Kids X - Pit Vogt - E-Book

Kids X E-Book

Pit Vogt

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Beschreibung

"Kids X" sind Kindergeschichten für Kinder und für Erwachsene. Es sind Fantasy-Geschichten, die aufzeigen, dass es noch Dinge zwischen Himmel und Erde geben könnte, die man sich wohl nicht so recht erklären kann. Aber sind solche Begebenheiten wirklich real? Sind sie vorstellbar oder doch nur Hirngespinste? Beim Lesen der Geschichten könnte die Erkenntnis kommen. Oder es bleiben doch noch Fragen. Dann ist es auch in Ordnung, denn jeder muss selbst entscheiden, ob es unfassbare Dinge gibt oder nicht. Doch ist am Ende nicht auch unser gesamtes Leben irgendwie unfassbar, unbegreiflich?

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Seitenzahl: 160

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Kids X – One

Das Auto

Vorfall

Fische

Yeti

Der Schornsteinfeger

Wunder

Das Licht

Erkenntnis

Die Schreibmaschine

Der Engel

Babyklappe

Schokoweihnachtsmann

Die Quelle

Jobsuche

Krimi

Verkauf

Bist du noch da?

Merkwürdige Geschichte

Lawine

Lederjacke

Der Schatz

Die Kutsche

Die Kapelle

Kids X – Two

Kids X – One

Sarah liebte den Reitsport über alles. An dutzenden Turnieren hatte sie bereits teilgenommen und etliche Pokale gewonnen. Sie war eine Meisterin und die Leute ihrer Stadt waren sehr stolz auf sie. Sarah liebte ihr Rennpferd so sehr, dass sie in ihrem Testament festlegte, es sollte in ihrem Todesfall niemals an Fremde verkauft werden und nach seinem Tod neben ihr auf dem Friedhof beerdigt werden. Und es war seltsam, kurz nachdem sie dieses Testament beim Notar hinterlegte, verunglückte sie bei einem Turnier so schwer, dass sie an den komplizierten Verletzungen verstarb. Die Leute in der Stadt waren bestürzt und konnten es einfach nicht fassen. Es war eine mitreißende Beerdigung und sie bekam von ihrer Schwester Irene, die als einzige Angehörige noch lebte, einen großen naturbelassenen Stein auf dem Friedhof gesetzt. Doch Irene hatte noch ein wenig mehr vor. Sie wollte für Sarah eine Gedenktafel in die Mauer der Rennbahnanlage einsetzen lassen. So viele ihrer Fans und Anhänger wollte es und unterschrieben deswegen eine Petition, welche dem Eigentümer der Reitbahn übergeben werden sollte. Irgendwann ging Irene zu Arnold Hiller, dem Eigentümer der Rennbahn, um ihm diese Petition zu übergeben. Doch Hiller schien nicht sonderlich erfreut von diesem Vorschlag, eine Gedenktafel in die Mauer rund um seine Anlage einsetzen zu lassen. Im Gegenteil, er verwies Irene auf dutzende von Bestimmungen, die es angeblich nicht zuließen, dass so etwas getan werden konnte. Als er auch noch mit diversen Gesetzen kam, wurde Irene wütend und verließ aufgebracht Hillers Anwesen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte und wollte sich Rat bei ihren Freundinnen holen. Doch die zuckten nur ratlos mit den Schultern und konnten ihr nicht weiterhelfen. Eine riet ihr sogar, sich einfach damit abzufinden. Vielleicht wäre das besser so und würde ihr viel Ärger ersparen. Aber Irene war nicht so gestrickt, klein beizugeben. Sie war wie Sarah eine Kämpfernatur und hatte in ihrem Leben schon eine Menge durchgeboxt. Doch in diesem Falle schien auch sie machtlos zu sein. Als sie nach ihrem erfolglosen Besuch bei Hiller nach Hause kam, streichelte sie Sarahs Pferd, welches sie auf ihrem Hof in einer Box pflegte und legte sich ins Stroh. Weinend und schluchzend berichtete sie dem Pferd, was sie soeben erlebt hatte. Sie konnte sich einfach nicht mehr beruhigen und schaute dem Pferd in die dunklen Augen. Und irgendwie schien es ihr, als ob das Pferd ihre Worte verstand. Es scharrte mit den Hufen und nickte immerfort mit seinem Kopf. Dabei prustete es laut und warf seine Mähne in schnellem Wechsel hin und her. Irene schien es, als sei das Pferd wütend, ja sogar aufgebracht. Aber sie konnte es dennoch nicht ändern. Und