Kill den Drill - Melanie Weber-Tilse - E-Book

Kill den Drill E-Book

Melanie Weber-Tilse

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Beschreibung

»Sir, ja, Sir!« Das ist das Einzige, was Sergeant Jared Thomas von seinen Kadetten zu hören erwartet. Doch da hat er die Rechnung ohne Madison Summer gemacht. Die junge Frau will dem Regime ihres Vaters und einer Zwangshochzeit entgehen und bewirbt sich für eine Kadettenausbildung bei einem deutschen Stützpunkt der US Army. Zwischen testosterongesteuerten Männern, Nachtwanderungen und typisch amerikanischem Drill entwickeln sich die Dinge für alle Beteiligten anders, als sie es jemals für möglich gehalten hätten. Eine witzig-romantische Liebeskomödie, die alle Regeln der US Army außer Kraft setzt.

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Inhaltsverzeichnis

Madison - Blindbewerbung

Jared - Blindgänger

Madison - Kondome, nein Danke

Jared - Nachtschattengewächse

Madison - Mund aufmachen

Jared - Klassenfahrt

Madison - Von Gynäkologen und verstauchten Knöcheln

Jared - Fucking Frühlingsgefühle

Madison - Demütigungen

Jared - Stabile Seitenlage

Jared - Sonntagsblues

Madison - Sie sind hier sicher!

Jared - Beschützerinstinkte

Madison - Dann tu es nicht!

Jared - Geständnisse

Madison - Unschöner Besuch

Jared - Aufgeblasene Ärsche

Madison - Unerwarteter Besuch

Jared - Rückschläge

Madison - Karma-Bitch

Jared - Fucking Abschied

Epilog

Kill den Drill

make love not war

Kate Franklin

Melanie Weber-Tilse

»Sir, ja, Sir!«

Das ist das Einzige, was Sergeant Jared Thomas von seinen Kadetten zu hören erwartet. Doch da hat er die Rechnung ohne Madison Summer gemacht. Die junge Frau will dem Regime ihres Vaters und einer Zwangshochzeit entgehen und bewirbt sich für eine Kadettenausbildung bei einem deutschen Stützpunkt der US Army.

Zwischen testosterongesteuerten Männern, Nachtwanderungen und typisch amerikanischem Drill entwickeln sich die Dinge für alle Beteiligten anders, als sie es jemals für möglich gehalten hätten.

Eine witzig-romantische Liebeskomödie,

die alle Regeln der US Army außer Kraft setzt.

Deutsche Originalausgabe, 1. Auflage 2017

Ihr findet uns auf

facebook.com/Kate.Franklin.Autorin

https://kate-franklin.jimdo.com/

www.weber-tilse.com

https://www.facebook.com/miklanie

Herausgeber:

Kate Franklin

c/o

Papyrus Autoren-Club,

R.O.M. Logicware GmbH

Pettenkoferstr. 16-18

10247 Berlin

Melanie Weber-Tilse

Breslauer Str. 11, 35274 Kirchhain

© April 2017 Kate Franklin / Melanie Weber-Tilse

Alle Rechte vorbehalten!

Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der offiziellen Erlaubnis durch die Autoren.

Covergestaltung: Alisha Mc Shaw http://alishamcshaw.de/

Bilder: © daughter, © joephotostudio© fightingfear© BigAlBaloo / depositphotos.com - © blueskyimage / 123rf.com

Korrektorat: Werbeagentur Steger, Inh. Stefanie Steger

Madison - Blindbewerbung

Ich hielt den Briefumschlag in meinen Händen und konnte es nicht fassen. Eigentlich hatte ich nicht wirklich damit gerechnet, dass sie mir überhaupt antworteten würden. Mit zittrigen Fingern riss ich das Papier auf und zog den gefalteten Brief hervor.

Kurz schloss ich die Augen und atmete tief durch. Beim Auseinanderfalten raschelte das Papier und nach den ersten Sätzen segelte es lautlos zu Boden.

Sie nahmen mich. Sie nahmen mich wirklich. Rasch hob ich den Zettel wieder auf und las ihn zu Ende. Dann schaute ich panisch auf das mitgeteilte Datum und verfiel in Schnappatmung. Ich hatte weder mit einer Nachricht, noch mit einer Zusage gerechnet, aber dass ich morgen … Oh! Mein! Gott! … dort auftauchen sollte, zog mir gerade den Boden unter den Füßen weg.

Ich hatte meinen Eltern, vor allen Dingen meinem Vater, eins auswischen wollen. Eigentlich war es gar nicht so ernst gemeint. Aber nun war es bitterer Ernst. Denn ich hatte keine Ahnung, was passierte, wenn ich morgen dort nicht erschien, oder gar heute meinte, per Telefon abzusagen. Mir war schleierhaft, wie ich es geschafft hatte, dass die Army mich nahm, aber sie tat es. Ich hatte durch meine Eltern zwar zwei Staatsbürgerschaften, aber ich war nicht davon ausgegangen, dass sie eine Halbamerikanerin in Deutschland auf einen ihrer Stützpunkte aufnahmen. Ich hatte ja noch nicht einmal gewusst, dass die Army hier in Deutschland ausbildete und mich blind bei ihnen beworben.

Madison, ganz ruhig, rief ich mich zur Räson und sammelte mich. Als Erstes schaute ich nach, was ich alles mitzubringen hatte … Personalausweise, Impfausweis, Sozialversicherungsnummer, Krankenkassenkarte, Lohnsteuerkarte, sollte ich schon eine besitzen, und natürlich meine eigenen privaten Sachen. Da mir von der Army Kleidung gestellt wurde, teilte man mir höflich mit, dass ich nicht so viele eigene Klamotten brauchte. Während der Grundausbildung würde ich meine Wochenenden in der Kaserne verbringen, was mir ganz recht war. Denn wenn ich dort wirklich hinging, würden mich meine Eltern, besser gesagt mein Vater, eigenhändig erwürgen.

