverständlich freudianisch - kritisiert, oder in „Treffen sich zwei Hegelianer ...“ Witze. Er beschreibt wie im bürgerkriegsgeplagten Ex-Jugoslawien das Herstellen von Freundlichkeit immens wichtig ist. Der Psychologe Mark Leary mit trockener Entrüstung stellt fest, dass wir Verbindungen mit "augenscheinlich sinnlosen Gruppen" suchen.v Was aber, das Gegenüber Slowene, Kroate, oder Mazedonier ist? Kommunist oder Neoliberaler? Veganer oder... Nein Moment, die gibt es im Fleischparadies Balkan nicht. Man versuchen es zu ignorieren, aber, laut Žižek ist „Nichts zu tun [...] nichts neutrales, es hat eine Bedeutung: es sagt „ja“ zu den bestehenden Beziehungen der Dominanz“.vi Bestehend ist leider die latente Feindschaft. Was tut Žižek, wenn er einen alten Bekannten seit langer Zeit wiedersieht, um Freundlichkeit herzustellen? Er beleidigt ihn. Hart und kräftig. Der andere gibt zurück. Niemand nimmt es des anderen übel. Seine Theorie: nur, wenn man sich beleidigen kann, kann man diskutieren: „Der Einzige Maßstab wahrer Liebe ist: dass ihr euch beleidigen könnt.“vii Wahrscheinlich würde er sie mit tonnenweise Freud begründen, was der Grund sein könnte ist: Dinge von Worten zu trennen. Und Worte vom Ego. Er propagiert Stoizismus angesichts der Scheißelawine.

 

Der Erich Mielke Award für maximalen Realitätsabstand geht an: Barbara Berckhan. Die kompetenzbefreite Workshopgeberin rät, du sollst dir „Zeit nehmen, um deine Betroffenheit zu fühlen.“ Das kann man tun, dann wird es eben scheiße. Wieso sollte man? Getroffen zu sein hilft niemandem, im Gegenteil. Nennt man einen Spargeltarzan fett, macht man sich lächerlich. Die Beleidigung greift nicht. Nennt man einen „Mann in den besten Jahren“ mit „ein paar Kilo Liebe mehr zu verschenken“ alt und fett, kann man treffen. Aber nur, wenn wie Simon Meier in seiner Dissertation „Beleidigungen - Eine Untersuchung über Ehre und Ehrverletzung in der Alltagskommunikation“ atemberaubend analytisch schloss, wenn „der Beleidigte beleidigt“ ist. Ehre, Status, Geld, das alles existiert nur als Übereinkunft. Nöllke hält Schlagfertigkeit für das Selbstvertrauen für wichtig. Falsch. Ohne Selbstvertrauen gibt es keine Schlagfertigkeit. Was kümmert einen die Ehre, der Status? Beides übersetzt heute in Geld. Das muss man bereit sein zu opfern, den schlechten Job, die falschen Freunde. Einen guten Spruch kann man noch den Enkeln erzählen. An Verweigerern prallen die Worthülsen ab wie besoffene, herabfallende Eichhörnchen. Betroffen zu sein, ist der erste Schritt des Verlierens, der Unterschied zwischen Selbsthilfeliteratur und Schlagfertigkeit.

 

Wieso gibt es Beleidigungen? Weil sie ökonomisch sind. Wer beleidigt, erlebt nur einen Bruchteil der negativen Emotionen des beleidigten. Untersuchungen haben gezeigt, das ganze Leben durch Beleidigungen in der Kindheit verheert werden können, an die sich der beleidigende nicht einmal erinnert. Andererseits konnten Unschuldige in nur drei Stunden überzeugt werden, ein Verbrechen in den Teenagerjahren begangen zu haben. Die Stoiker hatten dagegen das richtige Rezept: lass es an dir abprallen. „Es sind nicht die Dinge selbst, die uns bewegen, sondern die Ansichten, die wir von Ihnen haben.“, resümierte Epiktet.viii Von Beleidigungen, kann nur getroffen werden, wer unsicher ist. Es dauerte 2500 Jahre bis Psychologen wie Jennifer Campel das in schickem Akademikerslang reformulierten: "[Unsichere] sind stärker beeinflusst von externen relevanten Stimuli." Sprich: Lecker Beeren? Du musst kotzen. Ein Säbelzahntieger am Waldrand? Du verschwindest besser. Eine Beleidigung? Du bist getroffen. Wer reagiert, überlebt. Wer empfindlich ist, überlebt besser. Ein hoch auf die Mimosen. Unser wichtigster Überlebensinstinkt ist unsere soziale Bindung. Zu wissen, wie unser Status in einer Gruppe ist, und ihn oben zu halten, war integral in einer Zeit, in der Menschen auf sich alleine gestellt sich nicht nur langweilten, sondern verhungerten. Was Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet, ist der Grad an abstrakter Kooperation. Leary nennt das unserer Soziometer. Ebenso wie das Bedürfnis Fleisch und extrem kalorienhaltige Nahrung zu essen, ist es eine Steinzeitüberlebenstaktik, die uns heute in den Rücken fällt.

 

Wichtig ist den Angriff zu erkennen. Ob er als einer gemeint ist, oder ein Spaß, oder ein Missverständnis. Missverständnisse können nicht überbewertet werden. „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“, spielt auf Emotion ohne Abstraktion und Missverständnisse an. „Das Gefühl ist im privaten richtig, aber aus der Sprache verbannt!“, lamentieren Selbsthilfecoaches weiter. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Fühlen ist das neue Argumentieren. Missverständnisse, die in Aggression münden, sind häufiger, je niedriger der Bildungs- und Reflexionsgrad ist. Das ist, kurz gesagt, der Grund für Frieden, liebe Kriegstreiber von der CDU, die ihr „ein Ende der Bildungsexpansion“ fordert. Stell sicher fest, dass ein Angriff vorliegt. Ob die zwischenmenschliche „Transparenz“ funktioniert (dazu später mehr). Nichts verwechseln: bei Schlagfertigkeit geht es um das Spiel, nicht um den Einsatz.