es tat ihr so unendlich leid. Sarah würde wohl irgendwann in Vergessenheit geraten, wenn sie nicht einmal in der Lage war, eine lächerliche Gedenktafel an dem Ort ihres Erfolges anzubringen. Sie fühlte sich schlecht und gemein. Und sie fühlte sich irgendwie schuldig. Aber sie war wohl zu müde, um sich an diesem Abend noch länger Gedanken zu machen. Total erschöpft und traurig schlief sie schließlich in der Box ein. Hiller hingegen schien es blendend zu gehen. An diesem Abend gab er eine Party. Seine zweifelhaften Freunde, die sich von einer Fete zur anderen soffen, waren zahlreich erschienen und ließen sich von ihrem Gastgeber fürstlich bewirten. Als die Party so gegen Mitternacht langsam zu Ende ging, wollte auch Hiller todmüde ins Bett fallen. Doch er hatte wohl einen zu viel in der Krone und torkelte, statt ins Bett zu gehen, durch seinen verlassenen Garten. Auf einem der Tische entdeckte er noch eine halbvolle Champagnerflasche und setzte sich, um sich diesen letzten Schluck zu genehmigen. Als er sich das Glas füllte, vernahm er plötzlich ein seltsames Geräusch aus dem angrenzenden Gebüsch. Er glaubte, einer der Gäste hätte den Ausgang nicht gefunden und stand auf, um nachzuschauen. Doch im Gebüsch war keineswegs ein verirrter Gast. Mit einem heftigen Satz sprang ihm ein Pferd entgegen: Sarahs Pferd! Hiller erkannte es sofort! Erschrocken versteckte er sich hinter einem dicken Baumstamm und wusste nicht so recht, ob er träumte oder ob das, was er da sah, wirklich real war. Das Pferd bäumte sich auf und schlug mit seinen Vorderhufen heftig gegen den Baum. Hiller bekam Panik und rannte los. Vielleicht erreichte er ja das Haus, bevor dieses wild gewordene Pferd ihn eingeholt hatte. Doch plötzlich stand das Pferd wie ein Geist genau vor ihm. Er wandte sich ab und wollte in entgegen gesetzter Richtung davonrennen. Doch es war umsonst, denn wieder stand das Pferd vor ihm und bäumte sich bedrohlich auf. Hiller wusste nicht mehr, was er tun sollte. Wimmernd fiel er auf die Knie und rief schuldbewusst: „Ja, ich weiß, warum Du hier bist! Aber ich kann keine Gedenktafel anbringen lassen. Die Gesetze.“ Weiter kam er nicht. Das Pferd machte einen riesigen Satz und sprang über Hillers Kopf hinweg. Dann versetzte es Hiller einen deftigen Stoß mit seiner Schnauze, sodass dieser in hohem Bogen ins Gebüsch fiel. Als er wieder zu sich kam, stand das Pferd schon wieder laut wiehernd vor ihm. Hiller flehte das Pferd an, ihm nichts zu tun. Er würde alles tun, was möglich war, um diese Gedenktafel an der Mauer anzubringen. Das Pferd machte noch einen Satz in Hillers Richtung, dann sprang es mit kraftvollen Sätzen davon und wieherte dabei derart seltsam, dass es sich anhörte, als ob es lachte. Hiller, der noch immer nicht fassen konnte, was da eben geschehen war, raffte sich auf und rannte so schnell er konnte ins Haus. Am folgenden Tag klingelte das Telefon schon sehr früh am Morgen bei Irene. Sie wunderte sich, denn sie wollte gerade in ihren kleinen Laden in der Stadt fahren. Am anderen Ende war Hiller. Er versicherte Irene, dass er eine Gedenktafel für Sarah organisiert habe, die noch am gleichen Tage an der Mauer der Rennbahnanlage angebracht werden sollte. Irene konnte es nicht glauben, fragte Hiller, warum er seine Meinung so plötzlich geändert hatte. Doch dieser schwieg eine Sekunde und meinte dann verstört, dass er noch einmal darüber nachgedacht hätte und nun ebenfalls der Meinung war, Sarahs Erfolge entsprechend zu würdigen. Immerhin hätte sie ja der ganzen Stadt Ruhm und Ehre zukommen lassen. Recht schnell beendete Hiller das Telefonat und fragte zum Abschluss Irene, ob das Pferd noch in seiner Box ihres Hofes stünde. Irene wunderte sich sehr und versicherte ihm, dass das Pferd natürlich noch dort sei. Sie sagte, dass es ihm gut ginge und die Box die ganze Nacht über abgeschlossen war, sodass Sarahs geliebtes Pferd nicht weglaufen konnte …