Obwohl ich schon 24 Jahre alt war, meinte mein Vater immer noch, über mich bestimmen zu müssen. Ganz schlimm war es geworden, als ich das Studium zur Betriebswirtin abgebrochen hatte und er meinte, da ich ja von seinem Geld lebte, müsste ich mich seinen Regeln beugen. Und Moneten hatte er. Mein Vater war Inhaber der Summer Hotelkette, dessen Standard er aus Amerika nach Deutschland gebracht hatte. Als er meine Mutter bei seinen vielen Reisen hierher kennengelernt und dann geheiratet hatte, blieb er irgendwann ganz in Deutschland. Natürlich war sein Plan, dass ich in seine Fußstapfen trat. Aber das wollte ich nicht. Besonders schlimm war es geworden, als ein neuer potentieller Geschäftspartner aufgetaucht war: Dirk Bender. Dieser Mann sah vielleicht nicht so aus, aber er betrieb eines der erfolgreichsten Modelabels. Der Zusammenschluss von seinen exklusiven Boutiquen, die es dann in den Hotels meines Vaters geben würde, würde die beiden hoch hinaus katapultieren. Allerdings schien sich Bender in den Kopf gesetzt zu haben, mich ehelichen zu wollen. Daher hatte ich mich verzweifelt bei der Army beworben.

Entschlossen holte ich meinen Hartschalenkoffer hervor und begann ihn zu befüllen. Unterwäsche, Socken, Hosen, Shirts, Pullover, Kleider und Röcke … der Koffer wurde immer voller. Und dabei mussten noch die Toilettenartikel, mein Laptop und einiges an Proviant – wer wusste schon, was ich da für Essen vorgesetzt bekam, oder auch nicht – eingepackt werden. Also holte ich noch den Trolley hervor und hatte im Nu, beide Teile fertig und randvoll gepackt.

Danach begab ich mich an meinen PC und checkte die Verbindungen und wurde blass. Ich konnte nicht einfach mal morgen früh mit dem Zug fahren, sondern, wenn ich rechtzeitig um sieben Uhr morgens in der Kaserne sein wollte, musste ich die Nacht über fahren. Da ich sicherlich nicht das gesponserte Auto von meinen Eltern nehmen würde, suchte ich mir die in Frage kommenden Bahnverbindungen heraus und stöhnte. Ich musste die Abfahrt noch heute Abend wählen und da kamen nur zwei Züge in Frage. Entweder war ich nur knapp fünf Stunden unterwegs und würde die Nacht in Böblingen eintreffen, oder ich wählte die Verbindung, die zehn Stunden dauerte, wo ich zweimal umsteigen musste und dann irgendwann um sechs Uhr am Bahnhof ankam. Ich hatte die Wahl zwischen Cholera und Pest.

Ich würde einfach während der Zugfahrt ein Zimmer buchen, in das ich nach meiner Ankunft die Nacht verbringen konnte. Meinen Eltern schrieb ich einen kurzen Zettel, dass ich mich dazu entschlossen hatte, auf eigenen Füßen zu stehen, und mich bei ihnen melden würde. Demonstrativ legte ich die Kreditkarte und den Autoschlüssel neben den Zettel. Zuvor hatte ich mein Sparschwein geplündert, was ich trotz meines nicht mehr jugendlichen Alters besaß und würde damit schon einige Zeit über die Runden kommen. Außerdem würde ich hoffentlich bald mein eigenes Geld verdienen.

Knapp sechs Stunden später, mitten in der Nacht, musste ich an dem verlassenen Bahnhof feststellen, dass es kein freies Zimmer auf die Schnelle zu buchen gab. Ich war fassungslos. Ich überlegte hin und her und entschied mich dann, ein Taxi zu ordern, was mich zur Kaserne brachte. Die würden mich sicherlich nicht vor den Toren stehen lassen, wenn ich die Nacht schon ankam und einen Platz zum Schlafen suchte.

Nein, sie ließen mich wirklich nicht stehen, dennoch gab es für mich keinen Platz zum Schlafen. Stattdessen befand ich mich in einem … Verhörraum, gab es das heute überhaupt noch? Und ich wurde immer und immer wieder gefragt, wer ich war und was ich hier wollte.

»Herr ..«

»Sergeant Miles«, verbesserte mich der Kerl sofort.

»Genau, also Sergeant Miles«, begann ich von Neuem. »Wenn Sie in meinem Trolley nachschauen, da finden Sie das Schreiben, dass ich hier angenommen wurde. Das hab ich aber Ihrem Kollegen auch schon erzählt, und dem davor und …«

»Miss Summer«, begann er und diesmal unterbrach ich ihn.

»Frau Summer, bitte.«

Er stützte sich auf dem Tisch vor mir ab und seine Gesichtsfarbe nahm einen ungesunden Rotton an. »Miss Summer, Sie befinden sich hier auf amerikanischem Boden in einer amerikanischen Einrichtung. Bei der Sie, wenn man Ihnen Glauben schenken darf, heute in einer Stunde als Kadett anfangen werden. Also heißt das ab sofort, weder Frau, noch Miss, sondern nur noch Kadett Summer, haben wir uns verstanden?«

Ich nickte hektisch und war froh, als er sich wieder erhob und nicht mehr so nah mit seinem Gesicht an meinem war. Dank seiner Zeitangabe wusste ich nun, dass ich seit fast sechs Stunden hier saß, mir alle Knochen wehtaten und ich vor Müdigkeit fast umfiel.

