Kim - Christa Bohlmann - E-Book

Kim E-Book

Christa Bohlmann

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Beschreibung

Die beliebte Krankenschwester Kim ist spurlos verschwunden. Ihre Kolleginnen bestätigen, dass Kim gegen 21 Uhr das Krankenhaus verlassen hat. Ihr Auto steht nach wie vor auf dem Mitarbeiter-Parkplatz am Bassumer Krankenhaus. Kims Freund Fabian, ihre Eltern und ihre Kolleginnen sind sehr besorgt. Fabian verständigt die Kripo und die Kommissare Schuster und Schneider versuchen alles, um den mysteriösen Fall zu lösen. Bald ist klar, wer für Kims Verschwinden verantwortlich ist. Kim lebt nicht mehr, ihre Leiche wurde in einem der Stiftsteiche versenkt. Der Fall bleibt rätselhaft. Welche Rolle spielen die Brüder Frank und Martin? Spannung pur bis zur letzten Seite.

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Seitenzahl: 123

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kim

04. März

30. März

31. März

16. April

Vorwort

Manchmal kommt es anders als man denkt. Ich hatte nicht vor, ein weiteres Buch zu schreiben, doch dann wurde mir die Äußerung eines meiner „Fans“ zugetragen: „Ich hoffe, sie schreibt noch mal einen Krimi“.

Diese Worte reizten mich sehr und schon nach ein paar Tagen, als ich auf der Couch liegend entspannen wollte, kreisten meine Gedanken um einen neuen Krimi. Schnell bildete sich der rote Faden, an den ich mich ziemlich gehalten habe.

Doch dann musste ich eine Zwangspause einhalten. Nachdem meine Augen mit neuen Linsen versehen wurden, konnte ich wochenlang nicht am Computer arbeiten.

Meine Gedanken kamen nicht zur Ruhe und im Kopf speicherte ich Abschnitt für Abschnitt. Ich war also gut vorbereitet und konnte nach ein paar Wochen Seite für Seite füllen.

Alle Personen sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder bereits verstorbenen Menschen wäre rein zufällig.

Für die Fehlersuche waren Elske, Petra und Rosi zuständig. Herzlichen Dank dafür, meine Lieben.

Ich danke ebenfalls Alfred für das schöne Titelbild und Eckhard für die technische Beratung. Natürlich auch meinem Heinz für sein Interesse und seine Geduld.

Kim

Die Familie Lampe wohnte seit Jahr und Tag in Bassum am Hafter Weg in ihrem ländlichen Anwesen. Der Vater Fritz hatte das im Jahr1905 gebaute Haus geerbt. Er ging seit vielen Jahren seinem Beruf als Elektriker in einem Bassumer Betrieb nach. Auf dem kleinen Hof wurden ein paar Schweine gemästet, Hühner fanden reichlich Nahrung, denn sie konnten frei herumlaufen. Hund und Katze durften natürlich nicht fehlen. Die Frau von Fritz, Alma, sorgte für die Familie und Haus und Hof. Die beiden Söhne waren sehr unterschiedlich. Der Älteste, Frank, war ein kluges Köpfchen. Nach einem sehr guten Abitur-Abschluss studierte er in Hannover und wollte sich später um einen Job im IT-Bereich bemühen. Bei seinem Können und seiner aufgeschlossenen Art sollten ihm alle Türen für eine erfolgreiche Berufslaufbahn offenstehen.

Sein jüngerer Bruder Martin war „zurückgeblieben“, wie seine Mutter es bezeichnete.