Das Auto

Ted hatte nicht sehr viel Erfolg in seinem Leben. Schon als Kind erkrankte er derart schwer, dass ihn die Ärzte bereits aufgaben. Nur das beherzte Eingreifen seiner Eltern bewahrte Ted vor dem sicheren Tod, in dem sie ihn schnellstens in eine andere Klink brachten. Und so sollte es weitergehen. Die Schule schaffte er mit Müh und Not und als es um eine Berufsausbildung ging, wusste er nicht, was er lernen sollte. Nur ungern verdingte er sich in einem Restaurant und hasste jeden Tag, an welchem er sich von den dortigen Angestellten erniedrigen lassen musste. So gab er irgendwann diesen ungeliebten Job wieder auf. Es folgten lange Zeiten, in welcher ihn einfach keiner einstellen wollte. Und seine Vermittlerin auf dem Amt hatte nichts weiter zu tun, als ihn immerzu in irgendwelche Jobs zu vermitteln, die sonst niemand wollte. Man schickte ihn schließlich von einem sinnlosen Lehrgang zum anderen. Doch einen anständigen Job bekam er einfach nicht. Wegen all dieser furchtbaren Niederlagen in seinem Leben freute es ihn umso mehr, als ihm seine Mutter eines Tages ein kleines Auto schenkte. Damit konnte er wenigstens ein bisschen draußen herumfahren und Mutter meinte immer, dass ihm dieses kleine Auto vielleicht einmal Glück bringen würde. Doch die Jahre vergingen und das Auto war auch nicht mehr so neu wie einst. Mit der Zeit bekam es viele unansehnliche Stellen und etliche Dellen, die den Wert des Wagens stark beeinträchtigten. Ted wusste nicht, welches Glück ihm dieser alte Wagen noch bringen sollte. Er schaute in die Listen, welche den aktuellen Wert des Fahrzeuges angaben. Und traurig musste er feststellen, dass es sich nicht einmal lohnte, den Wagen zu verkaufen. Er musste sich eingestehen, dass er wohl nie mehr Glück haben würde und bis ans Ende seiner Tage arm und bedürftig bleiben müsste. Immer mehr zog er sich in seine winzige Wohnung zurück und fand kaum noch Spaß, überhaupt noch heraus zu gehen. Er schämte sich, in das alte Auto einzusteigen und damit herumzufahren. Selbst seine Nachbarn machten sich schon über ihn lustig und hänselten ihn, weil er als einziger in seinem Hause noch ein solch altes verbeultes Auto fuhr. Es kam so weit, dass Ted die wichtigsten Dinge nur noch abends, wenn es schon dunkel war, erledigte und sich kaum noch aus dem Hause wagte. Und immer öfter dachte er darüber nach, endgültig aus dieser Gegend weg zu gehen. Seine Mutter hingegen versuchte ihn zu beruhigen. Sie meinte, dass sie es genau wüsste, dass auch für ihn einmal der große Tag käme. Er sollte nur Geduld haben. Dann würde alles gut werden. Außerdem sollte er nicht immer auf sein Auto schimpfen, sondern lieber stolz sein, überhaupt ein Auto zu besitzen. Denn obwohl es alt war, konnte er mit ihm noch sehr agil sein. Ted fiel es schwer, sich angesichts der harten Tatsachen, die sein Leben für ihn bereithielten, zu motivieren. Dennoch gab er nicht auf. Zwar ging er noch immer nicht oft unter Menschen, doch er sah nicht mehr alles so schwarz, wie in der vergangenen Zeit. Er versuchte, wieder zu leben. Aber es gelang ihm einfach nicht so recht. Zu schwer wogen die vielen schlimmen Jahre und die unendlichen Enttäuschungen, die er mit den Menschen hatte. Oft weinte er und gab sich seinem Schicksal hin. Und wie er eines Abends mit seinem alten Auto vor seinem Hause parkte, kam ihm die Idee, über sein verkorkstes Leben zu schreiben. Nur, wie sollte er das anstellen. Wen interessierte schon der üble Lebensweg eines Mannes, der kein Geld hatte und mit einem alten verbeulten Auto abends durch die vergessenen Wege seiner Umgebung fuhr. Niemand würde sich für diese hoffnungslose Geschichte interessieren. Als er so hinter seinem Lenkrad saß, begann dieses