Die Tür ging auf und der Sergeant wurde hinausgewunken. Wenn ich nicht bald einen Kaffee bekam, würde mein Kopf vornüber fallen und ich schlief augenblicklich ein.

Als die Tür aufgerissen wurde, zuckte ich zusammen. Noch mehr zuckte ich allerdings beim nun folgenden barschen Ton zusammen. »Kadett Summer, aufstehen und folgen.«

Meine Knochen protestierten, aber ich stemmte mich langsam hoch.

»Geht das nicht schneller?«, spie Miles aus und Spuckefäden flogen wie Geschosse auf mich zu. Fast, wenn ich nicht so steif gewesen wäre, hätte ich mich auf den Boden fallen lassen. So musste ich hilflos mit ansehen, wie sie auf meiner Jacke landeten und ich verzog angewidert das Gesicht. Trotzdem beeilte ich mich, hinter Miles herzukommen, der mir draußen meine Koffer in die Hand drückte. Ich ächzte und wollte gerade die Vorrichtung zum Ziehen der Gepäckstücke herausholen, als ich schon wieder angebrüllt wurde. »Kadett, Sie tragen gefälligst die Koffer per Hand! Wer meint, so ne Scheiße hier mitbringen zu müssen, soll sie auch schleppen.«

»Okay«, gab ich kleinlaut zurück.

»Kadett! Wie heißt das korrekt?«

Verdammt, warum schrie er die ganze Zeit?

»Äh, okay, Sir?«

Er trat wieder ganz dich an mich heran und beugte sich zu mir herab. Unsere Nasenspitzen berührten sich fast und trotzdem schrie er. »Das heißt: Jawohl, Sergeant!«

»Jawohl, Sergeant!«, brachte ich mit fester Stimme hervor, und er schien endlich zufrieden zu sein. Ich dagegen bereute gerade zutiefst, mich hier überhaupt beworben zu haben.

Ich wusste nicht, wie lange ich ihm über das Gelände der Kaserne folgen musste, aber als wir endlich an der Baracke ankamen, die wohl ab sofort mein Zuhause sein würde, war ich nassgeschwitzt und fix und fertig. Schweratmend ließ ich die Koffer in dem mir zugewiesenen Zimmer fallen. Immerhin schien es ein Einzelzimmer zu sein.

»Kadett Summer. Stillgestanden!«

Stöhnend richtete ich mich gerade auf und starrte den Sergeant an.

»Sie haben eine halbe Stunde zum Auspacken, sich einzukleiden und vor das Bett zu treten. Dort warten Sie, bis ihr Ausbilder Sie abholt.« Er wollte gerade gehen und ich die Schulter sinken lassen, zog sie aber sofort wieder hoch, als er sich noch einmal zu mir umdrehte. »Ach und Summer«, nun war ein fieses Grinsen zu erkennen, »spätestens morgen, werden Sie bittend und bettelnd auf den Brustwarzen hier herausgekrochen kommen. Wir brauchen Kadetten, keine Pussys. Verstanden, Pussy Summer?«

»Jawohl, Sergeant«, brüllte ich und er zuckte leicht zusammen. Mein Kampfgeist war geweckt!

Jared - Blindgänger

»Fuck«, fluchte ich heute schon zum x-ten Mal. Meine flache Hand schlug dabei so heftig auf den kleinen Tisch, dass die Kaffeetasse, die darauf ihr Dasein fristete, die braune Flüssigkeit über die halbe Tischplatte verteilte. »Fuck Böblingen!«, stieß ich erneut aus.

Nur weil mein Dad, Command Sergeant Major Roger Thomas, meinte, ein Auslandsaufenthalt würde meinem Lebenslauf ganz gut stehen, hatte ich mich vor sechs Monaten nach Deutschland versetzen lassen. Aber fucking Böblingen war der weitaus beschissenste Ort, an dem ich mich befinden konnte. Ich war Soldat der US Army und saß hier in einem Kaff sondergleichen fest.

Miles steckte seinen kurzgeschorenen Kopf zur Tür herein. »Hey, Torture, kommst du voran?« Müde schaute ich auf die Uhr, die links von mir an der Wand hing. Schief. Weil ich während einer kurzen psychischen Indiskrepanz ein Duell mit selbiger gehabt hatte.

»Joar, geht schon«, gähnte ich gänzlich ohne Manieren und begutachtete den Stapel Akten, der sich immer noch vor mir türmte.

»Ich mach Schluss für heute. Hab morgen früh die neuen Kadetten zur Einweisung.«

»Ich weiß, ich hab die hier grad alle auf dem Tisch liegen. Ein unfassbarer Haufen … also Kadetten, nicht Akten«, schnaufte ich und winkte mit einer lapidaren Handbewegung hinter meinem Kollegen her. Sergeant Liam Miles und ich waren hier von Anfang an für die Kadettenausbildung zuständig. Wir hatten damals ein paar Startschwierigkeiten. Wahrscheinlich weil wir beide Kampfhähne sind, die immer besser sein wollen, als der jeweils andere. Aber ich hatte ihm schnell klar gemacht, dass ich meinen Spitznamen ›The Torture‹ nicht von ungefähr hatte. Seitdem hielt er zu mir und die Fresse, wenn es Unstimmigkeiten gab. Die gab es selten, denn ich hatte ohnehin immer recht, auch wenn wir vom Dienstgrad her auf einer Ebene standen. Liam war das so ziemlich egal. Nationalstolz und Ehre hin oder her, er war mit Leib und Seele Soldat, aber wenn sein Dienst vorbei war, ging er zu seiner Frau und seinem Sohn, die ein wenig außerhalb des Stützpunktes wohnten. Da konnte er dann wieder den Boss spielen.