Martin schaffte die Schule nicht, nicht einmal die Sonderschule, die sich mit Kindern wie Martin befasste. Martin war, wo auch immer, ein aufsässiger Störenfried. Er quälte die Hühner, wenn es ihm in den Sinn kam und schlug mit einem Stock auf die Schweine ein. Oft bremste ihn der Hofhund Leo und das war gut so. Manchmal half Martin in der Erntezeit bei einem Bauern in Ringmar. Dann fuhr er mit dem Fahrrad zu seinem Einsatzort. Martin strotze vor Kraft und war bei der Feldarbeit gut einsetzbar. Ein Versuch, Martin in einer Einrichtung für Behinderte unterzubringen, war gescheitert. Mutter Alma fand, dass das Leben mit Fremden für ihren Sohn nicht zumutbar war. Die Betreuer gaben sich alle Mühe, doch Martin wollte sich nicht einordnen. Es blieb bei dem einen Versuch. Seine Mutter empfand das alles gar nicht so schlimm und hielt ihrem Jüngsten immer wieder die Hand vor den Hintern. Sie verschwieg ihrem Mann die meisten Vorfälle, die Martin wieder einmal verzapft hatte.

Martin saß viel vorm Fernseher und schaute sich Filme an, in denen es um Gewalt ging. Horrorfilme schaute er am liebsten. Oder aber auch Liebesfilme, denn längst hatte er seine Männlichkeit entdeckt, die er immer unterdrücken musste. Wenn Alma Martins Stöhnen vor der Tür wahrnahm ging sie später in einem geeigneten Moment in sein Zimmer, um die Bettwäsche zu wechseln. Oft wartete Martin hinter der Hecke, um Frauen zu belauerrn, die mit dem Fahrrad unterwegs waren. Er beobachtete, wie sie kräftig in die Pedale treten mussten, wenn sie in Richtung Ringmar unterwegs waren und die Hafter Höhen „erklimmen“ mussten. Das war inzwischen nicht mehr so interessant, weil viele ihr Fahrrad durch ein E-Bike ersetzt hatten. Viel mehr Freude machten ihm die Frauen, besonders die jungen, wenn sie bergab rasten, vielleicht noch mit Rückenwind. Dann hoffte er, einen Blick unter einen vom Wind hoch gewehten Rock zu erhaschten. Es faszinierte und reizte ihn, wenn die langen Haare der Frauen im Wind so wild wehten. Er kannte inzwischen die

Zeiten, wenn sich die Frauen auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Rückweg befanden.

Der sympathische Frank hatte sein Studium inzwischen beendet und in Berlin seinen Traumjob gefunden Er verliebte sich Hals über Kopf in eine Kollegin. Für ihn war die Welt in Ordnung, er hatte das große Los in jeder Hinsicht gezogen. Inzwischen war er 26 Jahre alt.

Oft dachte er an seine Heimat, an seine Eltern und den schwierigen Bruder Martin, der gerade seinen 21. Geburtstag gefeiert hatte. Frank schämte sich fast, wenn er sich eingestand, dass er ohne seine Familie besser leben konnte. Nie hatte er zuhause die Hauptrolle spielen können, denn für Aufmerksamkeit und Fürsorge war Martin der Empfänger. Er, Frank, war ein Selbstläufer gewesen.

Zu Weihnachten fuhr er nach Bassum und verbrachte dort auch ein paar Tage seines Jahresurlaubs. Allein! Bislang hatte er seiner Freundin Sabrina die Familie nicht vorgestellt. Jedes mal war er froh, bald wieder zurück nach Berlin fahren zu können.

In einem Jahr würde Fritz in Rente gehen. Unvorstellbar für ihn, den ganzen Tag Martins Macken ertragen zu müssen.

Martin hätte schon als Kind in eine andere Obhut gehört. Vielleicht hätte er sich unter Anleitung von geschultem Personal besser einordnen können. Doch seine Mutter Alma wusste das zu verhindern und setzte sich immer wieder durch. Inzwischen musste sie zugeben, dass sie das Zusammenleben mit Martin oftmals überforderte.

Der erfreute sich seines Lebens, denn er hatte zuhause Narrenfreiheit. Er brauchte sich um nichts zu sorgen, denn er wurde in jeder Hinsicht versorgt. Unterstützung bei der Haus- oder Gartenarbeit leistete er nicht.

Wenn der Landwirt Hadeler in Ringmar geeignete Arbeit für Martin hatte, gab er Bescheid. Dann war der stolz wie ein Spanier, weil er sich ein paar Euros verdient hatte.