 

„Wo viel Gefühl ist, ist auch viel Leid.“, sagte Leonardo da Vinci, ich sage: deine Kollege ist keine Krokodil.. Hormone überfluten uns schneller als einen Teenager beim Anblick eines Knöchels im Bolshoi-Balett. Die Neuronen werden blockiert. Unser Reptilienhirn übernimmt. Was passiert, wenn wir angegriffen werden? Wir sind in diesem Moment nicht, bestenfalls sind wir eine Emotion. Die kohärente Ichillusion wohnt in der Großhirnrinde am Rande des Gehirns. Dort, wo der Mechanismus uns hin projiziert, um produktiver zu sein, oder Urlaub von der Arbeit zu haben. Das Reptilienhirn ist nicht der Urmensch, sondern der Dinosaurier in uns. Wir werden stark, schnell, und dumm. Wir fokussieren uns nur auf eins: früher das angreifende Krokodil, heute der angreifende „Kollege“. Der Unterschied: er ist, unfassbarerweise, keins. Wir werden nicht gefressen. Die Angst, der Fluchtreflex, den wir verspüren, ist sinnlos. Fühle nicht deine Betroffenheit, sondern deine atavistische Dummheit. Tue das, was, obwohl es von Covidioten bis Neoromantikern niemandem gefällt, Zivilisation ausmacht: unterdrücke den Reflex. Nimm dir Zeit. Du bist es dir wert gefühllos zu sein – zumindest wenn das Gefühl kopflose Panik ist.

 

3. Zeig Haltung!

 

„Ich habe mich dabei ertappt, wie ich immer breitbeinig, mit den Händen an der Hüfte und angewinkelten Armen dastehe.“, sagt Mailie. Schlagfertigkeit ist nicht nur semantisch ein Spiel mit Stereotypen (was wissen wir voneinander?), sondern körperlich. Kein Wunder für Mailie, sie hat stereotyp gleich mehrere Nachteile: klein, Frau, gutaussehend. Letztes ist bei Männern ein Vorteil, die Welt ist verdammt ungerecht. Das ist widerlich, aber das ist Syphilis auch, deswegen sollte man sie nicht ignorieren. Andere haben es noch schwerer: Migrationshintergründler, Fremdsprachler, Transsexuelle. Wem das noch nicht politisch unkorrekt genug ist: Schwarze haben das Pech für Weiße fremder zu wirken, können dies aber zum Beispiel als Redner als Autorität umsetzen. Ein Angriff ist eine Grenzüberschreitung, je weiter das Gegenüber gefühlt entfernt ist, desto schwerer wird er. Eine perfide Strategie wäre, wenn Gehbehinderte ihr Manko ausspielen würden, da schlecht höflich gegen sie vorgegangen werden kann. Yannis Varoufakis „Adults In The Room: My Battle With Europe’s Deep Establishment“ ist ein erschütterndes Nachschlagewerk für Schlagfertigkeit gegen dich Macht. Er beschreibt die Erniedrigung von Griechenlands Repräsentanten durch die Troika der EU. Chefunterhändler Wolfgang Schäubles Verständnis von Demokratie und Datenhoheit ist, gelinde gesagt, autoritär. Für Menschen wie ihn wurden in der Forschung mit einem Begriff belegt: „Napoleon-Komplex“. Sprich: Größenwahn.

 

Das ist alles grässlich, sollte geändert werden, aber bis wir im woken Himmel leben muss man damit umgehen. Unser Reptilienhirn ist nur in starre, es schläft nie. Je primitiver ein Merkmal, desto wichtiger. Redewendungen wie „Ein Mann wie ein Baum“, oder „eitler Gockel“ haben einen wahren Kern in der Haltung. Wenn du in einen verbalen Konflikt gerätst, tu das Gegenteil von dem, was die meisten Selbsthilferatgeber schrieben:

 

A) Sieh dein gegenüber an. Das assoziieren wir mit Ehrlichkeit, obwohl es Quatsch ist. Kinn nach oben bedeutet Arroganz, nach unten Unterwürfigkeit. Also wenn, dann hoch damit, du Hengst.

 

B) Wenn du redest, dann laut und tief. Das vermittelt Macht. Der Bergregenfrosch Südafrikas ist klein, hässlich und hat eine bösartige Visage. Seine Verteidigung: er plustert sich auf und schreit wie am Spieß. Feinden vergeht der Hunger.

 

C) „Der Rücken ist die Achillesferse des Körpers.", sagte Lothar Matthäus. Steh aufrecht, am besten breitbeinig. Halte den Rücken gerade, die Schultern zurück, und wenn deine Umgebung voller Missgünstlinge ist, stemme die Hände in die Hüften und halte alle mit den Ellenbogen von dir fern.

 

D) Nicht nicht den Fingern spielen, sie festhalten, an den Haaren spielen (es sei den, du willst jemanden verführen, du Biest) oder andere nervöse, angstvolle Gesten machen. Halte nichts vor dich, der Teddy wird dich nicht beschützen. Der hat selbst eine Angststörung.

 

E) Sei die Kobra, leg die Hände an den Hinterkopf und lasse die Ellenbogen nach außen zeigen. Jetzt bist du ein Großkotz. Setz dir noch eine orangene Perücke auf, zieh dir einen absurd schlecht sitzenden Anzug an, und regiere das mächtigste Land der Welt.

 

F) Verschränke die Arme, wenn du abblocken willst.