Vor ein paar Stunden war Staff Sergeant John Moore, mein direkter Vorgesetzter, in mein Büro gerauscht, um einen Stapel Akten fallen zu lassen. »Dies sind die Unterlagen der neuen Kadetten, die morgen früh um sieben hier antreten. Machen Sie sich mit denen vertraut, damit Sie wissen, wer oder was auf Sie zukommt.« Bevor er ging, führte er standesgemäß die rechte Hand leicht schräg an seine Schläfe. »Sergeant Thomas«, nickte er und drehte mir wieder den Rücken zu. Mein Salutieren sah er nicht mehr. Aber es war mir schon so in Fleisch und Blut übergegangen, dass mich das nicht interessierte. Ich salutierte einfach.

Nachdem ich mir einen neuen Kaffee aus der Filtermaschine eingeschenkt hatte, machte ich es mir wieder an dem kleinen Tisch gemütlich. Sofern man von gemütlich in dem Büro eines US Army Soldaten, der weder Frau noch Kinder vorzuweisen hatte, sprechen konnte. Alles war ziemlich karg. Mit den Pflanzen führte ich gerade ein Experiment durch, wie lange sie wohl ohne Wasser über die Runden kämen. Ich war ohnehin lieber draußen auf dem Übungsplatz.

Stöhnend griff ich mir die nächste Akte und schon beim Öffnen konnte ich einen leichten Würgereiz kaum unterdrücken. Wer zur Hölle ließ solche Spackos zur Armyausbildung zu? Dürr wie eine Bohnenstange, blass wie eine Packung Reiswaffeln und der Blick ... na ja ... mit dem würde ich garantiert meinen Spaß haben. Steve, den Namen musste ich mir für später merken.

Die nächsten Unterlagen wurden nicht besser. Dafür wurde ich immer müder. Was sich jedoch schlagartig änderte, als ich eine für meine Begriffe zu dünne Akte zur Hand nahm. Ich stutzte, als ich die ersten Blätter umschlug und zu einem Foto kam, auf dem mich keiner dieser Weichplinsen anglotzte. Sondern ein Mädchen. What the fuck? Wann war die Army zu einem Spielplatz geworden? Plötzlich konnten hier Mädchen reinspazieren und ein bisschen mit Gewehren rumballern?

Ich liebte Frauen, weiß Gott, ich liebte sie sehr. Aber nicht in der Army, zumindest nicht in einer aktiven Truppe oder an einer Waffe. In der Verwaltung maximal. Am liebsten aber waren mir Frauen auf meinem Schoß oder in meinem Bett oder mit ihren Lippen um meinen …

»Shit!« Ohne es zu merken, hatte ich mir den Kaffee, der eigentlich in meinen Mund landen sollte, über die Uniform geschüttet. Nur weil da so ein verschissenes Foto auftauchte, verlor ich jegliche Beherrschung. Schnell wischte ich mir die nasse Flüssigkeit vom Hemd. Noch während ich versuchte, den Schaden zu begrenzen, wendete ich mich wieder dem Bild zu. Eigentlich waren biometrische Passfotos Voraussetzung für eine Bewerbung. Das hier hatte damit jedoch so viel zu tun, wie ein Marienkäfer mit Architekturfotografie. Das Mädchen grinste mir entgegen, ihre langen, dunkelroten Haare fielen offen über ihre Schultern. Von Demut oder dem Willen, sich hier unterzuordnen, konnte ich nicht viel erkennen. Halleluja, das konnte ja heiter werden … Ihr Name ließ darauf schließen, dass sie Amerikanerin war, zumindest eine doppelte Staatsbürgerschaft hatte sie. Wenigstens ein Kriterium, dass sie bedingungslos und auch nachweislich, wie sich einige Seiten später herausstellte, erfüllte. Madison Summer. Na hoffentlich war der Name Programm und sie war so heiß, wie der Sommer, den sie im Namen trug. Ein bisschen Abwechslung konnte nicht schaden. Ich blätterte mich länger als nötig durch ihre Papiere und als ich zu dem Punkt kam, an dem sie in ihrer Bewerbung begründen musste, warum sie zur Army wollte, prustete ich so stark, dass ich den Kaffee an die Wand spuckte. »Holy Shit«, entfuhr es mir. Sie wollte also schon immer wissen, wie eine Kadettenausbildung so läuft. Das kannst du kriegen, Häschen, dachte ich mir und schloss die Akte.

Es war fast Mitternacht, als ich mit den Papieren soweit durch war, dass ich alle Namen kannte und die Gesichter zumindest halbwegs zuordnen konnte.

***

Mit Verlaub gesagt, hatte ich beschissen geschlafen und rieb mir immer noch die Augen, als ich am nächsten Morgen wieder an meinem Schreibtisch saß. Es war gerade mal halb sieben und hier war schon der Teufel los. Nebenan bearbeitete Liam gerade einen der neu gestrandeten Kadetten und ich musste feixen, als ich ihn brüllen hörte. Erfahrungsgemäß verabschiedeten sich zehn der zwanzig Schwächlinge nach den ersten zwei Wochen freiwillig. Am Ende blieb immer nur eine Hand voll übrig, die das hier wirklich wollten. Miles würde die Neuankömmlinge in der Baracke einweisen und dafür sorgen, dass sie pünktlich um sieben stramm standen, wenn wir zu einer ersten Begutachtung auftauchten. Man könnte meinen, für einen Drill Instructor sei das aufregend, in regelmäßigen Abständen junge Menschen an ihre eigenen Abgründe zu führen. Aber für Aufregung war ich zu abgebrüht. Dennoch war es heute anders. Zum ersten Mal würde ich eine Frau in der Ausbildung haben und war gespannt, wie sie sich schlagen würde.