Doch dann geschah ein fürchterliches Unglück.

04. März

Fritz begleitete seine Alma nach Bremen zum Augenarzt, denn ihr stand eine Operation bevor. Nach einer eingehenden Untersuchung hatte Alma für ein paar Stunden Fahrverbot. Aus diesem Grund hatte Fritz den Fahrdienst übernommen. Martin war allein zu Haus geblieben. Alma hatte ihm Schnittchen gemacht und ihm geraten, seine Zeit vor dem Fernseher zu verbringen. Auf der B 51 von Bassum nach Bremen gilt meist die Geschwindigkeitsbegrenzung von 70 kmh. Auf nur wenigen Teilabschnitten darf schneller gefahren werden.

Das Verkehrsschild, das die Geschwindigkeitsbegrenzung aufhebt, war in weiter Ferne zu sehen, als ein BMW-Fahrer zwei hinter Lampes fahrende und auch Fritz überholte. Der Raser blieb auf der Gegenfahrbahn, um auch noch den Lastzug zu überholen. Er raste mit hoher Geschwindigkeit in den Gegenverkehr. Der Lkw-Fahrer bremste abrupt, weil er das Unglück kommen sah. Fritz konnte nicht rechtzeitig bremsen und fuhr auf den LKW auf.

Trümmerteile, verletzte Menschen und Autowracks auf beiden Fahrbahnen. Nachfolgende Autofahrer alarmierten die Polizei und die Rettungsdienste. Sie versuchten Erste Hilfe zu leisten, aber es war erkennbar, dass hier kaum noch geholfen werden konnte.

Der Notarzt stellte den Tod des Rasers und Fritz’ Tod fest. Das junge Paar aus dem entgegenkommenden Ford war ebenfalls schwer verletzt. Die Feuerwehr musste die eingeklemmte Beifahrerin aus dem Wrack befreien. Alma überlebte schwer verletzt. Sie war nicht ansprechbar. Mit dem Hubschrauber wurde sie in eine Bremer Klinik verbracht. Sie hatte schwere Schädelverletzungen, ein Bein schien gebrochen zu sein.

In einem Taschenkalender aus Almas Handtasche war zu lesen:

Im Notfall zu benachrichtigen

Frank Lampe mit Berliner Telefonnummer und Adresse. Kurz darauf überbrachte ein Polizeibeamter Frank die Schreckens-Nachricht. Der setzte sich umgehend ins Auto und fuhr in Richtung Heimat. In seinem Kopf drehte sich ein schauriges Gedankenkarussell.

Sollte er zuerst nach Bassum fahren um nach Martin zu schauen, oder war es besser, seine Mutter im Krankenhaus zu besuchen? Frank entschied sich, zuerst nach seiner Mutter zu sehen, die ins Krankenhaus Bremen Mitte gebracht worden war. Sein Herz schlug wie wild, als er an der Rezeption nach der Zimmernummer seiner Mutter fragte. Man beschrieb ihm den Weg zur Intensivstation, denn dort sollte Alma liegen. Hier musste er erst Schutzkleidung überziehen, bevor er ans Krankenbett treten konnte. Beim Anblick seiner Mutter war Frank sehr erschrocken, denn sie hatte auch etliche Gesichtsverletzungen davongetragen. Zum Glück war sie ansprechbar. Ihre erste Frage galt Martin, der ja allein zuhause geblieben war. Frank musste genau zuhören, um Alma verstehen zu können, denn ihre Stimme war sehr schwach.

„Wenn ich das hier nicht überlebe, dann versprich mir, dich um Martin zu kümmern. Komm aus Berlin zurück und such dir in Bremen einen Job. Du kannst das Haus nach deinen Wünschen umbauen. Vater wird dir dabei bestimmt helfen. Er wird sich auch um Martin kümmern, denn er ist ja bald Rentner. Frank, versprich mir, kümmere dich um Martin.“

Bevor Frank antwortete, schloss sie die Augen und war eingeschlafen. Mein Gott, sie wusste nicht, dass Fritz den Unfall nicht überlebt hatte.