plötzlich magisch zu leuchten. Es war nur ein kurzer Lichtschein, aber Ted bemerkte ihn und nahm sofort die Hände vom Lenkrad. Was konnte das nur gewesen sein? Irritiert schaute er unter das Armaturenbrett und befühlte das Lenkrad von allen Seiten. Doch da war nichts, was hätte leuchten können. Vielleicht hatte er sich nur geirrt, oder es war ein anderes Fahrzeug vorbeigefahren und dessen Lichtschein war auf das Lenkrad gefallen. Aber plötzlich begann das Lenkrad erneut in kurzen Abständen aufzuleuchten. Wenige Sekunden erstrahlte es in hellem Licht und Ted starrte es erschrocken an. Nein, er hatte sich nicht geirrt, das Lenkrad leuchtete tatsächlich. Was hatte das nur zu bedeuten? Er untersuchte das Fahrzeug, fand jedoch nichts, was auf das Leuchten des Lenkrades hinwies. Da ihn dieser merkwürdige Vorfall derart verwirrte, entschloss er sich, darüber zu schreiben. Er schrieb über sein altes Auto. Und es wurden wunderschöne, gefühlvolle Kurzgeschichten, die er nach einem Jahr harter Arbeit schließlich einem Verlag anbot. Der zeigte sich sehr interessiert und wollte seine Geschichten für ein geringes Entgelt tatsächlich verlegen. Ted konnte es beinahe nicht glauben. Er lieh sich das Geld von seiner Mutter, die zwar auch nicht viel besaß, aber etwas in sich spürte, was alles Geld der Welt aufwog, den Glauben an ihren Sohn. Der Tag der Veröffentlichung rückte immer näher und Ted verließen einmal mehr der Glaube und die Hoffnung an sich selbst. War er wirklich so gut? Taugten seine kleinen Geschichten, um sich in der riesigen bunten Welt der Literatur zu behaupten? Immerhin kannte ihn niemand, lediglich seine Geschichten konnten die Menschen überzeugen, oder eben auch nicht. Tagelang aß er kaum etwas und fühlte sich nicht sehr wohl. Doch seine Mutter machte ihm Mut. Sie wusste, dass er es schaffen würde. Und sie glaubte fest daran, dass sein erstes Buch ein Riesenerfolg werden würde. Seltsamer weise ließ sie sich nicht abbringen von der Überzeugung, dass ihn die Menschen das erste Mal in seinem Leben lieben würden. Sie sah es in ihren Träumen und als schließlich eine seltsame Gestalt mit großen weißen Flügeln an ihrem Schlafzimmerfenster vorüberflog und sie ein seltsamer warmer, angenehmer Hauch umfächelte, wusste sie es ganz genau. Teds Buch würde die Welt erobern! Als das Buch erschien, war Ted nur noch ein wandelndes Nervenbündel. Er wusste gar nicht, wie er sich fühlen sollte. Doch er hatte sich völlig umsonst so sehr geängstigt. Das Buch mit den Geschichten von seinem kleinen alten Auto wurde ein Bestseller und wurde millionenfach verkauft. Außerdem rissen sich die Fernseh- und Radiostationen um ihn. Jeder wollte diesen großen Autor, der solch liebevolle und hoffnungsvolle Geschichten schrieb, kennen lernen. Alle wollten ihn sehen und Ted konnte nicht fassen, welch Glück da plötzlich in seinem Herzen war. Nur seine Mutter wunderte sich nicht darüber. Denn sie hatte es immer gewusst. Dieses kleine alte Auto würde ihrem Sohn einmal Glück bringen. Sie hatte immer an ihn geglaubt und gewusst, dass auch er einmal glücklich sein würde. Ted konnte sich nun hunderte der tollsten Autos kaufen, doch er tat es nicht. Er ließ das alte Auto aufarbeiten und engelsweiß lackieren. Als er eines Abends in sein neu gestaltetes Auto stieg, die bequemen Polster spürte und sich an die alten schlimmen Zeiten erinnerte, die doch voller Liebe und Bescheidenheit waren, fiel sein Blick automatisch auf das Lenkrad. Doch was war das? An der Stelle, wo die Fahrzeughersteller für gewöhnlich ihr glänzendes Label platzierten, befand sich kein Label. Inmitten des Lenkrades glänzte etwas völlig anderes. Vor Teds Augen leuchtete das Bildnis eines kleinen Engels…