Ein paar Minuten später stand Miles grinsend vor mir. »Die sind alle so arschaufgeregt, das wird ein Spaß«, feixte er dreckig und wir setzten uns in Bewegung.

Punkt sieben sorgte ich dafür, dass die schwere Stahltür der Baracke mit einem lauten Knall aufflog. Zwanzig Kadetten standen vor ihren Etagenbetten und schlotterten mit den Knien. Eine Augenweide für mich und Liam. Wir salutierten in gewohnter Manier.

»Kadetten, stillgestanden!«, brüllte Miles, dass selbst mir die Ohren abflogen. Alter, der hatte ein Organ und eine feuchte Aussprache, da wurde auch der Letzte nass beim Reden. »Das hier ist Ihr Ausbilder, Sergeant Jared Thomas. Er und meine Wenigkeit werden Sie in den nächsten neun Wochen hart trainieren, damit Sie dem Leben in der Army gewachsen sind. Der organisatorische Teil beginnt«, er sah kurz auf die Uhr, »in einer Stunde. Punkt Achthundert finden Sie sich im Klassenraum zwei im Verwaltungsgebäude ein.«

Während Liam seinen Text runterratterte, schaute ich mir die Weicheier an, die hier vor uns standen und Soldaten werden wollten. Nicht zu glauben, wer sich alles dazu berufen fühlte. Aber aus dem einen oder anderen könnte gewiss etwas werden.

Ein großer Koffer fiel mir auf. Er war so groß, dass die dazugehörige Kadettin es nicht geschafft hatte, ihn unter ihrem Bett zu verstauen. Wahrscheinlich hatte sie all ihren Tussikram von zu Hause mitgebracht, den sie hier gar nicht brauchen würde. Make-up und Schmuck waren nicht erlaubt. Es gab nur eine Sache, die für Mädchen hier zugelassen war und das war ihre Monatshygiene. Bevor ich angewidert mein Gesicht verzog, widmete ich mich lieber dem der Kadettin. Sie war hübsch und hatte ebenmäßige Gesichtszüge. Ihre langen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Braves Mädchen. Sie blickte starr geradeaus und selbst von hier aus konnte ich sehen, dass sich ihr Brustkorb schnell hob und wieder senkte. Boobs … Ach du Scheiße, reiß dich zusammen, rief ich mich selbst zur Räson, bevor ich mit meinen Augen überhaupt in die Nähe ihrer Oberweite kam.

»Sie da, das Mädchen«, langsam schritt ich an den Neulingen vorbei und blieb genau vor der Lady stehen. »Genau Sie.« Aufmüpfig reckte sie mir ihr Kinn entgegen, traute sich jedoch nicht, mir direkt in die Augen zu sehen. »Ziehen Sie sich was an, damit Sie den Frischlingen nicht die Stielaugen verdrehen.« Ich fixierte sie mit meinem durchdringenden Blick und lüpfte mit meinem Zeigefinger den Träger ihres Tops.

»Okay«, sagte sie und verschränkte automatisch die Arme vor ihrer Brust, um selbige zu verbergen. Hatte sie gerade wirklich Okay gesagt?

»Wie bitte?« Ich beugte mich vor und flüsterte bedrohlich. »Sie wollten sicher Jawohl, Sergeant Thomas sagen, oder!?« Ihr Blick senkte sich. Armes kleines Mäuschen, dachte ich mir, du wirst dir wünschen, deine Bewerbung nie abgeschickt zu haben.

»Jawohl, Sergeant Thomas«, flüsterte sie.

»Lauter, Kadettin Summer. Niemand kann Sie hören. Oder? Kann jemand hier im Raum hören, was die Dame gesagt hat?« Fragend schaute ich mich im Raum um und erntete verängstigte Blicke und das ein oder andere Kopfschütteln. »Also, noch mal und so, dass es auch die Kakerlake in der letzten Ecke hören kann.«

Ihr hübsches Gesicht war hochrot, ihre Lippen zitterten. Fuck, sie hatte … schöne Lippen … »Jawohl, Sergeant Thomas«, spie sie mir entgegen und entlockte mir damit ein schiefes Grinsen.

»Gentleman«, ich blickte erneut in die Runde, »und Lady, Ihnen bleiben noch 30 Minuten bis zum Beginn der Orgaeinheit.«

Madison - Kondome, nein Danke

Das mit dem Einzelzimmer revidierte ich nach nur fünf Minuten, als um die 20 Männer in dieses hineingetrampelt kamen. Nicht nur ich schaute sie irritiert an, auch die Typen gafften, bis einigen das Grinsen ins Gesicht gemeißelt stand. Na super, das war jetzt wohl ein Witz? Ich sollte mit den allen in einem Raum schlafen … mich umziehen und am besten noch die Dusche teilen?

Das Thema würde ich noch mit meinem Ausbilder besprechen müssen. Es galten doch sicher Regeln, dass Frauen und Männer nicht zusammen untergebracht werden durften.