Frank zitterte am ganzen Leib. Lange hatte er weder gegessen noch getrunken. Bevor er sich darum kümmerte, versuchte er, mit einem Arzt zu sprechen. Der klärte Frank über den bedenklichen Zustand seiner Mutter auf: Die Verletzungen waren immer noch lebensbedrohend.

Frank wusste, dass er hier nichts für seine Mutter tun könnte und fuhr, nachdem er sich etwas gestärkt hatte, in Richtung Bassum.

Jetzt lag die nächste schwierige Aufgabe vor ihm, denn er musste seinen Bruder über den schrecklichen Unfall informieren.

Gerade als er die Bassumer Innenstadt erreicht hatte, klingelte sein Handy. Sofort hielt er an, um das Gespräch aus dem Krankenhaus Bremen Mitte anzunehmen. Er erhielt die traurige Nachricht, dass nun auch seine Mutter Alma verstorben war. Für Frank brach eine Welt zusammen. Wie sollte es bloß weitergehen? Seine Mutter hatte ihn gebeten, sich um Martin zu kümmern, sollte sie den Unfall nicht überleben. Verbal hatte Frank nicht darauf reagiert, hatte aber kräftig zustimmend genickt. Er hatte seiner Mutter praktisch am Totenbett ein Versprechen gegeben. Versprechen muss man halten, so war Frank erzogen worden.

Wie würde Martin reagieren, wenn er vom Tod seiner Eltern erfahren musste? Vielleicht hätte er einen Polizeibeamten hinzuziehen sollen, damit Martin überhaupt begriff und auch glaubte, was da Schreckliches passiert war. Einen Notfall-Seelsorger hätte er um Begleitung bitten sollen.

Aber zu spät. Franks Wagen bog schon auf das Anwesen der Familie Lampe ein.

„Was willst du denn hier?“, fragt Martin seinen Bruder, auf dessen Erscheinen er nicht gefasst war. Martin war hungrig und hielt nach seinen Eltern Ausschau. Es war längst an der Zeit für das Abendessen. Martin war sauer, dass seine Eltern ihn so lange allein gelassen hatten. Behutsam legte Frank seinen Arm um Martins Schulter, der sich sofort befreite.

„Hör zu Martin, es ist etwas Schlimmes passiert. Mama und Papa hatten einen schweren Unfall.“

Martin unterbrach seinen Bruder:

„Und? Ist das Auto kaputt?“

„Ja, Martin das Auto ist auch kaputt. Aber Mama und Papa sind tot.“

„Du lügst, du lügst. Du bist böse, ganz ganz böse.“

Martin wollte Frank an die Gurgel gehen, was der gerade noch abwehren konnte. Aufgebracht rannte Martin ins Haus und schloss sich in seinem Zimmer ein. Frank hörte, wie sein Bruder weinte, schrie und fluchte. Es war, als würde er Frank, der nur Überbringer der Todesnachricht war, für den Tod seiner Eltern verantwortlich machen.

Frank schaute in den Kühlschrank und machte ein paar Schnittchen für Martin und für sich selbst. Vielleicht wäre Martin dadurch etwas zu beruhigen. Dann hatte Frank die Idee, Martin um Hilfe zu bitten. Seit Jahren hatte er den Schweinestall nicht mehr betreten. Sicher war, dass auch die gefüttert werden mussten. Was bekamen sie in ihren Trog? Frank wusste es nicht. Es würde besser sein, die Schweine so schnell wie möglich abzuschaffen. Dazu wollte er sich mit dem Bauern Hadeler in Verbindung setzen, auf dessen Hof Martin zeitweise aushalf. Dann könnte er dort gleichzeitig die Todesnachricht überbringen.

Behutsam klopfte Frank an Martins Tür und stellte das Abendessen in Aussicht. Mit verheultem Gesicht öffnete Martin die Tür. Als Frank seinen Bruder um Hilfe bei der Versorgung der Schweine bat, wurde Martin zugänglicher.