Sag mir, wo der Glücksstern ist

Sag, wann geht’s mir wieder gut

Hab den Glücksstern so vermisst

Sag mir, wo mein Glücksstern ist

Ist er Wahrheit oder Trug

Sag mir, wo das Leben ist

Sag, wann geht die Trauer fort

Hab das Leben so vermisst

Sag mir, wo mein Leben ist

Ist´s vielleicht am fernen Ort

Sag mir, wo die Träume sind

Ich lieg wach und träum nicht mehr

Wollt so träumen wie als Kind

Sag, wo meine Träume sind

Bring sie endlich wieder her

Sag mir, wo die Liebe ist

Sag, wann lieb ich tief und heiß

Hab die Liebe so vermisst

Spür, wie du mich plötzlich küsst

Und du sagst, dass ich es weiß

Vorfall

Immer interessierte ich mich für spannende Menschen. Die vielen unglaublichen Charaktere, diese unterschiedlichen Menschen, die oftmals im Verborgenen lebten und nicht erkannt werden wollten, interessierten mich. Und ich hatte wirklich das große Glück, so manch´ außergewöhnliche Menschen kennenzulernen und zu sprechen. An einem vollkommen unspektakulären Tag, als ich mit der U-Bahn zu einem ebenso uninteressanten Termin fuhr, war es wieder einmal so weit. Es war noch früh am Morgen und ich hatte alles andere vor als mich auf Leute zu konzentrieren, die sich in hektischer Gelassenheit durch die U-Bahnschächte zwängten, nur um so schnell als möglich ihren Zielen entgegen zu lechzen. Ich ergatterte an diesem Morgen sogar einen Sitzplatz. Noch einmal schaute ich meine Liste mit den Fragepunkten durch, die ich meinem Gesprächspartner in einem Institut stellen wollte. Mir gegenüber saß ein komischer Zeitgenosse. Er war so merkwürdig gekleidet. Und als ich meine Unterlagen wieder in die Tasche packte, beobachtete ich ihn eine Weile. Der seltsame Mann schien so um die Dreißig zu sein. Mit seinen dunklen, altertümlichen und vollkommen unpassenden Klamotten schien er sich irgendwie verstecken zu wollen. Möglicherweise hatte er den abstrusen Gedanken, sich in dieser überfüllten U-Bahn hinter all den unzähligen Leuten verbergen zu können. Nur, warum? Führte er irgendetwas Unerlaubtes im Schilde? Er schien es zu bemerken, dass ich ihn beobachtete. Auch er musterte mich nun und verzog plötzlich sein Gesicht. Dann sprach er mich an und fragte mich, warum ich ihn so musterte. Dabei redete er so ungewöhnlich leise, dass es mir beinahe Angst machte, diesen Typen vor mir zu haben. Irgendetwas schien merkwürdig an diesem Kerl, keine Ahnung, was es war. Jedenfalls antwortete ich ihm nicht direkt, sondern stellte eine