Ich ignorierte die gierigen Blicke und räumte meine Sachen weiter weg. Es wurde ganz schön eng im Spind und mit einem schnellen Blick versicherte ich mich, dass der neben meinem frei bleiben würde. Den Trolley bekam ich unters Bett geschoben, aber der riesengroße Hartschalenkoffer passte einfach nicht. Ich würde ihn erst einmal an der Seite liegen lassen und später schauen, ob die anderen Kadetten so nett waren, und ihn auf die Spinde hochheben konnten.

Ich versuchte, die Gespräche auszublenden, und drehte ihnen allen den Rücken zu, denn nun galt es, mich umzuziehen. Ich zog Schuhe, Hose und Pullover aus und griff nach der Tarnfleckhose.

»Boah, schau dir den Arsch der Kleinen an. Ich sag dir, ich bin der Erste, der die flachlegt.«

Ich presste die Zähne fest aufeinander, zog mir die Hose und ein Top über, Band mir die klobigen Schuhe und richtete mich dann auf. Einige der Kerle gafften noch immer breit grinsend in meine Richtung und der Möchtegernheld, zwinkerte mir zu.

»Bevor dein mickriger Pimmel in meine Nähe kommt, gefriert die Hölle. Und solltest du es einmal versuchen, dann werde ich ihn dir abschneiden und den Schweinen zum Fraß vorwerfen.«

Es herrschte Stille und alle schauten mich gebannt an. Mir waren die Sätze einfach so herausgerutscht, denn normalerweise war ich nicht so aufmüpfig und ich hatte keine Ahnung, ob ich mir damit nicht gerade selbst mein Grab geschaufelt hatte.

»Scheiße geil«, fing der Typ an zu grölen. »Dachte echt, du bist so eine kleine Pussy, aber hast echt Mumm. Ich bin übrigens Steve.«

»Madison, genannt Maddy.« Bevor wir uns weiter vorstellen konnten, kam einer der Rekruten zurück ins Zimmer gerannt. »Schnell aufstellen, die kommen schon.«

Mist, ich hatte keine Zeit mehr, mir das Hemd überzuziehen. Hoffentlich fiel es denen einfach nicht auf.

Von wegen, es fiel ihnen nicht auf. Mr. Oberbrüller, der mich schon die Nacht gut auf Trab gehalten hatte und Mr. Oberscheiße entging nichts. Und natürlich war ich bei dem neuen Ausbilder gleich unten durch. Okay, wie hatte ich auch nur Okay sagen können? Ich hatte einfach vergessen, dass hier andere Umgangsformen herrschten. Und als der Typ so nah bei mir gestanden war, war mir das Denken echt schwergefallen. Ich war noch nie eine Frau gewesen, die auf Partys ging, Männern hinterherjagte, oder generell sich viel aus ihnen machte. Aber das Aftershave, was um meine Nase gestrichen war, Heiland, diesen Duft würde ich wohl nicht so schnell vergessen. Ich war froh, als die beiden den Raum endlich verließen und zerrte mir schnell das Armyhemd über.

»Brauchst du Hilfe mit dem Koffer?«, vernahm ich da Steves Stimme hinter mir.

»Ja, bitte. Ich hätte gar nicht so viel mitnehmen sollen«, seufzte ich und er winkte einige der anderen zu uns.

Nach der Kofferaktion kannte ich alle Namen, wenngleich mir Peter, Oliver, Daniel, Gregory und so weiter und so fort, im Kopf herumschwirrten, ich aber die Gesichter dazu nicht sortiert bekam. Einzig zwei, die abseits gestanden hatten und mich finster anstarrten, konnte ich ihren Namen ohne Probleme zuordnen: Nicht Beaves und Butt-Had, sondern Robert und Donald. Die beiden würde ich gut im Auge behalten müssen.

»Los, auf geht’s, bevor wir noch zu spät kommen«, scheuchte uns Steve vorwärts und ich war gespannt, was auf uns zukam. Vielleicht würde es doch nicht so schlimm werden.

Es wurde noch schlimmer. Im Klassenraum empfingen uns Mr. Oberbrüller und Mr. Oberscheiße und ließen uns seitenlange Formulare ausfüllen, auf denen wir nicht nur zu unseren bisherigen Leistungen und Abzeichen befragt wurden, sondern auch detailliert unseren Gesundheitszustand wiedergeben mussten.

Bei der Frage nach der sexuellen Ausrichtung, hätte ich fast gelacht, konnte mich aber gerade noch unter Kontrolle halten. Die hatten wohl Angst, dass ihnen einer von den Jungs an ihren Schwanz …

»Finden Sie die Fragen so amüsant, Kadett?«

Mein Kopf ruckte hoch und ich schaute direkt in die stahlblauen Augen von Thomas.

»Nein, Sergeant Thomas, natürlich nicht«, gab ich diesmal korrekt und in einer hoffentlich ihm genehmen Lautstärke wider.

Er schaute auf das Blatt. »Nächste Frage: Hatten Sie schon sexuelle Kontakte? Wie sieht es aus, Summer? Kommt Ihr Kreuzchen bei Ja, oder Nein?«

Aus einer kindischen Laune heraus, hätte ich gerne ein Kästchen dazu gefügt und ›Finde es doch heraus‹, angekreuzt. Ich war mir allerdings nicht sicher, ob er es spaßig fand, geschweige denn, ob er mich nicht gleich hinaus zerrte um es tatsächlich herauszufinden. Daher setzte ich wahrheitsgemäß mein Kreuz bei Ja.

»Sexuelle Ausrichtung? Steht die kleine Kadettin auf harte Kerle, oder doch lieber sanfte Mädchen?«

Ich biss mir auf die Lippe, um nicht einen blöden Kommentar loszulassen, und kreuzte Männer an. Bei jedem anderen wäre Mr. Selbstverliebt einen Schritt zurückgegangen, bei mir dagegen, grinste er breit. »So so, harte Kerle also«, raunte er und drehte sich abrupt weg.