Frank sah einen riesigen Berg vor sich, der sich kaum erklimmen ließ. Was hatte er alles zu regeln! Er musste in Berlin um Urlaub bitten, die Beerdigung seiner Eltern organisieren, die Schweine unterbringen, mit seiner Sabrina sprechen und immer wieder Martin besänftigen.

Jetzt schon stellte sich die große Frage: Konnte er in Berlin bleiben?

Ja, er hatte zustimmend genickt, als seine Mutter ihn in ihrer letzten Stunde um Hilfe und Unterstützung bat. Sollte er tatsächlich seinen lukrativen Job in Berlin aufgeben und sich einen neuen Arbeitsplatz in Bremen suchen? Sollte das seine Zukunft sein, so musste er versuchen, einen Platz für Martin in einem Wohnheim der Lebenshilfe zu finden.

Ziemlich sicher war Frank, dass seine Eltern kein Testament hinterlassen hatten. In dem Fall wären Martin und er Erben zu gleichen Teilen. Aber Martin war nicht geschäftsfähig.

Alma hatte früher alles, aber auch alles für ihren geistig zurückgebliebenen Sohn geregelt. Sie war der Meinung, dass es nicht erforderlich sei, eine Betreuung für Martin bei Gericht zu beantragen. So manche Unterschrift hatte sie an Martins Stelle geleistet. Immer hatte sie sich bemüht, Martins Zustand zu beschönigen oder eben auch zu verbergen.

An Schlaf war für die Brüder in dieser Nacht nicht zu denken. Martin fluchte, heulte und zeterte, dabei war er völlig grundlos immer noch sauer auf Frank.

Der hatte sein Bett in seinem früheren Kinderzimmer gerichtet. Obwohl Frank hundemüde war, konnte er nicht einschlafen. Zuviel hatte er zu tun. Den Bestatter hatte er schon angerufen, ein Treffen mit ihm würde morgen früh stattfinden. Der Pastor wollte ins Haus kommen, um näheres über die Lebenswege der Lampes zu erfahren. Frank hatte sich entschlossen, die Eltern auf dem Familiengrab beizusetzen. Sollte er sich für eine Erd- oder Feuerbestattung entschließen?

Diese Entscheidung musste er vermutlich allein treffen. Da Martin schon immer Angst vor Feuer hatte, war eine Erdbestattung vermutlich die bessere Entscheidung. Wäre doch nur seine Sabrina hier. Könnte er nur die Zeit zurückdrehen, dann würden seine Eltern noch leben und er könnte sein perfektes Leben in Berlin führen. Sabrina war ein Stadtmensch. Würde sie ihm folgen, wenn er wieder zurück nach Bassum zöge? Irgendwann schlief auch Frank vor Erschöpfung ein. Wilde Träume begleiteten seinen Schlaf.

Ziemlich stumm saßen die Brüder morgens am Frühstückstisch. Zum Glück hatte Martin sich einigermaßen beruhigt.

„Ich muss noch meine Tabletten einnehmen“, erinnerte Martin.

Tabletten? Frank zog die Schublade auf, in der zahlreiche Tablettenpackungen lagen. Welche waren für Martin? Der konnte nicht dabei helfen, seine Mutter hatte sie ihm morgens und abends bereit gelegt. Frank blieb nichts anderes übrig, er musste sich erst telefonisch beim Hausarzt erkundigen, welche und wie viele Medikamente Martin einnehmen musste. Während er noch in der Warteschleife hing, klingelte der Bestatter. Wäre der Anlass nicht so traurig, hätte Frank nie einen so einfühlsamen hilfsbereiten Menschen kennen gelernt. Sicher hatte der schon jahrelang Erfahrungen gesammelt, aber er dachte an alles und nahm Frank die Behördengänge ab. Stumm blieb Martin mit am Tisch sitzen, wurde aber plötzlich ungeduldig und erinnerte Frank an die Fütterung der Schweine.