Gegenfrage. Ich wollte von ihm wissen, warum er sich so merkwürdig gekleidet hatte. Doch er wich aus, es war ja nicht anders zu erwarten, und er munkelte etwas von einer wichtigen Sache, die er erledigen müsste. Die U-Bahn ruckelte plötzlich und das Licht flackerte. Ich war einige Sekunden unaufmerksam und als ich mich wieder diesem Fremden widmen wollte, war der verschwunden. Nur, wie konnte das sein – in dieser so überfüllten Bahn konnte er doch unmöglich …

Ich konnte es nicht glauben und versuchte, ihn zwischen all den Leuten irgendwo zu sehen. Doch ich fand ihn nicht mehr und gab es schließlich auf, weiter nach ihm zu sehen. Ich widmete mich wieder meinem Interview, welches in wenigen Minuten starten sollte. Ich durfte auf gar keinen Fall zu spät kommen. Doch es kam natürlich genau so, wie es nicht kommen durfte, die U-Bahn blieb plötzlich auf offener Strecke stehen. Das Licht flackerte noch ein bisschen und dann wurde es still. Die vielen Leute versuchten, sich irgendwie einen angenehmeren Standplatz zu sichern. Dabei wurde das ohnehin schon unerträgliche Gedränge noch unerträglicher. Außerdem wurde es immer wärmer und es schien, als würde die Atemluft knapp. Mein Sitzplatz wurde zur unbequemsten Falle, die ich mir denken konnte. Ich kam weder von dort weg noch konnte ich mich durch die Scheibe, im Falle, es würde eine Notsituation eintreten, fliehen. Alle Wege waren versperrt. Plötzlich sah ich das Gesicht des fremden Mannes, der vorhin noch vor mir gesessen hatte. Doch es war nicht im Wagen, es schwebte vor der Fensterscheibe. Ich erschrak mich fürchterlich, doch ich bemerkte auch, dass es keinem der übrigen Fahrgäste aufgefallen war. Wie konnte das nur sein? Es war doch gut sichtbar? Oder doch nicht? Der Fremde gab mir irgendwelche Zeichen und ich gab mir Mühe, diese zu verstehen. Doch so sehr ich mich auch anstrengte, es gelang mir nicht. Und so zuckte ich eben hilflos mit den Schultern. Der Fremde wies mit seinen Händen immerzu nach vorn. Ich vermutete, dass vielleicht vor der Bahn irgendein Hindernis wäre, und sie deswegen nicht weiterfahren konnte. Die übrigen Fahrgäste bemerkten meine Gestikulation nicht, denn sie hatten genug mit sich selbst zu tun. Das kam mir zu passeungehindert unterhielt ich mich mit dem Fremden vor der Scheibe per Handzeichen und fühlte mich wie ein Gehörloser. Und ich staunte, dass ich diese vermeintliche, von mir erfundene Gebärdensprache so gut beherrschte. Wenn man