»Blödes Arschloch«, murmelte ich und bekam hektische Flecken, als er stehen blieb. Verdammt, hoffentlich hatte er es nicht gehört. Doch er schaute nur bei einem der anderen auf das Papier und ging dann weiter.

Wenn ich gedacht hatte, dass es mit den Peinlichkeiten jetzt vorbei wäre, dann wurde ich eines Besseren belehrt. Wir folgten, in einer versucht geraden Formation, den beiden Männern und gingen direkt auf das Sanitätsgebäude zu. Deutlich zu erkennen an dem Roten Kreuz auf dem Schild an der Hauswand.

Wir wurden in einen größeren Raum geführt, in dem mehrere Liegen, nur abgetrennt durch einen Vorhang, standen, außerdem Laufbänder, Fahrräder wie aus dem Fitnessstudio und Gerätschaften, die ich nicht kannte.

»Hergehört, ich sags nur einmal«, plärrte Mr. Oberbrüller und ich hatte Mitleid mit den Jungs, die ihm am nächsten standen. Nicht nur, dass sie danach gewiss einen Hörsturz hatten, die Gefahr, dass einer vorher in der feuchten Aussprache ertrank, war weit höher. »Wenn ich geendet habe, hat sich jeder eine Liege ausgesucht und steht am besten schon in Unterwäsche neben dieser.«

Während ich die ganze Zeit geradeaus gesehen hatte, ruckte jetzt mein Kopf zu Miles. Oh Mist, ich hatte natürlich nicht die Unterwäsche der Army angezogen, sondern immer noch meine eigene an. Und das waren ganz sicher kein Sport-BH und Boxershorts.

»Summer«, brüllte der Sergeant und ich zuckte zusammen. »Bewegung.«

Alle waren sich schon am Ausziehen, nur ich hatte in einer Art Todesstarre verbracht. Ich rannte schon fast panisch zur nächsten freien Liege und zerrte mir in Rekordzeit die Sachen vom Leib und stand dann zitternd neben meinen Kleiderhaufen. Im Schwimmbad hast du auch nicht mehr an, ermahnte ich mich.

Ein leises Raunen ging durch den Raum und ich hörte, wie sich schnelle Schritte näherten. Zu beiden Seiten wurden die Vorhänge zugezogen und ein wütender Sergeant Thomas funkelte mich an.

»Sind Sie von allen guten Geistern verlassen, Kadett Summer?«, knurrte er mich an. »Die Army stellt auch Frauen Unterwäsche zur Verfügung.«

Ich räusperte mich, bevor ich ihm antworten konnte. »Es tut mir leid, Sergeant Thomas. Ich … ich war nicht alleine beim Umziehen und …«

»Schaffen Sie keine zusammenhängenden Sätze mehr?«

Ich schaute ihm direkt in die Augen. »Sie haben die Reaktion mitbekommen, was meine Sie, wäre passiert, hätte ich mich nackt vor 20 Männern ausgezogen?«

Er starrte mich einige Sekunden an und ging dann wortlos davon. Keine Minute später warf er mir ein Unterhemd und eine Shorts zu und stellte sich mit dem Rücken zu mir zum Mittelgang, wo es keinen Vorhang gab.

»Umziehen«, befahl er mir knapp und ich zögerte keine Sekunde.

»Fertig, Sergeant Thomas.«

Er drehte sich um, kniff die Augen zusammen, nickte und zog die Vorhänge wieder auf. Bei den anderen hatte der Gesundheitscheck schon begonnen und ich folgte Thomas zu einem Mann im weißen Kittel.

»Doc Forster.«

Der Arzt nickte ihm zu und Sergeant Thomas entfernte sich. Doktor Forster dagegen hielt meine Akte in der Hand und blätterte darin herum. Obenauf konnte ich den Fragebogen erkennen, den wir eben noch ausgefüllt hatten.

»Nun gut. Keine Erkrankungen, keine Allergien, keine Medikamenteneinnahme.« Er sah auf. »Auch keine Antibabypille?«

Ich schüttelte den Kopf. So viel Kontakt zu Männern hatte ich nun nicht, dass ich mir die Pille hatte verschreiben lassen. Der Arzt kramte in einer Schublade, dann drückte er mir ein paar Kondome in die Hand. Fassungslos starrte ich ihn an. »Was soll ich damit, Doktor?«

»Kadettin. Schauen Sie sich um.«

Ich ließ meinen Blick durch den Raum gleiten. Einige der Rekruten saßen, wie ich, bei einem Arzt, andere befanden sich schon auf dem Laufband, oder es wurden Tests durchgeführt.

»Und?«

»Was sehen Sie?«

War das jetzt eine Frage aus einem Idiotentest? Ich hatte keine Ahnung. »Ein Raum, in dem Untersuchungen durchgeführt werden?«, stellte ich vorsichtig eine Gegenfrage.

Er seufzte und schüttelte den Kopf. »Männer. Sie sehen ganz viele Männer. Da wird es sicher nicht ausbleiben, dass Sie auch näheren Kontakt pflegen werden.«

Mir blieb fast der Mund offen stehen, als seine Anspielung in meine Gehirnwindungen durchsickerten. Ich war nicht doof, aber damit hatte ich beim besten Willen nicht gerechnet. Meine Wangen brannten, denn mir war nur allzu deutlich klar, dass er davon ausging, dass ich mit einem, oder sogar mehreren … Sex haben würde.

»Doktor Forster«, begann ich peinlich berührt. »Ich kann Ihnen versichern, dass ich nicht vorhabe, mit einem dieser Männer intim zu werden.« Mein Blick war nochmals durch den Raum gewandert und blieb nun an der großen und breiten Statur von Sergeant Thomas hängen. Schon gar nicht, mit dem heißen Mr. Oberarschloch, schoss es mir durch den Kopf. Oh Gott, ich hatte ihn nicht gerade als heiß bezeichnet? Als ob er meinen Blick in seinem Rücken spüren würde, drehte er sich in dem Moment zu mir um und mein Kopf glich sicherlich dem einer Tomate.

Hastig wandte ich mich wieder dem Arzt zu und drückte ihm die Kondome in die Hand.

Beine tauchten neben mir auf und die tiefe Stimme von Thomas erklang. »Gibt es ein Problem?«

»Kadett Summer hat nur die Ration Kondome ausgeschlagen, die ich ihr vorsorglich mitgeben wollte. Somit besteht kein Problem, Sergeant«, klärte Forster ihn auf.

Wo war das verdammte Loch, wenn man es einmal zum Verschwinden brauchte?

»Geben Sie her, Doc. Ich werde sie für Kadett Summer aufbewahren.«

Mein Kopf flog regelrecht nach oben und ich starrte in das zufrieden aussehende Gesicht von meinem Ausbilder.

»Sie können sich jederzeit an mich wenden, sollten Sie Bedarf haben …«

Ich verschluckte mich fast an der Spucke, die sich im offenen Mund gesammelt hatte. »Sergeant Thomas, das wird nicht nötig sein.«

Er lachte nur und ließ mich wie klein Doofi zurück.

»Nun, dann hätten wir das ja geklärt. Beginnen wir mit den Tests.« Der Arzt lächelte mir neutral zu, aber ganz bestimmt lachte der sich innerlich kaputt. Ich hätte wohl gut daran getan, die scheiß Dinger einfach einzustecken.

Die nachfolgenden Aufgaben waren dagegen absolut leicht zu lösen. Ich hatte weder Probleme meine Zehenspitzen aus dem Stand zu berühren, noch auf dem Laufband eine Zeit lang zu laufen, ohne dass sich mein Puls signifikant erhöhte. Das erstaunte sogar den Arzt und er schaute immer wieder irritiert die Ergebnisse an.

»Sie sind wirklich fit, Kadettin.«

»Ballett bis zum 14. Lebensjahr, danach gewechselt zu lateinamerikanischen Tänzen und jeden Morgen gehen ich meine zehn Kilometer Joggen.«

Ausdauer hatte ich, allerdings wusste ich nicht, wie ich mit den Dingen zurechtkam, die Kraft erforderten. Denn die besaß ich nicht wirklich, Gewichte stemmen hatte nicht auf dem Tanzplan gestanden.

Ich war froh, als wir uns endlich wieder anziehen durften und stopfte mir BH und Slip in die Hosentasche. Wenn ich nicht bald einen Kaffee bekam, würde ich im Stehen einschlafen. Ich war jetzt fast 30 Stunden wach und so langsam zeigte sich der Schlafmangel auch in der Konzentration. Beim Marsch in den Speisesaal wäre ich dem Vordermann fast hinten reingerannt. Nur das beherzte Zugreifen von Steve bewahrte mich davor, wieder vor allen von Miles oder Thomas niedergemacht zu werden.

Nachdem ich mir das Essen und einen doppelten Espresso auf mein Tablett gestellt hatte, winkte mich Steve zu sich an den Tisch. Die Kantine füllte sich langsam mit Soldaten und ich wurde eingehend gemustert. Kannten die hier keine Frauen, oder warum gafften die Männer? Wenn mir jetzt noch einer Erdnüsse, wie den Tieren im Zoo, zuwarf, würde ich dem nächsten mein Essenstablett über den Kopf ziehen und danach gemütlich meinen Kaffee schlürfen.

Ich ließ mich neben Steve auf den Stuhl fallen und ignorierte die Blicke der anderen.

»Übrigens, heiße Unterwäsche, Maddy.« Steve klopfte mir auf die Schulter und ich warf ihm einen bösen Blick zu.

»Wenn du nicht den Espresso, den ich eigentlich ganz dringend selbst benötige, in deinen Schritt geschüttet haben möchtest, lässt du deine Finger bei dir und die anzüglichen Bemerkungen schluckst du am besten runter«, knurrte ich. Heiland, der Schlafentzug brachte meine schlechtesten Seiten zum Vorschein. Unter normalen Umständen hätte ich mich nie getraut, so aufzutreten.

»Okay, okay. Wobei das Wort Schlucken …«, er zog den Kopf ein und hob beschwichtigend die Hände. »Unverfängliches Thema: Warum hast du dich bei der Army beworben?«

»Wegen der ganzen Männer hier war es auf jeden Fall nicht«, meinte Oliver, oder war es Gregory?, einwerfen zu müssen.

Ich ließ nur ein unverständliches Brummeln hören und widmete mich lieber meinem Kaffee, der viel zu bitter schmeckte und mir ganz sicher das Herz aus der Brust springen lassen würde.

Während des Essens hielt ich mich aus den Gesprächen raus und ließ lieber meinen Blick durch den Raum gleiten. Tatsächlich gab es wenige Frauen, und die meisten von ihnen, hatten am Arm das Zeichen für die Sanis. Entweder war ich die Einzige, die so bescheuert war und meinte, in einer aktiven Einheit mitmischen zu müssen, oder alle anderen hatten sich versteckt.

---ENDE DER LESEPROBE---